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Autor |
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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23.11.2009 21:10 Vor dem König von EdgarAllanPoe
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Vor dem König
I
Ein König in der Thronhalle:
Licht regnet aus den Fensterlöchern
und legt sich um seine Schultern. –
Schlangenlachen aus seiner Kehle,
verkrümmte, verfaulende Finger zeigen
auf:
II
(blaue wasserstunde wir sinken
in die bärte des tangs umfangen von
gedanken die sich wie ein tau um unsere
körper schlingen und unsere sinne lähmen
uhrenticken durchpulst unsere ohren
in den hallen der venus
die augen die nach uns starren)
III
Schritte, schleifende Füße wie Wesen
aus Meeresmuscheln. – Schatten und Worte
ducken sich gleichermaßen, als der König spricht,
seine langen, verfilzten Haare mit einem
Totenfinger zurückstreicht und
IV
(was meinst du werden wir uns an
den zifferblättern der uhr vorbeischleichen
können wird sie unsere blicke nicht bemerken
werden die blauen wasseradern in ihrem kopf
nicht schreiend nach uns pulsen nach uns den
verrätern)
V
Die Uhr schlägt. – Töne wälzen sich
wie Steine durch den Saal. – Der König
spricht mit toter Stimme:
Die Zeit ist abgelaufen.
Weitere Werke von EdgarAllanPoe:
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"
Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.) |
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Eredor Dichter und dichter
Moderator Alter: 32 Beiträge: 3415 Wohnort: Heidelberg
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23.11.2009 21:20
von Eredor
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Eddie, das ist das beste Gedicht, das du jemals geschrieben hast.
Im Gegensatz zu den Bruchstückhaften Texten davor bedienst du dich einer klaren, prägnanten Sprache. Wie bald jeder hier weiß, sind mir fragmenthafte Texte immer suspekt. Da muss man sich als Leser zu viel dazu"dichten"
Hier aber, wie gesagt - ganze Sätze
und schon liebe ich den Text ^^
Wirklich schöne, unverbrauchte Bilder. Der König Tod und seine Untertanen.
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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24.11.2009 10:11
von EdgarAllanPoe
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Danke, Dennis. Du hast den Sinn des Gedichts erfasst!
Eddie
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"
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Jocelyn Bernsteinzimmer
Alter: 59 Beiträge: 2251 Wohnort: Königstein im Taunus
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07.12.2009 22:41
von Jocelyn
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EdgarAllanPoe hat Folgendes geschrieben: | Du hast den Sinn des Gedichts erfasst!
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Dann habe ich ihn nicht erfasst.
Ich sehe da etwas anderes.
Allerdings kann ich das Angedachte noch nicht präzisieren.
Antwort folgt.
_________________ If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)
Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)
"Si Dieu n'existait pas, il faudrait l'inventer."
(Voltaire) |
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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08.12.2009 10:00
von EdgarAllanPoe
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Ich freue mich auf deine Antwort! Es ist immer schön, wenn ein Gedicht mehrere Sinnrichtungen öffnet.
Eddie
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
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Jocelyn Bernsteinzimmer
Alter: 59 Beiträge: 2251 Wohnort: Königstein im Taunus
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08.12.2009 19:23
von Jocelyn
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Hallo Eddie,
erstmal finde ich dein Gedicht sehr schön.
Und schön rätselhaft.
Wie üblich durchdringlich.
Ich finde, hier passt folgender, übergeordneter Satz:
Der König ist tot, es lebe der König.
Lediglich ein Wunsch des Königs.
Es sind seine (oder überhaupt, wenn nicht seine) Gedanken, die sein Sein oder Nichtsein bestimmen. Sie fallen von oben, schlingen sich als Wasserschlange der blauen Stunde um ihn, vielleicht als (Alp)Traum, aber auch als eine Sehnsucht nach Leben, nach Liebe (Venus). Alle seine Insignien zeugen von seinem derzeitigen Verfall. Aber er möchte die Zeit überlisten, anhalten, sich an ihrem ewigen Fortschreiten vorbeischleichen. Macht sich zu ihrem Verräter, da er den Lauf der Dinge nicht anerkennen möchte, die kein Entringen erlauben.
Der letzte Satz lässt für mich die Frage offen, welche Zeit mit dem Gong abgelaufen ist. Die der Rettung oder die des Niedergangs. Der König ist weder tot noch lebendig, denn er spricht, aber mit toter Stimme.
Seine Wasserstunde, wie sinkende Sonnen, lässt ihn schwimmen oder untergehen. Die Steine deuten aber eher auf Letzteres.
Die genannten Untertanen kann ich nicht entdecken. Er selbst ist Untertan, der Gedanken, des Lichts, des Wassers. Und der Zeit, ob er will oder nicht.
Lieben Gruß, Jocelyn
_________________ If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)
Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)
"Si Dieu n'existait pas, il faudrait l'inventer."
(Voltaire) |
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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08.12.2009 20:49
von EdgarAllanPoe
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Danke, Jocelyn.
Erst habe ich mit den kursiv markierten, eingeklammerten Strophen die "Untertanen des Königs Tod" hervorheben wollen, aber es stimmt, hier kann es sich auch um den König selbst handeln. (Pluralis majestatis!)
Eddie
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Jocelyn Bernsteinzimmer
Alter: 59 Beiträge: 2251 Wohnort: Königstein im Taunus
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08.12.2009 22:49
von Jocelyn
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EdgarAllanPoe hat Folgendes geschrieben: | Danke, Jocelyn.
Erst habe ich mit den kursiv markierten, eingeklammerten Strophen die "Untertanen des Königs Tod" hervorheben wollen, aber es stimmt, hier kann es sich auch um den König selbst handeln. (Pluralis majestatis!)
Eddie |
Nach dem Posten dachte ich auch, eigentlich weiß ich nicht, wie es gemeint ist.
Schon sehr undurchsichtig.
Na ja, war ein Versuch.
Ich denke nochmal ein paar Monate nach.
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(Jim Croce)
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 32 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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10.12.2009 20:48
von EdgarAllanPoe
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Es ist immer interessant, wenn Leser eine andere Intention haben, als der Autor sie ursprünglich im Sinn hatte. Und es ist wunderbar, wenn man seine Leser zum Nachdenken anregen kann.
Das macht Gedichte für mich so interessant!
Eddie
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Jocelyn Bernsteinzimmer
Alter: 59 Beiträge: 2251 Wohnort: Königstein im Taunus
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10.12.2009 21:07
von Jocelyn
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Möchtest du noch einige Erklärungen?
Zitat: | blaue wasserstunde wir sinken |
Der Satz hatte mich auf diese Fährte gelockt.
Ich las:
Blaue Wasserstunde, wir sinken. Gesprochen vom König. Er und diese Stunde sind das Wir.
Die Meeresmuscheln ordnete ich der Venus zu.
Die Gedanken hatten Schatten und schlurften.
Zitat: | Schatten und Worte
ducken sich gleichermaßen, als der König spricht, |
Er vermischt alles.
Die Uhr war die Uhr der Wasserstunde, mit blauen Wasseradern im Kopf.
So kam dann eins zum andern.
Aber das war nur eine Art Hirngespinst, nicht deine Intention, aber schön, dass du das noch interessant finden kannst.
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(Jim Croce)
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(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)
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