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Heribert Eselsohr
Alter: 51 Beiträge: 229 Wohnort: Landshut
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24.09.2013 20:00 Einen Türspalt breit Licht von Heribert
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An der Stirnseite des Tisches saß ungekämmt Joschi und an der anderen, ihm gegenüber, seine Mutter. Rechts neben Joschi saß seine Demeter und neben Demeter Sizilia; Joschis zukünftige Ex. Rechts neben der Mutter kauerte zusammengesackt Joschis Stiefvater Helmut und neben Helmut Tante Carola; sie hatte eine schriftliche Einladung zu Joschis Verlobungsfeier mit Demeter bekommen. Auf dem Tisch standen Sektgläser, eine große, wenn nicht sogar sehr große Schüssel mit Kartoffelsalat und in einer Schale lag etwas Fleisch vom Rost. Ums Geschirr herum fuhr Joschis Modelleisenbahn des Maßstabs TT; er hatte sie für seinen Stiefvater aufgebaut, der bei der Staatsbahn gearbeitet hatte. Er musste wegen eines Herzinfarkts von der gerade erst erreichten Führungsebene, direkt in die Frührente gehen.
Joschi, angetrunken, unterhielt die Gäste mit lustigen Anekdoten. So erzählte er zum Beispiel davon, wie er Demeter kennen gelernt hatte. Er sprach von dem Augenblick, als er die Kiste ins Haus geliefert bekam und spannungsgeladen den Behälter aufschraubte; und er erzählte, wie er seine Verlobte das erste Mal mit geladenen Akkumulatoren im Arm hielt und sich daran erfreute, wie sie den Mund öffnete und mit ihren hübschen Augen rollte. Begeistert äußerte er sich über Demeters Preis und dass der Klapprechner zu ihrer Programmierung inbegriffen war. Seine Mutter aber war außer sich und sie rüttelte und schüttelte sich auf ihrem Stuhl. Allein es brachte nichts, denn Joschi hatte sie mit einigen Metern Wäscheleine fixiert.
Demeter saß am Tisch und lächelte und Tante Carola war mit aufgerissenen Augen erstarrt; sie war mit Klebeband am Stuhl gefesselt und der Knebel, der ihr den Mund verbot, war noch kurz zuvor ihr Halstuch gewesen. Sizilia, die an sich am lockersten gebunden war, weinte ununterbrochen und Stiefvater Helmut rührte sich nicht mehr. Er war vor Minuten an einem zweiten Herzinfarkt eingegangen.
Während Joschi den Sekt einschenkte, erzählte er, dass er den Kartoffelsalat gemeinschaftlich mit Demeter gemacht habe. Er sagte, dass Demeter ihm das Rezept aufgesagt hat, und er nach ihrer Anleitung schnitt, schälte, anrührte und würzte. Er sprach voll angetrunkener Hingabe von weißem Pfeffer, warmer Fleischbrühe, und davon, dass Demeter und er, mehlige Kartoffeln für den Salat bevorzugt hätten. Mit einem kleinen Zynismus im Unterton, erklärte er, dass seine liebe Mutter (er nickte in dem Moment in ihre Richtung), immer schon für ihren Salat festkochende Kartoffeln bevorzugt hätte. Aber in Wirklichkeit, verkündete er, nehme man für einen anständigen Kartoffelsalat natürlich nur Mehligkochende, Mehligkochende und nichts als mehlig kochende Kartoffeln.
„Ach, und noch etwas“, fuhr Joschi heiter fort, „Ich habe eine kleine Rede vorbereitet...“
Er stand auf, nahm noch einen Schluck vom Wodka, setzte das Glas ab, taumelte etwas nach und...
„Liebe Gäste, liebe, äh, Verwandte. Ich habe euch heute eingeladen, um meine Verlobung mit Demeter bekannt zu geben. Und voller Stolz, äh, - und voller Stolz, liebe Anwesende, kann ich sagen, dass ich diese wichtige Entscheidung, diesen wichtigen Schritt im Leben, ähm, selbst entschieden habe. Ja, liebe Mutter, nun endlich habe ich eine Partnerin gefunden, die es mit deiner, (räusper), Liebe und Fürsorge aufnehmen kann; eine Partnerin, mit der du dich sicher, (kicher), in Zukunft gut verstehen wirst“
Joschis Mutter sah zunächst entsetzt hinüber zu Tante Carola, dann zu Sizilia und dann zu ihrem Sohn. Lichtbögen spritzten aus ihren wilden Augen und sie brüllte immerzu „U if ü-ü Aiofa“ in ihren Knebel, der ja nichts anderes war, als Helmuts beste Krawatte. Ihre erstickten Laute bedeuteten in dem Fall „Du bist verrückt, Aljoscha“.
Joschi weiter, einen Zeigefinger in die Luft haltend, während Demeter vulgäre Aufforderungen hauchte und die Modellbahn Endlosschleifen über den Tisch zog:
„Ein Zitat meines Lieblingsdichters Thomas Bernhard: ‚Die Wahrheit kennt nur der Betroffene, will er sie mitteilen, wird er automatisch, äh, zum Lügner‘. Wie treffend, nicht wahr, Mutter?“
Joschi hielt kurz inne und nahm den Finger wieder herunter. Und Demeter sagte ich habe schon ganz harte Nippel zu den Gästen.
Joschi weiter:
„Ich möchte mit dem Zitat sagen, dass ich es mein Leben lang satt gehabt habe, meine Wahrheiten, - ich spreche hier also von meinen Wahrheiten, von anderen zu beziehen“
Wieder hielt er kurz inne, um genügend Atemluft zu holen.
„Mutter, du hast mich, als ich Kind war, in die Besenkammer gesperrt, wenn ich beim Essen gekleckert habe. Du hast mir verboten, meine Zimmertüre einen Spalt breit offen zu lassen, obwohl du wusstest, dass ich Angst im Dunkeln hatte. Du bist, wenn Papa (der leibliche) nachts gearbeitet hat, aus dem Haus gegangen und hast mich zusammen mit knarrenden Dielen und, äh, ächzenden Fensterläden allein im Haus gelassen, - um mit dem da zu vögeln“ Joschi zeigte auf seinen blau verfärbten Stiefvater.
„Und, Mutter, du hast meine langen Haare gehasst. Ja, Mutter, ständig behauptest du auf deinen kleinen, perversen Partys, dass du meine langen Haare so geliebt hättest. Und jedesmal stand ich als Joschi der Spinner vor deinen abgeschmackten Gästen, vor all diesen Arschleckern, wenn ich das Gegenteil sagte. Dabei hast du sie gehasst, meine langen Haare!“, sagte er und drehte noch etwas weiter auf:
„Du hast alles an mir gehasst. Du hast meine Angst vor der Dunkelheit gehasst. Du hast meine Haare gehasst. Du hast meine Musik gehasst und du hast meine Freunde gehasst! Jedem hast du erzählt, was du für eine liebevolle Mama bist, was du für eine fürsorgliche Mutti wärst; aber in Wirklichkeit warst du nichts anderes, als ein ganz durchtriebenes Rabenaas!“
Dann erklärte er trocken das Buffet für eröffnet, bohrte den Vorlegelöffel in den Kartoffelsalat und verteilte einige Ladungen in den Gesichtern der Gäste. Auch den verendeten Stiefvater schonte er damit nicht.
Nach einigen Würfen legte er den Löffel wieder ab und wankte einen Schritt auf die Tante zu.
„Und du, Carola, Miststück, lass dir eines gesagt sein“, er fuchtelte mit seinem Zeigefinger vor ihrem dicken Gesicht herum,
„Höre endlich auf, zu behaupten, dass mein Vater (der leibliche) mich ständig verdroschen hätte. Das ist gelogen, du abgestandenes Mistvieh! Der Vater wars nicht! Die meisten fsy..., pschysch..., äh, pschüschischn, und, - ach (winkt ab), körperlichen Schläge, habe ich von der da bekommen!“ Joschi zeigte auf seine Mutter und ging langsam wieder zu ihr hinüber. Bedrohlich langsam. Die Mutter, mit den schlimmsten Erwartungen, sagte immerzu ün, aiofa, ün hinter der Mundbinde, was nein, Aljoscha, nein heißen sollte.
„Du wirst nie wieder behaupten, dass du mich nicht in die Besenkammer gesteckt hättest. Du wirst nicht mehr behaupten, dass du mich nie allein zu Hause gelassen hättest. Und wenn ich Kinder habe (in diesem Moment schielte die Mutter ausgesprochen stutzig zu Demeter hinüber), dann werde ich ihnen abends einen Türspalt breit Licht ins Zimmer lassen! Ach, was sage ich; ich werde im Kinderzimmer die Türe aushängen und das Licht brennen lassen! Und noch etwas, Monstrum“
Jetzt packte er seine Mutter am Schopf und zeigte auf Sizilia.
„Hör endlich damit auf, mich mit diesem blödsinnigen Frauenzimmer verheiraten zu wollen! Ich werde meinen Pimmel nie im Leben in dieses vertrocknete Hausputtelchen stecken. Sieh sie dir doch an, diese Nachteule mit ihren albernen falschen Wimpern!“
Und nun wankte Joschi auch noch zu Sizilia hinüber; die riss ängstlich ihre verheulten Augen auf. Joschi packte sie am Knebel, wie man ein Pferd am Halfter nimmt, und zeigte lange auf Demeter. Er Schluckte und rülpste, wie Betrunkene immerzu schlucken und rülpsen müssen, wenn sie zu viel reden und sich aufregen.
„Sieh sie dir an, du dumme Gans. Sieh sie dir genau an! Sieh dir ihre Haut an. Sieh ihre Augen an! Du müsstest ihre Titten sehen! Ich habe sie darauf programmiert, sich mit mir über Geschichte und Philolo..., äh, ...sophie zu unterhalten“
Demeter rollte mit den Augen und sagte ich mach es mit der Zunge in die Runde.
„Sie hat immer Lust! Immer“
Joschi nahm noch einen Schluck.
„Und, (rülps), sie keift mich nicht an, wenn ich trinke! Nie. Und wenn ich nicht reden will, dann lässt sie mich in Ruhe und quatscht mich nicht unentwegt voll! Aber wenn ich reden will... - Pass auf, ich zeig dir was“, lallte er Sizilia ins Gesicht und drehte sich zu Demeter.
„Schatz, Demi-Schatz, hör her“
„(...)“
„Nun sag deinem Joschi... Wer, ähm, wer war der erste amerikanische Präsident?“
„(...)“
Joschi, jetzt langsamer, lauter und deutlicher lallend:
„Demi, Demi, hör her. Wer war der erste, a-amerikanische Präsident?“
„(...)“
„Demi!“
„Ich habe schon ganz harte Nippel“
Joschi, besoffen, betroffen, ratlos, wütend, stemmte die Schüssel mit dem Kartoffelsalat in die Höhe und warf sie quer über die Gleise.
Weitere Werke von Heribert:
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lady-in-black Bitte nicht füttern
Beiträge: 1474 Wohnort: Killer Förde
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25.09.2013 12:50
von lady-in-black
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Moin,
dies ist ein Ichwillerstmalnurdiebewertungsfedernfreischaltenkommentar.
Später vielleicht noch einmal mehr.
_________________ - Ich würde mich gerne geistig mit Dir duellieren ... aber ich sehe Du bist leider unbewaffnet.
- Nein, Stil ist nicht das Ende vom Besen.
- Ich spreche fließend ironisch, auch im sarkastischen Dialekt. |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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25.09.2013 23:57
von firstoffertio
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Es tut mir leid, aber dieser Text überzeugt mich nicht. Es fängt schon damit an, dass im ersten Absatz zu viele Namen eingeführt werden. Das weitere ist bestenfalls skurril, schlimmstenfalls etwas derb. Die Vorgaben blinken für mich nur an manchen Stellen kurz auf. Mir ist der Text zu übertrieben auf Effekt hin geschrieben. Er bringt mich nicht zum Nachdenken.
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KeTam Ungeduld
Alter: 49 Beiträge: 4947
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26.09.2013 17:57
von KeTam
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Deine Geschichte hat was, auf jeden Fall. Ich finds natürlich grässlich, bedrückend und das Lachen bleibt einem manchmal im Hals stecken und manchmal auch nicht.
Oh verdammt, ich hab das einfach gerne gelesen!
Abzug gibts leider, weils mir zu durchschaubar ist.
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shao Leseratte
Alter: 41 Beiträge: 106 Wohnort: Norddeutschland
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26.09.2013 20:13
von shao
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Hmm, ich finde es schwierig, diesen Text "richtig" zu bewerten.
Warum?
Weil ich den Text als solchen nicht schlecht finde, aber ich finde den Bezug zum Thema "Quer über die Gleise" sehr gezwungen.
Der passt da irgendwie nicht richtig in den Zusammenhang und wirkt für mich nachgeschoben, um noch kurz die Vorgaben komplett zu erfüllen.
Wenn ich das falsch interpretiere - verzeihung!
Die in Klammern gesetzten Teile in der wörtlichen Rede finde ich auch etwas irritierend.
Davon abgesehen, gefällt mir der Text aber, zeigt mal eine ganz andere Familienzusammenkunft - spannende Idee!
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4298
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28.09.2013 12:49
von hobbes
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Fängt eigentlich ganz normal an. Na ja, abgesehen von den Namen. Dann wird es surreal und spätestens im dritten Abschnitt frage ich mich, ob Demeter die einzige ist, für die man einen Klapprechner braucht.
Leider auch hier wieder genug Stellen (Flüchtigkeitsfehler, Kommas), die mich aus dem Text herausreißen, nicht so schlimm wie anderswo, aber auf Dauer nervig.
Die Geschichte hat durchaus ihre guten Momente. Am Ende lässt sie mich aber leider ratlos zurück und ich frage mich, was statt der Ratlosigkeit erwünscht gewesen wäre. Sollte ich nachdenklich sein? Warum? Da steckt zwar durchaus Potential dazu drin, ist aber am Ende doch zu blass geblieben und auch die Figuren bleiben an der Oberfläche.
Oder sollte ich einfach nur gut unterhalten werden? Aber auch dafür ist es zu wenig.
Vielleicht die Überschrift als Hinweise nehmen und ein "auf die Kleinigkeiten kommt es an" daraus mitnehmen? Hm.
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adelbo Reißwolf
Beiträge: 1830 Wohnort: Im heiligen Hafen
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29.09.2013 19:44
von adelbo
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Hallo Inko
Ja, was ist das, ein unterhaltsamer Text und eine gute Idee, deren Umsetzung mir nicht besonders gefällt. Ist eben in der Literatur nicht so meine Welt, wenn ich lese, ich mache es dir mit der Zunge.
Ist das E-Literatur? Und ist das Thema "Quer über die Gleise"?
Für mich eindeutig nicht. In der Prosa oder eher im Thrash hätte mir dein Text gut gefallen, aber hier, geht er irgendwie in eine für mich falsche Richtung. Ich kann mich täuschen.
Ich kann mir nicht helfen, irgendwie klingt der Text ein wenig nach...
LG
adelbo
_________________ „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“
Bertrand Russell |
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Lapidar Exposéadler
Alter: 61 Beiträge: 2699 Wohnort: in der Diaspora
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30.09.2013 19:07
von Lapidar
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Das ist mir einfach zu hektisch. Sorry.
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Kara Eselsohr
K Alter: 46 Beiträge: 293
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Herbert Blaser Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 313 Wohnort: Basel
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01.10.2013 16:51
von Herbert Blaser
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Meine Güte... da zeigt die Tragikkomik ihr strahlendes Gebiss. Gut geschr..geschriabn..gut, geschrieben..sage ich..
_________________ Wie haben wir den Mut in einer Welt zu leben, in der die Liebe durch eine Lüge provoziert wird, die aus dem Bedürfnis besteht, unsere Leiden von denen mildern zu lassen, die uns zum Leiden brachten?
Marcel Proust |
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gold Papiertiger
Beiträge: 4943 Wohnort: unter Wasser
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01.10.2013 20:41
von gold
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hallo Inko,
skurril, gut geschrieben, originell.
Lg gold
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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ash_p Wortedrechsler
Alter: 36 Beiträge: 51 Wohnort: Berlin
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01.10.2013 23:59
von ash_p
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Schreklich dieser Wahnsinn der Hauptfigur. Er hat sich seine eigene Realität geschaffen, wollte ausbrechen und ist wahsinnig geworden. Tragisch, aber nicht pathetisch geschrieben,auber aus.
_________________ Im Herzen haben wir alle unsere eigene kleine Welt. |
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Kateli Eselsohr
Alter: 47 Beiträge: 256 Wohnort: D-Süd
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02.10.2013 10:10
von Kateli
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Schräg! Aber sowas von. Gleich vorweg: Gefällt mir!
Am Anfang dachte ich, ich lese eine Szenenbeschreibung für ein Theaterstück, etwas schade (bin nicht sofort mittendrin), aber berechtigt, denn es bleibt eine Art Theaterstück, satirischer Slapstick vielleicht, und in vorgetragener Form wäre das Ding ganz sicher wirklich ein Knaller. Auch so musste ich an vielen Stellen grinsen, sehr plastisch das Ganze, das half mir über Kleinigkeiten wie z.B. Komma-Willkür hinweg ... Sehr kurzweilig. Prima Zusammensetzung der Figuren (mein Favorit: der eingegangene Schwiegervater).
Klar, die von Kindesbeinen an von den Erwachsenen verdrehte Wahrheit (die Sache mit dem Licht im Kinderzimmer kenne ich sehr gut - von beiden Seiten) ist ein starkes Motiv, da kann man schon irgendwann ausrasten - eigentlich sehr ernst, dieses Thema, und das kommt durch die satirisch-zynische Überspitzung auch zum Ausdruck, ist kein rein humoristischer Text, wie ich finde.
Etwas schwach hingegen finde ich die Sache mit dem Kartoffelsalat, der über Gleise fliegt, die vorher gar nicht da waren (oder doch?). In einem Bühnenbild könnte man das umsetzen, dann wäre womöglich auch der übertragene Sinn, der dahintersteckt, besser erkennbar. Oder ich hab was Wichtiges (mehrfach) überlesen ...
LG
Nina
_________________ Zombies just want hugs |
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Bawali Klammeraffe
Alter: 80 Beiträge: 538 Wohnort: Wettingen, Schweiz
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02.10.2013 12:01
von Bawali
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Nachdem ich alle Beiträge aufmerksam durchgelesen habe, gibt es nun zu jedem eine kurze Anmerkung und eine erste vorläufige Einstufung. Aus meiner natürlich subjektiven Sicht stützt sich meine Einschätzung auf Aussage, Verständlichkeit, Schreibstil und das Handwerkliche des Textes sowie natürlich darauf, ob und wie gut Thema und Zitat umgesetzt wurden.
Hier fehlt das Thema vollständig, was eigentlich eine Vorgabe ist. Im übrigen hat mich gestört, dass des öfteren Informationen nicht beschrieben wurden, sondern in Klammern gesetzt, vermerkt wurden. Manchmal fast im Stile von Komik-Texten.
Die Befederung setze ich im mittleren Drittel an. Die endgültige Federnzahl werde ich erst nach einem weiteren Durchgang, quer über alle Texte vergleichend, setzen.
_________________ Ein Freund ist ein Mensch der dich mag, auch wenn er dich kennt. (frei nach Elbert G. Hubbard) |
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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02.10.2013 12:11
von holg
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Das ist eine ganz lustige Geschichte, die mir beim Lesen einerseits viel Spass gemacht hat. Sie spielt mit Formulierungen und lässt im ersten Moment Bilder entstehen, die du gekonnt im nächsten Satz völlig verdrehst.
Das ist ein schönes Spiel mit der Wahrheit und wie sie in uns entsteht und manipuliert werden kann. Das schrammt irgendwie tangential am Bernhard-Zitat. In anderen Wettbewerbstexten finde ich in meinen Augen besser gelungene und tiefer gehende Demonstrationen.
Inhaltlich ist da Joschi, der seine Verwandtschaft eingeladen und gefesselt hat, damit sie seiner Verlobung mit einer RoboterSexPuppe beiwohnen muss, die Joschi für die ideale Frau hält, was eine sehr individuelle Wahrheit ist, die er wortreich aber ohne Erfolg mitteilt. Das Ende zeigt uns, dass er da noch einiges dran zu programmieren hat. Das scheint nur wenig mit dem Bernhard-Zitat zu tun zu haben. Auch hier gibt es einige Texte, die meines Erachtens tiefer gehen.
Ausserhalb des Wettbewerbs sicher ein sehr guter Text. Angesichts der Vorgaben für mich leider nur Mittelmaß.
holg
_________________ Why so testerical? |
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Gast
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02.10.2013 12:17
von Gast
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Hallo
Provokant und mit rabenschwarzem Humor geschrieben, mit einem Anti-Helden im Mittelpunkt, der anlässlich einer "klassischen" Familienzusammenkunft (über deren wahre Natur man nicht sehr lange im Zweifel gelassen wird) seine Gäste mit radikalsten Mitteln zum Zuhören und Schweigen verdonnert hat ... weil er es satt hat, schon lange, dass er seine Wahrheiten von anderen zu beziehen gezwungen war. Im kurzen Verlauf der Geschichte werde ich Zeuge einer Verbaleskalation; die absurde Roboterverlobte, die vergeblich darauf progammiert wurde, dem kaputten Sohn der Familie in jeder Hinsicht zu gefallen und zu gehorchen, enttäuscht ihn bitterlich und so schiesst der Autor das Thementor in der neunzigsten Minute (nicht ohne strategische Vorbereitungen durch das gesamte Textspiel hindurch) ... ich habe eine Weile gebraucht, muss ich zugeben, um das schreiberische Talent hinter dieser Geschichte (Theaterstück?) honorieren zu können, bin halt etwas zarter besaitet (aber das ist wohl nur die halbe Wahrheit). Am Ende konnte ich mich der Komik und dem respektlos-dramatischen Ausdruck nicht entziehen.
Die schwarze Feder ist dir sicher.
Lorraine
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Akiragirl Dünnhäuterin
Alter: 33 Beiträge: 3632 Wohnort: Leipzig
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02.10.2013 13:32
von Akiragirl
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Hallo Inko,
okay – diese Geschichte ist ohne große Stolpersteine geschrieben, man kann der Handlung folgen und die Themenvorgabe mit dem Bernhard-Zitat hast du auch erfüllt. In meinen Augen hatte aber das „quer über die Gleise“ im letzten Satz sehr wenig mit der eigentlichen Geschichte zu tun und man sollte es daher nicht unbedingt als „Thema“ des Textes bezeichnen.
Was ich nicht verstehe: Was soll diese Geschichte eigentlich mit mir als Leser anstellen? Der „Sinn“ von Literatur ist ja, dass sie irgendetwas mit einem macht. Einen zum Nachdenken anregt, wütend oder traurig macht oder ein gutes Gefühl hinterlässt oder oder oder …
Ich finde ein solches Element in dieser Geschichte nicht. Ich könnte nicht sagen, weshalb man diese Geschichte eigentlich lesen sollte. Mit wem soll ich mich identifizieren? Mit wem soll ich mitleiden? Welche Erkenntnis nehme ich mit?
Ich fand Joschi extrem unsympathisch, von seiner Familie habe ich nicht allzuviel mitbekommen. Seine Demeter ist ja offensichtlich ein Roboter, und somit auch nicht wirklich eine Figur, die einem ans Herz wachsen könnte. Der Punkt der Geschichte …? Kinder schlecht behandeln ist … schlecht? Beziehungen mit stumpfsinnigen Robotern sind nicht sonderlich befriedigend?
Ich weiß es wirklich nicht. Die Geschichte ist völlig ohne jede Emotion an mir vorbeigeflossen und am Ende saß ich da und dachte nur: Na und?
Ich vergebe 4 Federn.
Liebe Grüße
Anne
_________________ "Man bereut nicht, was man getan hat, sondern das, was man nicht getan hat." (Mark Aurel) |
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Mardii Stiefmütterle
Alter: 64 Beiträge: 1774
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02.10.2013 17:00
von Mardii
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Joschi inszeniert eine makabere Feier, um seine Verlobung mit der Love-Puppe Demeter in Anwesenheit seiner gefesselten und geknebelten Angehörigen zu feiern und nutzt die Gelegenheit, um ihnen allen die Wahrheit zu sagen.
Endlich ist er in der Lage, all die Lügen, die ihm das Leben ruiniert haben, offen zu legen und seinen Willen durchzusetzen. Der traurige Schluss, den er daraus gezogen hat, sein weiteres Leben mit einer leblosen Puppe zu verbringen und von ihr Anerkennung zu bekommen, scheitert an der kläglichen Wahrheit, dass auch sie nur von sich gibt, wofür sie geschaffen wurde.
Schade für Joschi.
_________________ `bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully |
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Lupo Eselsohr
Beiträge: 364 Wohnort: Pegnesien
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03.10.2013 07:53 Duracellhäschen von Lupo
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Die sprechende Sexpuppe als zweite Hauptfigur beleuchtet den handelnden Joschi in seinem durch Trunkenheit reduzierten Allgemeinzustand. Als er sie mit einer Frage überfordert, entlarvt er seine eigene klägliche Allgemeinbildung, rastet aus, und erfüllt die Vorgabe des Wettbewerbs.
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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03.10.2013 07:57
von BlueNote
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Ach, dieser Schluss ist wieder köstlich ...
Aber ... die angebundenen Gäste waren mir dann (zu der Roboterfreundin) dann doch zu viel. Wenn das nicht gewesen wäre (die angebundenen Gäste), wäre mir der Text die Höchstwertung wert gewesen. Die Geschichte ist zwar in bester MosesBob-Manier erzählt, macht sich (wieder) ein bisschen über die Aufgabenstellung lustig, wirft in genialer Weise Nebensächlichkeiten aus dem prallen Leben in die Geschichte hiein. Und doch ... die angebundenen Gäste, und dann noch die Krawatte, das Hastuch von XY. Ich kann (und will) mir das einfach nicht vorstellen, wie es zu so einem Gewaltakt kam. Das ist einfach zu gewollt skurril. Absichtlich spektakulär. Zu viel des Guten. Nicht nur abgedreht, sondern überdreht.
Ach komm, wegen der Schlusszeile kriegste jetzt doch noch eine Feder zusätzlich!
Aber dass der Text gewinnt, möchte ich auch nicht. Wenn das der Fall sein sollte (Jury-Preis oder so), muss ich mich noch einmal zu Wort melden. Echt Leute! Weil ... ich weiß auch nicht!
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finis Klammeraffe
F
Beiträge: 577 Wohnort: zurück
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F 03.10.2013 12:45
von finis
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Hallo,
abgefahrener Text: Der späte Racheakt an der eigenen Familie.
Der hat ein irres Tempo; ich weiß nur nicht, was ich davon halten soll. Ob ich ihn überzogen und geschmacklos finden soll oder begeistert über das Brechen gesellschaftlicher Tabus sein soll.
Die Sequenzen mit Demeter finde ich ganz stark, auch von Idee und Figuren her. Gerade am Ende, Joschis Verzweiflung über das Versagen der Programmierung oder die pseudoromantische Schilderung seiner ersten Begegnung, das ist einfach nur richtig gut.
Problematischer finde ich die Familie: der tote Stiefvater am Tisch zum Beispiel ist mir zu dick aufgetragen, genauso der Löffel Kartoffelsalat, den Joschi seinen Verwandten ins Gesicht klatscht. Da wäre weniger mehr, denke ich.
Ein Text, der in die Extreme geht. Da gibt es wahrscheinlich keine mittleren Wertungen. Ein Text der provoziert. Wahrscheinlich finde ich ihn gerade deshalb gut.
Lieben Gruß
finis
_________________ "Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky) |
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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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03.10.2013 14:39
von Jenni
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Ist ja immer nett, wenn die Interpretation gleich mitgeliefert wird, dann muss ich nicht selbst nachdenken. (Jetzt schon sorry für den Sarkasmus.)
Also, darum geht es:
Zitat: | „Ich möchte mit dem Zitat sagen, dass ich es mein Leben lang satt gehabt habe, meine Wahrheiten, - ich spreche hier also von meinen Wahrheiten, von anderen zu beziehen“ |
Die Verfälschung der Wahrheit ist also Joschis Unfähigkeit sich von den Wünschen und Vorstellungen Anderer zu befreien? (So richtig kriege ich es nicht zu fassen.) Joschi rächt sich an seiner Mutter dafür, dass er sich nicht von ihr lösen kann. Ja?
Mein Problem mit dem Text ist, dass mir die Sprache und der Witz massiv zu derb sind, wodurch ich mich schwer tue, ihn möglichst objektiv zu betrachten.
Aber macht eigentlich nichts. Mich erreicht der Text nicht, löst bei mir nichts aus, macht mich nicht neugierig. Er wird andere Leser haben.
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