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Literättin Reißwolf
Alter: 58 Beiträge: 1836 Wohnort: im Diesseits
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11.09.2016 19:00 barbarossaplatz, oder woher von Literättin
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barbarossaplatz, oder woher
mein versuch die schienenstränge zu fokussieren
misslingt auch das zählen ich stehe oder ich laufe
im schotter schimmernde stahlschlangen
vibrationen unter den fußsohlen und wind
aus dem tunnel oder woher die schockwelle
ein warmer luftschwall metallisches
die sechs oder die zwölf in der kurve
oder die zehn und auf welchem
ich muss nachhause und
sehe nicht in welchem gleisbett
ich stehe oder ich laufe oder die bahn
oder die bahn rauscht
Weitere Werke von Literättin:
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drusilla Eselsohr
Alter: 41 Beiträge: 224 Wohnort: Schweiz
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12.09.2016 20:49
von drusilla
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Hallo Inko oder Inka
Das Gedicht gefällt mir sehr. Ich kann die Verwirrung und Orientierungslosigkeit des "Ichs" beinahe mit den Händen greifen. Ich habe nach dem Lesen einen Moment inne gehalten und mich gefragt, ob ihn die Bahn hoffentlich nicht überrollt hat Nein, nein, "ich" hat es sicher noch ins Bett geschafft.
LG Drusilla
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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13.09.2016 16:58
von menetekel
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Zitat: | barbarossaplatz, oder woher
mein versuch die schienenstränge zu fokussieren
misslingt auch das zählen ich stehe oder ich laufe
im schotter schimmernde stahlschlangen
vibrationen unter den fußsohlen und wind
aus dem tunnel oder woher die schockwelle
ein warmer luftschwall metallisches
die sechs oder die zwölf in der kurve
oder die zehn und auf welchem
ich muss nachhause und
sehe nicht in welchem gleisbett
ich stehe oder ich laufe oder die bahn
oder die bahn rauscht |
Ein Kölner LyrIch, noch dazu nach dem Genuss zu vieler Kaltgetränke!
Das nimmt mich für den Dichter ein, musste ich doch erst gestern bei 31 ° Außentemperatur eine ausführliche Weinprobe über mich ergehen lassen, was sehr, sehr schwer war. Und irgendwie niederstreckend.
Aber beim LyrI daheim trinkt man erfahrungsgemäß mehr Kölsch. Und davon muss es schon eine Menge sein, um die Straßenbahngleise in Schwanken zu bringen. - Selbstkritisch bleibt das selbst vom knüllen Dichter nicht ganz unbemerkt:
Zitat: | ich stehe oder ich laufe oder die bahn
oder die bahn rauscht |
Für mich ein schlichtes, aber ergreifendes Werk ohne Fehl und Tadel. Und mit geschickt eingesetzten Stilmitteln.
Mitfühlende Grüße
m.
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HerbertH Klammeraffe
Beiträge: 544 Wohnort: terra sol III
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13.09.2016 19:42
von HerbertH
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hier finde ich die bewegungsunschärfe indirekt ausgedrückt:
das lyrI bewegt sich und schaut nach zügen.
die situation und die gedanken des lyrI sind das, was unscharf ist.
was genau passiert, wird nicht klar gesagt, erschliesst sich aber auch nicht so wirklich aus dem text.
_________________ schiefwinklig ist eine kunst
© herberth - all rights reserved |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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13.09.2016 22:16
von firstoffertio
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Jemand verzählt sich in den Zügen, verlauft sich auf den Gleisen. Das ist anschaulich und sprachlich raffiniert beschrieben. Ich stelle mir diesen Platz sehr verwirrend vor.
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MoL Quelle
Beiträge: 1838 Wohnort: NRW
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14.09.2016 12:02
von MoL
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Mag ich sehr, tolle Bilder, tolle Stimmung!
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MoL Quelle
Beiträge: 1838 Wohnort: NRW
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14.09.2016 12:02
von MoL
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P.S.: Der fehlende Vers ist genial!
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poetnick Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 835 Wohnort: nach wie vor
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14.09.2016 12:26
von poetnick
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Um eine Wertung abgeben zu können, unkommentiert. 5 Punkte.
LG - Poetnick
_________________ Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus |
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Literättin Reißwolf
Alter: 58 Beiträge: 1836 Wohnort: im Diesseits
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14.09.2016 15:18
von Literättin
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Heute gefällt es mir doch wieder, nachdem ich ein paar Tage haderte. Vor allem mit dem "auf welchem" anfangs der dritten Strophe. Auf welchem Gleis hieße es vervollständigt, aber zusammen mit dem folgenden "in welchem Gleisbett" sperrt es mir doch zu sehr in der Wiederholung. Auf welchen (Gleisen), verkürzt zu "auf welchen" wäre vielleicht doch schöner -oder noch anders. Wie auch immer: heute lese ich es trotzdem gerne wieder.
Soll ich euch den fehlenden Vers verraten?
Ich tu's einfach. Mittlere Strophe mit fehlendem Vers, für die, die es wissen wollen:
ein warmer luftschwall metallisches
kreischen der bremsen
die sechs oder die zwölf in der kurve
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Lorraine Klammeraffe
Beiträge: 648 Wohnort: France
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16.09.2016 21:30 Re: barbarossaplatz, oder woher von Lorraine
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Guy Incognito hat Folgendes geschrieben: | barbarossaplatz, oder woher
mein versuch die schienenstränge zu fokussieren
misslingt auch das zählen ich stehe oder ich laufe
im schotter schimmernde stahlschlangen
vibrationen unter den fußsohlen und wind
aus dem tunnel oder woher die schockwelle
ein warmer luftschwall metallisches
die sechs oder die zwölf in der kurve
oder die zehn und auf welchem
ich muss nachhause und
sehe nicht in welchem gleisbett
ich stehe oder ich laufe oder die bahn
oder die bahn rauscht |
Hallo,
Unschärfe und wie sie wahrgenommen wird/sich darstellt, entsteht hier aus gegenläufigen Bewegungen, Gegenlicht oder Reflexionen; es sind da Sinnesreize, die der Körper des LI empfängt, die einzuordnen schwer fällt, mir kommt vor, als solle durch die Wiederholung des "oder woher" aus dem Titel die Schockwelle in einer möglichen Mehrfachbedeutung hervorgehoben werden, einzig klar scheint für LI das "ich muss nachhause";
Dieses Hin- und Her; kein Abwägen, sondern eine Unmöglichkeit des Einordnens ... müsste ich interpretieren, könnte ich auf die Idee kommen, es ist frühmorgens, LI hat eine durchwachte Nacht hinter sich und sieht sich einer gewissen Orientierungslosigkeit ausgesetzt.
Das Ganze hat was. Ich mag das Wort "fokussieren" nicht, es erspart natürlich ein "ich sehe unscharf".
Ich mag die im Schotter schimmernden Stahlschlangen, sie fallen als einzige lebende Metapher im Gedicht auf.
Ich glaube, es ist das komplett Unprätentiöse, was mir gefällt und eine Sprache, die diese "unscharfe" Art zu denken, das Stocken, das Wiederholen versucht, einzufangen.
Grüsse,
Lorraine
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MrPink Lyromane
Alter: 53 Beiträge: 2431 Wohnort: Oberbayern
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19.09.2016 21:01
von MrPink
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Sehr dynamische Bilder und die Sprache passt ziemlich gut dazu. Hat was.
Gern gelesen.
_________________ „Das Schreiben wird nicht von Schmerzen besorgt, sondern von einem Autor.“
(Buk) |
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Zinna schweißt zusammen, was
Beiträge: 1551 Wohnort: zwischen Hügeln und Aue...
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21.09.2016 22:01
von Zinna
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Hallo Inko,
Den Platz gibt es in mehreren Städten. Ein Knotenpunkt von Stadt- und U-Bahn, der gleichzeitig verbindet und trennt.
Da ist ein LI, das bestimmte Dinge im Blick nicht "scharf gestellt" bekommt.
Ähnlich geht es mir als Leser, läuft das LI auf einem Weg, auf dem Bahnsteig, im Gleisbett?
In Strophe 2 der fehlendende Vers hat eine unaufdringliche Wirkung.
Finde ich in Strophe eins eher Unsicherheit und Unschlüssigkeit, wird in der dritten Strophe eine Unruhe spürbar, deren Unschärfe etwas unwirkliches hat.
(Ziemlich viele Uns, nicht?)
Un' nu?
Zum Titel, weshalb gerade dieser Platz? Weil er so einen konkreten Namen bekommt, aber dennoch nicht einmalig ist?
Liebe Grüße
Zinna
Kommentarplatzhalter
_________________ Wenn alle Stricke reißen, bleibt der Galgen eben leer...
(c) Zinna |
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Rübenach Exposéadler
R
Beiträge: 2832
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R 22.09.2016 07:23 Re: barbarossaplatz, oder woher von Rübenach
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fff-lyrik ist immer schwierig zu bewerten. insgesamt fand ich das niveau der gedichte diess mal beachtlich, wenn ich an die äußerdt knappe zeit denke, in denen die texte entstanden sind.
barbarossaplatz, oder woher ist meiner meinung nach einer der beiden besteb texte im wettbewerb.
7 Punkte
_________________ "Vielleicht sollten mehr Leute Schreibblockaden haben." Joy Williams |
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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23.09.2016 16:31
von holg
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Köln, etwa?
unscharf stahlschimmerndes suchen, rastlos.
_________________ Why so testerical? |
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Literättin Reißwolf
Alter: 58 Beiträge: 1836 Wohnort: im Diesseits
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26.09.2016 13:47
von Literättin
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Nachdem ich zwei Tage lang erkältungsmäßig etwas außer Gefecht war, schreibe ich jetzt auch noch etwas. Zunächst meinen erfreuten Dank an alle Kommentierer und Punkteschenker ! Mich hat das sehr gefreut und freut mich noch sehr, dass mein (recht persönliches) Köln (ja, Köln)-Gedicht Anklang gefunden hat.
Ich will inhaltlich auch gar nicht viel dazu sagen. Nur so viel, dass es kein "Rausch"-(im Sinne von Kölsch-Konsum )Gedicht ist. Alle anderen Sicht- und Leseweisen kann ich so stehen lassen.
Zur Entstehung: verrückter Weise kam es mir in den Sinn, als ich die Prosa-Aufgabenstellung las. Ich hatte - aus welchem Grund auch immer (ich glaube, es war bei dem Punkt mit dem Beine-Einknicken) - sofort einen bestimmt-unbestimmten Blickwinkel am Barbarossaplatz im Kopf, den Anblick eines bestimmten Hochhauses (das im Gedicht gar nicht vorkommt) und einen bestimmten Stress- und Verwirrungspegel. Es kam in meinem Leben öfter vor, da stand ich am Barbarossaplatz (dem für mich stressigsten in Köln, obwohl es vermutlich umtostere Plätze gibt) und fühlte mich ungefähr so, wie ich es dann hier im Wettbewerb in stressigen zwei Stunden in Verse gefasst habe.
Was mich in diesen zwei Stunden überrascht und beglückt hat, war die Tatsache, dass diese Verse quasi wie in einem Guss aus mir herausflossen, ich sie dann zwei- dreimal überarbeitete und umkrempelte, nur um danach nahezu wieder beim Original-Rohzustand zu landen, weil dieser sich für mich am stimmigsten anfühlte.
Es lag dann ein gewisses Wagnis darin, es tatsächlich abzuschicken (und nicht wieder zurückzuholen aus dem Postausgang), weil es mir denkbar unfertig und eben "roh" vorkam und dazu auch noch so persönlich (was ja niemand merken muss). Aber ich stelle immer öfter fest, dass es genau dieses Schreiben ist, das mich befreit und beflügelt, auch schreibend immer wieder neu anzusetzen.
Und zuletzt: Ich lese es heute tatsächlich immer wieder gerne. Weil ich inzwischen zuhause bin .
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