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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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24.09.2013 20:00 Und Gott sprach, es werde. von Jenni
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Und Gott sprach, es werde.
Das deutsche Lied, in dunkle Nacht verschlagen,
Hat lang geschlummert, bis sein Strahl erwacht,
Bis mit des Geistes göttlich hoher Macht
Ein blühend Kind es an das Licht getragen.
(aus: Moritz Graf von Strachwitz, Das Nibelungenlied)
Pankraz führte ein selbstbestimmtes Leben. Rückblickend verhielt es sich sogar so, dass er seine eigene Geburt verfrüht eingeleitet hatte, mit dem schlichten aber schönen Gedanken Es werde Licht. Bewusst wurde ihm die Kraft seiner Gedanken erst viel später; indes, ohne sich selbst rühmen zu wollen, wuchs Pankraz zu einem hübschen und sorglosen jungen Mann heran, denn, so dachte sich Pankraz, wer zweifelte, dem war der Seele Ruh bereits versagt. Es war in der Folge eines im Trotz gedachten Dann geh doch und lass dich vom Fünf- Uhr-Dreißig-Zug überfahren, auf den Ausspruch seines Vaters hin, das Leben sei zu kurz für Umwege, dass Pankraz sich in ernsthafte Erwägungen über das Leben und dessen Sinnhaftigkeit zu versteigen begann. Zunächst tat ihm die Sorge um die Lebenserwartung seiner verbliebenen Angehörigen im Herzen weh, ja, er bedachte den Schaden, den er bei seinen Leuten anzurichten vermochte. Brauchte er doch nur einmal aus Unachtsamkeit zu denken, Hätte jemand gestanden, wo der Stein vom Dach fiel, da sah er seine Schwester von eben jenem Stein erschlagen; noch betrachtete Pankraz den Verlauf der Geschichte schlicht als unglücklich. Dennoch drängte es ihn, seine Heimat und Familie zu verlassen, zugunsten einer wahrhaftigen, kuriosen und sehr gefährlichen Reise, denn, so dachte Pankraz, die große Welt müsse doch gleich einer Waage sein Schicksal auszubalancieren vermögen, und Pankraz die Leichtigkeit finden. Und so geschah es auch.
Früh um drei stahl er sich aus dem Haus, und die Wolken, oben streifig und unten schwer, schienen ihm zu Recht ein gutes Vorzeichen. In jener Phase seines Lebens erkannte Pankraz den Nutzen seiner besonderen Begabung. So spazierte er durch einen Orangenhain, in welchem ganz oben in den Bäumen die dicksten und süßesten Früchte hingen. Fülle süßer Früchte, beuge deine immergrünen Zweige, dachte hungrig Pankraz. Sogleich kam eine Krähe geflogen, ließ sich auf einem der immergrünen Zweige nieder, und Pankraz gelangte ohne Mühe an die Früchte. Vom Wahren nun überzeugt, beschloss Pankraz zu lieben. Kaum hatte er den Hain verlassen, begegnete ihm eine Frau ewiger Schönheit, und sie hieß Sophie. Das Auge ist das Sprachorgan des Gefühls, dachte Pankraz, und schon wandte sich die Schöne ihm zu, und es war mit einem Augenblick um ihn geschehen. Den ganzen Tag und die halbe Nacht dachte er an Sophie, und da erschien sie ihm in seinem Traum. Sie lebten glücklich und bekamen viele Kinder.
Ein Leben, so perfekt wie aus einem Märchen, da mussten selbst dem tapferen Pankraz einmal Zweifel kommen. Wenn er so an die Ewigkeit dachte, dann wurde ihm Angst um die Welt. Seine Mutter und seine Geschwister fielen ihm ein - er beeilte sich, viel Gutes über sie zu denken - die er in der fernen Heimat schutzlos zurückgelassen hatte. Er packte seine Frau und seine Kinder ein und fuhr sie heim, in die Berge. Es war Weihnachten, als sie sein Elternhaus erreichten, Heiliger Abend. Einzelne Schneeflocken fielen und legten sich auf die weiße Decke, die in den Straßen lag. Es ist zu ruhig, dachte Pankraz, und tatsächlich schien das Haus schon lange verlassen. Er hatte nicht beabsichtigt, diese Reise sonderlich wichtig zu nehmen, sich innerlich auf sie einzulassen, jetzt aber war ihm doch, als ob die Umstände seine volle Aufmerksamkeit erforderten. Fieberhaft durchkramte er seine Erinnerung. Hatte er nicht all die Jahre jeden Gedanken an seine Lieben aufs Gründlichste vermieden? Die Erkenntnis breitete sich wie ein Vakuum in ihm aus. Rasch dachte er, seine Sophie und seine Kinder möchten zur Tür hereinkommen, und gleich kamen sie herein, und er dachte an sie und dachte sie.
Auf die ganze große Welt bezogen, brachte seine Situation freilich Vorteile mit sich. Dachte er beispielsweise von nun an nie mehr an Kriege – bestürzt unterbrach Pankraz seinen Gedankengang. Am Morgen ging er durch das Dorf, vorbei an den schwarzen Brandmauern zerschossener Häuser, der zerstörten Kulisse seiner verlorenen Kindheit. Es kam alles wieder, was nicht bis zu Ende gelitten und gelöst, immer wieder litt er dieselben Leiden. Ich bin nicht Pankraz, dachte Pankraz Tag für Tag, beschwor es und trank Whisky. Sophie glaubte, ihn nicht wiederzukennen. Sie war die letzte, die das Dorf verließ; Pankraz saß allein im Keller dessen, was einmal sein Elternhaus gewesen war, aß nichts und dachte nichts. Denn der Denkende, so war ihm klar geworden, benützte kein Licht zuviel, kein Stück Brot zuviel - keinen Gedanken zuviel.
Es war Sonntag früh. Die Glocken läuteten von allen Türmen und die Irrlichter des Abends waren zerstoben. Pankraz wanderte durch belebte Straßen, beobachtete die Menschen beim Wiederaufbau ihrer Träume. Bald würde man dem Dorf das Geschehen nicht mehr ansehen; für das Auge würde Pankraz’ Schuld getilgt sein. Sein eigener Verlust hingegen war unwiderruflich. Könnt er doch eine Formel sprechen, die das Verlorne wiederbrächte – die Gefahr war ihm zu groß, der Versuch könne misslingen. Pankraz sah nur einen Ausweg. Die Welt wäre ohne ihn besser dran, und er würde die Konsequenzen dieser Einsicht nicht scheuen. Natürlich waren seine Überlegungen auch von der Furcht bestimmt, aber selbst wenn man ein gewisses Maß von Furcht einkalkulierte, stimmten sie. Er grübelte, wie er es anstellen wollte, von der Welt zu verschwinden, denn einem bedeutungsvollen Mann gebührte ein bedeutungsvoller Tod - da kam er an der alten Eisenbahnstation vorbei. Wie durch ein Wunder war sie unzerstört. Ein Fenster des Bahnwärterhäuschens war nicht ordentlich verschlossen und klapperte im Wind. Der Bahnübergang lag ganz hinten, am Ende des Bahnsteigs. Aber sein Vater war immer quer über die Gleise gegangen. Und hatte er nicht in Allem Recht behalten? Wohin hatten seine Umwege Pankraz geführt? Hier stand er wieder, wo alles begonnen hatte. Wer schreibt mir einen guten Schluss?, dachte Pankraz. Und dann brach mit einem Schlag die letzte Hemmung in ihm, der Kreis in sich zusammen. Pankraz schloss die Augen und tat einen Schritt nach vorn. Es war beinahe fünf Uhr dreißig. Er zählte die Sekunden. Tat einen weiteren Schritt. Horchte auf ein fernes Pfeifen, ein Rattern. Er sah nichts und hörte nichts und stand nur da, mitten auf den Gleisen, fünf Uhr dreißig längst vorbei. Es fahren keine Züge mehr, dachte er zuletzt.
So glaubte Pankraz sein Leben lang, selbst der Erzähler seiner Geschichte zu sein, doch erzählt sich Geschichte selbst. Eine Tragödie.
[Es wurde entliehen: dem AT, v. d. Vogelweide, v. Eschenbach, dem Nibelungenlied, dem Till Eulenspiegel, C. Reuter, Lessing, Goethe, Schiller, Novalis, Heine, Büchner, Fontane, T. Mann, Toller, Hesse, Frisch, Brecht, Remarque, Kästner, Andersch, Johnson, Grass, Süskind.]
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lady-in-black Bitte nicht füttern
Beiträge: 1474 Wohnort: Killer Förde
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25.09.2013 11:59
von lady-in-black
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Moin,
dies ist ein Ichwillerstmalnurdiebewertungsfedernfreischaltenkommentar.
Später vielleicht noch einmal mehr.
_________________ - Ich würde mich gerne geistig mit Dir duellieren ... aber ich sehe Du bist leider unbewaffnet.
- Nein, Stil ist nicht das Ende vom Besen.
- Ich spreche fließend ironisch, auch im sarkastischen Dialekt. |
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ash_p Wortedrechsler
Alter: 36 Beiträge: 51 Wohnort: Berlin
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28.09.2013 17:31
von ash_p
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Ich finde die Sprache eher altertümlich, nicht zeitgemäß. Deswegen spricht mich der Text leider nicht so an.
Auch, dass recht viel von anderen geschichten entliehen wurde finde ich schade, da könnte man denken, der Autor hätte nicht selbst gedacht.
_________________ Im Herzen haben wir alle unsere eigene kleine Welt. |
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KeTam Ungeduld
Alter: 49 Beiträge: 4947
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28.09.2013 18:56
von KeTam
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Ich finde die Umsetzung des Zitats in diesem Text sehr interessant.
Hier wird in beide Richtungen "ermittelt".
Ursache und Wirkung, die von Pankraz verwechselt werden, so baut er sich seine ganz andere Wahrheit.
Ich finde, in diesem Text wird ziemlich deutlich gezeigt, wie sehr das, was wahrgenommen wird von der Perspektive abhängt, die man einnimmt.
Ich finde das gelungen.
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Lapidar Exposéadler
Alter: 61 Beiträge: 2699 Wohnort: in der Diaspora
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29.09.2013 11:13
von Lapidar
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Ich finde keinen Bezug zu der Geschichte. Leider.
Es erinnert mich an Paulo Coelho.
_________________ "Dem Bruder des Schwagers seine Schwester und von der der Onkel dessen Nichte Bogenschützin Lapidar" Kiara
If you can't say something nice... don't say anything at all. Anonym. |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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29.09.2013 23:29
von firstoffertio
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Hhm. Das ist auch ein Text, den ich anfangs spannend fand, der mich aber gegen Ende zu doch enttäuscht hat. Hattest du nicht gemeint, die Gleise einbauen zu müssen, wäre sie vielleicht insgesamt spannend geblieben? Den Schlusssatz z.B. erklärt mir die Geschichte nicht.
Der Schreibstil gefällt mir im Grunde. Das etwas Umständliche, eher Ruhige.
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4299
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30.09.2013 10:44
von hobbes
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wikipedia hat Folgendes geschrieben: | Pankraz steht weiter für:
(...)
- ein Hügelgrab bei Breitenwaida |
Nicht wahr, das ist der Schlüssel zu diesem Text?
Jedenfalls ist das einer dieser Texte, bei denen ich nicht "was für ein Käse" denke, sondern mich auf die Suche nach Lösungen mache. Was nicht unbedingt bedeutet, welche zu finden, aber Spaß macht es allemal.
Und nun weiß ich auch endlich, was der Name unserer örtlichen Kirchengemeinde zu bedeuten hat.
Übrigens, diese entliehenen Dinge - schreibst du da die Wahrheit? Noch so eine Sache, für die ich leider viel zu unbelesen bin und über die ich gern noch ein Weilchen nachgrübeln würde.
Aber erst mal die anderen Texte kommentieren. Und dann komme ich wieder hierher zurück. Gern, übrigens
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gold Papiertiger
Beiträge: 4944 Wohnort: unter Wasser
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30.09.2013 16:38
von gold
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hallo Inko,
dein Text ist sprachlich gut und in sich geschlossen. Jedoch wirkt er auf mich antiquiert und trifft damit nicht meinen Geschmack.
Lg gold
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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Kara Eselsohr
K Alter: 46 Beiträge: 293
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K 30.09.2013 23:12
von Kara
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Hi Inko!
Dein Text und Pankraz haben mir gefallen, Stil, Sprache solide. Näheres auf Wunsch per PN,
LG, Kara
_________________ ...nur wer sich bewegt, bewegt auch was...
... Gras wächst auch nicht schneller, wenn man dran zieht... |
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Lupo Eselsohr
Beiträge: 364 Wohnort: Pegnesien
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01.10.2013 06:40 Viele Quellen von Lupo
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über deren Angabe ich dankbar bin, weil ich sie anhand der Stichworte nicht selbst suchen muss. Demnach ein Leitfaden durch antike Literatur. Passend zu den Vorgaben, geschickt ausgewählt, aber eine leichte Übung. Dazu durchgängig erzählt.
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Kateli Eselsohr
Alter: 47 Beiträge: 256 Wohnort: D-Süd
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01.10.2013 15:57
von Kateli
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Nette Idee. Fast ein Märchen, ein Lehrstück ... mit welcher Moral? Bilde dir nicht ein, du könntest irgendwas beeinflussen? Bedenke wohl, was du dir wünschst - es könnte dir gewährt werden? In jedem Fall was zum drüber Nachdenken. Generieren wir unsere Wahrheit selbst? Pankraz dachte das lange von sich. Welche Verantwortung! Welcher Irrtum.
Spannendes Gedankengebilde, gefällt mir sehr gut von der Idee her.
Schade, dass die Umsetzung weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Zu viel Bericht, zu wenig Lebendiges, zu wenig Dialog, zu groß die Distanz für mich als Leser.
Wenn man den Text als Märchen sieht (wie ich) dann passt sprachlich manches, was sonst vielleicht stören würde ... trotzdem gibt es ein paar Formulierungen, an denen ich mich reibe, z.B. hier:
"Die Erkenntnis breitete sich wie ein Vakuum in ihm aus."
Ein Vakuum breitet sich nicht aus. Meinetwegen verschlingt es alles, oder die Erkenntnis verschlingt alles und hinterlässt ein Vakuum, aber so geht der Satz nicht, und ähnliche Gedanken hatte ich beim Lesen öfter.
Trotzdem, die Idee gefällt mir.
LG
Nina
_________________ Zombies just want hugs |
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Bawali Klammeraffe
Alter: 80 Beiträge: 538 Wohnort: Wettingen, Schweiz
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02.10.2013 09:14
von Bawali
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Nachdem ich alle Beiträge aufmerksam durchgelesen habe, gibt es nun zu jedem eine kurze Anmerkung und eine erste vorläufige Einstufung. Aus meiner natürlich subjektiven Sicht stützt sich meine Einschätzung auf Aussage, Verständlichkeit, Schreibstil und das Handwerkliche des Textes sowie natürlich darauf, ob und wie gut Thema und Zitat umgesetzt wurden.
Bei diesem Text hatte ich enorm Schwierigkeiten. Ich habe ihn trotz mehrmaligem lesen nicht wirklich verstanden. Das Vorgabe-Thema ist nur schwach umgesetzt und die Thematik aus dem Zitat ist gar nicht zu finden.
Die Befederung setze ich im mittleren Drittel an. Die endgültige Federnzahl werde ich erst nach einem weiteren Durchgang, quer über alle Texte vergleichend, setzen.
_________________ Ein Freund ist ein Mensch der dich mag, auch wenn er dich kennt. (frei nach Elbert G. Hubbard) |
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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02.10.2013 11:25
von holg
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Wow. Das ist sprachlich vom allerfeinsten. Schön, dass unter dem Test steht, dass einiges entliehen ist. Spätestens bei der Fülle immer grüner Früchte war ich bei Herrn Google.
Was haben wir da? die Geschichte eines Menschen, der durch sein Denken die Welt verändert. Ich warte vergeblich auf einen Dreh, eine Erkenntnis, die das ganze entlarvt, umkehrt, bloß stellt. Passiert nicht. Oder doch, ganz am Ende?
Ist das Leben des Pankraz um kurz nach fünf Uhr dreißig vorbei? Denkt er noch jahrelang, er sei der Welt Schicksal? Welch ein perfides Ende, das beide Interpretationen zulässt, wenn auch die erste deutlich wahrscheinlicher ist.
Das Verweben von Zitaten zu einer eigenen Geschichte ist ein toller Trick, den ich sehr bewundere (wäre es mir doch viel zuviel Arbeit). Die Unmöglichkeit, Wahrheit zu kommunizieren wird einerseits auf das Problem der Wahrnehmung (Kausalität) umgebogen, andererseits durch die Schilderung der Geschichte zelebriert. Bis zum Schluss wird der Leser in der Schwebe gehalten - kann der das wirklich oder glaubt er das nur?
Schönes Ding. Gerne gelesen.
holg
_________________ Why so testerical? |
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Mardii Stiefmütterle
Alter: 64 Beiträge: 1774
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02.10.2013 15:49
von Mardii
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Ich glaube ja nicht, dass diese Geschichte durch eine göttliche Inspiration zustande gekommen ist. Ich glaube auch nicht an Gott, nein. In Wahrheit ist es mir peinlich, dass ich kaum eine der Entleihungen des Autors verifizieren kann oder im Gegenteil: Ich würde gerne einfordern, dass er/sie das Alles ordentlich, germanistisch und wie es sich gehört, belegen sollte. Wie auch immer die Geschichte konstruiert, collagiert, montiert oder sonst produziert wurde, sie liest sich irgendwie stimmig. Das daran nur die Spur einer Wahrheit sein soll, ich glaube es ja nicht.
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finis Klammeraffe
F
Beiträge: 577 Wohnort: zurück
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F 03.10.2013 13:05
von finis
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Hallo,
Selbstbestimmung vs. Fremdbestimmung. Starkes Thema.
Du ziehst das Fazit, dass das eigene Leben, auch wenn man glaubt es selbst zu bestimmen, immer fremdbestimmt ist. (Wäre nicht unbedingt meine Ansicht, aber das ist nicht Dein Problem).
Mir hat die Art gefallen, wie Du das problematisiert hast.
Durch das Nibelungenlied nehme ich an, dass Du mit Pankraz eine Art Siegfried meinst. Eine Parallele, die ich unpassend finde, ehrlich gesagt. Und problematisch. Oder meinst Du das anders?
Nur das hier:
Zitat: |
[Es wurde entliehen: dem AT, v. d. Vogelweide, v. Eschenbach, dem Nibelungenlied, dem Till Eulenspiegel, C. Reuter, Lessing, Goethe, Schiller, Novalis, Heine, Büchner, Fontane, T. Mann, Toller, Hesse, Frisch, Brecht, Remarque, Kästner, Andersch, Johnson, Grass, Süskind.]
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ist absolut überflüssig. Braucht man nicht, musst Du auch aus urheberrechtlichen Gründen nicht dazu schreiben (vor allem hättest Du es dann entsprechend markieren müssen). Und wenn Du das schon machst, dann doch bitte vollständig. Gottfried Keller fehlt. Und wenn Du jetzt nicht weißt, warum, dann lies "Die Leute von Seldwyla". (Lohnt sich).
Sehr gern gelesen.
Lieben Gruß
finis
_________________ "Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky) |
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Herbert Blaser Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 313 Wohnort: Basel
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03.10.2013 17:01
von Herbert Blaser
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Origineller Beitrag quer über die Gleise deutscher Literatur.
_________________ Wie haben wir den Mut in einer Welt zu leben, in der die Liebe durch eine Lüge provoziert wird, die aus dem Bedürfnis besteht, unsere Leiden von denen mildern zu lassen, die uns zum Leiden brachten?
Marcel Proust |
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adelbo Reißwolf
Beiträge: 1830 Wohnort: Im heiligen Hafen
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03.10.2013 17:08
von adelbo
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Hallo Inko
Mir gefällt der Text ausnehmend gut. Entliehene Wahrheiten oder auch nicht. Mein Favorit.
Viel mehr will ich nicht schreiben, außer dass in meinen Augen hier ein Profi am Werk war und mir einige andere Teilnehmer, u.a. auch ich, wegen der Klassenunterschiede ein wenig leid tun.
LG
adelbo
_________________ „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“
Bertrand Russell |
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Amaryllis Forenschmetterling
Alter: 38 Beiträge: 1380
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03.10.2013 18:59
von Amaryllis
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Liebe/r Inko,
vorab noch ein paar Worte: Ich persönlich sehe mich nicht als E-Literatur-Expertin, weder in schreibender noch in lesender Form, also nimm es mir bitte nicht übel, sollte ich nicht alles so verstanden haben, wie es vielleicht gemeint war. Zudem habe ich unter einem relativ hohen Zeitdruck gelesen und kommentiert, meine Obergrenze, einen Text zu lesen, lag also bei zwei Lektüredurchgängen.
So, jetzt aber zum Text:
Gut. Themenvorgabe sehr ansprechend umgesetzt. Interessanter, herausfordernder, aber dennoch flüssig zu lesender Schreibstil.
Das einzige Manko für mich ist die Anmerkung - denn ich komme mir jetzt unweigerlich dumm vor, weil ich einige der Anlehnungen nicht erkannt habe. Kann natürlich auch ein persönliches Empfinden sein, vielleicht finden andere das toll, dass sie jetzt nachschlagen und recherchieren und etwas dazu lernen können, ich fühle mich lediglich dumm, weil ich einige der Autoren nie gelesen habe und das aber anscheinend müsste.
Meine Bewertung erfolgt, sobald ich alle Texte kommentiert habe.
Alles Liebe,
Ama
_________________ Mein Leben ist ein Scherbenhaufen...
Aber ich bin der Fakir. |
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Gast
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03.10.2013 19:21
von Gast
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Hallo
Zitat: | So glaubte Pankraz sein Leben lang, selbst der Erzähler seiner Geschichte zu sein, doch erzählt sich Geschichte selbst. Eine Tragödie.
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So. Ich versuch's einfach mal. Und fange mit deinem Schluss an. Der macht mich nämlich ganz nervös. Die ganze Geschichte über dachte ich, dass Pankraz Geschichte macht, seine eigene - aber auch den Rest (zumindest meint er feststellen zu können, dass ein Gedanke genügt, ein Wunsch oder eine Befürchtung, um etwas eintreten zu lassen, auch wenn es gegen die eigenen Interessen gerichtet ist.
Ich verstehe in dem Zusammenhang nicht, warum er sich für den "Erzähler" seiner Geschichte gehalten haben soll. Wenn du mit "Erzähler" meinst, dass dies derjenige ist, der die Fäden zieht, das Schicksal der Figuren in seiner Geschichte, also auch sein eigenes, in der Hand hat und beeinflussen kann , dann ... ja.
Er weiss also nicht, dass es ihn schon gibt, dass er szs durch die (Literatur-)Geschichte gekickt wird, er und sein Schicksal also Spielball der Zufallsverteilung der Zitate ist (=Lektüren des Autors, seines wahren Gottes und Schöpfers, von dem er aber nichts weiss, denn so ahnungslos wurde er ja erschaffen). (?)
Er sitzt nicht nur der Verfälschung auf, er ist Verfälschung. (Hat das damit zu tun, dass es Parallelen gibt, zu G. Kellers "Pankraz, der Schmoller", aber trotzdem eine völlig andere Geschichte dabei heraus kommt?) ...
so, und jetzt verlässt mich gerade der Mut. Ich muss mich zusammenreissen, um diesen schnöden Versuch einer Annäherung an deinen Text nicht wieder zu löschen, aber warum sollte ich dich verschonen? Du hast uns (mich) ja auch nicht verschont mit dieser Geschichte, die einerseits so gut geschrieben ist (ich begründe das noch mit ein paar Zitaten) - andererseits mich aber überfordert, in diesem Rahmen, und zwar deshalb, weil ich mir vorkomme, als sollte ich hinters Licht geführt werden. Damit meine ich, dass dieser Text mir so ... verfälscht vorkommt. Dass nur du seine Wahrheit kennst, diese aber nicht mitteilen willst. (Das schreibe ich nur, weil ich überfordert bin, szs als Trotzreaktion - denk' dir die Smileys dazu ...)
Du coq à l'âne ... ich weiss schon, der Kommentar ist sch ... eusslich.
Zitat: | Es war in der Folge eines im Trotz gedachten Dann geh doch und lass dich vom Fünf- Uhr-Dreißig-Zug überfahren, auf den Ausspruch seines Vaters hin, das Leben sei zu kurz für Umwege, dass Pankraz sich in ernsthafte Erwägungen über das Leben und dessen Sinnhaftigkeit zu versteigen begann. Zunächst tat ihm die Sorge um die Lebenserwartung seiner verbliebenen Angehörigen im Herzen weh, ja, er bedachte den Schaden, den er bei seinen Leuten anzurichten vermochte. |
Hier habe ich erst beim dritten "Durchgang" begriffen, dass sein Vater wirklich so ums Leben gekommen ist. Herrlich formuliert, es gibt nichts zu meckern, und man muss eben lesen.
Zitat: | Die Erkenntnis breitete sich wie ein Vakuum in ihm aus. | Wem fällt so etwas ein?? (Ich bin ehrlich gespannt darauf, aus wessen Laptop das hier herüber wuchs!)
Und dann das hier:
Zitat: | Dachte er beispielsweise von nun an nie mehr an Kriege – bestürzt unterbrach Pankraz seinen Gedankengang. Am Morgen ging er durch das Dorf, vorbei an den schwarzen Brandmauern zerschossener Häuser, der zerstörten Kulisse seiner verlorenen Kindheit. |
Ich bin platt.
Dann Pankraz' Versuch, sich unschädlich zu machen:
Zitat: | Es kam alles wieder, was nicht bis zu Ende gelitten und gelöst, immer wieder litt er dieselben Leiden. Ich bin nicht Pankraz, dachte Pankraz Tag für Tag, beschwor es und trank Whisky. |
Das war auch nicht das Gelbe vom Ei, er kann nichts mehr herdenken, und dann komme ich wieder am Ende an, und bin auch nicht klüger.
Ist nun die Wahrheit, dass Geschichtenerzähler die Welt nicht kraft ihrer Erzählungen verändern können? Eine Erkenntnis, die sich mit jedem Leser, den das Gelesene verändert, als unwahr herausstellt? Die sich immer von Neuem selbst verfälscht?
*
Du wirst mir helfen müssen. Ich lasse das so stehen, wie es kam, wie gesagt, warum sollte ich dich verschonen?
Lorraine,
müd im Kopf
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Akiragirl Dünnhäuterin
Alter: 33 Beiträge: 3632 Wohnort: Leipzig
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03.10.2013 22:53
von Akiragirl
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Hallo Inko,
mir gefällt die Idee hinter diesem Text irgendwie; das hat was, das wirkt nicht wie schon tausend Mal gelesen. Hebt sich angenehm hervor unter den meisten der anderen Texte. Ob du wirklich Anleihen bei allen Geistesgrößen, die in den eckigen Klammern am Schluss genannt werden, eingearbeitet hast, weiß ich nicht – mir kommt das etwas unwahrscheinlich vor, aber ich bin auch nicht so fit in allen möglichen Klassikern.
Jedenfalls mochte ich den Aufhänger – dass da einer ist, der alles Geschehen allein mit seinen Gedanken beeinflussen kann. Seine Wahrheit wird somit zur allgemeinen Wahrheit. Er bringt Tod und Krieg über die Menschen, die er liebt; darum will er schließlich selbst sterben, aber das funktioniert nicht so richtig, weil er die Züge wegdenkt. Interessant, auf jeden Fall.
Der bewusst auf alt getrimmte Stil, der sich an den „guten alten Klassikern“ orientiert war am Anfang etwas anstrengend für mich, aber ich war überrascht, wie schnell ich mich hineinfinden konnte und wie schnell es mich nicht mehr gestört hat. Trotzdem hat eben gerade dieser „alte“ Stil eine große Distanz zwischen mich und Pankraz gebracht; so hat mich sein Schicksal irgendwie nicht sonderlich berührt. Vielleicht war das ja beabsichtigt, da der Text ja eher als Parabel funktionieren soll, aber dadurch hat er mich schlussendlich doch ein bisschen kalt gelassen.
Nichtsdestotrotz gute 7 Federn von mir.
Liebe Grüße
Anne
_________________ "Man bereut nicht, was man getan hat, sondern das, was man nicht getan hat." (Mark Aurel) |
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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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03.10.2013 23:59
von Jenni
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Den Blöden ists zu schnell gewiss,
Sie faßen nicht der Lehre Sinn.
(W. von Eschenbach, Parzival)
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anderswolf Reißwolf
Beiträge: 1069
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04.10.2013 10:38
von anderswolf
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Aus Zeitmangel derweil nur ein Kommentar zum Befedern, Erläuterung später.
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