Kaugummi [Drabble]

[Klemens_Fitte]

[Klemens_Fitte]

Ziegenbart

»Rate mal, wer neuerdings n Ziegenbart hat.«
»Wer?«
»Stefan.«
»Nee, echt?«
»Jep. Der sieht jetzt aus wie sein böser Zwilling.«
»Wie was?«
»Ach, das ist n Trope aus diesen alten amerikanischen Fernsehserien, wo der Hauptcharakter manchmal n bösen Zwilling hatte. Das war dann derselbe Schauspieler, nur mit Bart, damit man wusste, dass er der Böse ist. Wie Michael und Garthe Knight in Knight Rider.«
»Oder wie Stefan.«
»Genau.«
»Und der böse Zwilling ist böse, weil er n Bart hat?«
»Na, nicht weil. Der Bart ist halt das äußere Zeichen seiner Boshaftigkeit.«
»Verstehe. Wie Robert und Martin Walser.«
»Wer?«
»Ach, egal.«

[Klemens_Fitte]

Egon

»Na, aber er war’s ja nicht, sondern nur sein alter Egon.«
»Was für’n Egon?«
»Mensch, das sagt man so, wenn jemand eine zweite Identität hat: Das ist sein alter Egon.«
»Kapier ich nicht. Wieso denn Egon?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich hat sich der Erste, der das gemacht hat, Egon genannt.«
»Also, wenn ich mir ne neue Identität zulegen würde, würd ich mich bestimmt nicht Egon nennen.«
»Mein Gott, das war früher, da hießen die Leute so.«
»Stimmt auch wieder. Klar, deshalb auch ›alter Egon‹ und nicht ›junger Egon‹«.
»E-ben.«

»Und was hat der jetzt gemacht?«
»Wer?«
»Der Egon.«
»Was für’n Egon?«

[Rübenach]

[hobbes]

[Globo85]

Klasse!

[Klemens_Fitte]

Dankeschön, ihr drei!

[Klemens_Fitte]

Der Furonkel

Jedes Weihnachtsfest kommt der Furonkel. Mama und Papa ist das gar nicht recht, aber er gehört eben zur Familie.
Mit dem Furonkel gibt es immer ein großes Hallo. Aus seinem Handy kann er allerlei Dinge zaubern: Bunte Bilder mit dicken Schlagzeilen. Oder Videos, in denen Menschen mit verschwörerischer Miene abenteuerliche Geschichten erzählen.
Ist er in Stimmung, tanzt der Furonkel. Er schlägt Purzelbäume und Salti und dreht sich um sich selbst.
»Schluss mit den Luftsprüngen«, sagt Papa dann. Aber das bringt den Furonkel erst richtig in Fahrt. »Das ist der gesunde Menschenverstand«, ruft er und tanzt sich auf der Nase herum.

[Klemens_Fitte]

Die Stadt

Es gab keine Peripherie. Bis zum Horizont zogen sich die Hochhäuser und Wolkenkratzer der Stadt, die nur noch als die Stadt existierte, namenlos und einzigartig.
Solange man sich in ihr bewegte, schrieb man ihre vermeintliche Endlosigkeit der beschränkten menschlichen Perspektive zu, sagte sich, nichts sei endlos, wenn man es aus genügender Höhe betrachte.
An diesem Morgen sah er die Stadt, wie sie tatsächlich war: endlos, ununterscheidbar und leer. Die Leere war das Erschreckendste. In ihr zeigte sich das Negativ der Existenzen, die hier einst gelebt hatten.
Er bereitete den Abstieg vor. Dort unten, irgendwo in den Häuserschluchten, wartete der Minotaurus.

[Rainer Zufall]

Meine Güte, was für eine schöne Idee, Drabbles kannte ich noch gar nicht.
Hab nur den allerersten und die letzten drei gelesen, aber die habens schon in sich. Zukünftig werde ich mich jedenfalls vor Alter Egons (wie heißt denn da die Mehrzahl????) Furonkeln und -tanten und vor Abstiegen in fremde Städte in Acht nehmen.
Was für eine begnadete, wundervolle  Fantasie!

[Constantine]

[Klemens_Fitte]

[Globo85]

[hobbes]

Merkwürdig. Ich mache mir nicht die geringste Sorge um den Minotaurus.

Vielleicht aber auch nur deshalb, weil ich vorher gedanklich abgeschweift bin. In die endlose Stadt Mailand, in der wir vor Jahren mal gestrandet sind, schnell wieder flüchten wollten, aber die Stadt nahm und nahm kein Ende, es hat gefühlt den ganzen Tag gedauert, wieder aus ihr herauszufinden.

[Klemens_Fitte]

[Constantine]

[hobbes]

[Klemens_Fitte]

Der Mann auf der Brücke

Der Mann im navy-blauen Anzug, der im Strom der S-Bahn-Pendler über die Brücke geht, trägt ein Amulett unter dem Hemd. Niemand aus seinem Kollegen- und Bekanntenkreis hat dieses Amulett je gesehen. Sie wissen nicht einmal um seine Existenz.
Das Amulett ist die letzte Arbeit einer weitgehend unbekannten italienischen Künstlerin. Die Eltern des Mannes kauften es zu seiner Geburt, und sobald er alt genug war, ermahnten sie ihn, er dürfe es niemals ablegen.
Für den Mann ist das Amulett eine existenzielle Last.
Mitten auf der Brücke bleibt er stehen, länger, als man von einem Mann in Anzug erwartet, und geht weiter.

[Globo85]

[nebenfluss]

Ich kann hier gerade mal wieder nur einen

.

da lassen. Ich lese weiterhin mit, bin aber latent überfordert, am gleichen Tag noch Gedanken dazu zu formulieren - jedenfalls solche, die ich für reflektiert und lesenswert halte. Und wenn der Faden dann schon zwei Drabbles weiter ist, kommt es mir nicht mehr so wichtig vor.
Bin aber nach wie vor fasziniert, wie du es schaffst, nahezu täglich eine neue dieser Mini-Geschichten rauszuhauen, ohne dass es fade wird und man denkt: Ach, das ist jetzt wieder eins von dieser oder jener Machart. Ich glaube, wenn ich es probieren würde, dürfte genau das recht schnell passieren.

[hobbes]

[d.frank]

Schließe mich Nebenflusses Erörterung an, wollte aber eigentlich auch nur sagen, dass ich zu schätzen weiß, dass ich hier mitlesen darf.