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Schreibtisch im Dunkeln


 
 
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tronde
Klammeraffe
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Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag29.01.2015 13:39
Schreibtisch im Dunkeln
von tronde
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Schreibtisch im Dunkeln

Die Kälte kriecht ins Haus durch die Ritzen, die sonst der Wind durchpfeift. Draußen aber hängen die Zweige still von den Bäumen, gelähmt in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Schrecken der Nacht. Das Dunkel nimmt den Weg durch die Fenster.
Ob jetzt Kälte oder Dunkelheit der jeweils Anderen den Weg bereitet hat?
Dem Mann am Schreibtisch ist das egal. Er starrt durch das Fenster, als ob dahinter Antworten lägen. Wir werden noch einiges über ihn und seine Frage erfahren, seinen Namen jedoch nicht: Er möchte unerkannt bleiben.
Das Risiko, dass ihn jemand ob seiner Geschichte erkennen könnte, nimmt er in Kauf; zu verlieren hat er nichts mehr. Dennoch, ist der Name einmal in der Welt, werden Möglichkeiten ausgeschlossen, kommen die Vorurteile, laden die Hyänen zum Schmaus.

Auf dem Tisch liegt linker Hand ein Stapel cremefarbener Bütten, rechter Hand der Platz des Füllers ist leer, dazwischen wartet ein blanker Bogen. Oder nein, jetzt schreibt der Mann ein paar Worte, hält mit der Füllerspitze über dem Papier inne, schraubt dann energisch die Kappe auf den Füller, knallt ihn auf den Tisch. Er zerknüllt das Blatt und wirft es zu den anderen, die im Papierkorb zu seinen Füßen ihr Schicksal als Anfeuerhilfe erwarten.
»Sehr geehrter« und »Hallo Franz« und »Lieber Franz« steht da, von nagenden Zweifeln und Hilflosigkeit zerknittert.

Wenn wir jetzt in das Herz des Mannes blickten, begegneten uns zwei, die wir vom Anfang der Geschichte kennen. Früher hatten ihre Gegenspieler den Mann erfüllt. Aber das war lange her, vor den Bädern in der Menge, den Verehrern, dem Geld.

Der Mann schließt die Augen, atmet stoßweise. Für den Moment lassen wir ihn allein: Die Tränen beginnen zu fließen.

Immer wieder werden wir zurückkehren in dieser Nacht, um den Fortschritt zu begutachten. Wir werden dem Füller auf dem Papier folgen, dem Fall der Blätterbälle. Der Mann wird zwischendurch aufstehen, ans Fenster treten, hinausstarren. Oder sich seine Schläfe reiben, den Kopf schütteln.
Einmal wird er auch hinunter in die Küche gehen, sich einen Tee machen; nicht, um wach zu bleiben, dafür wird die Anspannung sorgen. Sondern der Wärme der Tasse wegen, damit die klammen Finger wieder den Füller halten werden.

Wenn er endlich, endlich sein Nachtwerk beendet haben wird, dann werden wir uns wieder hinter ihn stellen und mit ihm auf das blicken, was er seinem Herzen abgerungen hat.


»Verblühten Löwenzahn
pustest Du mir zu.
Ich hasche, lache.
Liebe.

Du hauchst mir zu
einen Kuss.
Mich lockt ein Falter
nach ferne.

Auf meiner Hand
der Schmetterling zerfällt.
In Ödnis harre ich
des Löwenzahns.

Du hast Gedichte immer geliebt und ich hoffe, dass ich mir mit den obigen Versen so viel Aufmerksamkeit erkauft habe, dass Du diesen Brief wirst lesen.

Liebe meines Lebens,
 – immer, verzeih, verzeih, verzeih! –,
Du wirst meine Anmaßung nicht ertragen wollen, nachdem ich Dich so schmählich meiner Hybris geopfert habe. Ich verstünde das, wie ich jetzt – viel zu spät! – die Größe meines Verrates verstehe.
Aber ich muss Dir schreiben, um den winzigen Rest Lebenswillen zu erhalten, der mir geblieben ist. Kann ich mir schon den größten Fehler meines Lebens nicht vergeben, darf ich jetzt nicht noch den begehen, Dir nicht zu schreiben. Zumindest versuchen muss ich es. Trotz allem.
Denn sonst bleibt mir nichts.
Du wirst gehört haben, was sie mir vorwerfen. Ich weiß nicht, ob es in Dir eine Regung ausgelöst hat. Ich hoffe aber, dass Du den Kopf geschüttelt hast – wenigstens ein- oder zweimal – bei der Vorstellung, an diesen Vorwürfen des Jungen und seiner Eltern könnte etwas dran sein.
Einen Menschen auf dieser Welt, der mir glaubt; ein Zeichen, mehr brauche ich nicht, um dieses Tal zu durchschreiten.

Kennst Du mich noch?
Ich beknie Dich, antworte mir.

Immer der Deinige, auch wenn ich nicht auf mein Herz gehört habe«


Der Mann sieht auf. Draußen erhebt sich die Sonne über den Horizont. Die Blätter tänzeln im ersten Lufthauch. Die Heizung springt an.
Wir gehen.

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EWJoe
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Beitrag29.01.2015 15:40

von EWJoe
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Servus,

ich bin hier ein wenig ratlos, was der Text transportieren soll. Klar ist mir der Inhalt, aber nicht das Dahinter.

Zum Stil: Was willst Du mit Abschnitten, wie
***** Zitat:
Wenn wir jetzt in das Herz des Mannes blickten, ...
Zitat Ende *****

bewirken? Für mich eindeutig ein Signal zum Ausklinken.

Der Text wirkt für mich auch ein wenig zu aufgeladen, aber es mag hier auch Leute geben, die das anders sehen.
z.B:
 ***** Zitat:
Draußen aber hängen die Zweige still von den Bäumen, gelähmt in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Schrecken der Nacht. Das Dunkel nimmt den Weg durch die Fenster.
Zitat Ende *****

Hier schlägt für mich zu sehr Lyrik durch, wovon ich zugegeben nichts verstehe. Vielleicht aber ist das nur mein Problem.


***** Zitat:
Der Mann sieht auf. Draußen erhebt sich die Sonne über den Horizont. Die Blätter tänzeln im ersten Lufthauch. Die Heizung springt an.
Wir gehen.
Zitat Ende *****
Der Holzhammer teilt es mit, ab hier dürfte die Geschichte zu Ende sein.

Mich sprach der Text nicht wirklich an, wenngleich er sicher ganz gut erzählt ist.

LG
EWJoe


_________________
Kulissen schiebt man gerne vor die Wahrheit, verdeckt sie auch durch viel Theater. Nur Backstage offenbart sie sich.
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Constantine
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Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag29.01.2015 15:59
Re: Schreibtisch im Dunkeln
von Constantine
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Hallo tronde,

meine Anmerkungen im Text:

tronde hat Folgendes geschrieben:
Schreibtisch im Dunkeln

Die Kälte kriecht ins Haus durch die Ritzen, die sonst der Wind durchpfeift. Draußen aber hängen die Zweige still von den Bäumen, gelähmt in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Schrecken der Nacht. <-- ich finde bereits die ersten beiden Sätze widersprüchlich und dies hervorgerufen durch "sonst" oder/und "aber". Mit dem "sonst" entsteht mMn eine Relativierung, dass in diesem Falle die Kälte nicht durch den Wind ins Haus gelangt. Im nächsten Satz ein "aber", wodurch darauf hingewiesen wird, dass sich die Blätter trotz Wind nicht bewegen. Ich denke, wenn du das "sonst" weglässt, müsste es wieder passen.

Das Dunkel nimmt den Weg durch die Fenster.
Ob jetzt Kälte oder Dunkelheit der jeweils Anderen den Weg bereitet hat?
Dem Mann am Schreibtisch ist das egal. Er starrt durch das Fenster, als ob dahinter Antworten lägen. Wir werden noch einiges über ihn und seine Frage erfahren, seinen Namen jedoch nicht: Er möchte unerkannt bleiben.
Das Risiko, dass ihn jemand ob seiner Geschichte erkennen könnte, nimmt er in Kauf; zu verlieren hat er nichts mehr. Dennoch, ist der Name einmal in der Welt, werden Möglichkeiten ausgeschlossen, kommen die Vorurteile, laden die Hyänen zum Schmaus.

Auf dem Tisch liegt linker Hand ein Stapel cremefarbener Bütten, rechter Hand der Platz des Füllers ist leer, dazwischen wartet ein blanker Bogen. Oder nein, jetzt schreibt der Mann ein paar Worte, hält mit der Füllerspitze über dem Papier inne, schraubt dann energisch die Kappe auf den Füller, knallt ihn auf den Tisch. Er zerknüllt das Blatt und wirft es zu den anderen, die im Papierkorb zu seinen Füßen ihr Schicksal als Anfeuerhilfe erwarten.
»Sehr geehrter« und »Hallo Franz« und »Lieber Franz« steht da, von nagenden Zweifeln und Hilflosigkeit zerknittert.

Wenn wir jetzt in das Herz des Mannes blickten, begegneten uns zwei, die wir vom Anfang der Geschichte kennen. Früher hatten ihre Gegenspieler den Mann erfüllt. <-- die zwei von Anfang der Geschichte sind Kälte und Dunkelheit, oder? Irritierend ist, dass hier von deren Gegenspielern gepsrochen wird, mMn Wärme und Licht/Helligkeit. Wenn also dein Protagonist von diesen früher erfüllt war, von Wärme und Licht im Herzen, ist heute also Kälte und Dunkelheit darin. Richtig? Die Bilder sind zwar recht ausgelutscht, aber darum geht es mir nicht. Wenn heute Kälte und Dunkelheit in deinem Protagonisten ist, verstehe ich das Herzzerreissende an der Situation deines Protagonisten nicht, dass er seiner größten Liebe Franz schreibt. Kälte verbinde ich mit Distanz, Gefühlskälte, Abweisung, auch eine Art Strich unter die Linie ziehen. Die gegenwärtige Kälte im Herzen passt für mich nicht mit dem Inhalt des Briefes bzw. der sentimentalen Gefühlsduselei. Aber das war lange her, vor den Bädern in der Menge, den Verehrern, dem Geld. <-- Bevor dein Protagonist Erfolg, Ruhm und Geld hatte, befand er sich in einer homoerotischen Liebe, die er dafür geopfert hat. Und nun bereut er es. Ok. Aber die später angedeutete Motivation seiner Reue ist mir zu künstlich.

Der Mann schließt die Augen, atmet stoßweise. Für den Moment lassen wir ihn allein: Die Tränen beginnen zu fließen.

Immer wieder werden wir zurückkehren in dieser Nacht, um den Fortschritt zu begutachten. <-- Der Erzähler macht den Leser zum stillen Beobachter und Komplizen. Mein Problem ist, dass es bei mir nicht klappt. Mich interessiert dein Protagonist nicht, als das ich mich mit dem Erzähler mitnehmen lassen möchte. Ich denke, hier badarf es für mich, einer besseren Ausarbeitung zu Beginn, dass ich mich vom Erzähler/Beobachter mitnehmen lassen möchte und zum Protagonisten mehrfach zurückkommen möchte. Wir werden dem Füller auf dem Papier folgen, dem Fall der Blätterbälle. Der Mann wird zwischendurch aufstehen, ans Fenster treten, hinausstarren. Oder sich seine Schläfe reiben, den Kopf schütteln.
Einmal wird er auch hinunter in die Küche gehen, sich einen Tee machen; nicht, um wach zu bleiben, dafür wird die Anspannung sorgen. Sondern der Wärme der Tasse wegen, damit die klammen Finger wieder den Füller halten werden können.

Wenn er endlich, endlich sein Nachtwerk beendet haben wird, dann werden wir uns wieder hinter ihn stellen und mit ihm auf das blicken, was er seinem Herzen abgerungen hat.


»Verblühten Löwenzahn
pustest Du mir zu.
Ich hasche, lache.
Liebe.

Du hauchst mir zu
einen Kuss.
Mich lockt ein Falter
nach ferne.

Auf meiner Hand
der Schmetterling zerfällt.
In Ödnis harre ich
des Löwenzahns.

Du hast Gedichte immer geliebt und ich hoffe, dass ich mir mit den obigen Versen so viel Aufmerksamkeit erkauft habe, dass Du diesen Brief wirst lesen.

Liebe meines Lebens,
 – immer, verzeih, verzeih, verzeih! –,
Du wirst meine Anmaßung nicht ertragen wollen, nachdem ich Dich so schmählich meiner Hybris geopfert habe. Ich verstünde das, wie ich jetzt – viel zu spät! – die Größe meines Verrates verstehe.
Aber ich muss Dir schreiben, um den winzigen Rest Lebenswillen zu erhalten, der mir geblieben ist. Kann ich mir schon den größten Fehler meines Lebens nicht vergeben, darf ich jetzt nicht noch den begehen, Dir nicht zu schreiben. Zumindest versuchen muss ich es. Trotz allem.
Denn sonst bleibt mir nichts.
Du wirst gehört haben, was sie mir vorwerfen. Ich weiß nicht, ob es in Dir eine Regung ausgelöst hat. Ich hoffe aber, dass Du den Kopf geschüttelt hast – wenigstens ein- oder zweimal – bei der Vorstellung, an diesen Vorwürfen des Jungen und seiner Eltern könnte etwas dran sein.
Einen Menschen auf dieser Welt, der mir glaubt; ein Zeichen, mehr brauche ich nicht, um dieses Tal zu durchschreiten.

Kennst Du mich noch? <-- das orange Markierte genügt mir. Hier setzt der Protagonist vorraus, dass sein Fall in den Medien bekannt ist und Franz dies auch mitbekommen hat. Diese Frage finde ich überflüssig.
Ich beknie Dich, antworte mir.
<-- würde ich weglassen.

Immer der Deinige, auch wenn ich nicht auf mein Herz gehört habe«


Der Mann sieht auf. Draußen erhebt sich die Sonne über den Horizont. Die Blätter tänzeln im ersten Lufthauch. Die Heizung springt an. <-- das ist mir zu platt und zu "hach, wie schön, die Vöglein zwitschern, wenn der Stein nicht mehr niederdrückt, nachdem man sich den Kummer von der Seele geschrieben hat. Der Brief ist aber noch nicht abgeschickt. Noch ist nichts Relevantes passiert. Oder genügt es deinem Protagonisten den Brief verfasst zu haben und gut ist?
Wir gehen.


So richtig zünden tut dein Text bei mir leider nicht.
Vielleicht ist etwas Hilfreiches dabei.

LG,
Constantine
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Papa Schlumpf
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Beitrag29.01.2015 18:21

von Papa Schlumpf
Antworten mit Zitat

Liebe/r tronde,
Constantine hat schon intensive Detailarbeit geleistet, deshalb nur mein Eindruck.  Du hinterlässt mich unangenehm ratlos. Sei es durch die etwas inkonsequente Erwähnung des Erzählers als beobachtende/handelnde Person oder durch das "Ätsch, ich weiß etwas. Aber ich sag es Euch nicht", das dazu zwingt, die halbe Geschichte zu erraten. Das ist alles nicht schlimm, kann richtig interessante Erzählstruktur bewirken, aber in der vorliegenden Art und Zusammensetzung bereitet es Kopfzerbrechen. Mir zumindest.
LG P. S.


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Nicht alles, was wir bewirken, haben wir auch gewollt.
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tronde
Klammeraffe
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Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


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Beitrag29.01.2015 21:37

von tronde
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Hallo Ihr drei!

EWJoe
Constantine
Papa Schlumpf

So eine Reaktion hatte ich befürchtet Sad
Der Text liegt schon seit einigen Wochen auf der Festplatte und ich habe mich davor gedrückt, ihn hier reinzustellen. Weil er ist so anders vom Stil als meine sonstigen Texte und daher schwer für mich einzuschätzen gewesen. Die gewisse Schwülstigkeit und etwas abgehoben-ältliche Sprache war gewollt, auch der Versuch eines Erzählers, ohne tatsächlich in den Menschen zu schauen. Schuster bleib bei deinen Leisten ...

@Constantine
 Wahrscheinlich ist die gesamte Stellung der ersten beiden Sätze unglücklich, weil wenn ich einerseits so drüberlese, klingt es für mich richtig. Wenn ich genau hinschaue, passt das "sonst" noch, weil es geht kein Wind, das "aber" aber passt nicht, weil ja auch drinnen kein Wind geht.
Durch Spalten und Ritzen kriecht die Kälte ins Haus. Draußen hängen ...

Kälte und Dunkelheit stehen für mich hier mehr für Einsamkeit und Trauer, sich abgewiesen fühlen.

Das Ende ist die Klammer zum Anfang. Dort: Kälte, Windstille, Dunkelheit. Hier am Ende: Licht, Wind, Wärme.

Quitessenz: zu viel Experiment auf einmal. Ich befürchte, eine Überarbeitung wäre eine ganz andere Geschichte. Ich werde den Text noch mal liegen lassen.

Ist der Brief zu kitschig oder geht er noch?

Danke für die Kommentare
tronde
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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag29.01.2015 22:56

von Constantine
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Hallo tronde,

tronde hat Folgendes geschrieben:

Der Text liegt schon seit einigen Wochen auf der Festplatte und ich habe mich davor gedrückt, ihn hier rein zustellen. Weil er ist so anders vom Stil als meine sonstigen Texte und daher schwer für mich einzuschätzen gewesen. Die gewisse Schwülstigkeit und etwas abgehoben-ältliche Sprache war gewollt, auch der Versuch eines Erzählers, ohne tatsächlich in den Menschen zu schauen.

Dein Erzähler ist einerseits Beobachter, aber andererseits weiß er mehr, er ist allwissend, und doch widerspricht er sich mMn auch.
Sätze wie diese
Zitat:
Wir werden noch einiges über ihn und seine Frage erfahren, seinen Namen jedoch nicht: Er möchte unerkannt bleiben.

stehen für mich im Kontrast zu
Zitat:
Ob jetzt Kälte oder Dunkelheit der jeweils Anderen den Weg bereitet hat? Dem Mann am Schreibtisch ist das egal.

Diese Frage, hat die "Einsamkeit" die "Trauer" oder umgekehrt der anderen den Weg bereitet?, sehe ich im Verlauf deines Textes nicht beantwortet. Es scheint für den Erzähler nicht mehr relevant zu sein. Auch das folgende "Dem Mann am Schreibtisch ist das egal." widerspricht sich der Erzähler damit, dass wir noch einiges über diese Frage erfahren werden.
Das der Mann unerkannt bleiben möchte suggeriert mir, dass der Erzähler mit dem Mann vorher korrespondiert hat, bevor er mich, den Leser ins Zimmer des Protagonisten mitnimmt. Passt für mich alles insgesamt nicht.
Auch in Bezug dessen, dass der Protagonist ein Prominenter ist, in den Medien öffentlich publik ist und ihm ein Gerichtsverfahren bevorsteht. Sozusagen, die gesichtslose Öffentlichkeit kennt ihn und seinen Namen, uns als Leser wird es verweigert, weil es der Mann nicht möchte. Von der Dynamik der Geschichte frage ich mich: Wo ist da die Logik?



tronde hat Folgendes geschrieben:

@Constantine
Wahrscheinlich ist die gesamte Stellung der ersten beiden Sätze unglücklich, weil wenn ich einerseits so drüberlese, klingt es für mich richtig. Wenn ich genau hinschaue, passt das "sonst" noch, weil es geht kein Wind, das "aber" aber passt nicht, weil ja auch drinnen kein Wind geht.
Durch Spalten und Ritzen kriecht die Kälte ins Haus. Draußen hängen ...

besser.

tronde hat Folgendes geschrieben:

Kälte und Dunkelheit stehen für mich hier mehr für Einsamkeit und Trauer, sich abgewiesen fühlen.

Warum sollte sich dein Protagonist abgewiesen fühlen? Er wurde nicht abgewiesen, sondern hat Franz abgewiesen, fallen gelassen und Jahrelang verleugnet. Und nun, im Angesicht einer bevorstehenden Gerichtsverhandlung, zeigt er Reue, ob seiner Entscheidung, sich von seiner Liebe getrennt zu haben und für Erfolg und Ruhm einzutauschen. Ehrlich gesagt, finde ich, der Erzähler ist nicht immer glaubwürdig mit seinen "Kommentaren" über den Protagonisten und finde, er selbst hat ein falsches Bild vom Protagonisten. Alles wird übertüncht mit Begriffen wie Kälte und Dunkelheit, keinerlei ehrliches Wort kommt, sondern der Erzähler versteckt den Protagonisten hinter Ausflüchten und Etiketten, und der Protagonist versteckt sich hinter einem metaphorischen Liebesgedicht, welches der Angeschriebene "entziffern" muss.  Keiner redet wirklich Tacheles in diesem Text und das macht es schwierig.

tronde hat Folgendes geschrieben:

Das Ende ist die Klammer zum Anfang. Dort: Kälte, Windstille, Dunkelheit. Hier am Ende: Licht, Wind, Wärme.

Das habe ich gesehen und verstanden. Viel Symbolik und mit (lyrischen) Bildern wird der innere Zustand des Protagonisten angedeutet. Aber, warum? Der Protagonist hat endlich einen Brief verfasst, um das auszudrücken, was ihm auf der Seele brennt. Aber geändert hat sich effektiv noch nichts. Außer, der Protagonisten sieht allein das Verfassen des Briefes als großen Erfolg an. Denn eine Antwort oder ein Zeichen von Franz hat er nicht. Woher kommen die symbolische Wärme und das Licht. Oder ist es am Ende nicht mehr symbolisch gemeint?

tronde hat Folgendes geschrieben:

Quitessenz: zu viel Experiment auf einmal. Ich befürchte, eine Überarbeitung wäre eine ganz andere Geschichte. Ich werde den Text noch mal liegen lassen.

Warum "befürchte"? Wäre das so schlimm, wenn sich einige Inhalte oder Schwerpunkte bei der Überarbeitung verschieben?

tronde hat Folgendes geschrieben:

Ist der Brief zu kitschig oder geht er noch?

Zum Brief hatte ich mich nicht geäußert, weil mir die Motivation des Protagonisten unklar/zu schwammig ist. So wie ich den Protagonisten sehe, trägt er einerseits zu dick auf, was das Jammern angeht, andererseits wird ein ominöser persönlicher "Weltuntergang" skizziert und der Angeschriebene ist die einzige Rettung.
Das Gedicht ist für mich eine simple Erklärung an Franz, warum der Protagonist ihn abgewiesen hat und dass Ruhm und Erfolg vergänglich sind, aber die wahre Liebe, ihr wird nach getrauert. So ganz kommt für mich aber der Anreiz nicht wirklich heraus, warum der Falter verlockender war als die Liebe. Der Falter lockt nach Ferne. Ja, aber was macht die Ferne so verlockend? Verlockender als Lachen, Liebe, Küsse? Ich denke, Franz würde nicht ob der Vorwürfe gegen den Protagonisten den Kopf schütteln, sondern des unmotivierten Gedichts wegen.

LG,
Constantine
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tronde
Klammeraffe
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Beitrag30.01.2015 21:28

von tronde
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Constantine hat Folgendes geschrieben:

Diese Frage, hat die "Einsamkeit" die "Trauer" oder umgekehrt der anderen den Weg bereitet?, sehe ich im Verlauf deines Textes nicht beantwortet. Es scheint für den Erzähler nicht mehr relevant zu sein. Auch das folgende "Dem Mann am Schreibtisch ist das egal." widerspricht sich der Erzähler damit, dass wir noch einiges über diese Frage erfahren werden.

In der Klammer sind Kälte, Dunkelheit und die Starre draußen nur Beschreibungen. Von daher tatsächlich irrelevant.
Der Bezug vom Draußen auf das Innere des Mannes kam später. Sprachlich verspielt, um der Sprache willen, aber die innere Logik verloren, das kann ich nachvollziehen. Es macht mir den Anschein, es wäre sinnvoll, den Erzähler rauszunehmen und bei dem Mann zu bleiben.

Constantine hat Folgendes geschrieben:

So ganz kommt für mich aber der Anreiz nicht wirklich heraus, warum der Falter verlockender war als die Liebe. Der Falter lockt nach Ferne. Ja, aber was macht die Ferne so verlockend? Verlockender als Lachen, Liebe, Küsse? Ich denke, Franz würde nicht ob der Vorwürfe gegen den Protagonisten den Kopf schütteln, sondern des unmotivierten Gedichts wegen.

Damals war Angst zu groß, dass eine offen homosexuelle Beziehung einen Erfolg unmöglich machen könnte. Oder die Taube auf dem Dach war verlockender als der Spatz in der Hand.

Für mich kommen die meisten Probleme aus dem Erzähler und der Ansprache an den Leser.
Ich werde mal versuchen, den Erzähler rauszunehmen.

Grüße
tronde
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hobbes
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Beitrag31.01.2015 16:20

von hobbes
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tronde hat Folgendes geschrieben:
Für mich kommen die meisten Probleme aus dem Erzähler und der Ansprache an den Leser.
Ich werde mal versuchen, den Erzähler rauszunehmen.

Oh, schade. Ich mochte ihn und seine Art, sich auszudrücken, seine Art, die Geschichte zu erzählen.

Den Briefeschreiber hingegen mag ich gar nicht. Was mit ein Grund war, warum ich bisher nicht kommentiert habe. Ich kann mich nicht von meiner Antipathie ihm gegenüber lösen, daher fällt es mir schwer, etwas konstruktives zum Text zu sagen.
Lasse ich es also bleiben. Ich könnte dir höchstens noch sagen, warum ich den Briefeschreiber nicht leiden kann, aber keine Ahnung, ob das überhaupt von Interesse ist und dir irgendwie weiterhelfen könnte.
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Beitrag31.01.2015 18:44

von KeTam
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hobbes hat Folgendes geschrieben:
tronde hat Folgendes geschrieben:
Für mich kommen die meisten Probleme aus dem Erzähler und der Ansprache an den Leser.
Ich werde mal versuchen, den Erzähler rauszunehmen.

Oh, schade. Ich mochte ihn und seine Art, sich auszudrücken, seine Art, die Geschichte zu erzählen.



Ich auch.

Was mir bis zu der Stelle, an der sein Problem deutlich wird, gefällt, ist gerade dieses Beobachtende. Das wirkt alles schön dicht und auch geheimnisvoll.

Was mich dann aber total raus reißt, ist eben dass dann erklärt wird, warum dieser nächtliche Briefeschreiber so verzweifelt ist ...
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Mardii
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Beitrag31.01.2015 20:04

von Mardii
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Hallo tronde,

mir wirft die Verzweiflung des Protagonisten auch die größere Frage auf.
Zuerst denke ich auch an die Zurückweisung Franz´ und die daraus resultierende Reue. Aber an dieser Stelle kommen mir Zweifel:

tronde hat Folgendes geschrieben:
Liebe meines Lebens,
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Du wirst meine Anmaßung nicht ertragen wollen, nachdem ich Dich so schmählich meiner Hybris geopfert habe. Ich verstünde das, wie ich jetzt – viel zu spät! – die Größe meines Verrates verstehe.
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Du wirst gehört haben, was sie mir vorwerfen. Ich weiß nicht, ob es in Dir eine Regung ausgelöst hat. Ich hoffe aber, dass Du den Kopf geschüttelt hast – wenigstens ein- oder zweimal – bei der Vorstellung, an diesen Vorwürfen des Jungen und seiner Eltern könnte etwas dran sein.
Einen Menschen auf dieser Welt, der mir glaubt; ein Zeichen, mehr brauche ich nicht, um dieses Tal zu durchschreiten.


Ich bin jetzt unsicher ob dieser Teil, den ich als Nachsatz aufgefasst hatte, ein anderer Brief, ein anderer Entwurf ist und ob sich hier der eigentliche Grund für die Verzweiflung findet. In dem blau markierten liegt die Information dafür.
Deswegen überlege ich, ob die Interpretation Constantines, der ich zustimmte, die Beobachter, das "Wir", das durchs Fenster schaut, seien die Gegensätze von Kälte und Dunkelheit, eben Wärme und Licht, noch durch etwas anderes ersetzt werden kann, nämlich das "Wir" der Eltern des Jungen, die in diesem Abschnitt erwähnt werden.

Das ist meine Frage: Gibt es diese beiden Möglichkeiten?

So weit von mir.

LG Mardii


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Beitrag31.01.2015 21:29

von tronde
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Hallo Mardi,
das Blaue ist der Grund für die Einsamkeit, die den Prota erst auf sein damaliges Handeln gegenüber Franz zurückwirft. Sicher hat das vorher schon genagt oder eine unbestimmbare Unzufriedenheit hinterlassen, aber beschäftigt hat er sich damit erst, als die "Freunde" abgefallen sind.

Das "Wir". Nein, es sind nicht Wärme und Licht, sondern eigentlich soll der Erzähler die Leser mit dem "wir" mitnehmen. Das scheint nicht zu klappen, Constantine hat da ja einiges an Logikbrüchen etc. aufgeführt. Das "Wir" wird in der nächsten Version nicht auftauchen.
Obwohl, die Lesart, das "Wir" wären die Wärme und das Licht, die dem Mann innegewohnt haben, auch was hat. Im Augenblick wird es eher ein objektiver Erzähler werden, der nicht interpretiert. Denke ich ...

Grüße
tronde

EDIT: Uups, habe die Antworten über Mardi gar nicht gesehen Sad Kommt gleich noch was.
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tronde
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Beitrag31.01.2015 21:46

von tronde
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@hobbes
Doch, ich bin interesserit daran, warum der Briefeschreiber unsympathisch ist. (Mir persönlich ist der Brief zu dick aufgetragen, immer noch, Du hättest mal die ersten Versionen lesen sollen Smile )
Eigentlich mochte ich die Art der Geschichtenerzählung auch, aber die ist sonst nicht so mein Stil, und so konnte ich die Kritikpunkte gut nachvollziehen.
Häng ich jetzt mein Fähnchen nach dem Wind?

@KeTam
Ich sollte mich wohl davon freimachen, immer gleich auf Anmerkungen einzugehen, sondern erstmal länger warten und dann schauen, was kommt Smile
Vielleicht werden es zwei Versionen? Eine ruhige, rätselhaft, vielleicht sogar ohne Brief und nur mit Gedicht, oder gar ohne. Und eine ohne Erzähler, näher beim Mann.

Der Text muss nochmal ruhen, nicht wundern, wenn es mit der Überarbeitung noch etwas dauert.

Grüße
tronde

EDIT:  @Mardi: Nein das "Wir" sind nicht die Eltern des Jungen.
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hobbes
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Beiträge: 4298

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Beitrag31.01.2015 23:20

von hobbes
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tronde hat Folgendes geschrieben:
Doch, ich bin interesserit daran, warum der Briefeschreiber unsympathisch ist. (Mir persönlich ist der Brief zu dick aufgetragen, immer noch, Du hättest mal die ersten Versionen lesen sollen Smile )

Ach, lieber nicht Cool lol . Dabei ist es gar nicht mal so der Stil, der meine Antipathie hervorruft. Wobei - wer weiß, inwieweit das eine mit dem anderen zusammenhängt.
Jedenfalls:
Ich traue ihm nicht, diesem Briefeschreiber. Verzeih, schreibt er, aber ich glaube ihm einfach nicht, dass es ihm wirklich leid tut. Ich glaube eher, er will Absolution, er will den Retter in der Not. Und hat nicht den Mut, seine Fehler beim Namen zu nennen. Na gut, er nennt seine Hybris, aber irgendwie - es reicht nicht, mir nicht.
Wäre ich der Angeschriebene, mein Gefühl würde mir sagen: sollte er rehabilitiert werden, wird er dich ein weiteres Mal im Stich lassen.


tronde hat Folgendes geschrieben:
Eigentlich mochte ich die Art der Geschichtenerzählung auch, aber die ist sonst nicht so mein Stil, und so konnte ich die Kritikpunkte gut nachvollziehen.
Häng ich jetzt mein Fähnchen nach dem Wind?

Nee, da bekommst du jetzt auch keine Absolution von mir smile Du bist der einzige, der das entscheiden kann.
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Beitrag01.02.2015 00:09

von firstoffertio
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Schreibtisch im Dunkeln

 Die Kälte kriecht ins Haus durch die Ritzen, die sonst der Wind durchpfeift. Draußen aber hängen die Zweige still von den Bäumen, gelähmt in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Schrecken der Nacht. Das Dunkel nimmt den Weg durch die Fenster.
 Ob jetzt Kälte oder Dunkelheit der jeweils Anderen SICH GEGENSEITIG den Weg bereitet haBEN?
 Dem Mann am Schreibtisch ist das egal. Er starrt durch das Fenster, als ob dahinter Antworten lägen. Wir werden noch einiges über ihn und seine Frage erfahren, seinen Namen jedoch nicht: Er möchte unerkannt bleiben.
 Das Risiko, dass ihn jemand ob seiner Geschichte erkennen könnte, nimmt er in Kauf; zu verlieren hat er nichts mehr. Dennoch ist der Name einmal in der Welt, werden Möglichkeiten ausgeschlossen, kommen die Vorurteile, laden die Hyänen zum Schmaus.

 Auf dem Tisch liegt linker Hand ein Stapel cremefarbener Bütten, rechter Hand der Platz des Füllers ist leer, dazwischen wartet ein blanker Bogen. Oder nein, jetzt schreibt der Mann ein paar Worte, hält mit der Füllerspitze über dem Papier inne, schraubt dann energisch die Kappe auf den Füller, knallt ihn auf den Tisch. Er zerknüllt das Blatt und wirft es zu den anderen, die im Papierkorb zu seinen Füßen ihr Schicksal als Anfeuerhilfe erwarten.
»Sehr geehrter« und »Hallo Franz« und »Lieber Franz« steht da, von nagenden Zweifeln und Hilflosigkeit zerknittert.

 Wenn wir jetzt in das Herz des Mannes blickten, begegneten uns zwei, die wir vom Anfang der Geschichte kennen. Früher hatten ihre Gegenspieler den Mann erfüllt. Aber das war lange her, vor den Bädern in der Menge, den Verehrern, dem Geld. DAS FINDE ICH HOLPRIG.

 Der Mann schließt die Augen, atmet stoßweise. Für den Moment lassen wir ihn allein: Die Tränen beginnen zu fließen.

 Immer wieder werden wir zurückkehren in dieser Nacht, um den Fortschritt zu begutachten. Wir werden dem Füller auf dem Papier folgen, dem Fall der Blätterbälle. DAS VORHERIGE IST MIR ZU VIELVERSPRECHEND, DA DIE GESCHICHTE JA NICHT SOO LANG IST.Der Mann wird zwischendurch aufstehen, ans Fenster treten, hinausstarren. Oder sich seine Schläfe reiben, den Kopf schütteln.
 Einmal wird er auch hinunter in die Küche gehen, sich einen Tee machen; nicht, um wach zu bleiben, dafür wird die Anspannung sorgen. Sondern der Wärme der Tasse wegen, damit die klammen Finger wieder den Füller halten werden.

 Wenn er endlich, endlich sein Nachtwerk beendet haben wird, dann werden wir uns wieder hinter ihn stellen und mit ihm auf das blicken, was er seinem Herzen abgerungen hat.


»Verblühten Löwenzahn
 pustest Du mir zu.
 Ich hasche, lache.
 Liebe.

 Du hauchst mir zu
 einen Kuss.
 Mich lockt ein Falter
 nach ferneFORT.

 Auf meiner Hand
 der Schmetterling zerfällt. ZERFAELLT DER SCHMETTERLING
 In Ödnis harre ich
 des Löwenzahns.

 Du hast Gedichte immer geliebt und ich hoffe, dass ich mir mit den obigen Versen so viel Aufmerksamkeit erkauft habe, dass Du diesen Brief wirst lesen. DIESE UMKEHRUNGEN KLINGEN, ALS SEI PROTA DER SPRACHE NICHT GANZ MÄCHTIG: lesen wirst

AB HIER NUN VERLIERT DEIN TEXT SEINE RAFINESSE.
 Liebe meines Lebens,
  – immer, verzeih, verzeih, verzeih! –,Du wirst meine Anmaßung nicht ertragen wollen, nachdem ich Dich so schmählich meiner Hybris geopfert habe. Ich verstünde das, wie ich jetzt – viel zu spät! – die Größe meines Verrates verstehe. AUCH DAS.
 Aber ich muss Dir schreiben, um den winzigen Rest Lebenswillen zu erhalten, der mir geblieben ist. Kann ich mir schon den größten Fehler meines Lebens nicht vergeben, darf ich jetzt nicht noch den begehen, Dir nicht zu schreiben. Zumindest versuchen muss ich es. Trotz allem.
 Denn sonst bleibt mir nichts.
 Du wirst gehört haben, was sie mir vorwerfen. Ich weiß nicht, ob es in Dir eine Regung ausgelöst hat. Ich hoffe aber, dass Du den Kopf geschüttelt hast – wenigstens ein- oder zweimal – bei der Vorstellung, an diesen Vorwürfen des Jungen und seiner Eltern könnte etwas dran sein.
 Einen Menschen auf dieser Welt, der mir glaubt; ein Zeichen, mehr brauche ich nicht, um dieses Tal zu durchschreiten.

 Kennst Du mich noch?
 Ich beknie Dich, antworte mir.

 Immer der Deinige, auch wenn ich nicht auf mein Herz gehört habe«

DEN SCHLUSS FINDE ICH WIEDER GUT.
Der Mann sieht auf. Draußen erhebt sich die Sonne über den Horizont. Die Blätter tänzeln im ersten Lufthauch. Die Heizung springt an.
 Wir gehen.

Mit farbigen Kommentaren im Text tue ich mich schwer. Tut mir leid. Aber vielleicht sagt dir das auch so etwas. Zusammengefasst vielleicht:Die erste Hälfte fand ich sehr vielversprechend, die zweite hat mich dann enttäuscht.
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tronde
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Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


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Beitrag01.02.2015 23:23

von tronde
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Hallo firstoffertio!
Es ist schon schwer genug, schöne Liebesbriefe an echte Personen zu schreiben Wink
Freut mich, dass Dir der erste Teil gefallen hat, der wird Hauptteil in einer der zukünftigen Versionen werden.

Grüße
tronde
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Nina
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Beitrag01.02.2015 23:45

von Nina
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Hallo tronde,

macht es noch Sinn, dass ich über Deinen Text gehe oder bist Du bereits bei der Überarbeitung? Ansonsten warte ich die nämlich ab.

LG
Nina


_________________
Liebe tut der Seele gut.
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tronde
Klammeraffe
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Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


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Beitrag02.02.2015 12:39

von tronde
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Hallo Nina,
im Kopf arbeitet es schon, aber es gibt noch kein Ergebnis, von daher wären Anmerkungen noch erwünscht.

Grüße
tronde
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BlueNote
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Wohnort: NBY



Beitrag03.02.2015 11:26

von BlueNote
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Hallo tronde,

die größte Schwäche deines Textes ist meiner Meinung, dass er so stark sein will. Dass er sich so sehr darum bemüht, etwas Besonderes, Außergewöhnliches zu sein, damit jedoch eine Bauchlandung größten Ausmaßes hinlegt. Die Erzählperspektive, ausgerechnet auktorial, mit einem Erzähler, der alle Register der auktorialen "Erzählkunst" zieht, in die Zukunft blickt, uns, als völlig unbeteiligte Leser, mit in die Geschichte hineinziehen will, indem er ständig von "wir" spricht. Hier frage ich mich, wer ist denn dieser gottgleiche Erzähler überhaupt, der die Macht über die Zukunft hat, normalerweise irgendwo über uns, d.h. über den Wolken thront, aber trotzdem ankündigt, sich gemeinsam mit uns hinter den Dichter stellen zu wollen, um sein Treiben zu beobachten. Nein, das ist einfach zu viel des Guten, der Freiheitsgrade, der Experimente, der Brüche. Zumal ja auch die meisten "Experimente" kolossal schief gehen und nicht einmal auf der Basis einer richtigen Grammatik gebaut sind.

Deswegen mein Fazit: Nein, dieser Text lässt sich nicht umschreiben, umbauen, verbessern. Schreib anders, einfacher! Zumindest erst einmal.

(Das Gedicht, ist das eigentlich ein schnell übersetzter Michael Jackson Song, oder hast du dir das selber ausgedacht?)

BN
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tronde
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Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


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Beitrag03.02.2015 21:24

von tronde
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BlueNote hat Folgendes geschrieben:

(Das Gedicht, ist das eigentlich ein schnell übersetzter Michael Jackson Song, oder hast du dir das selber ausgedacht?)


Was heißt hier schnell?
Es hat mich Stunden gekostet, Thriller so zu übersetzen, dass das Ergebnis in meinen Text passt.

Keine Bange, die nächste Version wird anders werden Smile

Grüße
tronde
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silentsilvy
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Beiträge: 112



Beitrag04.02.2015 15:57

von silentsilvy
Antworten mit Zitat

tronde hat Folgendes geschrieben:
»Verblühten Löwenzahn
pustest Du mir zu.
Ich hasche, lache.
Liebe.

Du hauchst mir zu
einen Kuss.
Mich lockt ein Falter
nach ferne.

Auf meiner Hand
der Schmetterling zerfällt.
In Ödnis harre ich
des Löwenzahns.


Hi,

das Gedicht gefällt mir gut. Nur braucht es m.M. die Inversionen nicht. Aber die sind wohl dem Kontext geschuldet.

lg sisi
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tronde
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Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


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Beitrag08.02.2015 21:53

von tronde
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Hallo!
Hier kommt die erste der zwei angekündigten neuen Versionen, die personale. Die stringentere rätselhafte Fassung kündige ich mal vollmundig an, aber das wird dauern. Die größeren Probleme sind ja durch den auktorialen Erzähler und dessen Logiksprünge entstanden, das ist für mich grade schwieriger, den Duktus zu erhalten, aber die Stolpersteine zu eliminieren.

Version 2a

Schreibtisch im Dunkeln

Durch Spalten und Ritzen kriecht die Kälte ins Haus. Draußen hängen die Zweige still von den Bäumen, gerade noch abgrenzbar gegen das Restlicht des Horizonts. Nur die Stehlampe wirft einen Lichtkegel auf den Schreibtisch, der mitten im Raum steht. Der Mann auf dem Stuhl dahinter blickt durch das Fenster.

Auf dem Tisch liegt linker Hand ein Stapel cremefarbener Bütten, rechter Hand der Platz des Füllers ist leer, dazwischen ein blanker Bogen. Der Mann setzt den Füller an und hebt ihn wieder, einen Punkt hinterlassend. Noch einen Punkt. Punkt. Punkt. Punkt. Beim letzten Punkt durchstößt er das Papier.
Er schraubt energisch die Kappe auf den Füller, knallt ihn auf den Tisch. Zerknüllt das Blatt und wirft es zu den anderen im Papierkorb.
Der Mann schließt die Augen, atmet stoßweise. Tränen beginnen zu fließen. Er klammert sich an die Tischkante.
Dann steht er auf und tritt ans Fenster. Er starrt in die Dunkelheit. Seine Hände massieren die Schläfen, bevor er wieder an den Schreibtisch zurückkehrt.
Wieder und wieder landen Blätterbälle im Korb, einzelne auch daneben.

Stunden später begibt sich der Mann in die Küche, um sich einen Tee zu machen. Er braucht etwas, um sich die Finger zu wärmen, die vor Kälte nicht mehr schreiben wollen. Zur Suche nach der Wärmflasche kann er sich nicht aufraffen.

Irgendwann ist er fertig und liest laut in den Raum, was er geschrieben hat.

»Verblühten Löwenzahn
pustest Du mir zu.
Ich hasche, lache.
Liebe.

Du hauchst mir zu
einen Kuss.
Mich lockt ein Falter
nach ferne.

Auf meiner Hand
der Schmetterling zerfällt.
In Ödnis harre ich
des Löwenzahns.«

Er hält das Blatt noch eine Weile in den Händen, abwägend neigt er den Kopf. Schließlich faltet er das Blatt, steckt es in einen Umschlag, dessen Gummierung er sorgfältig mit der Zunge befeuchtet, und verschließt ihn dann.
Auf den Umschlag schreibt er einen Namen und darunter:
Hätte, wäre, wenn.

Er legt den Brief auf den Tisch. Noch einmal tritt er ans Fenster, betrachtet die aufgehende Sonne und die Bäume, deren Zweige im ersten Wind zu tänzeln beginnen. Wie erstarrt steht er da, die Schultern hochgezogen. Die Heizung springt an. Nach einem tiefen Seufzer dreht er sich um und verlässt den Raum.
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EWJoe
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Beitrag08.02.2015 23:04

von EWJoe
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Servus,

der Text gefällt mir jetzt viel besser. Sprachlich ist er gut gelungen und auch das Gedicht macht deutlich mehr her, obwohl es nur geringfügig geändert wurde. (Aber davon verstehe ich eigentlich zu wenig, ich kann nur feststellen, dass es mir besser gefällt.)
Allein die Motivation und der Hintergrund des Briefes ging jetzt verloren, vielleicht ist das aber gar nicht mehr wichtig. Das Ganze macht einen wesentlich unaufgeregteren ruhigeren Eindruck, das das Ringen um einen Liebesbrief begleitet.

Mein Votum: klar Version 2a ist viel besser. Allein, der Text lässt den Leser etwas ratlos zurück (wenn er nicht die erste Verion kennt), was, wer, eventuell warum war der Anlass dieses mit Schlaflosigkeit erlittenen Briefes?
Bin gespannt was 2b bringen wird.

LG
EWJoe


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Kulissen schiebt man gerne vor die Wahrheit, verdeckt sie auch durch viel Theater. Nur Backstage offenbart sie sich.
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