Von Menschen und Menschen

[Heribert]

Vor noch wenigen Jahrzehnten hat man dem Dorftrottel gesagt, dass er der Dorfdepp sei und er sich nicht um Dinge kümmern solle, von denen er keine Ahnung hat. Egal wo, egal zu welcher Zeit, ob im prähistorischen Amerika oder im Berlin der Zwanzigerjahre, man ging zum Clown des Stammes oder zum dummen August des Straßenviertels und sagte ihm oder ihr, dass er oder sie die Klappe halten solle, da sonst nur Unfug passiere.

Heute ist das anders. Kommt in unseren Tagen eine Idiotin oder ein Idiot angelaufen, egal aus welchem Teil des Landes, egal aus welcher Region der Erde, dann soll man Rücksicht nehmen, denn der Idiot kann nichts dafür, dass er dämlich ist und auch die Idiotin hat schließlich Gefühle. Bestenfalls befördert man Idioten in Ämter mit hervorragender Verantwortung, um dem Idioten eine Freude zu machen, um ihm Perspektiven zu eröffnen. Oder aber auch im Glauben, die Idiotin würde mit ihren Aufgaben wachsen …

Was passiert jetzt? Der Idiot spürt etwas. Eine dumme Ahnung kommt in ihm auf. Die ihm übertragenen Aufgaben lasten schwer. Menschen kommen und wollen helfen. Es gibt Tipps von anderen, die scheinbar besser denken können und ab und zu klingt der Ratschlag verdächtig nach Kritik. Aber der Idiot hat mit seinem Posten auch Macht verliehen bekommen … Und was passiert nun? Der Idiot entlässt „Besserwisser“ und „Kritiker“ und beschäftigt unter sich ab sofort einen Stab von noch mehr und schlimmeren Idioten.

Und nun? Man hat einen Kader von Menschen, die nicht denken können; also Menschen die nicht nachdenken können und schon gar nicht vordenken können … Das vorläufige Ergebnis: eine Gruppe von Idioten, von Butter- und Brausebirnen, von Armleuchterinnen und Geistesgestörtinnen, wurde die Möglichkeit gegeben, die Welt nach ihren verblödeten Vorstellungen zu gestalten …

Und sie dulden keinen Wiederspruch und wurschteln so lange herum, bis alles zum Einsturz gebracht worden ist, was nur stürzen kann.
Alles, was die Vorstellungskraft des Idioten übersteigt, wird zunächst zum Hexenwerk erklärt und schließlich verboten und bekämpft. Alles, was hinter dem Tellerrand-Horizont des Idioten liegt, wird zur Verschwörungstheorie erklärt und ins Land der Mythen verband.

Denn der Idiot lebt – und das betont er gerne – im Hier und Jetzt! Vergangenheit interessiert ihn nicht; zu unmodern, verstaubt, lange her – und in Geschichte waren wir ja auch Scheiße.
 … Die alten Schriften, die Klassiker, versteht der Idiot nicht, zu lange Sätze (viel zu lange Sätze), ihm unbekannte Wörter … Also muss die Sprache auf das Niveau des Idioten angepasst werden …
Vom Gestern haben Idioten und :innen keine Ahnung und vom Morgen gleich fünfmal nicht.

Sagt man ihnen, den verdammten Idioten, dass ihre Welt gestern schon einmal existiert hat, erst vor drei Jahrzehnten, und dass sie schon morgen wieder untergehen wird, werden sie ungehobelt laut, schreien den Kritiker nieder oder laufen beleidigt davon. Und wenn die Welt von morgen wiederkommt, wenn die kleine Welt des Idioten, die ja die Form eines Tellers hat, auseinanderbricht, dann möchte der Idiot und seine idiotische Anhängerschaft von nichts mehr etwas wissen. Wie schon 1989 oder 1945 oder 1918 und viele duzend Male davor, stehen die Idioten dann mit zuckenden Schultern vorm Scherbenhaufen ihrer Teller-Welt und fragen sich, was denn eigentlich passiert ist.

Und dann kommt wieder die Zeit, in der man den Kindern und Enkeln der Idioten sagt, dass sie Idioten sind und zu nicht mehr taugen, als den Mist zusammenzufegen, den ihre idiotischen Vorfahren hinterlassen haben.

[Eris Ado]

[Brombärchen]

Oh, Mensch! Heribert. Ich versteh ja, dass du Angst hast. Hab ich auch. Wir leben in sehr undurchsichtigen Zeiten des Umbruchs. Da die Menschheit ständig neue Wege erfindet, sich selbst auszulöschen und das Leben an sich gleich mit, sind wir angehalten uns zu ändern! Schnell und drastisch. Nur wie?
Das ist das Problem. Und bisher hat noch keiner die Lösung. Deinen Aussagen zufolge scheinst du zu denken, die Probleme entstehen durch die aktuellen Veränderungen in der Gesellschaft und übersiehst dabei völlig, dass diese Veränderungen nur verzweifelte Versuche sind, dass abzuwenden, was die Gesellschaft der Vergangenheit längst verzapft hat. Solange es die Errungenschaften der Wissenschaften und den technologischen Fortschritt nicht gab, war die Grausamkeit und Dummheit unseres Gesellschaftssystems nicht so bedrohlich wie heute. Hätten die Mongolen oder die Vikinger die Atombombe besessen, hätten sie ihr Denken ändern müssen oder uns alle vernichtet.
Tragischerweise haben wir uns moralisch sogar entwickelt. Wenn man den heutigen Diskurs mal vergleicht, selbst mit Hochkulturen wie dem klassischen Griechenland, verfügen wir über weit fortgeschrittene moralische Begriffe. Nur müssen wir sie auch anwenden!
Das Problem ist, dass wir uns in einem Wettlauf mit einer exponentiell wachsenden Technologie befinden. Unser Problem wird von meinem Lieblingskurzgedicht von Gottfried Benn auf den Punkt gebracht;

 „das Schwein, der Mensch“
 Naja, irgendwie unfair dem Schwein gegenüber.  wirmüssen uns ändern.

[HansGlogger]

Du stellst in einfacher, kraftvoller Sprache Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik dar. Gegenwärtig, weil konkrete Jahreszahlen genannt werden und dreißig Jahre seit 1989 erwähnt werden.

Dabei nimmst Du nicht auf konkrete einzelne Fehlentscheidungen Bezug, sondern versuchst allgemeine Mechanismen aufzuzeigen, die zur Herrschaft von "Idioten" führt.

Ich sehe im Text zwei Ursachen, die angesprochen werden.
Die erste bleibt im Vagen: Idioten kommen an die Macht, weil die Nicht-Idioten sie  begünstigen.

[Brombärchen]

Sorry, bei den Jahreszahlen habe ich den Text falsch verstanden.
Aber ich frage mich trotzdem, inwiefern das Kaiserreich, Nazideutschland und die DDR miteinander und der derzeitigen Situation auf einen Nenner gebracht werden können.

[abentroth]

[SannyB]

Hallo Heribert,

ich muss bei Deinem Text sofort an Trump und DeSantis denken.
Ebenso an ein paar Deutsche Politiker... ich finde, abentroth bringt es sehr gut auf den Punkt.

Ich habe momentan auch das Gefühl, dass hier in gewisser Weise gerade wieder 1933 ist (oder 1932), und wir schauen müssen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.
Das ist bei mir persönlich gerade ein sehr konkretes Thema, da ich erfahren habe, dass ein Familienmitglied die AfD wählen möchte, sich aber überhaupt nicht auf ein Gespräch darüber mit mir einlässt. Ich habe so viele Argumente, doch sie werden gar nicht angehört...
Abgesehen vom offenen Faschismus, Rassismus und der Frauenfeindlichkeit (von manchen Menschen komplett ausgeblendet), sind auch die Familien- und Rentenpolitik unterirdisch. Erst nach 45 Jahren in Arbeit Anspruch auf die volle Rente? Ich wäre dann 72/73 und sicher nicht mehr fit genug für meinen Job.

Aber von anderen habe ich gelesen, dass sie Freunde überzeugen konnten: z.B. türkischstämmige Männer, die AfD-Parolen von sich gegeben haben, bis ihnen gezeigt wurde, was für beleidigende Sprüche die AfD gegen Türken absondert, und dass sie alle ausweisen will, selbst wenn sie in der zweiten/ dritten Generation hier leben.
Wenn jetzt alle "woken" Menschen auf ihr Umfeld achten und Aufklärung betreiben, können wir die Anzahl der AfD-Wähler durchaus reduzieren.
Zusätzlich gibt es z.B. auf change.org Petitionen für ein AfD-Verbot.

Mmh, das war jetzt sehr politisch und gehört vielleicht nicht hier ins Forum, aber ich glaube, es beschäftigt einige, deshalb lasse ich es mal so da...

Grüße,
Sanny

[wohe]

[nasigoreng]

Hallo,

auch ich bin irritiert vom Text. Er spaltet mir zu sehr und die vielen 'Idiot*en', Trottel, minder Intelligenten sind mir in der Aufzählung zu viel, in der Beschreibung zu wenig ausgeformt.
Deshalb:
Ich empfehle Wilhelm Reich: 'Rede an den kleinen Mann'. Dünnes Buch, schnell gelesen, gehaltvoll, zeitlos.

Viele Grüße
N

[Gast]

[nebenfluss]

Ich sehe den Text ähnlich wie Hans Glogger. Er ist mir viel zu hinbehauptet, es fehlt an Beispielen, die das Gesagte belegen und veranschaulichen würden. Der Begriff Idiot wird kaum variiert* oder psychologisch ausdefiniert. Den Ursachen für die Geringschätzung des Intellekts, wenn nicht gar ein Misstrauen gegenüber demselben, wird auch nicht auf den Grund gegangen. Schade! Als Essay geht das bei mir e g. nicht durch, ist mehr eine Wutrede - leider gegen Unbekannt.
Ich denke, eine treffende Kritik an der herrschenden Politikerkaste ließe sich eher unter Berücksichtigung von Klassenzugehörigkeiten und Zeitgeistigkeiten (den sogenannten sozialen Medien sowie dem Einfluss der NGOs und Lobbygruppen generell) formulieren.

* Ich mag aber die Begriffe Butter- und Brausebirnen (so nie zu vor gelesen) und Armleuchterinnen.

[Brombärchen]

[Gast]

@Heribert, zwei Fundstücke zum Thema:

Wenn man bedenkt, wie viele Idioten
mittlerweile hochrangige Ämter bekleiden,
dann sollten wir froh und glücklich sein,
solange der Wendler nur Musik macht.


Die Welt ist gar nicht voller Idioten.
Die sind nur strategisch so verteilt,
dass dir am Tag
mindestens einer begegnet.

[Günter Wendt]

[Heribert]

Boa (wie man so schön sagt), so sollte der Text nun auch nicht einschlagen. Habe den mal geschrieben, als ich wütend war. Ehrlich? Ich hasse Essays und politische Abhandlungen; gewöhnlich packe ich meine Meinung etwas versteckter in lustige Alltagstexte.

Warum ich ihn dann hier eingestellt habe? Weil ich vor kurzer Zeit hier ebenfalls einen kritischen Text zum Zeitgeist gesehen habe und ich sah auch, wie wahnsinnig gern solche Schriften sofort gelesen und diskutiert werden. Der Verfasser wird nach links gezerrt, nach rechts geschoben, sein Text wird dahin interpretiert und dorthin gewünscht ... und die üblichen Begriffe fallen: sexistisch, rassistisch … - all die Begrifflichkeiten, die dem Menschen in den letzten Jahrzehnten mit dem Hammer eingedingst wurden …
Und am Schluss? Am Ende haben sich alle fusselig geschrieben und alle bleiben unverstanden.

Was lernen wir? Es gibt, wie seit Anbeginn der Zeit, zwei Meinungen oder mehr, und so bleibt es bis zum großen Knall, auf den wir nun alle Mal gespannt warten wollen.

Ich bleibe besser bei meinen lustig gemeinten Alltagstexten und mache jene Experimente nicht mehr …

Und trotzdem – vielen Dank für die zahlreichen Antworten und freut Euch mit mir auf meinen Beitrag "Harlander, Kürbis und Karussell", den ich in wenigen Minuten einstellen werde und der Euch hoffentlich fröhlich stimmen wird. Es wird ein typischer Heribert sein.

Auf Wiederhören!

[Günter Wendt]

[Heribert]

So isses nämlich wirklich - Dampf ablassen. Wozu schreib ich sonst ...

Danke!

[Günter Wendt]

[Günter Wendt]

[Heribert]

[Brombärchen]

Du könntest auch mit der ein oder anderen Sache falsch liegen. Und trotzdem kein Idiot sein.
Oder ist das unmöglich?

[Heribert]

Natürlich nicht. Was mich an unserer Zeit stört ist, dass einige Dinge offensichtlich falsch oder dumm sind (Bsp. Flache-Erde-Anhänger, Umweltverträglichkeit E-Auto oder Kernkraftabschaltung im Industriestandort) und es immer noch Leute gibt, die das Gegenteil behaupten. Sind jetzt das Idioten oder extremistische Wahrheitsverweigerer? Oder sind das Übermenschen, die viel mehr wissen als wir und die sich nur über uns totlachen? Ich als Normalbürger mit durchschnittlicher Intelligenz neige dazu, das erstere anzunehmen. Zum Glück, sage ich mal, vertreten meine Meinung auch Menschen, die um einiges mehr auf dem Kasten haben als ich ...