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Kaugummi [Drabble]


 
 
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Charlie Brokenwood
Eselsohr


Beiträge: 208



Beitrag23.02.2024 15:36

von Charlie Brokenwood
Antworten mit Zitat

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Ich denke schon die ganze Woche über Schreiben/Lesen und Gefühle nach, habe auch schon einige Male Kommentare angefangen, die ich dann doch wieder weggeklickt habe, vor allem deshalb, weil ich dachte, dass es letztendlich doch nur um mich und eine ganz konkrete Frage in Bezug auf mein Schreiben gegangen wäre. Und es doch irgendwie vermessen wäre, den zufälligen Aufhänger hier im Faden dafür auszunutzen.


Ich denke, der Faden ist dafür sehr gut geeignet, weil die Texte sich so gut dafür eignen. Mit so kurzen Texten ein Gefühl rüberzubringen, da muss man schon sehr präzise sein.

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Ob die Gefühle, die bei mir während des Lesens entstehen, auch für andere "da sind" oder ob die nicht doch sehr viel mehr mit mir zu tun haben. Und ob es dann auch eine Art "Übereinstimmung" zwischen Autor und Leserin geben muss, also könnte ich überhaupt Gefühle herauslesen, die ich gar nicht habe?


Das ist eine Frage, die ich mir, seit ich hier im Forum lese, auch sehr oft stelle.

Mittlerweile bin ich zur Überzeugung gekommen, ich mag Geschichten, die "klar" sind und nicht zu viele Ebenen haben deshalb viel lieber, weil sich mir darin der Autor nicht "aufdrängt".
Wird die Geschichte zu verkopft, dann beginne ich automatisch über den Autor nachzudenken und über die Botschaften, die er mir vermitteln will - und eigentlich mag ich den Autor nicht im Kopf haben, wenn ich eine Geschichte lese, ich will, dass sie für sich selbst steht, dann bleibt mir mehr eigener Interpretationsspielraum (war das hoffentlich verständlich?)

Zum "Schreien"
Ich meine herauszulesen, dass es um zwei Personen geht. Sonst wäre die Persönlichkeit schon sehr gespalten. Und wenn es sich um zwei Personen handelt, dann müssen es hörbare Schreie sein (Kommunikation, es ereignet sich in der Nacht).

Das Mensch, das schreit, hat mein tiefstes Mitgefühl - wie auch immer dessen Geschichte ist, ich meine zu fühlen, dass man es ernst nehmen sollte.

Die Erzählstimme allerdings zeigt für mich wenig Mitgefühl. Wirklich sehr kopflastig und auch "kalt". Für mich liest es sich so, als ob nur eine Erklärung für das Schreien gesucht wird, damit es nicht mehr "belästigt", dann kann man es abhaken, nur wenn es die Erzählstimme direkt betrifft, ist es störend: "Dann beunruhigt es mich ein wenig". Solange das Schreien weit genug vom eigenen Er-Leben wegbleibt, solange "stört es mich nicht". Die Schreie werden eher "seziert" als beachtet.

Und damit wäre ich bei den verstörenden Bildern von Jenni und gefühlt verursacht mir die Geschichte auch starke Beklemmungen. Vielleicht weil mich die Distanz der Erzählstimme so "verstört", dass ich den Text (Edit: die Aussage im Text) eigentlich gar nicht mag?


Aber man muss einen Text (Edit: die Aussagen der Erzählstimme) auch nicht mögen, um den Text (Edit: die Ausdrucksweise des Autors) gut zu finden, darin liegt dann auch "Magie".
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

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Beitrag24.02.2024 13:22

von Jenni
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Jenni hat Folgendes geschrieben:

Das ist ja traurig. Also, dass du eine „Kitsch-Firewall“ hast, die dich davon abhält zu fühlen. 😢

Traurig für Schnulzenschreibys, das kann sein. Für mich ist daran nichts traurig.

Doch, ich meine schon, es ist traurig für dich.
Nicht zu fühlen, nur rational zu begreifen, das hört sich für mich an wie allerhöchstens halbe Erfahrungen. Einen Text (oder auch andere Kunst, wie mir gestern in einer Fotographie-Ausstellung mal wieder aufgefallen ist) zu fühlen empfinde ich als intuitives und oftmals viel umfassenderes Begreifen.
Darf ich dich fragen, wie es mit Musik ist? Kannst du Musik auf einer Gefühlsebene rezipieren?

Ich hoffe, Fitte findet ebenfalls, dass der Faden für die Diskussion geeignet ist. 🙈

Mit dem stummen Schreien meinte ich: Es gibt ja auch ein lautes Schweigen, als Unfähigkeit zu kommunizieren, und das kann ein inneres Schreien auslösen. Ich glaube, dass das Schreien auch im Schlaf des Gegenübers passiert, hat dieses Bild in mir ausgelöst. Dass eigentlich Proty innerlich schreit, weil das Gegenüber sich als Gegenüber verweigert. Aber dieses Schreien dringt nicht nach außen, es verbirgt sich hinter einer gefühllosen Fassade. Oder: Es empfindet das Schweigen des Gegenübers als ebenso eindringlich wie ein Schreien.
Vielleicht hat dieses Gefühl aber auch mehr mit mir selbst zu tun, diesbezüglich bin ich bei Hobbes.
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Nina
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Beitrag24.02.2024 16:07

von Nina
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lieber klemens,

ich lese hier immer wieder still mit. bislang habe ich mich noch
nicht geäußert, wenngleich mir viele deiner drabbles sehr gefallen.
aber was ich gern schreiben und dir sagen möchte ist, dass ich es
absolut bewundere, wie es dir gelingt, dein (hohes) niveau beim
schreiben beizubehalten, eintrag über eintrag. großartig. wie auch
deine vielfältigkeit, die sich in den drabbles deutlich zeigt.

kürzlich hattest du ein drabble geschrieben, in dem sehr viel gefühl
war, mehr als sonst in deinen drabbles. es ging um die bücher, die
du hin-und hertrugst, ich meine auch zu wissen, wer (darin)
gemeint war, aber vielleicht liege ich mit meiner vermutung auch
daneben. den titel kann ich dir gerade nicht nennen, aber sicher
weißt du, um welches drabble es geht.
jedenfalls: es hat mich sehr berührt.
respekt für diese vielen tollen kleinen geschichten und experimente.  

viel freude weiterhin,
liebe grüße
nina


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hobbes
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Beitrag24.02.2024 16:08

von hobbes
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Ich glaube, ich lese "Schreien" anders als ihr, die ihr schon etwas dazu geschrieben habt. Vielleicht, weil ich automatisch eine Situation damit verbinde, in der der schreiende Mensch in irgendeiner Form pflegebedürftig ist. Und der andere nicht. Daher empfinde ich da eher so etwas wie wohlwollende Neugier und generell etwas "Gutes." Auf jeden Fall keine Ablehnung dem Schreienden gegenüber und das ist ja schon einiges. Irgendwie muss man dem Schreien ja begegnen, da erscheint mir dieses forschende Interesse wie die bestmögliche Art.
Und der letzte Satz, der ist natürlich wieder super, der hat so einen Widerhaken, da kann ich nicht einfach drüberweglesen.
Passt für mich aber auch gut in diese Pflege-Situation, der Pflegende trägt Sorge dafür, dass der schreiende Mensch genug isst. Aber auch da lese ich es eher wohlwollend, in Richtung: "okay, schreien scheint gerade wichtiger zu sein als essen, na gut, ist das jetzt eben so."
Ich glaube auch nicht, dass im Schlaf geschrieen wird, sondern vielmehr, dass das Schreien den Mensch aus dem Schlaf reißt. Obwohl, vielleicht auch nicht, vielleicht kann man auch schreiend weiterschlafen.


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Klemens_Fitte
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Beitrag25.02.2024 14:09

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Ich hoffe, Fitte findet ebenfalls, dass der Faden für die Diskussion geeignet ist. 🙈


Oh, absolut. Ich freue mich jedenfalls über die angestoßene Diskussion und hoffe insgeheim, dass noch ein paar Beiträge dazu kommen, zum einen, weil ich dadurch selbst ins Reflektieren komme und mir Dinge an meinen eigenen Texten klar werden. Zum anderen, weil ausgerechnet "Das Schreien" auslösend war, mit dem ich nach dem Schreiben nicht wirklich glücklich war (oder: mit dem ich nicht viel anfangen konnte?), jedenfalls, jetzt lese ich es noch mal neu, und das ist ne schöne Sache.
Es ist nämlich viel weniger so, dass ich hier etwas bewusst "mache" oder "anwende", als es vielleicht den Anschein hat. Das ist einer der Gründe, warum ich bis jetzt noch nicht mitdiskutiert habe, also die Bedenken, dass ich in dieser Frage
hobbes hat Folgendes geschrieben:
Einer der Gründe fürs bisherige Löschen war auch, dass ich gar keine Lust hatte, einen Text derart auseinanderzunehmen. Und da denke ich dann gleich wieder: Aber sollte man nicht genau das tun als Autorin? Herausfinden, wie jemand etwas gut macht, um es ebenfalls "anwenden" zu können?

wahrscheinlich nicht wirklich was Erhellendes beizutragen habe. Der andere Grund ist die Sorge, als Autor automatisch eine höhere Deutungsautorität zugeschrieben zu bekommen, sobald ich mich zu einem eigenen Text äußere.

Ich würde trotzdem gern später noch mal hierherkommen und versuchen, die Gedanken zu verschriftlichen, die mir dank der Diskussion so durch den Kopf gegangen sind. Erstmal aber wollte ich hierzu was schreiben:

Nina hat Folgendes geschrieben:
kürzlich hattest du ein drabble geschrieben, in dem sehr viel gefühl
war, mehr als sonst in deinen drabbles. es ging um die bücher, die
du hin-und hertrugst, ich meine auch zu wissen, wer (darin)
gemeint war, aber vielleicht liege ich mit meiner vermutung auch
daneben. den titel kann ich dir gerade nicht nennen, aber sicher
weißt du, um welches drabble es geht.


Ja, ich weiß, welches du meinst, und nein, ich glaube nicht, dass du mit deiner Vermutung danebenliegst; ich denke auch, dass diese Vermutung maßgeblich für das "Mehr" an "Gefühl" war, das du dem Drabble attestierst, und das finde ich irgendwie schön zu wissen.

Nina hat Folgendes geschrieben:
jedenfalls: es hat mich sehr berührt.


Danke dafür.

Nina hat Folgendes geschrieben:
aber was ich gern schreiben und dir sagen möchte ist, dass ich es
absolut bewundere, wie es dir gelingt, dein (hohes) niveau beim
schreiben beizubehalten, eintrag über eintrag. großartig. wie auch
deine vielfältigkeit, die sich in den drabbles deutlich zeigt.


Und dafür.


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nebenfluss
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Beitrag25.02.2024 14:20

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Jenni hat Folgendes geschrieben:

Das ist ja traurig. Also, dass du eine „Kitsch-Firewall“ hast, die dich davon abhält zu fühlen. 😢

Traurig für Schnulzenschreibys, das kann sein. Für mich ist daran nichts traurig.

Doch, ich meine schon, es ist traurig für dich.
Nicht zu fühlen, nur rational zu begreifen, das hört sich für mich an wie allerhöchstens halbe Erfahrungen. Einen Text (oder auch andere Kunst, wie mir gestern in einer Fotographie-Ausstellung mal wieder aufgefallen ist) zu fühlen empfinde ich als intuitives und oftmals viel umfassenderes Begreifen.
Darf ich dich fragen, wie es mit Musik ist? Kannst du Musik auf einer Gefühlsebene rezipieren?

Du sprichst an mir vorbei, deshalb erübrigen sich die Fragen. Ich hatte mir einige Mühe mit meinem Post gegeben und wäre nicht auf die Idee gekommen, mit dem Begriff "Kitsch-Firewall" eine solche Pathologisierung anzustoßen.

*

Die Vorstellung von dem Schreienden als pflegebedürftig (hobbes) ändert meinen Blick auf das Drabble. So lässt sich einerseits der Satz "Inzwischen glaube ich sogar, es würde mir fehlen." besser einordnen (Wenn es diesen Menschen nur [noch] als schreienden gibt, wäre ein Verstummen gleichbedeutend mit dem Tod), andererseits befremdet mich dann die Distanz des Erzählenden.
Vielleicht hätte es hier doch mehr als einhundert Wörter gebraucht, um die Beziehung der beiden hinreichend zu definieren, damit es in der Hinsicht nicht ganz so interpretationsbedürftig ist (nur meine Meinung, versteht sich).


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Klemens_Fitte
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Beitrag25.02.2024 18:27

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

So. Jetzt noch mal. Wird wahrscheinlich eher konfus, aber ich versuch's mal ein bisschen zu strukturieren (was bedeutet, dass ich nicht auf alles eingehen kann – bitte um Nachsicht).

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube, ich lese "Schreien" anders als ihr, die ihr schon etwas dazu geschrieben habt. Vielleicht, weil ich automatisch eine Situation damit verbinde, in der der schreiende Mensch in irgendeiner Form pflegebedürftig ist. Und der andere nicht. Daher empfinde ich da eher so etwas wie wohlwollende Neugier und generell etwas "Gutes." Auf jeden Fall keine Ablehnung dem Schreienden gegenüber und das ist ja schon einiges. Irgendwie muss man dem Schreien ja begegnen, da erscheint mir dieses forschende Interesse wie die bestmögliche Art.


Schwierig, jetzt etwas zu schreiben wie: Hab mich sehr über deine Lesart gefreut, ohne dass es klingt wie: Genau, du hast es erfasst, so habe ich es gemeint oder Die Interpretation ist die (einzig) richtige. Das würde ja voraussetzen, dass ich beim Schreiben eine oder mehrere (um's mal bei @Charlie Brokenwood zu klauen) "Botschaften" hätte, die ich vermitteln will. So isses ja nicht. Dazu gleich noch mal was.
Nein, gefreut habe ich mich deshalb über diese Lesart, weil ich nach dem Lesen der Kommentare, die eher Richtung "kalt", "kopflastig", "wenig Mitgefühl" gingen, vorhatte, so was wie ne Hypothese in den Raum zu stellen, also, gibt es eine Empathie, die kein Mit-Leiden ist, die vielleicht aus einer empathischen Haltung heraus versucht, ein Leiden zu lindern, und genau deshalb in eine emotionale Distanz geht, in die (verkopfte?) Suche nach Strukturen, Systematiken. Und wie geht das dann, wenn doch Leiden (oder halt in dem Fall Schreien, bei dem nicht klar ist, ob und wie es mit einem Leiden verknüpft ist) etwas so Unmittelbares ist?
Und das seh ich halt sehr in deiner Lesart, hobbes – was, noch mal, nicht heißt, dass es die "richtige" ist. Es muss auch gar keine konkrete (Pflege)Situation sein, insofern würde ich dem
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht hätte es hier doch mehr als einhundert Wörter gebraucht, um die Beziehung der beiden hinreichend zu definieren, damit es in der Hinsicht nicht ganz so interpretationsbedürftig ist

auch widersprechen. Es wäre ja relativ einfach gewesen, die Situation zu verorten, die Beziehung zu konkretisieren, auch in der Kürze – aber anscheinend (merke ich jetzt in der Reflexion¹) ging's mir darum nicht, und da sehe ich das Spektrum möglicher (oder tatsächlicher) Lesarten und Interpretationen eher als Gewinn; weil es eben, um da mal einen kleinen Bogen zu spannen, zeigt, was jede*r so im Lesen selbst an Voraussetzungen, Empfindungen, Sichtweisen mitbringt, und um die anzustoßen, wäre eine konkrete Botschaft meinerseits womöglich eher hinderlich.

Aber was ist es dann, was man (ich) so hineinlegt? Also, ich zumindest gehe ja meistens von einem Satz aus, manchmal auch nur von einem Wort, und dann versuche ich zu erfassen, welche Räume das öffnet oder welche Wege davon weg (oder darauf zu) führen, und dieses Erfassen passiert, um mal n ganz schlimmes Wort zu verwenden, schon irgendwie ganzheitlich, weil so ein Hin-und-her-Wälzen sich schlecht auf Kopf oder Herz oder Bauch reduzieren lässt, weshalb ich auch bei der Kopf-Herz-Dichotomie nicht ganz mitgehen kann. Was für mich die (um wieder @Charlie Brokenwood zu zitieren) "Ebenen" eines Textes ausmacht, sind nicht die Ebenen der Abstraktion oder der Verschlüsselung einer ursprünglichen Botschaft, sondern die Tatsache, dass der Text in Schicht um Schicht eines hin und her Wälzens entstanden ist, und das kann auch dann der Fall sein, wenn er in wenigen Minuten entstanden ist, weil jedes Wort schon eine Historie des hin und her Wälzens mitbringt und weil jeder Satz, sobald er sich gefügt hat, mehr ist als die Summe seiner Wörter.

Um's mal zu konkretisieren oder endgültig zu verwirren: Ich hab unlängst "The Waste Land" gelesen, einen Text, dem man ja auch oft (und wahrscheinlich zu Recht) attestiert, ganz viele Abstraktions- und Bezugsebenen zu besitzen, und trotzdem hatte ich nicht das Bedürfnis, das alles auf eine "Botschaft" oder "Aussage" hin zu entschlüsseln, weil es mir genügte, mich dieser Erzählstimme nah zu fühlen.

Und wenn ich da von "Nähe" schreibe, dann spanne ich jetzt vielleicht noch mal nen Bogen zurück zu den Empfindungen, wenn ich hier einhake:

Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
und eigentlich mag ich den Autor nicht im Kopf haben, wenn ich eine Geschichte lese, ich will, dass sie für sich selbst steht, dann bleibt mir mehr eigener Interpretationsspielraum


Ich persönlich kann keinen Text lesen, zumindest keinen echten, guten Text, ohne mich unweigerlich in die Nähe des Menschen zu begeben, von dem der Text stammt, und ich suche diese Nähe auch, weil ich nicht allein mit meiner Interpretation des Textes sein möchte, weil es mir genau darum geht, in meinen Empfindungen und meiner Sicht auf mich oder die Welt oder das Menschsein wenigstens für einen flüchtigen Moment nicht allein zu sein, und das bedeutet nicht, dass ich die Botschaft oder Aussage oder Meinung oder Empfindung des Autors oder der Autorin übernehme, weil das, was in mir vorgeht, viel zu komplex und widersprüchlich für eine Botschaft oder Aussage ist, und dasselbe möchte ich meinem schreibenden Gegenüber und dem Text zugestehen.

Um's noch mal zu konkretisieren oder endgültig zu verwirren: Als ich letztes Jahr auf der Minipressenmesse in Mainz war, kam eine Frau an den zuckerstudio-Stand und meinte – ich paraphrasiere – diese Messe sei der ideale Ort für Menschen, die Bücher liebten; woraufhin mich Sue (Rovia), die neben mir saß, fragte, ob ich Bücher liebe, und dann antwortete ich nach kurzem Überlegen, dass ich keine Bücher liebe, sondern die Menschen, die sie geschrieben haben.


¹ Um mal meinen Deutschlehrer zu zitieren: "Das lerne ich erst jetzt mit euch!"


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Beitrag25.02.2024 20:58

von hobbes
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Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Es ist nämlich viel weniger so, dass ich hier etwas bewusst "mache" oder "anwende", als es vielleicht den Anschein hat.

Falls das meinerseits missverständlich war: ich wollte das so nicht sagen, also ich wollte nicht sagen, dass du bewusst etwas machst/anwendest/Stilmittel X in den Text hineinschreibst.

Total interessant, was du von deinem Verhältnis zu Text/Autory schreibst.
(Da könnte man jetzt eine "kann man Text von Autory trennen"-Diskussion starten. Oder halt lieber nicht Laughing )
Wenn mich ein Text/Buch sehr berührt, dann suche ich oft nach Infos zum Autory. Zum einen, um herauszufinden, ob ich noch mehr von ihm oder ihr lesen kann, zum anderen, um eine Idee davon zu bekommen, was für ein Mensch das ist. Manchmal führt es sogar dazu, dass ich ihm oder ihr eine Mail schreibe und berichte, was mich so berührt hat. Das kann ich übrigens sehr empfehlen, die freuen sich smile


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Klemens_Fitte
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Beitrag26.02.2024 09:22

von Klemens_Fitte
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Der Wunsch 2


»Ist dir mal aufgefallen, dass Arno Schmidt genauso aussieht wie mein Großvater?«
»Nee …?«
»Findste nicht?«
»Keine Ahnung, wer Arno Schmidt ist, und deinen Großvater hab ich nie kennengelernt.«
»Stimmt.«


»Wie kommst n jetzt überhaupt dadrauf?«
»Weil mir Google n Bild von Arno Schmidt zeigt, wenn ich Peter Rühmkorf suche.«
»Hängst du da immer noch dran?!«


»Und wer war jetzt Peter Rühmkorf?«
»N Lyriker.«
»Seit wann gehst du mit Lyrikern essen?«
»Da wusst ich ja noch nicht, dass er Lyriker ist.«
»Und, willst du immer noch mit ihm essen gehen?«
»Ist schon tot.«
»Wie dein Großvater.«
»Du meinst, das hängt zusammen?«

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Charlie Brokenwood
Eselsohr


Beiträge: 208



Beitrag26.02.2024 11:34

von Charlie Brokenwood
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Ui, da gibt´s schon ein neues Drabble (das? Drabble), dabei wollte ich noch was zur vorigen Diskussion schreiben, weil ich grad irgendwie das Gefühl habe, nicht richtig verstanden zu werden.

Also: dass ich den Autor beim Lesen nicht im Kopf haben mag, heißt nicht, dass mich der Autor nicht interessiert.
Ich mag´s nur nicht gleichzeitig, zwischendurch, während ich die Geschichte lese.

Und ich denke auch, dass man als Autor glücklicher sein müsste, wenn das Lesy (wie das mit den y funktioniert, hab ich auch noch nicht ganz verstanden, passt das so?) meint: Ich habe da dieses und jenes verstanden und dieses und jenes herausgelesen, selbst wenn es gar nicht stimmt, als wenn das Lesy meint: ich hab den Text gar nicht verstanden, was soll der Text? was wolltest du mir damit eigentlich sagen?
Wenn die Lesys was interpretieren wollen / können, dann hat man sie als Autor schonmal irgendwie angesprochen - und das ist doch gut. Und wenn sie gar nichts interpretieren müssen, weil sie meinen, alles verstanden zu haben und dasselbe fühlen (auch wenn es in Wirklichkeit gar nicht dasselbe ist), dann ist es perfekt. Sie fühlen sich "abgeholt und mitgenommen".

Das hieße für mich dann im Umkehrschluss: wenn ich es als Autor so hinbekomme, dass die Lesys das Gefühl haben, sie verstehen meinen Text, dann habe ich etwas richtig gemacht. Wenn sie ihn dann noch so verstehen, wie er gemeint war, dann habe ich alles richtig gemacht.

Ich denke durchaus, dass man den Autor im Text "spürt". Und auch, ob man ihn sympathisch findet. Durch den Text selbst erfährt man viel über die Autorin (gerade bei Liebesromanen, die nicht viele Ebenen haben). Ob sie gerne kocht (je nachdem, wie genau die Gerichte beschrieben sind oder an der Vielfalt der Gerichte), ob sie Kinder hat oder nur darüber schreibt (merkt man ganz stark, finde ich) oft auch, ob sie schon an den Orten gewesen ist, die sie beschreibt. Und in Liebesromanen erfährt man auch teils intime Dinge (über die Einstellung zum Aussehen, Kleidung, zu Umweltfragen, sexuelle Vorlieben). Das Autory kann eben nur seine Erfahrungen auf seine Charaktere anwenden. Etwas was es nie erlebt / gefühlt hat, lässt sich nur sehr schwer "hinmogeln" - das mag funktionieren, wenn das Lesy auch noch nie in der Situation war, aber wenn doch, dann merkt das Lesy die Fehler sofort.

Insofern ist das Autory sowieso immer in meinem Kopf und ich bin in der Nähe des Menschen, von dem der Text stammt. Ich mag nur nicht ständig darüber nachgrübeln: was war da jetzt wieder damit gemeint? (Soweit ich bisher gelesen habe, ist das fehlende Verständnis auch in den Bewertungen der Wettbewerbe hier im Forum immer ein Kriterium, warum es weniger Punkte gibt - je weniger das Verständnis vorhanden ist, desto schlechter - die anderen beiden Punkte sind: spricht mich an / spricht mich nicht an  und der Textfluss - und ich meine, das fehlende Verständnis ist meist der ausschlaggebende Punkt). Jede/r will den Text wenigstens auf irgendeine (seine, ihre, die falsche) Art verstehen können und nicht am Ende mit einem großen Fragezeichen im Kopf dasitzen und erst mal überlegen: was war da jetzt gemeint?

Wenn ich ein Buch lese, dann will ich die Sicht der Protagonisten verstehen (mit deren Sicht auf die Welt oder das Menschsein oder nur mit einigen ihrer Gefühle übereinstimmen können). Wenn ich das vermittelt bekomme, dann liegt für mich nahe, dass der Autor das schon auch so gefühlt hat - darüber denke ich dann aber erst nach dem Lesen nach, auch wenn ich es währenddessen spüre.

Und ich liebe durchaus manche Bücher, die ich gelesen habe, aber nicht unbedingt alle Menschen, die diese Bücher geschrieben haben. Das kann zusammentreffen, muss aber nicht. So groß ist meine Liebesfähigkeit nicht, fürchte ich.

Ich denke übrigens, durch die Art dieses Fadens ist die Diskussion dazwischen "nicht so schlimm", wer das hier nicht lesen mag, kann einfach auf die nächste Nummer springen. (Oder, wenn es noch was zu schreiben gibt und hobbes mag, könnte ja doch noch ein eigener Faden draus werden.)
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Beitrag26.02.2024 12:26

von Nina
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Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
»Ist schon tot.«
»Wie dein Großvater.«
»Du meinst, das hängt zusammen?«


hahaha. hab gelacht, danke.


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hobbes
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Beitrag26.02.2024 23:43

von hobbes
Antworten mit Zitat

Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
Wenn sie ihn dann noch so verstehen, wie er gemeint war, dann habe ich alles richtig gemacht.

Das glaube ich nicht. Oder nein, ich schreibe es anders: Das ist nicht mein Ziel beim Schreiben. Wobei ich sowieso hauptsächlich für mich schreibe, daher steht das gar nicht so im Fokus. Möge jede herauslesen, was er oder sie will.
Wenn das zufällig genau das ist, was ich im Sinn hatte, fühlt es sich dennoch total gut an, weil ich mich dann in gewisser Weise gesehen und verstanden fühle. So ähnlich als würde einem jemand in einem Gespräch tatsächlich zuhören.

Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
(...) und hobbes mag (...)

Huch. Wieso sollte es an mir liegen, das zu entscheiden?


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fabian
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Beitrag27.02.2024 02:33

von fabian
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Leider.

Es muss wohl immer etwas "gemeint" sein, wenn da ein Text vor uns steht.
Immer diese Suche nach "Botschaften".

Es ist viel theoretisches Zeug über das Problem der "Entfremdung" in der Moderne geschrieben worden.
Mir scheint, praktisch erfährt man sehr gut, was es damit auf sich hat, wenn man sich längere Zeit an einem Ort wie diesem Forum hier aufhält.

Aber was soll's: vorstehendes andeutend bin ich selbst schon wieder Teil des Prozesses, den ich beklagen möchte.


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Terézia Mora im Interview mit Klaus Siblewski (in: TEXT+KRITIK 221)
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Charlie Brokenwood
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Beitrag27.02.2024 02:38

von Charlie Brokenwood
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hobbes hat Folgendes geschrieben:


Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
(...) und hobbes mag (...)

Huch. Wieso sollte es an mir liegen, das zu entscheiden?


Weil du vorher schon noch etwas zum Thema schreiben wolltest, aber im Faden nicht „stören“?
und auch noch Mod bist, also auch die Technik beherrscht (denke ich)?
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Klemens_Fitte
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Beitrag27.02.2024 08:26

von Klemens_Fitte
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Nina hat Folgendes geschrieben:
hahaha. hab gelacht, danke.


smile

Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
weil ich grad irgendwie das Gefühl habe, nicht richtig verstanden zu werden.


Kann ich durchaus nachvollziehen, das Gefühl; es ist so ne Eigenart von mir, dass ich, um meine eigene Sichtweise/meinen eigenen Standpunkt für mich zu klären bzw verwortbar zu machen, mein Formulieren gerne entlang fremder Aussagen führe, szs um Konturen oder Begrenzungen – für mich – sicht- oder fühlbar zu machen.
Das wirkt dann schnell wie ein Abgrenzen oder Widerspruch oder wie ein Missverstehen der anderen Position, wenn's mir ja erst mal nur drum ging, mich selbst zu verstehen.

Wenn ich jetzt bspw lese
Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
Das hieße für mich dann im Umkehrschluss: wenn ich es als Autor so hinbekomme, dass die Lesys das Gefühl haben, sie verstehen meinen Text, dann habe ich etwas richtig gemacht. Wenn sie ihn dann noch so verstehen, wie er gemeint war, dann habe ich alles richtig gemacht.

dann muss ich erst schauen, wo die Begrenzungen meiner Sichtweise liegen. Die Frage, wie etwas gemeint war, kenne ich zwar aus dem Deutschunterricht, und danach tauchte sie sehr selten mal im Kunstgeschichtsstudium auf, aber ich hielt sie immer für eine sehr seltsame Frage und eher eine unspannende, die man an Literatur oder Kunst richten kann. In Diskussionen ist sie hilfreich, aber ein Buch oder Kunstwerk ist kein Standpunkt/keine Aussage und in meinen Augen nichts "Gemeintes". Oder, um mal ne Plattitüde zu verwenden, wenn ich wüsste, was ich mit nem Text meine, müsste ich ihn nicht schreiben. Insofern ist wahrscheinlich wenig verwunderlich, dass ich in Fragen wie "Wie macht man das?" (und nein, @hobbes, ich hab's nicht so verstanden, dass ich explizit angesprochen war) keine große Hilfe bin.

Jetzt hab ich wieder mehr geschrieben, als ich wollte, und es frustriert mich, dass es jetzt noch mehr wie ein Aneinander-vorbei-Reden scheint. Ich merke einfach, dass es mir immer schwerer fällt, meine Anliegen zu formulieren.

Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
Ich denke übrigens, durch die Art dieses Fadens ist die Diskussion dazwischen "nicht so schlimm", wer das hier nicht lesen mag, kann einfach auf die nächste Nummer springen.


Das denke ich allerdings auch.


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Klemens_Fitte
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Beitrag27.02.2024 09:25

von Klemens_Fitte
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Vor dem Aufwachen


Ins Haus deines Vaters ist eine Familie gezogen, sie folgt dir ans Ende der Straße. Auf dem Feld nimmst du ab, wirst schmal, ihre Blicke verlieren dich.
Du brauchst ein neues Wort und weißt nicht, wo du es findest. Unter einem seitenverhangenen Himmel gehst du über ausgetretene Pfade. Die Gesichter der Bäume ringsum sind ausdruckslos, aus den Blättern hat die Gewohnheit die Farbe gezogen.
Was blieb, wurde längst in den Wind geschrieben, achtlos aufgelesen, zerredet. Kopflose Zeichen stehen in einer Rodung. Zwischen blinden Lettern glaubst du etwas glitzern zu sehen, und als du dich bückst, greifen deine Finger in Wasser.

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Charlie Brokenwood
Eselsohr


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Beitrag27.02.2024 09:43

von Charlie Brokenwood
Antworten mit Zitat

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:

Wenn ich jetzt bspw lese
Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
Das hieße für mich dann im Umkehrschluss: wenn ich es als Autor so hinbekomme, dass die Lesys das Gefühl haben, sie verstehen meinen Text, dann habe ich etwas richtig gemacht. Wenn sie ihn dann noch so verstehen, wie er gemeint war, dann habe ich alles richtig gemacht.

dann muss ich erst schauen, wo die Begrenzungen meiner Sichtweise liegen. Die Frage, wie etwas gemeint war, kenne ich zwar aus dem Deutschunterricht, und danach tauchte sie sehr selten mal im Kunstgeschichtsstudium auf, aber ich hielt sie immer für eine sehr seltsame Frage und eher eine unspannende, die man an Literatur oder Kunst richten kann. In Diskussionen ist sie hilfreich, aber ein Buch oder Kunstwerk ist kein Standpunkt/keine Aussage und in meinen Augen nichts "Gemeintes".


Okay, ich denke, ich vermische da auch noch immer etwas. Ich las bis vor kurzem hauptsächlich (großteils, also würde sagen, so 80%) Liebesromane. Das hat sehr wenig mit Kunst zu tun. Darum drehten sich meine Aussagen zu dem, was man über das Autory erfährt und dass ich wissen will, was die Autorin meint, eben um Liebesromane. Und da bringt die Autorin fast immer ihre Botschaften mit rüber (absichtlich oder unabsichtlich, manche können gar nicht aus).

Deine Drabbles liegen zu sagen wir 80% sehr nahe an Kunst (soweit ich sie gelesen habe, das sind nicht alle, muss ich zugeben).

Das sind sehr unterschiedliche Texte, die muss man auch differenziert betrachten.

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:

...aber ein Buch oder Kunstwerk ist kein Standpunkt/keine Aussage und in meinen Augen nichts "Gemeintes". Oder, um mal ne Plattitüde zu verwenden, wenn ich wüsste, was ich mit nem Text meine, müsste ich ihn nicht schreiben.


Trotzdem: wenn ein Text nicht "was hat", dass das Lesy anspricht, dann merkt das doch auch das Autory. Sieht man schon daran, dass die meisten hier im Forum sich über einen Kommentar freuen, weil das zeigt, dass beim Lesen etwas "entdeckt" wurde, das anspricht. Es gibt ja auch genügend Texte ohne jeden Kommentar - was zeigt, dass niemand den Text für "der Mühe wert" befunden hat, einen Kommentar zu hinterlassen.

Also: was ist das, das anspricht? Es muss ja nicht direkt eine "Botschaft" oder eine "Aussage" sein, sondern wenigstens irgendetwas - ein Gefühl, eine Idee. Und dafür muss das Autory auch was reinlegen in den Text (meiner Meinung nach), sonst könnte man doch nichts rauslesen. (Das wäre einen Versuch wert. Ein KI-Drabble ohne Angaben (?) und was die Lesys dazu sagen).

Du sprichst die Kunst an. Ein Bild z.B. kann ansprechen oder nicht. Warum spricht ein Bild mehr an, als das andere? Irgendeine noch so versteckte, vielleicht gar nicht beabsichtigte Botschaft, ein Gefühl, muss drinnenliegen.
Was macht Bilder wie die Mona Lisa (eine nicht sehr hübsche Frau, die einfach rumsitzt, kleines Bild, stumpfe Farben) so besonders, dass sich hunderte Leute jeden Tag davor hinstellen. Was ist mit dem Kuss, den Seerosen, den Schwertlilien oder der Sternennacht? Warum sind die besonders? "Irgendetwas" muss da sein.

Ich weiß jetzt nicht, ob nebenfluss mir böse ist, wenn ich seinen Wettbewerbsbeitrag erwähne (ich hab ihn deswegen ausgewählt, weil er hier im Faden liest und auch sehr selbstkritisch ist, wie ich finde). Das ist ein perfektes Beispiel. Diese Geschichte mit der Frau im Wald. Nachdem er gegen Ende den Text "erklärt" hatte, fand ich die Idee und die Botschaft super. Angekommen ist sie aber im ersten Text bei den wenigsten. Viele haben was "erkannt", aber die "Botschaft" war nicht richtig klar. Was sehr schade war, weil es eine Geschichte ist, die es lohnt, erzählt zu werden. Ich bin mir sicher, ihm wäre es lieber gewesen, wenn seine "Botschaft" besser rübergekommen wäre.

Deswegen kann ich nicht glauben, dass es dir völlig gleichgültig ist, ob (und auch was) aus deinem Text bei den Lesys ankommt - ob das jetzt eine Botschaft, ein Gefühl, eine Idee ist. Das wäre doch beinahe "über"menschlich. Und du stellst die Texte ja auch hier ein, um eine Reaktion zu bekommen, sonst könntest du sie einfach daheim auf deinem Computer speichern - oder auf einen Zettel kritzeln und den nach einer Woche entsorgen.
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Charlie Brokenwood
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Beitrag27.02.2024 15:01

von Charlie Brokenwood
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wieder mal falsch geklickt
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nebenfluss
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Beitrag27.02.2024 15:14

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich jetzt bspw lese
Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:
Das hieße für mich dann im Umkehrschluss: wenn ich es als Autor so hinbekomme, dass die Lesys das Gefühl haben, sie verstehen meinen Text, dann habe ich etwas richtig gemacht. Wenn sie ihn dann noch so verstehen, wie er gemeint war, dann habe ich alles richtig gemacht.

dann muss ich erst schauen, wo die Begrenzungen meiner Sichtweise liegen. Die Frage, wie etwas gemeint war, kenne ich zwar aus dem Deutschunterricht, und danach tauchte sie sehr selten mal im Kunstgeschichtsstudium auf, aber ich hielt sie immer für eine sehr seltsame Frage und eher eine unspannende, die man an Literatur oder Kunst richten kann. In Diskussionen ist sie hilfreich, aber ein Buch oder Kunstwerk ist kein Standpunkt/keine Aussage und in meinen Augen nichts "Gemeintes". Oder, um mal ne Plattitüde zu verwenden, wenn ich wüsste, was ich mit nem Text meine, müsste ich ihn nicht schreiben.

Das wäre meiner Meinung nach durchaus Ausgangspunkt einer interessanten Diskussion, die ich aber aus zweierlei Gründen nicht hier führen würde:
1. wirkt es auf mich, als sei die Diskussion für dich, Klemens, eher nicht so spannend, weil du das für dich und dein Schreiben geklärt hast. Das lässt sich aber vor dem Hintergrund der derzeitigen Politisierung des Kulturbetriebs mit Sicherheit nicht (mehr) verallgemeinern. Ich jedenfalls kenne sowohl dieses 'künstlerische' Schreiben, das sich manifestiert, ohne dass ich damit eine konkrete Aussage verbinde, aber auch (zunehmend) ein Schreiben, wo mir diese sehr klar vor Augen steht und sie optimalerweise auch genau so rezipiert werden soll. Die spannende Frage (die vor allem in der kurzen Blüte der 'Popliteratur' negiert wurde) wäre dann die, warum man Aussagen überhaupt in belletristischen Texten zum Ausdruck bringt, anstatt seine Meinung/Gedanken einfach 1:1 hinzuschreiben, ob man darin den spprichwörtlichen Zeigefinger hebt usw.
2. finde ich, dass es in diesem Faden im Schwerpunkt um die Drabbles gehen sollte. Ab einer gewissen Menge an Autory-/Lesy-Diskussion hat die in meinen Augen schon eine gewisse erstickende Wirkung.

@Charlie: Wärst du denn bereit, einen solchen Faden zu eröffnen? Wir müssten ja nicht wieder ganz von vorne anfangen, sondern du könntest auf den Ursprung in diesem Faden verweisen.


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Charlie Brokenwood
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Beitrag27.02.2024 16:36

von Charlie Brokenwood
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben:


@Charlie: Wärst du denn bereit, einen solchen Faden zu eröffnen? Wir müssten ja nicht wieder ganz von vorne anfangen, sondern du könntest auf den Ursprung in diesem Faden verweisen.




ausgeführt:
https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?p=1493792#1493792
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hobbes
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Beitrag27.02.2024 16:38

von hobbes
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Charlie Brokenwood hat Folgendes geschrieben:

Weil du vorher schon noch etwas zum Thema schreiben wolltest, aber im Faden nicht „stören“?
und auch noch Mod bist, also auch die Technik beherrscht (denke ich)?

Ah, verstehe. Ich würde die bisherigen Kommentare allerdings ungern aus dem Faden hier herausholen, sie beziehen sich ja durchaus auch auf die Texte.
Um einen neuen Faden zu eröffnen, fehlt mir dann doch das letzte Quäntchen Motivation. Was nicht heißt, dass ich mich nicht doch daran beteiligen würde, sollte sich jemand anders berufen fühlen, einen solchen Faden aufzumachen.

edit: Oh, schon passiert Laughing

Zum Thema erklären/verstehen kommt mir das aktuelle Drabble (Vor dem Aufwachen) gerade recht: Ich verstehe nämlich nichts Laughing Also in der Hinsicht, dass ich niemandem erklären könnte, um was es darin eigentlich geht (im Sinn von Handlung). Ich lese es trotzdem gern, weil mich die Verlorenheit darin anspricht.


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nebenfluss
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Beitrag27.02.2024 18:33

von nebenfluss
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hobbes hat Folgendes geschrieben:
Zum Thema erklären/verstehen kommt mir das aktuelle Drabble (Vor dem Aufwachen) gerade recht: Ich verstehe nämlich nichts Laughing Also in der Hinsicht, dass ich niemandem erklären könnte, um was es darin eigentlich geht (im Sinn von Handlung). Ich lese es trotzdem gern, weil mich die Verlorenheit darin anspricht.

Was schön ist:
Wenn ein Drabble Vor dem Aufwachen heißt, muss "sogar ich" es nicht verstehen, um es zu mögen Laughing


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