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Ausgestoßen


 
 
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Papa Schlumpf
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 64
Beiträge: 373
Wohnort: Friedersdorf


Beitrag17.02.2015 00:01
Ausgestoßen
von Papa Schlumpf
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Neue Version »

Sie hatten ihn ausgestoßen. Er gehörte nicht mehr dazu.
Unter den unzähligen grauen Gesichtern gab es keines, das Interesse an ihm zeigte.

Jene nicht, die stramm marschierend mit „Sieg Heil“ ins Klassenzimmer einrückten, um acht Unterrichtsstunden den braven Bolschewisten zu spielen. Insgeheim aber betrauerten sie das Unrecht, das ihnen geschah, als ihr Großvater, strammer Nazi, Denunziant und Großbauer, nach dem Krieg sein Land verlor. Nach fünfzig Jahren noch beanspruchten sie die Äcker, um sie zu versilbern.

Jene ohnehin nicht, die nach Radfahrerart ihre achtzehn Monate abrissen. Den Intellekt schienen sie vom Hasen zu erlangen versucht zu haben. Das Tier lief wesentlich schneller als sie. Dummheit verleiht mitunter prophetische Gabe. Sie sagten ihm schon damals voraus, dass er ausgestoßen werden würde. Und taten alles in ihrer Macht stehende, um diesem Zustand in die Realität zu helfen.

Keiner ringsum.

Da laufen sie alle, die grauen Gesichter, ihren spießigen Muff wie ein Transparent vor sich her tragend, und gefallen sich darin, dagegen zu sein. Wie gewöhnlich schlagen sie auf die Schwächsten ein, steigen auf die Berge der Niedergeschlagenen um des eigenen Komforts Willen. Scheren sich einen Dreck um die Ungerechtigkeiten, die ringsum geschehen, und die Opfer, die ihr Tun fordert.

Er gehört nicht dazu. Dazu wollte er auch nie gehören.



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tronde
Klammeraffe
T


Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag17.02.2015 01:00
Re: Ausgestoßen
von tronde
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Hallo!
Müde und etwas unkonzentrierte Anmerkungen zu einer kleinen Miniatur, die einen weiten Bogen schlägt. Ich wanke noch zwischen fein beobachtet und plakativ. Schließt sich vielleicht auch gar nicht aus? Wenn Dir die Anmerkungen nicht helfen, schiebs auf meine Müdigkeit Smile

Papa Schlumpf hat Folgendes geschrieben:
Sie hatten ihn ausgestoßen. Er gehörte nicht mehr dazu.
Unter den unzähligen grauen Gesichtern gab es keines, das Interesse an ihm zeigte.

Jene nicht, die stramm marschierend mit „Sieg Heil“ ins Klassenzimmer einrückten, um acht Unterrichtsstunden den braven Bolschewisten zu spielen. Insgeheim aber betrauerten sie das Unrecht, das ihnen geschah geschehen war, als ihr Großvater, strammer Nazi, Denunziant und Großbauer, nach dem Krieg sein Land verlor. verloren hatte? Nach fünfzig Jahren noch beanspruchten sie die Äcker, um sie zu versilbern.

Jene ohnehin nicht, die nach Radfahrerart ihre achtzehn Monate abrissen.
Das Bild verstehe ich nicht. Nach Hause schaukeln, auf einer Arschbacke absitzen? Falls das NVA- oder BW-Slang ist, hätte ich auch gerne brutalst mögliche Aufklärung Smile
Den Intellekt schienen sie vom Hasen zu erlangen versucht zu haben.
Über den Satz habe ich jetzt eine Minute gegrübelt, bis die Grammatik sich mir als schlüssig erwies. Sie schienen versucht zu haben, den Intellekt vom Hasen zu erlangen.
Das Tier lief wesentlich schneller als sie.

Dummheit verleiht mitunter prophetische Gabe. Sie sagten ihm schon damals voraus, dass er ausgestoßen werden würde. Und taten alles in ihrer Macht stehende muss das nicht groß sein, so als substantiviertes Partizip?, um diesem Zustand in die Realität zu helfen.

Keiner ringsum.

Da laufen sie alle, die grauen Gesichter, ihren spießigen Muff wie ein Transparent vor sich her tragend, und gefallen sich darin, dagegen zu sein. Wie gewöhnlich schlagen sie auf die Schwächsten ein, steigen auf die Berge der Niedergeschlagenen um des eigenen Komforts willen. Scheren sich einen Dreck um die Ungerechtigkeiten, die ringsum geschehen, und die Opfer, die ihr Tun fordert.

Er gehört nicht dazu. Dazu wollte und will er auch nie gehören.


Wirft jetzt die alte Frage auf, ob mensch ein System nur von außen, innen oder gar nicht ändern kann ... Innere Emigration ist einen verständliche Reaktion, und meinem pessimistischem Eindruck will ich entgegen halten: Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Nicht, dass der Text darüber etwas aussagt, aber die Stimmung bleibt bei mir hängen. Gegen den Strom ist ja schon schwer genug, aber ich wünschte mir einen aktiveren Schluss. Morgen mag das anders sein, schließlich sind happy end Geschichten beim mir auch rar gesät.
Ich hör jetzt einfach auf, bevor ich mich vom Muffel zum Trottel schreibe.

Liebe Grüße
tronde

EDIT: wollte noch vor 0:00 losschicken, also: Heute nach dem Schlafen mag das anders sein, ...
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Magnus Soter
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 64
Beiträge: 284



Beitrag17.02.2015 01:18

von Magnus Soter
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Hallo Papa Schlumpf,

nur eine Anmerkung in aller Kürze: Mir kommt das zu unmotiviert rüber, zu nüchtern. Wennschon, dennschon ...

Lieben Gruß!


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Merlinor
Geschlecht:männlichArt & Brain

Alter: 72
Beiträge: 8670
Wohnort: Bayern
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Beitrag17.02.2015 17:43

von Merlinor
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Hallo Papa Schlumpf

Leider kann ich mit dem Text nichts viel anfangen, weil ich zu vieles darin einfach nicht verstehe.
Was für eine Situation wird hier beschrieben? Schule, oder NVA bzw. BW?
Ich sehe da nicht klar, denn Elemente aus beiden Feldern werden meinem Eindruck nach zusammengewürfelt.

Auch die Zeichnung derjenige, die "ihn" (wen auch immer) ausgestoßen haben, scheint mir nicht kohärent zu sein.
Entweder "Nazi", oder "Bolschewist", bzw. entweder "Spießer" nebst "Muff", oder die, die immer "dagegen" sind.
Du scheinst aus allen zusammen einen einzigen Haufen zu machen.
Ich würde den dann einfach "die Menschheit" nennen.

So ergibt sich für mich am Ende eher das Bild, dass sich hier einer selbst ausgestoßen hat.
Und dann würde ein Schuh draus, wenn der den Rest der Menschheit von sich gestoßen ("ausgestoßen") hätte.
Titel: Der Misanthrop ... smile
Aber das wäre natürlich eine andere Geschichte.

LG Merlinor


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„Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“

MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag17.02.2015 17:46
Re: Ausgestoßen
von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Papa Schlumpf,

deine Miniatur scheint die Gleichschaltung und Bevormundung des Individuums, hier: Schüler und Wehrdienstleistende, in einem ehemaligen Ostblock-Staat, vornehmlich der Ex-DDR, als Thema zu haben und einen Protagonisten zu skizzieren, der dieser "Bewegung" offen kritisch gegenüber steht, sich nicht eingliedert und dementsprechend ausgeschlossen von der Schulgemeinschaft wird bzw. sich selbst von dieser Gemeinschaft ausschließt. So genau zu trennen ist es mMn nicht in deinem Text, wer wen letztenendes ausschließt, dein Protagonist alle anderen, oder alle anderen deinen Protagonisten.

Teilweise empfinde ich deine Miniatur zu verkürzt und etwas falsch gewichtet. Z.B. die Schulkameraden betrauern insgeheim die unrechtmäßige Enteignung familiären Landbesitzes nach Beendigung des 2. Weltkrieges. Der Großvater war Soldat, Nazi, Denunziant, Großbauer. Für mich stehen diese Gedanken etwas allein im Text und ich bin mir nicht sicher, ob Schüler nicht eher andere Ungerechtigkeiten des Systems direkter/konkreter empfinden, als über das verlorene Land und ihren zwangsenteigneten Großvätern nachzutrauern. Mit fehlt da mehr Detail in der Systemkritik und konkreter auf das Schülerdasein bezogen.

Nach den Schülern, die den Protagonisten ausschließen, werden Wehrdienstleistende erwähnt, und die Stupidität des Kriegsdienstes. Auch hier wird der Protagonist ausgeschlossen. In welcher Form passiert dies? Und welche Konsequenzen hat seine Verweigerung? Schließlich leistet er zwangsläufig seinen Dienst ab, verweigern geht nicht, aber welche Bedeutung hat dieser Satz?
Papa Schlumpf hat Folgendes geschrieben:
Sie sagten ihm schon damals voraus, dass er ausgestoßen werden würde. Und taten alles in ihrer Macht stehende, um diesem Zustand in die Realität zu helfen.

Wer ist mit "Sie" gemeint? Seine Schulkameraden? Seine Lehrer? Die gesichtslose, graue Masse? Und was wurde von "Ihnen" unternommen, um dieses in aller Macht Stehende gegen den Protagonisten in die Realität zu bringen?

Papa Schlumpf hat Folgendes geschrieben:
Da laufen sie alle, die grauen Gesichter, ihren spießigen Muff wie ein Transparent vor sich her tragend, und gefallen sich darin, dagegen zu sein. Wie gewöhnlich schlagen sie auf die Schwächsten ein, steigen auf die Berge der Niedergeschlagenen um des eigenen Komforts willen. Scheren sich einen Dreck um die Ungerechtigkeiten, die ringsum geschehen, und die Opfer, die ihr Tun fordert.

Bisher ging es bei diesen grauen Gesichtern um Schulkameraden und Wehrdienstleistende, oder? Ist mit "schlagen auf die Schwächsten ein" gemeint, dass dein Protagonist gemobbt und geprügelt worden ist, aufgrund seines rebellischen Geistes? Gab es keine Freudesgruppen, die sich zusammentaten, um im Geheimen ihre Freiheit zu frönen, anstelle sie z.B. permanent in der Öffentlichkeit zu "opfern"?
Es wird von Ungerechtigkeiten ringsum gesprochen, nicht nur Landenteignungen und Gruppenausschluss. Mir ist das zu wenig.

Was ich mir stärker ausgearbeitet wünschen würde, wäre diese Zweiteilung des Menschen, dieses grau sein zu müssen, um nicht unterzugehen im System, andererseits dieser verborgene Wunsch nach Gerechtigkeit und Freiheit. Diese innere Zerrissenheit einer Gesellschaft oder eines Individuums erfahrbar und spürbar zu machen, sofern es zu deinem in dieser Miniatur gewählten Thema passt. Wie bereits zu Beginn gesagt, so genau zu trennen ist es mMn nicht in deinem Text, wer wen letztenendes ausschließt: dein Protagonist die anderen (Zitat: "Er gehört nicht dazu. Dazu wollte er auch nie gehören.") oder die anderen deinen Protagonisten (Zitat:"Sie hatten ihn ausgestoßen. Er gehörte nicht mehr dazu.").

LG,
Constantine
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rieka
Geschlecht:weiblichSucher und Seiteneinsteiger


Beiträge: 816



Beitrag17.02.2015 21:11

von rieka
Antworten mit Zitat

Hallo Papa Schlumpf
Mit deinem Text tu ich mich schwer. Ich bin schon eine Weile darum herum geschlichen und habe mich gefragt, was es ist, was mir quer liegt. Mag ich sie doch, nachdenkliche, kritische oder empathische Texte.
Und da liegt der Hund begraben. Dein Prota verurteilt unkritische oder berechnende Anpassung an den Mainstream, an Macht, den gedankenlosen Umgang miteinander und trifft damit meine Aufmerksamkeit.
Aber. Er tut es mit solch ausgeprägtem Schwarzweißzeichnen, dass ich ihm nicht mehr folgen mag. Es gibt da solch ein eindeutiges Gut und Böse, schwarz und weiß,  klug oder dumm, dass es mir nicht mehr glaubhaft erscheint.
Der ursprünglich kritische Prota bekommt damit für mich einen Zwiespalt, der mich hin und her pendeln lässt.
Der Prota leidet, er fühlt sich ausgeschlossen. Aber da die anderen böse sind, will er ohnehin nicht zu ihnen gehören.
Das betont sich noch einmal durch die Sätze.
Zitat:
Unter den unzähligen grauen Gesichtern gab es keines, das Interesse an ihm zeigte.
(Hier drückt sich das Leiden daran aus.)
Und den Schluß
Zitat:
Er gehört nicht dazu. Dazu wollte er auch nie gehören.
(Hier schlägt das Leiden am Ausgestoßensein um in trotzige Ablehnung.)
Hier sehe ich den Widerspruch in der Haltung des Prota.

Zitat:
Sie hatten ihn ausgestoßen. Er gehörte nicht mehr dazu.

Er gehörte also einmal dazu?
 
Zitat:
Unter den unzähligen grauen Gesichtern gab es keines, das Interesse an ihm zeigte.
Warum bloß kann der Prota nur das Graue in den Gesichtern sehen?

Zitat:
Den Intellekt schienen sie vom Hasen zu erlangen versucht zu haben.

Bei diesem Satz habe ich Verständnisprobleme. Haben sie nun die Dummheit oder haben sie nur versucht sie zu erlangen?
 
Zitat:
Keiner ringsum.

Warum wird dieser Satz so hervorgehoben, wenn der Prota ohnehin nicht dazugehören möchte. Oder will er es vielleicht doch, aber es tut so weh, dass er es leugnen muss?

Zitat:
Da laufen sie alle, die grauen Gesichter, ihren spießigen Muff wie ein Transparent vor sich her tragend, und gefallen sich darin, dagegen zu sein. Wie gewöhnlich schlagen sie auf die Schwächsten ein, steigen auf die Berge der Niedergeschlagenen um des eigenen Komforts Willen. Scheren sich einen Dreck um die Ungerechtigkeiten, die ringsum geschehen, und die Opfer, die ihr Tun fordert.

Was beschreibt der Prota hier? Verachtung? Scham? Traurigkeit? Verzweiflung? Über die Anderen oder über sich mit solchen Menschen zu tun zu haben?

Versteh‘ mich nicht falsch. Ich finde den Text interessant, sonst hätte ich mich nicht in ihn vertieft. Ich hoffe, du erlebst mein Nachdenken über den Text nicht als zu schroff. Aber ich glaube, er muss noch etwas sortiert werden:
Entweder sollte die Zerrissenheit, der Zwiespalt (ein sehr nachvollziehbares emotionales Moment) des Protas klarer herausgearbeitet werden, oder das Leiden am Ausgegrenztsein.

Und vor allem hoffe ich, dass ich mich habe verständlich machen können.
LG
rieka
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Papa Schlumpf
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 64
Beiträge: 373
Wohnort: Friedersdorf


Beitrag18.02.2015 17:14

von Papa Schlumpf
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Liebe Kommentatoren,
mein erster Eindruck, da der Inhalt von jedem anders empfunden wurde, ganz offensichtlich habe ich zu stark verkürzt. Ich versuche also zu rekonstruieren, was ich gestrichen habe. Damit ist die hier gepostete "Neue Version" eigentlich die Alte. Ein paar Dinge, die offenbar so nicht funktionieren, sind geändert. Versuchen wir einen zweiten Anlauf?
@tronde Radfahrer buckeln nach oben und treten nach unten. Findet man allzuweil in allen Lebensbereichen.
P. S.

Sie hatten ihn ausgestoßen. Endgültig. Er gehörte nicht mehr dazu. Unter den unzähligen Gesichtern gab es keines, das Interesse an ihm zeigte. Die Gesichter verloren Kontur und Farbe, bis nur eine graue Masse übrig blieb. Er vermochte sie nicht mehr zu erkennen.
Ein stabiles System braucht drei Stützen. Auch ein stabiles Individuum braucht drei Stützen, Familie, Job und eine möglichst intelligente Freizeitbeschäftigung. Letzteres gab er zugunsten der anderen beiden auf. Dann verlor er die Familie. Nun nahm man ihm den Broterwerb. Auf sich selbst zurück geworfen musste er erkennen, dass ihm nichts blieb. Keine Hilfe, nirgends. Seine Gegenwart wertete man als Anklage. Nur durch seine Abwesenheit erntete er Anerkennung.
Diesen Zustand kannte er schon lange. Ein Lehrer prägte den Begriff „Löwenkäfig“ für seine Klasse. Er zählte nicht zu den Raubtieren, er war das Futter. Weil er sich weigerte, gleich den anderen stramm marschierend mit „Sieg Heil“ ins Klassenzimmer einzurücken und anschließend den braven Bolschewisten zu heucheln. Insgeheim träumten sie vom „Endsieg“ und den deutschen Ostgebieten, die heim ins Reich geholt gehörten. Zu jenen zählte er nicht, deren Gesichter Kontur und Farbe verloren, er stand im Abseits.
Er blieb dort, als er zwischen jenen landete, die nach Radfahrerart ihre achtzehn Monate abrissen. Sie erweckten den Eindruck, ihren Intellekt einem Hasen anvertraut zu haben. Das Tier lief wesentlich schneller als sie. Dummheit verleiht mitunter prophetische Gabe. Sie sagten ihm schon damals voraus, dass er ausgestoßen werden würde. Und taten alles in ihrer Macht stehende, um diesem Zustand in die Realität zu helfen. Auch zu diesen gehörte er nicht. In der Erinnerung blieb nur eine graue Masse, die ihn in ihrer Hackordnung nach ganz unten geschoben hatte.
Trotzdem gelang es ihm, sich irgendwie zu integrieren. Er fand seine drei Stützen. Nun verlor er sie wieder. Entwurzelt von den grauen Gesichtern, armselig, schutzlos und ohnmächtig. Keiner hilft. Keiner ringsum.
Kürzlich sah er sie wieder. Sie liefen durch die Stadt, die grauen Gesichter, ihren spießigen Muff wie ein Transparent vor sich her tragend, und gefallen sich darin, dagegen zu sein. Wie gewöhnlich schlagen sie auf die Schwächsten ein, steigen auf die Berge der Niedergeschlagenen um des eigenen Komforts Willen. Scheren sich einen Dreck um die Ungerechtigkeiten, die ringsum geschehen, und die Opfer, die ihr Tun fordert.
Er gehört nicht dazu. Dazu wollte er auch nie gehören.
Er musste sich einen anderen Platz suchen.


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Gefühlsgier
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 31
Beiträge: 421



Beitrag18.02.2015 18:16

von Gefühlsgier
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Die überarbeitete Version liest sich meiner Meinung nach schon wesentlich besser.


"Den Intellekt schienen sie vom Hasen zu erlangen versucht zu haben"


An der Stelle las es sich nicht gut, aber ich neige leider auch oft zu solchen  verschachtelten Sätzen.

Es lässt sich klar erkennen, worum es hier geht, und du hast Thema an sich sehr nachdenklich stimmend aufbereitet. Ich hätte mir aber lieber noch eine oder zwei weitere Hintergrundinformationen gewünscht, die z.B. diesen Abschnitt hier:


"Ein stabiles System braucht drei Stützen. Auch ein stabiles Individuum braucht drei Stützen, Familie, Job und eine möglichst intelligente Freizeitbeschäftigung. Letzteres gab er zugunsten der anderen beiden auf. Dann verlor er die Familie. Nun nahm man ihm den Broterwerb. Auf sich selbst zurück geworfen musste er erkennen, dass ihm nichts blieb. Keine Hilfe, nirgends. Seine Gegenwart wertete man als Anklage. Nur durch seine Abwesenheit erntete er Anerkennung."


schlüssiger machen. Ich habe es mehrmals gelesen und ich bin mir immer noch nicht wirklich sicher, was hier genau gemeint ist.

liebe Grüße


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Magnus Soter
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 64
Beiträge: 284



Beitrag18.02.2015 20:50

von Magnus Soter
Antworten mit Zitat

Gefühlsgier hat Folgendes geschrieben:
Die überarbeitete Version liest sich meiner Meinung nach schon wesentlich besser.

Dem stimme ich zu.

Hat es einen Grund, dass du deinen Text in die Nazizeit gepflanzt hast? Es gibt ja auch in der Jetztzeit genug Möglichkeiten, das Thema anzugehen. Das fände ich persönlich sympathischer.


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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag18.02.2015 21:20

von Jack Burns
Antworten mit Zitat

Hallo Papa Schlumpf,

Ich hab schon einige Male reingelesen und hab jetzt Zeit meine Gedanken anzubringen.
Du machst es nicht leicht, hinter die Aussage zu kommen und ich mag Herausforderungen. Im zweiten Abschnitt geht es um die Wendehälse der frühen Fuffziger.
Zitat:
gleich den anderen stramm marschierend mit „Sieg Heil“ ins Klassenzimmer einzurücken und anschließend den braven Bolschewisten zu heucheln.
  Ich hatte genau so einen Typen als Lehrer. Der ging uns dermaßen auf den Sack mit seiner roten Propaganda. Dummerweise hat er uns mal Altstoffe abholen lassen und nicht genug Fantasie, um sich zu denken, dass wir darin rumwühlen würden. Eine sehr schicke SS-Uniform hat er auf einigen Bildern getragen. So hab ich mit acht Jahren schon viel über Heuchelei und Anpassung gelernt.

Weiter: Die Radfahrer-Metapher war schwer zu deuten. Ich dachte an das "Abstrampeln". Was mir hier nicht gefiel:
Zitat:
Und taten alles in ihrer Macht stehende, um diesem Zustand in die Realität zu helfen.

Das ist mir zu künstlich konstruiert. Eine einfachere Variante: "... um es wahr werden zu lassen ..." oder "... die Vorhersage zu erfüllen ...", hätte es auch getan.

Am Schluss: Sind wir in der Gegenwart? Hier fehlt mir eindeutig eine ... ich weiß nicht. Pointe, Entwicklung, Konsequenz ... etwas in der Art.
Der Text hat dadurch diesen Alles-Scheiße-Ton, der mich nicht weiter bringt. Es erinnert mich an tausende Monologe, die ich führte, bis mir klar wurde, dass es mich immer weiter herunter zieht, wenn ich nicht eine Konsequenz aus der traurigen Wahrheit ziehe.
Du gibst eine düstere Analyse, des Zustands unserer Republik, die man noch bequem um einige Szenen erweitern könnte. Ich hätte da viele Richter, Polizisten, Lehrer und Jugendamtsarbeiter, die nach 1989 ganz schnell zu aufrechten Demokraten wurden.

Deine Analyse greift aber zu kurz. Es gab immer auch viele, die sich verweigert haben. Und so herrschte auch nach Systemwechsel ein Konflikt zwischen den Mitläufern und den Verweigerern, der zumeist nicht ausgetragen wurde oder in einem Desaster namens RAF endete.
Der verzweifelte Kampf um Aufnahme in der grauen Masse, die man mit dem Herzen ablehnt: Ein weiteres, inneres Konfliktpotential, dass Du auch vernachlässigst.

Stilistisch ist mir die ständige Wiederholung des Grauen etwas aufgestoßen. Zu viel grau in einem so kurzen Text, wenn mir auch klar ist, dass es nicht ohne Absicht da steht.

Trotz meiner kritischen Anmerkungen zur Umsetzung finde ich es gut, dass Texte, wie dieser geschrieben werden. Das Hinterfragen von Anpassung und Duckmäusertum findet in der Literatur viel zu selten statt.

Grüße
Martin


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rieka
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Beiträge: 816



Beitrag19.02.2015 13:22

von rieka
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Auf die Kürze:
Auch für mich ist der Text jetzt deutlich stimmiger.
Und auf die Schnelle:
Einen Knoten habe ich immer noch mit den Sätzen
Am Anfang:
Zitat:
Sie hatten ihn ausgestoßen. Endgültig. Er gehörte nicht mehr dazu
.
und
Am Schluss:
Zitat:
Er gehört nicht dazu. Dazu wollte er auch nie gehören.

Aus diesen beiden Sätzen ergibt sich für mich immer noch die Frage, wollte der Prota NIE dazugehören, oder wollte er es ursprünglich doch, aber es tat alles so weh, dass er es inzwischen leugnen muss.
Das meinte ich weiter oben mit ‚Zwiespalt‘. Bei dem einen ginge es um eine starke Verletzung, Kränkung.
Wenn er aber von vornherein NIE dazu gehören wollte, müsste er sich dann nicht stärker und vielleicht überlegener fühlen, hätte er sich dann nicht selbst distanziert?
Sich abwenden oder ausgestoßen werden. Diese Haltungen sind nach meinem Gefühl zu wenig voneinander abgegrenzt oder zu wenig deutlich herausgearbeitet.
Für mich ist das ein spannendes emotionales Geschehen, das du hier thematisierst. Und vielleicht empfinden andere diesen ‚Zwiespalt‘ mit dem ich mich in deinem Text herumschlage gar nicht.
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Papa Schlumpf
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 64
Beiträge: 373
Wohnort: Friedersdorf


Beitrag19.02.2015 14:29

von Papa Schlumpf
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Hallo, Leute,
erstmal vielen Dank für den Input. Ich weiß bloß noch nicht, wie ich es umsetzen kann. Der Zwiespalt, den Rieka dankenswerter Weise erwähnte, war mir so noch nicht aufgegangen. Wer nicht zum einsamen Wolf geschaffen ist, sucht die Gemeinschaft, wenn die Gemeinschaft aber mit Wonne gegen die Grundsätze der eigenen Moral verstößt, will er sich gleichzeitig  auch abwenden. Darüber muss ich noch nachdenken.
Auch die Klammer vom ersten zum (vor-)letzten Satz ist offenbar nicht gelungen.
Jack und Magnus, ihr legt die Geschichte zeitlich an Stellen, an die ich nie gedacht habe. Auch entsteht der falsche Eindruck, der Lehrer sei der Nazi. Ich habe meinen Fehler gefunden. Glaube ich. Da ist allerdings ordentlich umzubauen im Text.
Die Geschichte von Schule ist sicher nicht typisch für den Osten in den siebzigern, das heißt, ich hoffe das; NVA war so. Auch später noch. Unabhängig vom eigenen Erleben gibt es hier ein aktuelles Problem, auf das der Text projiziert wird. Danke für die Anregungen, die Umsetzung wird eine Weile dauern. Bis dann.
P. S.


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rieka
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Beiträge: 816



Beitrag19.02.2015 20:52

von rieka
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Zitat:
….. Dank für den Input. Ich weiß bloß noch nicht, wie ich es umsetzen kann. Der Zwiespalt, den Rieka dankenswerter Weise erwähnte, war mir so noch nicht aufgegangen. Wer nicht zum einsamen Wolf geschaffen ist, sucht die Gemeinschaft, wenn die Gemeinschaft aber mit Wonne gegen die Grundsätze der eigenen Moral verstößt, will er sich gleichzeitig  auch abwenden. Darüber muss ich noch nachdenken.


Dazu noch einmal ein paar Gedanken:
Menschen machen Erfahrungen, verändern sich, bekommen neue Einsichten und Ansichten. Das kann dazu führen, dass Kränkungen und Enttäuschung allmählich verwunden werden, die Schärfe allmählich verschwindet. Es kann zu einem ‚inzwischen nicht mehr dazu gehören wollen‘ führen.
Nur so eine Überlegung. Ich bin gespannt, welche Lösung du findest.
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nothingisreal
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Beitrag22.02.2015 12:23

von nothingisreal
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Zitat:
Auf sich selbst zurück geworfen KOMMA musste er erkennen, dass ihm nichts blieb.


Der Satz ist umständlich geschrieben.

Das müssen muss raus. Es ist ein Hilfsverb. Vollkommen unnötig. Die dass-Konstruktion ist ebenfalls überflüssig.

Vielleicht so etwas:

- Und er erkannte,  ihm war nichts geblieben.

Zitat:
Seine Gegenwart wertete man als Anklage

Wer sind "man"?

Zitat:
Ein Lehrer prägte den Begriff „Löwenkäfig“ für seine Klasse.


Das passierte vor dieser Geschichte, oder?
Dann: Ein Lehrer hatte(einst) den Begriff "Löwenkäfig" für seine Klasse geprägt.

Zitat:
Weil er sich weigerte, gleich den anderen stramm marschierend mit „Sieg Heil“ ins Klassenzimmer einzurücken und anschließend den braven Bolschewisten zu heucheln.


Die Konstruktion ist umständlich. Warum schreibst du nicht einfach:
Er zählte nicht zu den Raubtieren. Er war Futter, weil er sich weigerte, den anderen gleich, stramm marschierend mit "Sieg Heil", ins Klassenzimmer einzurücken und den braven Bolschewisten zu heucheln.

Zitat:
Insgeheim träumten sie vom „Endsieg“ und den deutschen Ostgebieten, die heim ins Reich geholt gehörten.


Wer sind "sie"? Die anderen? Die Bolschewisten?

Zitat:
Zu jenen zählte er nicht, deren Gesichter Kontur und Farbe verloren, PUNKT er stand im Abseits.


Das klingt gekünstelt.
Sag doch einfach: Er zählte nicht zu jenen, deren Gesichter Kontur und Farbe vorloren haben. Er stand im Abseits.

Zitat:
Und taten alles in ihrer Macht stehende, um diesem Zustand in die Realität zu helfen.

Warum schreibst du so pathetisch?
Und sie taten alles, um das zu realisieren.


Lieber Papa,

ich muss gestehen, ich kann mit deiner Geschichte nichts anfangen.
Ein Mann während der NS-Zeit (?) verliert Familie, Job und Freizeitbeschäftigung, weil er nicht dazu gehört und gehören will.

Du schreibst zehn mal das selbe, verlierst dich in pathetischen Aussagen und sagst doch nichts aus.

Sprachliches habe ich dir angestrichen. Nimm, was du brauchst.

Mein Senf dazu.

Gruß
NIR.


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"Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten." - William Somerset Maugham
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Magnus Soter
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 64
Beiträge: 284



Beitrag22.02.2015 18:26

von Magnus Soter
Antworten mit Zitat

nothingisreal hat Folgendes geschrieben:
Er war Futter, weil er sich weigerte, den anderen gleich, stramm marschierend mit "Sieg Heil", ins Klassenzimmer einzurücken und den braven Bolschewisten zu heucheln.

Meines Erachtens ist das Komma hinter "Sieg Heil" falsch, oder zumindest ungünstig. Das liest sich nicht flüssig. Es liegt wohl an den zwei aufeinander folgenden eingeschobenen Nebensätzen. Durch das Weglassen des Kommas wird der zweite Nebensatz dem Hauptsatz angegliedert. Das liest sich viel besser. Mir fallen solche Stellen immer negativ auf.


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Papa Schlumpf
Geschlecht:männlichEselsohr

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Wohnort: Friedersdorf


Beitrag02.03.2015 23:17

von Papa Schlumpf
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Der letzte Brief

Sie hatten mich ausgestoßen. Endgültig. Ich gehörte nicht mehr dazu.
Sie stellten mich vor die Tür. Rote Karte. Platzverweis. Der Bart ist zu lang, die Begründung. Zu den Schönen gehörte ich nie, meine Jugend ist lang schon vergangen. Sie sortierten mich zum Müll, es warten Shredder, Presse und Deponie.

Unter den unzähligen Gesichtern gibt es keines, das Interesse an mir zeigt, mich aufhebt und meint: „Der geht ja noch. Vielleicht als Hausmeister?“ Die Gesichter verlieren Kontur und Farbe, bis nur eine graue Masse übrig bleibt. Ich vermag sie nicht mehr zu erkennen.

Ein stabiles System braucht drei Stützen, wie auch jedes stabile Individuum, Familie, Job und eine möglichst intelligente Freizeitbeschäftigung. Letzteres gab ich zugunsten der anderen beiden auf. Dann verlor ich die Familie. Nun nahm man mir den Broterwerb. Auf mich selbst zurück geworfen musste ich erkennen, dass mir nichts blieb. Keine Hilfe, nirgends. Meine Gegenwart wertet man als Anklage. Nur durch meine Abwesenheit ernte ich Anerkennung.

Diesen Zustand kenne ich schon lange. In der Lehrerschaft firmierte meine Klasse unter dem Begriff „Löwenkäfig“. Ich zählte nicht zu den Raubtieren, ich war das Futter. Weil ich mich weigerte, gleich den angesagten Typen stramm marschierend mit „Sieg Heil“ ins Klassenzimmer einzurücken und anschließend den braven Bolschewisten zu heucheln. Insgeheim träumten sie vom „Endsieg“ und den deutschen Ostgebieten, die heim ins Reich geholt gehörten. Zu jenen zählte ich nicht, zu fern und zu gefährlich die Ideale, denen sie nachliefen. Ich hielt Abstand.
Die Anderen mit ihrer kleinbürgerlich-heilen Welt, dem Wohlstand, der sie aus der Masse hob, den Designerklamotten vom West-Opa, der schizophrenen Trauer, als die DFB-Elf gegen die „Zonis“ verlor, diese ignorierten mich günstigenfalls. Was sollten sie mit so einem Dreiviertelproleten anfangen? Intellektuelle gehören nun mal nicht dazu. Für humanistische Ideale kann man sich nichts kaufen.

Zum einsamen Wolf war ich nicht bestimmt. Also suchte ich die Gemeinschaft. Ich hätte die Kröte geschluckt und mich mit den materiell Determinierten eingelassen, allein, sie lehnten mich ab.
Die Gesichter der Mitschüler verloren Kontur und Farbe. Ich stand im Abseits. Allein.

Ich blieb dort, als ich zwischen jenen landete, die nach Radfahrerart ihre achtzehn Monate abrissen, die den Eindruck erweckten, ihren Intellekt einem Hasen anvertraut zu haben. Das Tier lief wesentlich schneller als sie.
Ich litt zwischen körperlicher Gewalt und Trivialität der Denkmuster. Dummheit verleiht mitunter prophetische Gabe. Sie sagten mir schon damals voraus, dass ich ausgestoßen werden würde. Und taten alles in ihrer Macht stehende, um diesem Zustand in die Realität zu helfen.
Auch zu diesen gehörte ich nicht. In der Erinnerung blieb nur eine graue Masse, die mich in ihrer Hackordnung nach ganz unten geschoben hatte. Doch ich überlebte.

Später gelang es mir, mich irgendwie zu integrieren, als ich begann, den anderen einen anderen vorzugaukeln. Zähneknirschend spielte ich unter Spießern den Spießer. Ich hielt das Spiel viele Jahre durch, durfte mich endlich zugehörig fühlen. Und ich #fand meine drei Stützen.

Als die Fassade die ersten Risse bekam verlor ich das, was ich für mein Leben hielt. Entwurzelt stehe ich da, armselig, schutzlos und ohnmächtig. Auf den Müll geworfen. Zu alt für einen Job, zu jung für die Rente. Keiner hilft. Keiner ringsum.

Selig sind, die arm sind im Geiste. Denn sie sind grausam gegen alle, die sie nicht kennen und nicht verstehen. Und sie bemerken es nicht.
Sie haben besseres zu tun. Sie laufen durch die Stadt, mit grauen Gesichtern, ihren spießigen Muff wie ein Transparent vor sich her tragend, und gefallen sich darin, dagegen zu sein. Wie gewöhnlich schlagen sie auf die Schwächsten ein, steigen auf die Berge der Niedergeschlagenen um des eigenen Komforts Willen. Scheren sich einen Dreck um die Ungerechtigkeiten, die ringsum geschehen, und die Opfer, die ihr Tun fordert.
Die Kleinbürger marschieren, hegen ihre Zufriedenheit und den Wohlstand, der ihnen in den Schoß fiel. Betonen, wie schwer dafür zu arbeiten war, verschweigen, dass nicht sie die Leistung erbrachten. Verschwenden keinen Gedanken daran, auf Unnötiges zu verzichten. Zu helfen.

Ich sollte, doch ich kann diesem Treiben nicht Einhalt gebieten. Keiner hört mich an, denn ich gehöre nicht dazu. Zerrissen zwischen Abscheu und dem Wunsch nach Zugehörigkeit, aufgerieben zwischen den Fronten, an denen ich nicht kämpfe. Das könnte ich überstehen, fände ich einen anderen Platz, eine Nische, die mich überleben ließe.

Alles ist besetzt.


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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag04.03.2015 01:05

von Constantine
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Lieber Papa Schlumpf,

ich finde, dein Text hat mit jeder Überarbeitung mehr an Kontur dazugewonnen.
Was ich sehe ist eine Gesellschaft, die dem vom Schicksal Geschlagenen nicht hilft, obwohl sich dieser bemüht hat sich ins Gefüge zu integrieren. Er hat nach den Regeln der anderen gespielt, war aber kein Wolf, hat nicht nach unten getreten, um sich oben zu behaupten, und am Ende dennoch verloren. Keine Menschlichkeit, keine Hilfsbereitschaft. Keine Gerechtigkeit. Das ganze Soziale, was die Menschheit so groß zu machen scheint, scheitert beim Individuum, welches seinen Job verloren hat. Soweit meine Interpretation deines Inhalts.

Ist "Der letzte Brief" der neue Titel, anstelle "Ausgestoßen"?

Was ich schwierig an deinem Text finde, ist das Hin und her von konkreten Details und von starken Verkürzungen als Retrospektive eines Lebens. Z.B. der Verlust der Familie wird in einem Satz abgehandelt. Das kann vielerlei bedeuten und den Protagonisten scheint dieser Verlust nicht so stark getroffen und betroffen zu machen, wie der Arbeitsplatzverlust. Auf andere Dinge, wie die Schulzeit oder das Anpassen ans Berufsleben, wird vermehrt eingegangen.
Ein weiteres Beispiel: die sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Darauf verzichtet der Protagonist, zu Gunsten der Familie und der Arbeit.
Als die Familie verloren geht, warum wird nicht versucht diese Säule, die sinnvolle Freizeitbeschäftigung, zu reaktivieren, um zumindest wieder zwei Säulen zu haben? Wenn die Familie wegfällt, müsste Zeit für diese zur Verfügung stehen, oder?

Schwierig ist es, ein ganzes Leben so zu porträtieren oder skizzieren, dass es rund und schlüssig vom Leser/mir angenommen werden kann.

Du hast im Text einige Wiederholungen drin. Z.B. von der Aussage her das häufige "keine Hilfe" oder "keiner hilft".

Papa Schlumpf hat Folgendes geschrieben:
Die Gesichter verlieren Kontur und Farbe, bis nur eine graue Masse übrig bleibt.


Papa Schlumpf hat Folgendes geschrieben:
Die Gesichter der Mitschüler verloren Kontur und Farbe.


Teilweise empfinde ich deine Konstruktion etwas wirr und sprunghaft von der Chronologie.

Papa Schlumpf hat Folgendes geschrieben:

Ein stabiles System braucht drei Stützen, wie auch jedes stabile Individuum, Familie, Job und eine möglichst intelligente Freizeitbeschäftigung. Letzteres gab ich zugunsten der anderen beiden auf. Dann verlor ich die Familie. Nun nahm man mir den Broterwerb. Auf mich selbst zurück geworfen musste ich erkennen, dass mir nichts blieb. Keine Hilfe, nirgends. Meine Gegenwart wertet man als Anklage. Nur durch meine Abwesenheit ernte ich Anerkennung.

Dieser Abschnitt über die drei Stützen wirkt reingeschoben in deinen Text. Das geschieht für mich während des Lesens ein Bruch. Danach beginnst du mit der Retrospektive und erwähnst später:
Papa Schlumpf hat Folgendes geschrieben:
Später gelang es mir, mich irgendwie zu integrieren, als ich begann, den anderen einen anderen vorzugaukeln. Zähneknirschend spielte ich unter Spießern den Spießer. Ich hielt das Spiel viele Jahre durch, durfte mich endlich zugehörig fühlen. Und ich #fand meine drei Stützen.

Aufgrund dieser starken Verkürzung, entstehen Schwerpunkte im Text, die für mich insgesamt nicht gut ausgearbeitet worden sind. Die Familie und die Freizeitbeschäftigung scheinen von diesen drei Stützen die eheste zu sein, auf die man verzichten kann. Dein Protagonist findet seine drei Stützen, weiter oben gibt er eine auf. Warum? Er hat alle drei Stützen mal besessen, aber wann und warum der Verlust der einen stattfand, wird nicht ersichtlich. Welche Bedeutung die Familie hat und hatte, kommt für mich leider auch nicht heraus.

Gesellschaftlich gesehen, ist die Säule "Job" die wichtigste. Wenn du arbeitest, dann bist du wer. Ohne Arbeit nutzt du der Gesellschaft nicht und bist bedeutungslos. Ein niemand. Wenn es darum geht, das herauszustellen, dann bin ich mir nicht sicher, ob eine Retrospektive deines Protagonisten nicht schon zu weitschweifig ist und zu sehr ablenkt und es nicht eher genügen würde, die Gegenwart des arbeitslosen Protagonisten zu skizzieren.

Soweit mein Eindruck.

LG,
Constantine
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EWJoe
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Beitrag04.03.2015 23:08

von EWJoe
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Servus P.S.

Dein Thema ist das Ausgestoßen sein. Ein schwieriges Thema, das leider viele Menschen trifft. Ein Rezept dagegen bietet der Text natürlich auch nicht, er zeigt nur einen üblen Sachverhalt auf. Die neue  Überarbeitung hast Du als einen Abschiedsbrief geschrieben, der voller Bitterkeit das eigene Schicksal beklagt. Da sehe ich ein prinzipielles Problem.

Ich interpretiere und assoziiere mal dazu: Ein Mensch der ganz „Unten“ angekommen ist, sieht keinen Ausweg mehr. Er schreibt seinen letzten Brief. Nur an wen adressiert er ihn? Wer würde ihn, den Brief, beachten, wenn ihm, dem Schreiber, sowie so niemand mehr zuhört, oder sonst irgend wie Beachtung schenkt.Vielleicht richtet er den Brief an den Moloch Gesellschaft und er schreibt sich nochmals den ganzen Frust eines gestrandeten Lebens von der Seele.
Er schildert wie er als Schüler von den „angesagten Typen“ gemobbt wurde, weil er sich nicht der, von den angesagten Typen, vorgegebenen, Gruppennorm konform erwies. Leider ein häufig zu beobachtendes Phänomen, das besonders Menschen trifft, die sich schwer anpassen können, oder die irgend welche äußeren Merkmale aufweisen, die sie leicht als anders zu erkennen gibt. Eine üble Sache, die bereits hier im Kleinen wirkt, um wie viel schlimmer im großen Maßstab, wenn die Gruppe auch ungleich größer ist. Man beobachtet den Kern des Übels aller Ausgrenzung und ahnt ihre Ursachen.

Wenn Arschlöcher in einer Gruppe das Sagen haben, die ihre einflussreiche Position durch eine Kombination aus Terror und Auswählen eines Sündenbocks behaupten wollen, so ist Mobbing Alltag. Das lenkt  von ihrer eigenen Unzulänglichkeit ab, und auf dieses Schiff springen die anderen (Mitläufer) nur zu gerne auf. Ein Rezept das in jeder Skalierung funktioniert, wenn den Arschlöchern das Feld überlassen wird. Der Sündenbock erhält oft alle minderwertigen Eigenschaften zugeordnet, die man insgeheim bei sich vermutet und indem er vertrieben wird, werden auch diese Unzulänglichkeiten vertrieben, so hofft man insgeheim. Im Grunde sind die Mitläufer froh, dass sie selber nicht ins Visier der Terrorchefs gekommen sind und beteiligen sich daher an diesem Treiben. Die Führer sehen sich vollends bestätigt und intensivieren das üble Prozedere. Das lässt auf den Schwachen einschlagen und die, die sich nicht aktiv daran beteiligen ducken sich, aus Angst gleich als nächst dran zu sein.

Der Prota versuchte es schließlich mit Assimilation in der Gruppe der „Spießer“ und scheitert auf die geradezu typische Art. Die Familie geht in die Brüche, eine Lebenslüge bricht halt irgendwann zusammen, möglicherweise ist Alkohol im Spiel, und schließlich verliert er die zweite Säule, den Job. Auf die dritte Säule hat er nie gesetzt, hat keine Freundschaften gepflegt, die aber sowieso meist nur in den guten Zeiten dastehen. Vielleicht aber hätte er doch ein paar wirklich gute Freunde gewonnen, die ihm nun am Ende fehlen, aus eigener Schuld wohl auch.


Zitat:

Der letzte Brief

Sie hatten mich ausgestoßen. Endgültig. Ich gehörte nicht mehr dazu.
Sie stellten mich vor die Tür. Rote Karte. Platzverweis. Der Bart ist zu lang, die Begründung. Zu den Schönen gehörte ich nie, meine Jugend ist lang schon vergangen. Sie sortierten mich zum Müll, es warten Shredder, Presse und Deponie.

Ein Lebens-Resümee. Weniger in Briefform, als ein Jammern bei halbvoller Flasche, das einem unbeteiligten Zuhörer widerfährt. Das endgültig Aufgegeben-haben ist wohl nicht zu überhören.
Unter den unzähligen Gesichtern gibt es keines, das Interesse an mir zeigt, mich aufhebt und meint: „Der geht ja noch. Vielleicht als Hausmeister?“ Die Gesichter verlieren Kontur und Farbe, bis nur eine graue Masse übrig bleibt. Ich vermag sie nicht mehr zu erkennen.

Solche Gespräche kannte ich viele. Bei jeder Menge Alkohol haben sich dann Frustrierte, oftmals mir gänzlich Unbekannte, in ähnlicher Art ausgelassen. Einzig der Titel will mir nicht dazu passen. Vielleicht benennst Du es um?
Ein stabiles System braucht drei Stützen, wie auch jedes stabile Individuum, Familie, Job und eine möglichst intelligente Freizeitbeschäftigung. Letzteres gab ich zugunsten der anderen beiden auf. Dann verlor ich die Familie. Nun nahm man mir den Broterwerb. Auf mich selbst zurück geworfen musste ich erkennen, dass mir nichts blieb. Keine Hilfe, nirgends. Meine Gegenwart wertet man als Anklage. Nur durch meine Abwesenheit ernte ich Anerkennung.

Immer wieder blendeten solche jammernden Abschnitte des Philosophierens ein, um sofort wieder in ihr Selbstmitleid zurückzufallen. Auch das kenne ich aus solchen Gesprächen.
Diesen Zustand kenne ich schon lange. In der Lehrerschaft firmierte meine Klasse unter dem Begriff „Löwenkäfig“. Ich zählte nicht zu den Raubtieren, ich war das Futter. Weil ich mich weigerte, gleich den angesagten Typen stramm marschierend mit „Sieg Heil“ ins Klassenzimmer einzurücken und anschließend den braven Bolschewisten zu heucheln. Insgeheim träumten sie vom „Endsieg“ und den deutschen Ostgebieten, die heim ins Reich geholt gehörten. Zu jenen zählte ich nicht, zu fern und zu gefährlich die Ideale, denen sie nachliefen. Ich hielt Abstand.
Die Anderen (die anderen?)mit ihrer kleinbürgerlich-heilen Welt, dem Wohlstand, der sie aus der Masse hob, den Designerklamotten vom West-Opa, der schizophrenen Trauer, als die DFB-Elf gegen die „Zonis“ verlor, diese ignorierten mich günstigenfalls. Was sollten sie mit so einem Dreiviertelproleten anfangen? Intellektuelle gehören nun mal nicht dazu. Für humanistische Ideale kann man sich nichts kaufen.

Wieder so ein Splitter, diesmal der autobiographische Teil, auch ein alter Bekannter.

Zum einsamen Wolf war ich nicht bestimmt. Also suchte ich die Gemeinschaft. Ich hätte die Kröte geschluckt und mich mit den materiell Determinierten eingelassen, allein, sie lehnten mich ab.
Die Gesichter der Mitschüler verloren Kontur und Farbe. Ich stand im Abseits. Allein.

Ich blieb dort, als ich zwischen jenen landete, die nach Radfahrerart ihre achtzehn Monate abrissen, die den Eindruck erweckten, ihren Intellekt einem Hasen anvertraut zu haben. Das Tier lief wesentlich schneller als sie.
Ich litt zwischen körperlicher Gewalt und Trivialität der Denkmuster. Dummheit verleiht mitunter prophetische Gabe. Sie sagten mir schon damals voraus, dass ich ausgestoßen werden würde. Und taten alles in ihrer Macht stehende, um diesem Zustand in die Realität zu helfen.
Auch zu diesen gehörte ich nicht. In der Erinnerung blieb nur eine graue Masse, die mich in ihrer Hackordnung nach ganz unten geschoben hatte. Doch ich überlebte.

Ein Abschnitt, wo aufkeimender Zorn rasch in der finalen Resignation verebbt. Unterbrochen von einem tiefen Schluck aus der Pulle.
Später gelang es mir, mich irgendwie zu integrieren, als ich begann, den anderen einen anderen vorzugaukeln. Zähneknirschend spielte ich unter Spießern den Spießer. Ich hielt das Spiel viele Jahre durch, durfte mich endlich zugehörig fühlen. Und ich #fand meine drei Stützen.

Jetzt erzählt er wieder.
Als die Fassade die ersten Risse bekam verlor ich das, was ich für mein Leben hielt. Entwurzelt stehe ich da, armselig, schutzlos und ohnmächtig. Auf den Müll geworfen. Zu alt für einen Job, zu jung für die Rente. Keiner hilft. Keiner ringsum.

Der Zorn hat ihn kurz gestreift. Wieder ein Schluck.

Selig sind, die arm sind im Geiste. Denn sie sind grausam gegen alle, die sie nicht kennen und nicht verstehen. Und sie bemerken es nicht.
Sie haben besseres zu tun. Sie laufen durch die Stadt, mit grauen Gesichtern, ihren spießigen Muff wie ein Transparent vor sich her tragend, und gefallen sich darin, dagegen zu sein. Wie gewöhnlich schlagen sie auf die Schwächsten ein, steigen auf die Berge der Niedergeschlagenen um des eigenen Komforts Willen. Scheren sich einen Dreck um die Ungerechtigkeiten, die ringsum geschehen, und die Opfer, die ihr Tun fordert.
Die Kleinbürger marschieren, hegen ihre Zufriedenheit und den Wohlstand, der ihnen in den Schoß fiel. Betonen, wie schwer dafür zu arbeiten war, verschweigen, dass nicht sie die Leistung erbrachten. Verschwenden keinen Gedanken daran, auf Unnötiges zu verzichten. Zu helfen.

Ein wenig scheint er sich in Rage zu reden, um am Ende doch wieder zu resignieren, den Blick der Tischplatte zugewandt.
Ich sollte, doch ich kann diesem Treiben nicht Einhalt gebieten. Keiner hört mich an, denn ich gehöre nicht dazu. Zerrissen zwischen Abscheu und dem Wunsch nach Zugehörigkeit, aufgerieben zwischen den Fronten, an denen ich nicht kämpfe. Das könnte ich überstehen, fände ich einen anderen Platz, eine Nische, die mich überleben ließe.

Alles ist besetzt.

Steht grußlos auf und geht. Aber irgendwas würde mir da noch fehlen.

Als Gespräch am Tresen mit einem Unbekannten, vielleicht dem Barkeeper könnte ich es mir vorstellen, nicht aber als Brief.

Du hast ein wichtiges Thema angesprochen. Ich glaube, dass der Text, auf die Art funktionieren könnte, die ich mir erlaubt habe dazu zu kommentieren. Mehr Emotionen müsstest Du dann schon noch einbauen, man muss mit dem Menschen (noch mehr) Mitleid haben können.

Hoffe es hilft.

LG
Joe


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Beitrag06.03.2015 23:15

von firstoffertio
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Ich habe das jetzt erst gelesen, und finde auch Version 3 am besten.
Lese das nicht als über Ausgestoßen sein, eher als Ignoriert werden. Oder sich so fühlen, wobei beides wahrhaft der Fall sein kann. Nicht nur in der besonderen Historie, die du schilderst. Du erwähnst ein Alter, ich denke an eine Altersgruppe, die es nicht einfach hat arbeitsmarktmaessig, gleichzeitig Erfahrungen mit sich trägt aus einer Reihe verschiedener Vergangenheiten, die immer mehr irrelevant werden, nicht?.

Ein mutiger Versuch deinerseits.
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BlueNote
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Beitrag07.03.2015 08:12

von BlueNote
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Hi Papa,

der größte Schwachpunkt deines Textes ist meiner Meinung nach, wie dick aufgetragen alles ist und wie willkürlich du die Grenze zwischen Gut (=Protagonist) und Böse (= alle anderen) ziehst. Der Protagonist wurde ausgestoßen, weil er einfach zu gut war für diese Welt und immer alles richtig gemacht hat. Die anderen dagegen haben alles dazu beigetragen, ihm, dem Intellektuellen, dem Muster-Menschen, das Leben schwer zu machen, weil sein Bart nicht schön genug war, weil er kein Nazi war, weil er nicht die "Dummheit" besaß, wie alle anderen. "Der letzte Brief" eines Mannes, der keine Nische zum Überleben findet. Ist das Ganze nicht auch ... ein wenig lächerlich?

Einem Protagonisten, der sich selber als einen Intellektuellen und Humanisten siehst, solltest du nicht solche kleingeistige Gedanken unterschieben.

BN
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rieka
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Beiträge: 816



Beitrag07.03.2015 20:49

von rieka
Antworten mit Zitat

Hallo, Papa Schlumpf.
Es ist dir gelungen, den Widerspruch, >ausstoßen oder ausgestoßen werden<, aus dem Text herauszunehmen.

Allerdings, wie bei meinem ersten Kommentar schon geschrieben, bleibt mir eine Unklarheit bezüglich deiner Aussage (oder deines Zieles).

Ich versuche das weiter unten mit meinen Fragen mal deutlich zu machen bzw. aufzuschlüsseln.

Du thematisierst mutig Wichtiges, Brisantes, aber es kommt bei mir verworren an. Deinem Prota ist es übel ergangen. Ob ausgestoßen oder isoliert, beides gleich schlimm und ungerecht. Man sollte Mitgefühl haben und vielleicht auch sich entrüsten. Man könnte Anteilnahme haben, wenn der Prota nicht gleichzeitig solche sich über andere erhebende Haltung vor sich her tragen würde. Ich hatte es begründet:
Zitat:
Rieka schrieb am 17.02.
Mit deinem Text tu ich mich schwer. Ich bin schon eine Weile darum herum geschlichen und habe mich gefragt, was es ist, was mir quer liegt. Mag ich sie doch, nachdenkliche, kritische oder empathische Texte.
Auch jetzt bei deiner Neufassung habe ich wieder mich im Kreis drehend gebrütet. BN trifft meinem Empfinden nach ziemlich ins Schwarze mit seiner Stellungnahme.
Zitat:
BlueNote schrieb am 07.03.
.....dick aufgetragen alles ist und wie willkürlich du die Grenze zwischen Gut (=Protagonist) und Böse (= alle anderen) ziehst

Zitat:
Rieka schrieb am 17.02.
Dein Prota verurteilt unkritische oder berechnende Anpassung an den Mainstream, an Macht, den gedankenlosen Umgang miteinander und trifft damit meine Aufmerksamkeit.
Aber, er tut es mit solch ausgeprägtem Schwarzweißzeichnen, dass ich ihm nicht mehr folgen mag. Es gibt da solch ein eindeutiges Gut und Böse, schwarz und weiß,  klug oder dumm, dass es mir nicht mehr glaubhaft erscheint.

Für mich ergeben sich diese Fragen:

- Möchtest du, dass der Leser das Schlimme, das Ungerechte, das dem Prota widerfahren ist, nachempfindet?
Ansätze dazu werden durch eine sich über andere erhöhende Haltung des Prota aufgehoben.

- Möchtest du die Schwierigkeit des Protagonisten, sich ein emotionales Gleichgewicht zwischen Kränkung, Entwertung und Selbstbehauptung erkämpfen zu müssen schildern – das hin- und hergerissen-sein zwischen sich unterwerfen und aufbäumen?
Ein sehr interessantes, so menschliches Thema.
Da könnte was draus werden, EWJoe Ausarbeitung und Tipps an dich habe ich in diese Richtung gehend verstanden.

- Möchtest du die Haltung eines sich anderen Menschen gegenüber überlegen fühlenden Protagonisten darstellen?
Dann stören wieder die Empfindungen des ausgeliefert-seins, manchmal auch vorwurfsvollem Selbstmitleid, die immer wieder spürbar werden.

Vielleicht gibt es aber auch ein anderes Ziel, das du mit deinem Text herausarbeiten möchtest?
 
Ich halte es für schwierig, alle diese Ziele in einem Text zu vereinigen. Du könntest aus verschiedenen Zielrichtungen jeweils einen Text machen.
 
Diese Unklarheit zwischen diesen verschiedenen Positionen ist es, die mir das Unbehagen macht und das Lesen erschwert.
Wäre schön, wenn ich etwas zum Sortieren hätte beitragen können.
Das Thema bleibt interessant.
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