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holg
Exposéadler
 Moderator
Beiträge: 2385 Wohnort: knapp rechts von links
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 01.12.2016 19:00 Könnte Weiß sein von holg
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Könnte Weiß sein
Der Himmel wie ein leeres Blatt Papier. Januschek wühlt sich unter Schlafsack, Mantel, Pappen heraus, setzt sich auf. Erste Pendler hasten vorbei. Gesichter leuchten im blauen Schein der Mobiltelefone; Geister in einer Zwischenwelt. Januschek fröstelt. Er windet sich in den Mantel, findet einen verbogenen Kanten Brot in der Tasche, kaut, fühlt einen Zahn, versucht, den linken Fuß so unter zu schlagen, dass das Loch in der Sohle bedeckt ist. Januschek sitzt unbeachtet in einer Mauernische, direkt neben dem Eingang zum Hauptbahnhof. Das Notizbuch heraus gekramt, neue Seite.
Blinzele die Tränen weg. Halte deine Hand fest, fester noch als den Koffer in der anderen. Wir gehen schneller, als wir müssten, auf den Schlagbaum zu, blicken nicht zurück. Nicht rennen. Du hältst die Pässe, stolperst, verlierst einen Schuh. »Geh weiter«, sage ich, lasse deine Hand los, um den Schuh aufzuheben. Als ich mich wieder aufrichte, bist du verschwunden. Der Zöllner lacht und winkt. Ich starre ihn an. Er grüßt und zeigt mit dem Finger. Ich drehe mich um. Noch ein Schlagbaum, noch ein Grenzerhäuschen, kaum von dem anderen zu unterscheiden, auch hier ein junger Kerl in Uniform, Pistole an der Seite, Gewehr auf dem Rücken; auch er lacht. Und eine junge Frau, die auf ihn zu humpelt. Sieht aus wie du. Ich renne.
Der Kugelschreiber setzt aus, die letzten Worte nur Furchen im Papier.
"Na dann nicht", brummt Herr Schiller. Januschek will die Schuhe nicht. Die Hose nimmt er, zieht die alte gleich aus.
"Nicht hier im Büro, Herr Januschek. Gehen Sie ins Bad. Und waschen Sie sich. Sie riechen."
Herr Schiller ist amtlicher Betreuer. Er kennt Januschek seit Jahren. Die Akte ist dünn.
Name: Janucec, Vorname: k. A.
Geburtstag: unbekannt
Geburtsort: unbekannt
Nationalität: vermutlich Bosnien & Herzegowina
Januschek macht keine weiteren Angaben. Er spricht nicht viel. Und wenn, dann deutsch.
»Wo kommen Sie her?«
»Bosnia.«
»Aus welcher Stadt?«
Schulterzucken.
»Warum Deutschland? Warum Düsseldorf?«
Schulterzucken.
»Wo wollen Sie denn hin?«
»Da weg.«
Er wäscht sich nicht, außer wenn Herr Schiller frische Kleidung für ihn hat, die er nicht mit einem will ich nicht ablehnt. Januschek ist wählerisch. Er trägt nur schwarz. Er benutzt keine Toilette.
»Warum nicht?«
»Passieren Dinge. Schlimme Dinge.«
Er schnorrt Kugelschreiber.
Herr Schiller malt. Jedes Bild beginnt mit einer weißen Leinwand. Er skizziert Formen: Rechtecke, Dreiecke, Kreise. Irgendwann bildet sich eine Szene heraus. Eine blaumarmorierte Murmel links unten im segmentierten Rundfenster. Ein Kugelschreiber schwebt in der Mitte des Bildes. Daneben zwei Zettel. Auf einem ein Zeitplan für den Tag:
0700 - Wecken, Systemcheck,
0730 - Körperhygiene, Frühstück,
0830 - Frühbesprechung
0930 - PR Termin, Livefeed zur DLR »Der Weg zum Mars - Halbzeit«
Der Rest ist verdeckt. Auf dem anderen:
Öffne die Augen. Dein Gesicht, entspannt. Du liegst auf der Seite, ins Kissen gesunken, atmest ruhig. Deine Lippen ein bisschen vorgewölbt, als wärest du beim Küssen eingeschlafen. Ich will dich berühren, dir über die Wange streichen, aber du bist im Schlaf entrückt. Es ist, als schaute ich in eine Seifenblase, die dich perfekt umhüllt. Sie scheint ein wenig zu changieren. Ich will sie nicht beschmutzen, nicht zerstören. Ich möchte hier liegen und dich ansehen. Wie jeden Morgen. Will deiner neu gewahr werden, wie jeden Morgen. Du hast darüber gelacht. Jeden Morgen eine Fremde neben dir, jeden Tag ein erstes Date, wie in diesem Film. Wer kann das wollen? Ich lebe es.
Ich schrecke auf. Der Einschlag des 105er lässt den Boden erbeben. Das Notizbuch fällt aus meiner Hand. Ich hebe es auf, wische etwas Schlamm von der Seite, man kann kaum noch etwas lesen, stecke es in die Brusttasche. Der Stift. Wo ist der Stift? Der Leutnant brüllt. Vorrücken in der nächsten Feuerpause. Ich schließe die Augen, rolle mich herum, peile um die Ecke. Immer hinsehen, hat der Leutnant uns eingeschärft, ihr müsst sehen, wo sie sitzen. Das MG hämmert Salve um Salve über das hinweg, was gestern noch ein Bauernhof war. Wir liegen im Dreck hinter den Resten einer Mauer; kaum noch kniehoch, der Haufen Steine. Das Gurgeln der Motoren wird vom Kettenrasseln übertönt. Der Boden vibriert. Vorrücken bis zum Hügel, immer wieder bis zum Hügel, als hätte es den letzten Tag, den letzten Hügel nie gegeben. Wenn die Panzer vorbei sind, hinterher. Achtet darauf, sie zwischen euch und den Schützennestern zu halten. Ich sehe, wie sich der Mund des Leutnants bewegt. Höre nur die Panzer. Das Zeichen. Sprung auf! Marsch, Marsch! Ich packe das Gewehr fester, renne los, geduckt, hinter dem Panzer. Immer hinsehen, ihr müsst sehen, wo sie sitzen, peile um die Ecke. Schmerz zerreißt meine Brust.
Lichter schmerzen. Zu hell. Eine Hand an seinem Arm, an seiner Stirn.
»Wissen Sie, wo sie sind? ... Wie ist Ihr Name? ... Welcher Tag ist heute?«
Schulterzucken. Seine Augen bewegen sich, sein Kopf. Das Gesicht kaum zu erkennen. Platzwunden, Schnitte. Er holt Luft. Er stöhnt.
»Die haben Sie ganz schön zugerichtet. Ein paar Rippen sind hin. Ein Arm. Besser, Sie bewegen sich nicht.«
Verbände werden gewechselt, Infusionen erneuert. Eine Tigerente, an ein Revers geheftet, tanzt. Ein Röntgenbild wird vors Fenster gehalten. Murmeln. Alte Brüche. Nicht das erste Mal.
»Sie hatten nichts bei sich. Keine Papiere, kein Geld. Nur das hier.«
Hände legen ein Notizbuch auf den Nachttisch. Einband abgestoßen, Seiten welk.
»Es lag in einer Pfütze. In dem Waschraum, in dem man Sie gefunden hat. Vielleicht erinnern Sie sich, wenn Sie darin lesen. Und hier, ein Kugelschreiber. Falls Sie etwas schreiben wollen.«
Seine Finger tasten. Neue Seite.
Öffne die Augen. Die Klimaanlage rasselt. Ich spüre ihre Unwucht. Wahrscheinlich Eis. Der Kugelschreiber schwebt vor meinem Gesicht. Ein paar Zentimeter daneben das Notizbuch. Die blaue Murmel hängt im unteren linken Fenstersegment. Haltegurte lösen. Schlafsack öffnen. Systemcheck, dann Körperhygiene. Morgenbesprechung. Versuchsreihen. Immer wieder Versuchsreihen. Wie eine Spiele-KI, die in unzähligen Wiederholungen den gleichen Level durchläuft. Vergiss gestern, den Tag davor, um nicht durchzudrehen. Heute ist ein unbeschriebenes Blatt. Später ein Livefeed »Der Weg zum Mars - fast da«. Ab Morgen dann Vorbereitung zum Bremsmanöver. Abwechslung. Bossfight.
Jetzt lesen. Notizen von gestern Abend.
Die Kinder schlafen im Fond. Kilometer fließen unter die Motorhaube, ergießen sich in den Rückspiegel. Solange wir fahren, gehört der Raum im Auto nicht zu der Welt da draußen. Nicht zum Woher, nicht zum Wohin, erst recht nicht zum unbestimmten Hier; ein Zwischen-Raum. Vom Sonnenaufgang vergoldete Wolken. Auf dem Sitz neben mir, Du, unwirklich wie eine schillernde Seifenblase, so nah und doch schemenhaft. Ein Geist, der im Nichtraum des fahrenden Autos eine eigene Dimension formt. Im Radio ein Lied, immer wieder das gleiche Lied, immer wieder die gleiche Botschaft, verschlüsselt in unzähligen Codes.
Wer bin ich? Immer wieder, wer bin ich? Und was hat das mit dem zu tun, der ich war? Will ich sein, wer ich war? Kann ich sein, wer ich will? Ein Niemand? Maler, Krieger, Astronaut? Kann ich alles, was ich weiß, vergessen? Neu anfangen, immer wieder neu, bis das Bild scharf ist und klar, und ich weiß, ich bin angekommen? Deshalb der Bahnhof? Deshalb das Meer? Du siehst es schon. Ich die Straße. Mittelstreifen, Seitenlinien. Parallelen, die zum Fluchtpunkt streben. Kegelbäume, Kugelbüsche, graue Quader, grüne Rauten, Dreiecke, und weit, weit vorne, eine unendlich scheinende Fläche unbestimmter Farbe. Könnte Weiß sein.
Wie jeden Montag zählt Januschek die fünfundsiebzig Euro, nur Scheine, zwei mal, bevor er sie in die Unterhose steckt.
»Ist sicherer, da.«
Herr Schiller nickt. Wie jeden Montag.
»Kann ich den haben?« Januschek deutet auf den Kugelschreiber, der auf der Schreibunterlage liegt. Herr Schiller nickt.
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
Schulterzucken. »Ich brauche nichts.«
»Na dann. Bis nächsten Montag, Herr Januschek. Tschö.«
Januschek trottet grußlos aus dem Büro. Das letzte Wohnheim hat ihm vor ein paar Wochen gekündigt. Fristlos. Wegen der Fäkalien in seinem Zimmer. Kot auf der Türschwelle, Urin in den Ecken. Seitdem bemüht sich Herr Schiller um eine neue Bleibe für ihn. Schreibt, telefoniert, diskutiert. Der Winter kommt. Die Notunterkunft lehnt ihn ab, weil er stinkt. Er kann doch nicht auf der Straße wohnen. Er braucht eine Chance. Eine neue Chance, immer wieder eine neue Chance. Wie das Mal davor. Und die Male davor. Wie jedes Mal. Wie oft schon, seit Januschek aufgegriffen wurde? Ohne Papiere. Ohne Angaben zu machen, wer er sei. Vergessen oder verdrängt oder verheimlicht. Da ist nichts.
Die Sonne steht tief. Sie scheint durch das Fenster. Das abgelaufene Linoleum, die speckig befingerten Amtswände reflektieren ihr Strahlen. Der Flur, und mit ihm die Wartestühle, die eckrissigen Poster und der davon schlurfende Januschek verschmelzen im gleißenden Licht.[/i]
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Literättin
Reißwolf
 Alter: 57 Beiträge: 1838 Wohnort: im Diesseits
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 03.12.2016 13:55
von Literättin
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Ein spannender Text. Beim ersten Lesen hat er mich vor allem wegen Januschek umgehauen, der am Schluss so gnadenlos konsequent in seinem Niemandsland gefangen scheint. Beim zweiten war ich verwirrt, ob Januschek Herr Schiller ist. Dann allmählich habe ich verstanden, dass einer in den nächsten "übergeht" Abschnittwsweise, dass Überblendungen stattfinden, Fragmente sich überlagern.
Der eine Abschnitt mit der Autofahrt erklärt das Ganze dann und zwar scheint er nötig, denn sonst hätte auch ich nicht kapiert, worum es hier geht, andererseits zerstört er das Textgefüge, die Collage gerade durch die Fragen, die hier so konkret gestellt werden. Wobei ich erst einmal keine bessere Lösung hätte, es sei denn eine Art "Rahmen" oder "Textklammer", aber wie handwerklich vorgehen?
Ich finde den Text nach wie vor stark. Das Niemandsland der "zufälligen Möglichkeiten" oder Schicksale, in die wir hinein geboren werden. Irgendein Philosoph nannte es geworfen sein, was ich hier eher wiederfinde, im Text, denn wie sich die möglichen Leben hier darstellen, das hat schon etwas von ausgeliefert sein. Mit unabwendbarem konfrontiert, mit Dingen, auf die der Einzelne gar keinen Einfluss hat. Und in seiner Konsequenten Darstellung entwickelt der Text für mich auch eine Wucht, die mich wie kalt erwischt und diese "Penner"-Geschichte ist keine rührselige. Sie zeigt nur eine Möglichkeit und dies ziemlich trocken und am Ende auch noch "gnadenlos" sachlich. Keine Effekthascherei, sondern vorgehaltener Spiegel: Auch so könnte dein Leben aussehen.
Das Niemandsland: zunächst scheint der Text sich da mühsam hin zu arbeiten in der einzigen konkreten Niemandsland-zwischen-den-Grenzen Szene. Dann dekliniert der Text verschiedene Niemandslande durch. Das scheint eine Schwäche, da es ein wenig wie ein suchendes Hin und Her beim Schreiben wirkt. Auf der anderen Seite könnte diese Suchbewegung auch eine Stärke sein, wenn der Autor sich entschlossen hat, zu vergessen, seinen Text von vornherein durch zu konstruieren.
Der Text hat etwas Rohes, auch Unfertiges. Die Bilder, die er aufwirft fügen sich erst vorläufig an verschiedenen Stellen zu einem Gewebe, das den Text zusammenhält. Sehr gelungen finde ich beispielsweise Schillers Zeichnung, die sich in der durchfahrenen Landschaft wieder finden lässt, oder Januseks Notizbuch, das auch die oben als fehlend monierte Klammer sein könnte.
Erzählt der Text eine Geschichte? Ich meine ja: die Geschichte der unterschiedlichen Möglichkeiten eben jenes Geworfenseins.
Handelt eine Figur, als ob sie von neuem begönne, alles Alte vergessend? Eher nein. Jedenfalls nicht im die Geschichte tragenden Sinne. Vielleicht wird hier auch einfach unausgesprochen aufgezeigt, dass dies, einmal ins Leben geworfen im Grunde kaum mehr möglich ist.
Auf jeden Fall ganz weit oben in meiner Wertung.
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Constantine
Bücherwurm

Beiträge: 3292
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 04.12.2016 01:13
von Constantine
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Bonjour,
ich machs kurz:
1x bin ich während des Lesens rausgekommen und stolperte bei der ersten direkten Rede, die so unvermittelt kommt und ich nicht weiß, wer Herr Schiller ist:
Zitat: | [...]
Blinzele die Tränen weg. Halte deine Hand fest, fester noch als den Koffer in der anderen. Wir gehen schneller, als wir müssten, auf den Schlagbaum zu, blicken nicht zurück. Nicht rennen. Du hältst die Pässe, stolperst, verlierst einen Schuh. »Geh weiter«, sage ich, lasse deine Hand los, um den Schuh aufzuheben. Als ich mich wieder aufrichte, bist du verschwunden. Der Zöllner lacht und winkt. Ich starre ihn an. Er grüßt und zeigt mit dem Finger. Ich drehe mich um. Noch ein Schlagbaum, noch ein Grenzerhäuschen, kaum von dem anderen zu unterscheiden, auch hier ein junger Kerl in Uniform, Pistole an der Seite, Gewehr auf dem Rücken; auch er lacht. Und eine junge Frau, die auf ihn zu humpelt. Sieht aus wie du. Ich renne.
Der Kugelschreiber setzt aus, die letzten Worte nur Furchen im Papier.
"Na dann nicht", brummt Herr Schiller. Januschek will die Schuhe nicht. Die Hose nimmt er, zieht die alte gleich aus.
"Nicht hier im Büro, Herr Januschek. Gehen Sie ins Bad. Und waschen Sie sich. Sie riechen."
Herr Schiller ist amtlicher Betreuer. Er kennt Januschek seit Jahren. Die Akte ist dünn.
Name: Janucec, Vorname: k. A.
Geburtstag: unbekannt
Geburtsort: unbekannt
Nationalität: vermutlich Bosnien & Herzegowina
[...]
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Ansonsten: tolle Interpretation der Themenvorgabe und für mich der beste Beitrag in diesem Wettbewerb.
Du hast es in meine Top Ten geschafft: douze points.
Merci beaucoup,
Constantine
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Seraiya
Mondsüchtig

Beiträge: 924
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 06.12.2016 20:23
von Seraiya
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Hallo Inko,
Leider ist es mir aufgrund von Zeitmangel nicht möglich, die Texte so zu kommentieren, wie ich es gerne würde und wie sie es verdient haben.
Ein trauriger Text, der mich ebenfalls mit auf die Reise genommen und mich
nachdenklich zurückgelassen hat. Der Titel hatte es mir ebenfalls angetan und der Stil des Textes gefällt mir sehr gut.
LG,
Seraiya
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Oktoberkatze
Eselsohr
 Alter: 58 Beiträge: 314
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 06.12.2016 21:41
von Oktoberkatze
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Thema: seh ich gut umgesetzt
Motto: seh ich sowohl bei Januschek als auch bei Schiller erfüllt
Inhalt: sensibler Text über Vergangenheitsbewältigung
Fazit: hat mir sehr gut gefallen, 8 Punkte
_________________ Die meisten Denkmäler sind innen hohl |
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Heidi
Reißwolf
 Alter: 42 Beiträge: 1424 Wohnort: Hamburg
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 06.12.2016 22:58
von Heidi
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Obdachlos, heimatlos. Ja, das bietet sich an beim Thema "Niemandsland" und ich frage mich, warum ich nicht selbst auf die Idee gekommen bin.
Ich mag den teils abegehackten Schreibstil und der Text schaffst es, mich mit Januschek mitleiden zu lassen, sein Schicksal unerträglich zu finden, sodass ich nachvollziehen kann, dass er Notizen machen muss, um zu überleben. Ihn als Figur finde ich interessant gegriffen, die Art, wie er spricht, wie er sich gibt, da entsteht sofort ein Bild.
Das Motto finde ich vor allem in den Szenen zwischendrin wieder, also seinen Notizbucheinträgen, vermutlich seinen Träumen mit "Du", die ihn immer wieder weitermachen lassen in seinem trostlosen Dasein, trotz Trauma und allem.
Das wird Punkte geben. Genau genommen fünf.
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Lapidar
Exposéadler
 Alter: 61 Beiträge: 2695 Wohnort: in der Diaspora
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 07.12.2016 22:33
von Lapidar
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ich weiß, es sind experimentelle Texte, aber es fuchst mich schon, dass ich nur teilweise eine kleine Ahnung von der Vorgeschichte kriege.
Niemandsland ist gut getroffen.
_________________ "Dem Bruder des Schwagers seine Schwester und von der der Onkel dessen Nichte Bogenschützin Lapidar" Kiara
If you can't say something nice... don't say anything at all. Anonym. |
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V.K.B.
[Error C7: not in list]
 Alter: 50 Beiträge: 5984 Wohnort: Nullraum
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 07.12.2016 22:41
von V.K.B.
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Hallo Inko,
ein Betreuer, der versucht, sich in einen traumatisierten Flüchtling hineinzuversetzten. Interessant. Und gut geschrieben, der Schreibstil gefällt mir. Die Themenvorgabe ist auch gut getroffen.
Dafür gibts Punkte.
Nach langer Überlegung, ewigen Vergleichen, alles vergessen und immer wieder von vorne beginnen wie neu, meine endgültige Wertung: 6 Punkte.
_________________ Let the cosmic muse I summoned forth inspire thee …
Warning: Cthulhu may still occasionally jumpscare people … |
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Michel
Bücherwurm
 Alter: 52 Beiträge: 3352 Wohnort: bei Freiburg
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 09.12.2016 20:26
von Michel
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Beim ersten Durchlesen mein Favorit, bisher. Da sind atemberaubend schöne Bilder drin und Figuren, die auch in 10000 Zeichen lebendig werden. Die gefangen sind in sich wiederholenden Abläufen. Traurig, schön, und vermutlich gut recherchiert (105er?). Niemandsland in der Autofahrt eingefangen, aber am meisten bleiben die Bilder des ungewaschenen Menschen, der den Weg zurück nicht mehr findet.
Berührend.
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tronde Klammeraffe
T
Beiträge: 526
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T 09.12.2016 20:50
von tronde
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Hallo!
Schöner Text, sprachlich gewandt. Verschiedene Interpretationen des Themas, und des Mottos. Allerdings sind es mehrere Protagonisten, zumindest auf den ersten Blick, dann aber nur ausgedachten Personas eines Protas?.
Oben dabei.
Liebe Grüße
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hobbes
Tretbootliteratin
 Moderatorin
Beiträge: 4155
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 09.12.2016 22:39
von hobbes
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Hm. Januschek ist eigentlich einer, den ich mögen könnte. Und den Text könnte ich auch mögen. Aber verstehen tu ich ihn nicht und das liegt am Zeitplan. Bin ich jetzt bei Herrn Schiller? Wer erzählt das, was danach kommt?
Ist Januschek wegen Herrn Schiller hier? Was soll das mit Düsseldorf?
Hier sind mir doch tatsächlich zu viele Fragen. Ohne dass ich eine Idee oder auch nur das Gefühl einer Antwort bekomme.
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Lorraine
Klammeraffe

Beiträge: 648 Wohnort: France
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 11.12.2016 14:28
von Lorraine
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Sorry, nur eine Platzhalter-Zeile, um bepunkten zu können.
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weltensegler
Wortedrechsler

Beiträge: 85 Wohnort: Nürnberg
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 12.12.2016 11:51
von weltensegler
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Dein Text liest sich gut, auch die Szene im tatsächlichen Niemandsland - zwischen zwei Staaten - findet sich metaphorisch im Auto wieder und in Januscheks heutigem Leben - dem gesellschaftlichen Niemandsland. Trotzdem fällt es mir schwer ihn so richtig zu greifen, ich kann nur leider nicht sagen, woran das liegt...
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rieka
Sucher und Seiteneinsteiger

Beiträge: 818
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 12.12.2016 13:07
von rieka
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Es geht um die Befindlichkeit eines Nichtsesshaften mit der Andeutung traumatischer Hintergründe und um die seines Betreuers. Beider Leben überschneiden sich im realen Alltag als auch im inneren Erleben. Beide schlagen sich mit einem inneren Niemandsland herum, scheinen dadurch verbunden zu sein. Es ist nicht zu sehen, gestaltet sich durch das Drumherum.
Alles habe ich nicht verstanden, aber das Meiste und das reicht aus, um den Text in meiner Punkteliste nach oben zu setzen.
Der Text hat alles, was gefordert ist.
Er berührt inneres (und möglicherweise, das ist der Teil, der mir nicht ganz klar ist, reales) Niemandsland , zumindest Kriegsgebiet, welcher Art auch immer, auch Flucht.
Es gibt den inneren und offensichtlich äußeren Prozess des immer wieder Anfangens und auch im Textaufbau fängt es immer wieder neu an.
Er ist mehrschichtig, verläuft in unterschiedlichen Zeiten und Geschehnissen, wobei die beschriebenen Szenen ineinandergreifen, bzw. voneinander abhängen.
Den Text finde ich kühl ohne Gedöns und doch mitnehmend, flüssig, fast spannend geschrieben, sein Inhalt nimmt mich gefangen und, etwas was mir immer wichtig ist, der Inhalt ist authentisch. Da schreibt jemand, der weiß, wovon er spricht. Sowohl was den äußeren Rahmen betrifft, als auch das des Innenlebens.
10 Punkte
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gold
Papiertiger
 Alter: 70 Beiträge: 4874 Wohnort: unter Wasser
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 12.12.2016 22:50
von gold
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Hallo Inko,
M.E. hättest du den Absatz fünf nicht gebraucht. Er reißt mich durch den nüchternen, sachlichen Stil aus dem Text. Ansonsten ist die Geschichte gut geschrieben. Sie wirkt authentisch, allerdings finde ich die Thematik nicht außergewöhnlich. Das Motto wurde umgesetzt.
Liebe Grüße
gold
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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bamba
Eselsohr

Beiträge: 201
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 13.12.2016 14:10
von bamba
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Verstehe die Geschichte nach mehrmaligem Versuch nicht ganz.
Liegt vielleicht daran, dass so viele Texte zu verstehen sind.
Idee interessant, Ausführung mMn zu kompliziert. Sorry, keine Punkte.
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Tjana
Reißwolf
 Alter: 63 Beiträge: 1791 Wohnort: Inne Peerle
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 13.12.2016 18:52
von Tjana
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Hmmm
Am Anfang dachte ich, Thema, Motto und Anspruch klasse umgesetzt. Tolle Geschichte, Idee. Das denke ich irgendwie immer noch, aber die Auto-Passage verwirrt mich. Wenn die bedeuten soll, dass es eine Person gibtl, die sowohl Januscheck als auch Schiller in sich vereint, ist mir das zu hintergründig oder zu kurz, oder ich bin einfach zu doof für den literarischen Anspruch.
Die Wortschöpfungen gefallen mir aber sehr.
_________________ Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein) |
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Municat
Eselsohr
 Alter: 56 Beiträge: 353 Wohnort: Zwischen München und Ingolstadt
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 13.12.2016 23:05
von Municat
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Lieber Unbekannter Autor
Intensive Bilder, die Du da zeichnest. Januschek muss ja so einiges mitgemacht haben, bevor er in Düsseldorf angekommen ist. Das Erlebnis an der Grenze gehört eindeutig zu ihm, die Kriegsszene wohl auch. Er ist derjenige, der jeden neuen Tag in einem Notitzbuch festhalten will, aber nicht über seine Vergangenheit redet ... vermutlich, weil er die vergangenen Zeiten aus Selbstschutz vergessen muss, um nicht durchzudrehen. Er lebt jeden Tag neu - ohne Erinnerung an die vergangenen Tage. Man hat ihn und das Notitzbuch in einem Waschraum gefunden, wo er Dinge erlebt haben muss, die ihm noch immer so viel angst mchen, dass er keine Toiletten mehr benutzt.
Aber auch Herr Schiller ist nicht gerade unbelastet, wie es aussieht. Er verarbeitet das, was er erlebt hat, in Bildern ... oder ist es Januschek, der sich ads nur vorstellt? Immerhin kommen die militärischen Gedanken und die Kugelschreiber in beiden Abschnitten vor. Die Szene im Auto verbinde ich jedenfalls eher mit Herrn Schiller als mit Januschek. Ist auf dieser Fahrt etwas schlimmes passiert ... ich denke da an die schlafenden Kinder im Fond? Beschäftigt ihn Januschek deswegen mehr als andere Bedürftige, weil er Parallelen sieht? SInd die beiden vielleicht sogar ein und dieselbe Person ... gepaltene Persönlichkeit und so?
Umsetzung der Vorgaben
Das Niemandsland sehe ich in Deiner Geschichte mehrfach: Das Kriegsgebiet, die Flucht aus der Heimat, die Tatsache, dass Janoschek nirgends hingehört und sich weigert, darüber zu reden (oder nachzudenken), wo er herkommt ... und die ausdrückliche Beschreibung des Zustandes im fahrenden Auto.
Den immer wiederkehrenden Neustart schafft sich Janoschek selbst. Die einzigen Anker in die Erinnerung sind wohl die EInträge im Notizbuch. Auch die Abschnitte stehen so unabhängig zueinander, dass man jeden auch für sich alleine sehen kann.
Der Test ist definitiv tiefgründig und kilomeiterweit entfernt von glatter Unterhaltung.
Meine Bewertung gibt es erst, wenn ich alle Texte kommentiert habe.
_________________ Gräme dich nicht, weil der Rosenbusch Dornen hat, sondern freue dich, weil der Dornbusch Rosen trägt  |
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Jenni
Bücherwurm

Beiträge: 3285
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 14.12.2016 13:29
von Jenni
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Januschek klammert sich an seine Notizen, die das Geschehene festhalten, das er immer wieder durchlebt. Herr Schiller malt. Das hat mich erst irritiert, dieser Zusammenhang, aber es soll, so glaube ich jetzt, eine Metapher dafür sein, dass er erschafft, aus zu wenigen Informationen das Schicksal Januscheks zu verstehen sucht, das ihn berührt und verfolgt, sich mit eigenem Erleben vermischt. Und er könnte Januschek helfen, selbst wieder etwas zu erschaffen, sein Leben wieder in Angriff zu nehmen, wenn der nicht am Vergangenen festhielte, vielleicht nicht anders kann.
Ungefähr so?
Mir gefällt, wie du Januscheks Schicksal hier erzählst. Nicht auf Betroffenheit abzielend, sondern auf Verständnis. Gerne gelesen.
Gibt Punkte von mir. 7 Punkte.
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Ithanea
Reißwolf
 Alter: 33 Beiträge: 1064
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 16.12.2016 13:08
von Ithanea
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Mag ich sehr. Ist jetzt dummerweise doch auch knapp an den Punkten vorbei gerutscht. Leider. Tut mir Leid, dass ich nicht mehr kommentieren kann im Moment. Vielleicht kann ich drauf zurück kommen.
_________________ Verschrieben. Verzettelt. |
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lilli.vostry Wortschmiedin

Beiträge: 1221 Wohnort: Dresden
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 16.12.2016 17:04 aw: von lilli.vostry
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Hallo,
aus Zeitgründen nur eine kurze Antwort auf Deinen Text (später gerne mehr), um befedern, bewerten zu können.
Der Titel macht neugierig. Es könnte Weiß sein... Wie ein Neuanfang, ein unbeschriebenes Blatt. Doch das ist es nicht, der Mann in der Geschichte lässt eine Welt, seine eigene, hinter sich und pendelt irgendwo im Niemandsland umher... Ein toller Text, sprachlich schön, poetisch und spannend erzählt.
Ich geb Dir 7 Punkte auf meiner Top12-Liste.
Viele Grüße,
Lilli
_________________ Wer schreibt, bleibt und lebt intensiver |
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nebenfluss
Show-don't-Tellefant

Beiträge: 5738 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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 16.12.2016 17:20
von nebenfluss
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Hallo Inko,
ein Mensch auf dem Weg nach unten. Januschek, Kriegsveteran und Immer-wieder-Neuaufsteher und -Neudenker, flexibel aber auch vom Leben hart geprüft, wird schließlich mit Perspektivlosigkeit konfrontiert. Ein traumatisches und verdrängtes Erlebnis in einem Waschraum hat ihm eine Toilettenphobie beschert, was seine Vermittelbarkeit nicht nur in der Arbeitswelt sondern auch auf dem sozialen Wohnungsmarkt vereitelt. Die einzige Konstante in seinem Leben: Das Schreiben. Er schnorrt Kugelschreiber und hält die Bruchstücke seiner Erinnerung in seinem Notibuch fest. Ob auch die neueren Fragmente über Herrn Schiller aus diesem Notizbuch stammen? Ich glaube nicht. Vermutlich soll in der Erzählung das Leben des Schreibtischtäters Schiller dem von Januschek gegenübergestellt werden. Wie das Schicksal über Glück und Unglück entscheidet. Die Lüge von der Chancengleichheit.
Mir fast ein bisschen zu überladen, andererseits auch voller Feinheiten, die mich dann doch sehr für den Text eingenommen haben.
Der Text hat es in meine persönlichen Top 10 geschafft. Punktevergabe hängt von der Umsetzung der Wettbewerbsvorgaben ab.
_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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