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Pinselstiche


 
 
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Rainer Zufall
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 70
Beiträge: 801

Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag22.11.2014 19:12
Pinselstiche
von Rainer Zufall
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

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Hallo ihr alle,
ich war ja so "geschickt", meinen Wettbewerbstext an die falsche Adresse zu schicken, so dass ich nicht dabei sein konnte.
Ich hab mir jetzt lang hin- und herüberlegt, ob ich ihn posten soll.
Einerseits, naja, hohen Respekt vor den Texten des Wettbewerbs, andererseits bin ich eh grad in einem total tiefen Schreibloch. Wenn ich immer nur für die Schublade oder gar nicht schreibe, bringt es das auch nicht.
Ich weiß, ich weiß, ihr habt bestimmt vom Zitat die Nase voll. smile
Ich würd mich trotzdem sehr freuen, wenn sich die eine oder der andere doch zu einer kleinen Anmerkung oder einem feedback finden würde.




Pinselstiche

Die weichen, fleischfarbenen Wulste schmerzen nicht, da ist nur ein zartwehes Gefühl, wenn ich sie mit den Fingern ertaste und ihre Kuppen von rechts nach links verschiebe. Wie verrückte Ornamente ziehen sie sich über meinen Brustkorb. Ich verberge sie unter weißen Blusen, unter bauschigen Spitzen, die an den Rändern mit Paspeln eingefasst sind. Blusen, die mir das Gefühl geben, ich könnte noch einmal von Neuem beginnen.
Doch wenn ein Wort mich trifft oder ein Blick, erschrecke ich zutiefst, ich will wütend werden, mich wehren, aber ich weiß nicht mehr, wie das geht. Marrais hat mir meinen Zorn genommen, meinen Groll, ihn in Bilder verwandelt, in leuchtende Karmesinfelder und blaugischtende Formen.
Und ich taumele durch die Welt, hilflos, verwundbar, suche nach meiner Wut, suche nach Hass, suche nach dem, was mich ganz sein lässt.
 
Marrais.
Ich war seine Muse, seine Gefährtin, seine Schülerin, bis er sich entschloss, Lydie zu lieben.
Als ich las, ich solle kommen, hatte ich mir längst ein neues Leben aufgebaut. Voller Groll, doch ohne ihn. Er schrieb, es sei falsch gewesen, mich wegzuschicken, er könne nicht mehr malen, jetzt bekomme Lydie auch noch ein Kind. Er brauche mich. Bitte. Wollte ich ihm helfen? Oder ihnen schaden? Ich verteidige mich nicht. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich wirklich wollte. Vielleicht war es ein Impuls unbewusster Loyalität oder die Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich ging hin.
Er wohnte einen Ort weiter, in Coligny. Als ich vor das Haus trat, in dem er mit Lydie lebte, kam sie mir schon entgegen. Eine große, dunkle Frau, die ich für eine Angestellte hielt, wäre da nicht der grotesk geschwollene Bauch gewesen. Sie reichte mir die Hand, weiß, schwammig, doch das Lächeln, das schief in ihrem Gesicht haftete, sah nett aus. Ich unterdrückte den Impuls, sie sympathisch zu finden, und fragte nach Marrais.
„Er ist im Atelier.“ Sie wischte eine Haarsträhne hinter das Ohr und zeigte auf eine dunkel gestrichene Tür. Ich hatte längst geöffnet, da hing ihre Hand noch immer in der Luft.  
Marrais stand vor einem Bild, er trug einen farbverschmierten Monteursanzug, in der Hand hielt er drei Pinsel, deren Haare verklebt waren. Ungeduldig wedelte er mich in den Raum.
„Lydie ist schwanger“, sagte er.
„Das hätte ich gar nicht gemerkt.“
„Lass das, es steht dir nicht.“
Und schon fühlte ich seine Umarmung, ein erstickendes, bärenhaftes Umschließen, das nach Farben roch und nach Schweiß. Ich spürte seine Hände auf meinem Rücken, seine Lippen, die meinen Mund aufbrachen, genauso ungestüm, wie er Brötchen mit den Händen zerteilte, um das Weiche herauszurupfen. Marrais. Ein Mann wie ein warmer, starker Wind.
Ich deutete zur Tür, schnappte nach Luft und fragte: „Was ist mit ihr? Stört es sie nicht, wenn du mich küsst? So küsst?“
„Sie merkt das gar nicht, sie ist viel zu beschäftigt damit, trächtig zu sein.“ Er sah traurig aus bei diesen Worten. Dann zeigte er mir seine Bilder. Aufeinandergeschichtete Kuben in schmutzigen Tönen, darin schlierige Öffnungen, in denen sich Schatten wanden. Die Farben waren matt, über allem klebte eine mehlige Schicht.
„Schmierst du jetzt Lebensmittel auf die Leinwände?“
Er zuckte mit den Schultern und starrte aus dem Fenster.
„Wie kannst du so einen Dreck hinpfuschen“, sagte ich. „Wo ist der Glanz geblieben, der Schimmer der Haut, wenn du Menschen malst? Das hier“, ich suchte nach Worten, „sieht tot aus.“
Marrais drehte sich um. „Es ist tot“, sage er. „Ich krieg nichts mehr hin, seit du weg bist. Alles, was ich anfange, wird schal. Ich male Lehmstöcke, in denen Menschen brüten. Ich liebe Lydie, ich will Vater sein, aber ich weiß nicht, wie. Es ist gut, dass du da bist. Lass uns trinken und essen.“
Gleich darauf trat Lydie ins Esszimmer, sie hielt ein Tablett vor sich, als stütze sie damit ihren Bauch. Ihr Gesicht wirkte gedunsen und fleckig. Sie brachte Rotwein und Fleisch. Wir sprachen kein Wort.

Am Morgen half ich Lydie, weil Marrais nicht da war, und räumte danach das Atelier auf. „Schön sieht das aus“, sagte sie. „Er hat mir erzählt, dass du die Einzige bist, die genau weiß, wie er es haben will. Mich jagt er raus, wenn ich aufräumen will.“ Sie lachte unsicher.
„Das ist kein Wunder“, sagte ich, „ich war ja lange seine Assistentin. Bis er dich kennengelernt hat.“
„Und jetzt bist du wieder da.“
„Ja“, sagte ich.
In der Nacht, nachdem wir wieder schweigend gegessen hatten, kam Marrais zu mir. Aus dem Raum nebenan drangen leise Geräusche. Ein Stöhnen, vielleicht nur ein Schnarchen. Ich achtete nicht darauf. Ich war damals vor Kummer fast gestorben, doch das hatte keinen gekümmert. Und mit Sicherheit nicht Lydie.
Er küsste mich. Und während er mich umschlang, vernahm ich es wieder. Ein Wimmern und Stöhnen. Ich presste mich an ihn, bis ich endlich in seiner Bärengestalt versank. Irgendwann sagte er zu mir: „Ist das Lydie? Ruft sie?“
„Es ist nichts", flüsterte ich. "Nur die Geräusche eines alten Hauses.“ Dann verschloss ich seine Ohren mit meinen Küssen und mit meinem Stöhnen. Und tief in mir war da auch die Freude daran, Lydie meine Lust hören zu lassen und wie gut es ihm tat, bei mir zu sein.
Gegen Morgen hörte ich lautes Schreien. Marrais war fort. Lydie hatte eine Fehlgeburt erlitten, das Kind war tot. Er rief einen Krankenwagen, der sie abholte. Oder das, was von ihr übrig war. Ich sah sie davonfahren. Ihr blasses Gesicht. Die strähnigen Haare.

Er stand im Atelier vor einer Leinwand, die über und über mit Farbe bedeckt war. Sie tropfte herunter, sammelte sich in den Ritzen des Holzbodens. Staubgrün auf Rost, keine gute Farbwahl. Er sah hoch, als ich eintrat. Seine Augen sahen stumpf aus wie die Farben seiner Bilder.
„Jetzt habe ich nichts mehr“, seine Stimme erstarb.
„Du hast deine Kunst“, sagte ich. „Und mich.“
„Meine Kunst“, sagte er, „nennst du das Geschmiere Kunst? Und was soll ich mit dir? Da ist nichts, das weißt du. Ich dachte, wenn ich dich noch einmal liebe, wenn ich deine Sinnlichkeit spüre, deine Kraft, dann wüsste ich wieder, wie ich malen muss. Aber es geht nicht.“ Er schluchzte. „Ich habe nur alles verloren.“
Die Worte brannten in mir. „Na und“, sagte ich, „keine dreckigen Kuben mehr. Und Kinder kriegt man auch von anderen Frauen.“
Er sah mich an, als entdeckte er ein hässliches Insekt, dann wandte er sich ab.
„Die Sorge für Lydie fällt dir ja früh ein. Meine Kraft spüren", ich schnaubte, "bin ich deine Motivationsfotze?“ Das Brennen füllte meine Brust, zerriss sie. Mit Wucht trat ich gegen eines der Bilder. Ich liebte ihn, ich liebte ihn so sehr.
„Ich habe dir nichts vorgemacht.“
„Hast du nur darum mit mir geschlafen?“
„Ich weiß es doch nicht. Vielleicht Erinnerung. Es tut mir leid. Mit dir konnte ich malen, aber sie liebe ich.“
„Du kannst nicht mehr malen. Mit ihr nicht und ohne sie auch nicht.“ Ich lachte, bis es mich schüttelte. „Du hast dich verloren an eine schwangere Frau. Du bist fade und dick wie ein Sack Mehl. Und genauso sehen deine Bilder aus.“ Wieder trat ich zu, zerbrach noch eine Leinwand und noch eine, warf Farbtuben durch den Raum, quetschte sie andere in meinen Fäusten, rot, blau, gelb, verschmierte sie auf den Leinwänden, den Möbeln, seiner Brust.
Er bewegte sich nicht, ließ alles über sich ergehen, bis er mich an der Schulter packte, etwas Neues war in sein Gesicht getreten. „Das ist es“, sagte er, „das hat mir gefehlt.“
„Meine Wut?“, schrie ich. „Die kannst du haben. Ich schenke sie dir.“
Marrais griff nach meiner Hüfte, zwang mich vor ihn und riss meine Bluse auseinander. Dann packte er einen Pinsel, hob ihn hoch, die Spitze auf meine Brust gerichtet wie ein Messer. Ich erstarrte. Dann fuhr er damit über meine Haut. Kreise, Linien, ein wildes Geschling von Formen. Ich hielt still, ein Gefühl der Erleichterung durchzog mich, ein sanfter, stechender Schmerz überall dort, wo mich die Pinselspitze berührte. Sie drang ein, schnitt Rinnsale, die immer dunkler wurden. Er küsste mich und malte weiter mit immer heftiger werdenden Strichen, hackte ein auf meine Brust, brach sie auf, tiefer und tiefer, bis die Wut aus mir herausströmte wie blassblauer Rauch. Befreiend war das, schmerzhaft und gut, und ich hielt still, bis ich merkte, dass ganz weit unten etwas Anderes war. Ich sah, wie Marrais mich betrachtete, dann den Pinsel, dann zur Leinwand trat und malte. Er malte wie in einem Rausch. Und das, was er malte, war wunderschön.

Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Oder aus Lydie.
Seitdem suche ich. Nach meiner Wut und meinem Groll. Erst war es gut. Ich konnte nicht böse sein. Mit nichts und niemandem. Noch nicht einmal mit mir. Doch als ich auf andere Menschen traf und merkte, wie hilflos ich war, ein empfindsamer Wurm, dessen Haut alles spürte, was die anderen ihm taten, der sich mit nichts zur Wehr setzen konnte, da hätte ich meine Wut gebraucht. Mir blieb nur das Andere, und das war Angst.
Seitdem versuche ich, keinen Unmut auf mich zu ziehen, kleide mich unschuldig und jung. Und ich verziehe mein Gesicht zu einem sanften Lächeln, damit sich keiner an mir stört.

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tronde
Klammeraffe
T


Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag22.11.2014 22:50
Re: Pinselstiche
von tronde
Antworten mit Zitat

Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:

Ich weiß, ich weiß, ihr habt bestimmt vom Zitat die Nase voll. smile


Ehrliche Antwort? Irgendwie schon, wenn ich was von "verteidigen" lese, dann kommt das Zitat hoch und ich frage mich grade häufig, wer alles noch in letzter Zeit Conrad gelesen hat ...

Aber Deinen Text habe ich dann doch gerne gelesen.
Schon beim Titel musste ich zweimal schauen, habe ich doch zuerst StRiche gelesen, das war für mich schon ein guter Aufhänger.
Der Anfang hat mich dann auch gepackt und glücklicherweise, war das Zitat auch bald abgehakt Smile , fand es auch gut eingearbeitet.

Jetzt überfällt mich die Müdigkeit, Mist. Wird jetzt also doch etwas kürzer.

Die Idee gefällt mir, dieses fast schon psychotische Erleben, die Wunden könnten alle Wut freilassen, die dann für immer weg ist, aber so ganz nachvollziehen kann ich das letztendlich bei erneuten Lesen doch nicht. Also, emotional schon, rational nicht.

So ganz ins Fließen kommt der Text bei mir nicht.

„Lydie ist schwanger“, sagte er.
„Das hätte ich gar nicht gemerkt.“ Kommt mir für Sarkasmus zu lang vor (Ach, wirklich?) Oder "Das habe ich ...", sie hat sie ja schon gesehen

Und dann reden sie im Atelier vom Essen und Lydie kommt ins Esszimmer, wie sind sie dahin gekommen? Minimallösung wäre vielleicht ein Absatz oder "Als Lydie kurz nach uns ins Esszimmer kam, trug sie das Tablett ..."

Er schluchzte. „Ich habe nur alles verloren.“
Etwas dick aufgetragen für meinen Geschmack oder zu abgedroschen. Er könnte um das Kind trauern, der Prota Vorwürfe machen, dass es nur wegen ihr gestorben ist

"quetschte sie andere in meinen Fäusten,"


Schade, dass der Text nicht im Wettbewerb gelandet ist Sad , er hat was, aber ich muss in mal noch ausgeschlafener lesen.

Grüße
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

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Beiträge: 4299

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Beitrag23.11.2014 01:02

von hobbes
Antworten mit Zitat

Hi.
Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich immer nur für die Schublade oder gar nicht schreibe, bringt es das auch nicht.

Schreib smile Und bitte nicht nur für die Schublade.

Ich mag den Text. Ich mag seine Figuren, ich mag vor allem den Ton, die Stimmung, die er bei mir erzeugt.
Das ist jetzt ein bisschen ein sinnloses Zitat, aber es ist so sinnbildlich für das, was mir hier gefällt:
Zitat:
„Ja“, sagte ich.

Nicht mehr und nicht weniger smile
Sie lebt nicht, sie existiert. Mit Mühe und Not. Zu mehr reicht die Kraft nicht. Und trotzdem ist da eine Kraft in ihr.

Achtung, jetzt kommt das Aber smile
Wobei - eigentlich gibt es kein Aber. Nur einiges an Kleinkram, der das Lesen erschwert.

Oder nein, ich fange mal mit den Pinselstichen an. Wegen der Narbenwulste überm Brustkorb dachte ich zuerst an Brustkrebs.
Ohne den Anfang hätte ich das Ende eher metaphorisch verstanden. Aber wenn sie Wulste hat, muss er sie ja tatsächlich mit dem Pinsel verletzt haben? Geht das? Kann ich mir nicht vorstellen. Aber vielleicht hast du das eh anders gedacht.

Und mit der Wut, die er ihr genommen hat - so ganz aufgehen tut das für mich auch nicht. Irgendwie scheint mir das noch mal eine andere Geschichte zu sein.
Wenn ich auch die Wut metaphorisch verstehe - als einen Teil von ihr, den er ihr genommen hat, der kaputt gegangen ist - tja, dann erschließt sich mir das hier nicht wirklich:
Zitat:
Seitdem versuche ich, keinen Unmut auf mich zu ziehen, kleide mich unschuldig und jung. Und ich verziehe mein Gesicht zu einem sanften Lächeln, damit sich keiner an mir stört.

Aber eigentlich geht es doch um Marrais und dich und das, was er dir genommen hat, denke ich. Und frage mich, warum das zu so einem Verhalten führt.

Irgendwie habe ich damit den Eindruck, die ganze Geschichte nicht verstanden zu haben.
Aber - wie gesagt: die Figuren! Der Ton! smile

So, jetzt aber der Kleinkram.

Zitat:
Ich war seine Muse, seine Gefährtin, seine Schülerin, bis er sich entschloss, Lydie zu lieben.

Der Dynamik wegen würde ich der Schülerin einen Punkt machen.

Zitat:
Voller Groll, doch ohne ihn.

Das "doch" impliziert Gegensätzliches, aber was hier gegensätzlich ist, erschließt sich mir nicht.

Zitat:
Er wohnte einen Ort weiter, in Coligny.

Wie, was, nur einen Ort weiter? Ein neues Leben aufbauen hätte ich mir irgendwie ... größer, revolutionärer vorgestellt.

Zitat:
Eine große, dunkle Frau, die ich für eine Angestellte hielt, wäre da nicht der grotesk geschwollene Bauch gewesen.

gehalten hätte

Zitat:
Sie wischte eine Haarsträhne hinter das Ohr und zeigte auf eine dunkel gestrichene Tür. Ich hatte längst geöffnet, da hing ihre Hand noch immer in der Luft.  

Wischen finde ich unpassend. Das orangefarbene finde ich missverständlich formuliert, vor allem ohne ein "sie". Außerdem frage ich mich, wie sie die Hand noch sehen kann, wo sie doch längst an Lydie vorbei ist.

Zitat:
Und schon fühlte ich seine Umarmung,

Fühlen? Scheint mir auch das falsche Verb zu sein.

Zitat:
Gleich darauf trat Lydie ins Esszimmer, sie hielt ein Tablett vor sich, als stütze sie damit ihren Bauch.

Ich kann mir leider nicht vorstellen, wie ein Tablett einen Bauch stützen soll.

Zitat:
Am Morgen half ich Lydie, weil Marrais nicht da war, und räumte danach das Atelier auf.

Das orangefarbene scheint mit ein wenig verloren im Raum zu stehen. Wozu diese Info? Ist die notwendig? Noch dazu wirft sie weitere Fragen auf (wo ist er?).

Zitat:
Gegen Morgen hörte ich lautes Schreien. Marrais war fort. Lydie hatte eine Fehlgeburt erlitten, das Kind war tot.

Das ist nun völlig missverständlich. Er ist fort - das heißt für mich fort wie fort. Weg. Woanders. Also ganz weg. Dabei ist er nur nicht mehr in ihrem Bett.
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BlueNote
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Beitrag23.11.2014 09:49

von BlueNote
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Hallo Rainer,

vielleicht wollte sich dein Text einfach nur weigern, an einem E-Wettbewerb teilzunehmen, weil er zu 100 % U ist?

Was mir beim Lesen Unbehagen bereitet hat ist, dass Protagonist und Antagonist immer nur an sich denken. Da stirbt ein Kind, dieses dramatische Ereignis findet aber keinen Zugang in die eingeschränkte (nur auf sich bezogene) Gedankenwelt der beiden - es ist offensichtlich nicht der Rede wert bzw das "Problem anderer Leute". Die ehemals Schwangere wird in der Geschichte entsorgt wie eine leere Zahnpastatube, während die beiden anderen sich ausschließlich mit ihrem eigenen Gefühlsleben beschäftigen.

Sprachlich hat mir dein Text zugesagt (bis auf die Beschreibung der Liebesszene mit Versatzstücken aus einer Literatur, die ich in einem E-Text lieber nicht vorfinden wollte). Vielleicht habe ich mit deinem Text deswegen Probleme, weil ich die Protagonistin und den Maler so unsympathisch (und egozentrisch) finde und so viel Mitleid habe mit Lydie. Aber das war bestimmt nicht deine Absicht, die Symathien auf diese Weise zu verteilen, oder?

Dass du mit den Wunden der Protagonistin anfängst, die später erklärt werden, halte ich für gelungen. Die Malorgie hingegen mochte mir nicht so recht einleuchten, zumal sie ja mit einer gehörigen Verletzung und einem nicht auszumalenden körperlichen Schaden für die Protagonistin einherging (wie gut hat sie eigentlich die anschließende Blutvergiftung weggesteckt?).

Nun, dass das kein E-Text ist, wurde mir schon klar bei dem Begiff "zartwehes Gefühl". Aber er muss ja jetzt kein E-Text mehr sein, sondern darf im U schwelgen, wie er mag. Das ist zwar nicht ganz mein Geschmack. Ich habe dann aber zumindest den recht soliden Schreibstil genossen.

BN
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

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Beiträge: 4299

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
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Beitrag23.11.2014 11:18

von hobbes
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BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Was mir beim Lesen Unbehagen bereitet hat ist, dass Protagonist und Antagonist immer nur an sich denken.

Darüber habe ich auch nachgedacht, gerade, weil ich mich kurz zuvor anderswo über einen unsympathischen Prota beschwert hatte. Hier stört es mich aber nicht. Womit ich nicht sagen will, dass ich ihr Verhalten gut heiße, es erscheint mir einfach nur zwingend. Die können nicht anders.
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rieka
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Beiträge: 816



Beitrag23.11.2014 13:30

von rieka
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Hallo Frau Zufall.
Die Kritik überlasse ich den Profis aus dem Zehntausender.
Ich schreibe dir lediglich meinen Eindruck.
Die bisherigen Eingaben habe ich noch nicht gelesen, sie verwirren mich zu sehr und schüchtern mich ein.

Also:
Zuerst dachte ich an die emotionale und körperliche Zerstörung einer krebskranken Frau. Dann erfasste ich, dass es sich um einen ‚psychischen‘ Krebs handelt. Diese Metapher finde ich gelungen. Kann die Zerstörung doch gleich heftig sein.
Ich finde, du hast da ein starkes Stück über mächtige Emotionen geschrieben. Seine Aussage hat mich in seiner Destruktion getroffen. Da kreisen ein Mann und eine Frau in gegenseitiger narzisstischer Abhängigkeit unbefriedigt und selbst-zerstörend umeinander, nicht rechts und nicht links schauend auf das Umfeld, in das sie eingebettet sind.
Kein Text zum Wohlfühlen, keine heile Welt, aber immer wieder auch Realität.
LG rieka
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag23.11.2014 15:16

von Jenni
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Ich schon, hab die Kommentare mitgelesen. Muss ja nicht sagen, was schon gesagt wurde, und es wurde ja schon viel hilfreiches gesagt. Ich kann mich jetzt also lückenhaft darauf beschränken, was mir so beim Lesen ein- und aufgefallen ist. smile

In Bezug auf den Wettbewerb stimme ich ein bisschen BlueNote zu, wäre das für mich einer dieser vielen Texte gewesen, die eine durchaus interessante Geschichte erzählen, sie auch gekonnt erzählen, aber zu wenig Tiefgang oder Nachhall oder "darüber hinaus" enthalten, um in meiner Bewertung weit oben zu landen. Das Zitat finde ich nicht schlecht integriert, nur unter unbewusster Loyalität stelle ich mir etwas  ... unbewussteres vor. Etwas anderes als die Beziehung zu einem Mann, der sie abserviert hat, und die Gefühle zu dem doch in Folge sicherlich intensiv bedacht worden sind.

Auch ohne Wettbewerb denke ich, dass der Text gewinnen würde, wenn nicht alles ausgesprochen würde. Sowohl auf ihre Verarbeitung des Erlebten bezogen - denn das ist doch wahnhaft und zwiespältig gewesen, dennoch fasst sie ihre Gefühle am Ende in so nüchterne Worte - als auch auf die Dialoge, in denen einiges ungesagt bleiben dürfte, trotzdem oder umso nachvollziehbarer würden.
Mir gefallen aber die Figuren gut, Marrais und die Erzählerin, weil sie getrieben sind und eben zwiespältig - ich muss sie nicht mögen, ich kann sie aber nachvollziehen.

Das Bild der Narben am Anfang kommt mir nicht ganz rund vor. Wülste, die würden sich doch eher hart anfühlen als weich? Sind (so tiefe, dauerhafte) Narben nicht weiß statt fleischfarben? Und warum beschreibst du sie so optisch, wenn die Erzählerin sie gerade ertastet?
Auch würde ich es, wie Hobbes vorschlägt, fast schöner finden, es bliebe im Dunkeln, ob die Wunden metaphorisch sind.
Auch nämlich in der Szene dieses Gemetzels. Zuerst finde ich es noch nachvollziehbar, wie sie den Schmerz fast als angenehm empfindet, weil er etwas von ihr nimmt - aber mit einem Pinsel solche Wunden zu reißen, die wulstige Narben hinterlassen: Shocked Ist das möglich? Falls ja, dann aber doch mit unerträglichem Schmerz?

Soweit. Weiß nicht, ob das alles ist. Kommt mir nicht so vor.

LG Jenni
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Rainer Zufall
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Alter: 70
Beiträge: 801

Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag23.11.2014 16:51

von Rainer Zufall
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Hallo ihr alle,
das hat jetzt Spaß gemacht, so viele Eindrücke zu kriegen, mit denen man sich auseinandersetzen kann. Also vielen Dank an euch alle schon mal vorweg.
ich geh zwar später noch auf jeden einzelnen ein, aber ich wollte vorweg was zu der Geschichte prinzipiell sagen,
Zitat:
Dann erfasste ich, dass es sich um einen ‚psychischen‘ Krebs handelt.

Rieka, ganz genau das war meine Intention. Vielen Dank dafür, dass du das herausgelesen hast.
Die Narben, die die Icherzählerin trägt, sind keine realen Narben. Sie sind symbolisch, die ganze Pinselstechaktion ist symbolisch und nicht real. Also das war jedenfalls meine Absicht. Tjo, so kanns gehen. Die Tatsache, dass das zumindest bei Jenni und Bluenote anders angekommen ist (sind ja schon mal zwei Leutchen) und auch bei hobbes zumindest Irritation ausgelöst hat, heißt natürlich für mich, ich muss an einer Schraube drehen.
Ich hab überlegt, ob ich schon gleich mal am Anfang der Geschichte was einfließen lasse, dass die anderen Menschen die Narben nicht sehen, aber spüren. Auch die weißen Blusen sind ja symbolisch. Reinheit, Unschuld zeigen, damit man nicht angegriffen wird. Sie will ablenken von  dem Fehlen jeglicher Wutmöglichkeit, indem sie die weißen Blusen trägt. Vielleicht kann ich sowas auch erst  am Schluss machen, so dass sich das im Nachhinein aufklärt, das muss ich erst mal sehen und ausprobieren.

Ich muss sagen, ich hab nicht damit gerechnet, dass man ernsthaft annehmen kann, man könne  einem anderen mit einem Pinsel eine reale Wunde zufügen kann, also wenn man selbst schon mal einen Pinsel in der Hand gehabt und sich die Pinselspitze anschaut, das wird ganz schön schwer. Ich hatte es also echt nicht erwartet, dass doch so viele von einer Art Krimi im Malermilieu ausgehen, sondern erwartet, dass sich allein aus der Pinselstechszene klärt, dass das Aufbrechen der Brust nicht als realistische Handlung gemeint ist, sondern als psychische Deformation. Dieser Frau wird durch die Schuld, die sie gegenüber Lydie auf sich lädt, eine Schuld, die sie sehr wohl merkt, und durch die Ablehnung des Mannes, der in ihr nur die Chance sieht, zu seiner Kunst zurückzukommen, die Möglichkeit abgeschnitten, ausgeschnitten, noch Wut zu empfinden. Diese Nacht, dieses Erlebnis ist ein Trauma für sie. Genau das, Bitterkeit, Groll, Wut, die sie dazu getreiben haben, sich so erbarmungslos zu verhalten, genau diese Eigenschaft, die braucht sie aber eigentlich auch. Denn ohne sie ist sie nicht mehr recht fähig, durch die Welt zu gehen. Um sich zu wehren, braucht man auch Wut. Und wenn die nicht mehr da ist, dann bleibt die Angst. Und wenn nur noch Angst das Leben regiert, die Angst, zum Beispiel noch einmal verletzt oder allein gelassen zu werden oder oder oder, dann kann man sich aber eben nur noch schützen, wenn man sich tarnt oder versucht, sich keine Blöße zu geben oder versucht, Zurückweisung oder Bösem durch Bravheit zu begegnen. So meine Gedanken zur Geschichte.
Naja, ich gucke, wie sich das Symbolische klarer fassen lässt. Aber Dankeschön für den Hinweis, denn da muss ich jetzt was tun.

Noch ein Wort auch zu dem Vorwurf, die Geschichte sei kein E, sie sei nur U. Ich weiß nicht, wie und woran ihr das festmacht. Logisch, wenn man sie nur auf der obersten Ebene sieht, also auf der der Pinselverletzungen, dann ist das klar, aber die Pinselstiche selbst, die sind nur die äußere Ebene. Das hier ist weder ein Krimi noch eine Liebesgeschichte noch ein Stückchen Horror. Es ist also kein Genregeschichte. Es hat nichts Experimentelles, klar, da gebe ich jedem sofort Recht, aber weder hat die Geschichte nur eine Schicht, noch ist es verboten, magische Elemente in ernsthafte Literatur einzubauen. Die Charaktere sind ambivalent (jedenfalls aus meiner Sicht). Und dass da kein Stoff wäre, über den man weiter nachdenken könnte, na, das sehe ich auch anders. Meine Geschichte hat einen eindeutigen plot, aber auch das ist nicht verboten.
Also ich verstehe diese Zuordnung nicht, teile sie vielleicht auch einfach nicht.
Aber ich will mich gar nicht darüber streiten, ob das nun U oder E ist, ich lege offensichtlich andere Kriterien an als viele hier. Bin auch oft überhaupt nicht einverstanden, so manchen Bachmannpreistext habe ich schon als furchtbar aufgeblasenes Rummäandern empfunden. Und manchmal denke ich, dass da auch furchtbar die Mode eine Rolle spielt, Wehe, man bringt in E-Literatur noch Dialoge. Nee, das muss schön alles in indirekter Rede gesetzt sein. Das klingt jetzt fieser als ich das meine, und es soll wirklich niemand persönlich nehmen. Für mich steht halt die Geschichte im Vordergrund und E-Literatur, die es nicht vermag, mich auf die eine oder andereprie Weise zu fesseln (=zu unterhalten=anzusprechen) die mag ich einfach nicht. Das merke ich immer wieder. Und daraus kann ich dann nur meine persönlichen Konsequenzen ziehen, welche das sind, weiß ich momentan selbst nicht genau, denn ich kann euch schlecht eure anderen Kriterien und den anderen Geschmack vorwerfen.
Ich wollte nur mal vorsichtig diese Vehemenz, mit der man so genau weiß, was U, was E ist, in Frage stellen.  
Das mal vorweg. Und nachher schreib ich euch einzeln weiter.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag23.11.2014 17:02
Re: Pinselstiche
von Constantine
Antworten mit Zitat

Liebe Rainer,

da ist er nun, dein Beitrag für den Zehntausender 2014, der sich weigerte an Guy abgeschickt zu werden. Danke, dass du ihn ins Forum gestellt hast, es wäre wirklich schade gewesen, wenn du es nicht getan hättest. Schließlich hast du diese Geschichte für den Wettbewerb geschrieben, insofern freue ich mich, ihn lesen zu dürfen.

Was mir gefällt ist dein Wortspiel mit dem Titel. "Pinselstiche" passt mMn gut zu deiner Geschichte und lässt bereits erahnen, dass es um "schmerzhafte" Malerei gehen könnte.
Ich finde deinen Einstieg nicht schlecht, aber dies hier nimmt bereits zu viel vorweg
Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Marrais hat mir meinen Zorn genommen, meinen Groll, ihn in Bilder verwandelt, in leuchtende Karmesinfelder und blaugischtende Formen.
Und ich taumele durch die Welt, hilflos, verwundbar, suche nach meiner Wut, suche nach Hass, suche nach dem, was mich ganz sein lässt.
und würde ich weglassen. Ich finde, es reicht mit der Erinnerung an Marrais weiterzumachen.

Ich denke, aufgrund der Zeichenbegrenzung, konntest du nicht zu sehr ins Detail gehen, was die Liebe zwischen Marrais und Lydie und den "Austausch" mit deiner Protagonistin angeht. Finde ich schade, denn genau das, finde ich, ist einer, wenn nicht sogar der Kern der Geschichte. Hier wird diese Entwicklung eher galoppartig abgehandelt und für mich entsteht dadurch ein leicht schiefes Bild im Bezug zum Zitat. Die Protagonistin hegt Groll gegen Marrais Abservieren und gegen die "Nebenbuhlerin", die ihr die Rolle der Muse geraubt hat. Ich kaufe es deiner Protagonistin nicht ganz ab, dass sie laut Zitat nicht wusste, warum sie hinging und was sie wollte. Sie sieht in Lydie eine Angestellte (abwertend) und unterdrückt den Impuls (eine Wortwiederholung, die das Zitat vielleicht etwas mehr in die Geschichte einbetten soll?) Lydie sympathisch zu finden. Allein schon hier zeigt sich eine Voreingenommenheit und eine Unmöglichkeit, das es eine "ménage a trois" werden könnte.
Was ich generell vermisse, ist eine Emotionalität bzw. sind Innnenansichten in der Rückblende, was das Wiedertreffen mit Marrais angeht. Ist sie überwältigt, diesen bärenstarken Mann wieder zu sehen? Ist sie wütend? Geht geht in ihr vor? Stattdessen spürt sie seine Hände, seinen Mund, wie ein starker, warmer Wind. Und dann eine solche Äußerung von ihr
Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Ich deutete zur Tür, schnappte nach Luft und fragte: „Was ist mit ihr? Stört es sie nicht, wenn du mich küsst? So küsst?“
, die für mich gar nicht passt. Warum sollte die sich Gedanken um Lydie machen? Lydie ist ihr unsympathisch, steht für sie im Rang unter ihr (Angestellte) und ist eigentlich ein Fremdkörper, der zwischen ihr und Marrais steht.
Auffällig ist die Selbstbezogenheit deiner Charaktere, deine Protagonistin und Marrais sind Egoisten und ich frage mich, wie sich Marrais überhaupt in Lydie hat verlieben können. Für ihn ist sie eigentlich nicht mehr da, für deine Protagonistin die Nebenbuhlerin, die sie ihr Stöhnen hören lässt, um ihr zu zeigen, dass Marrais mit ihr nun das Bett teilt, und du entsorgst Lydie fast klanglos aus deiner Geschichte, ihre Fehlgeburt ist Marrais nichts wert, sondern stattdessen "schaufelt" er die Wut aus seiner Muse und findet zurück zu seiner Malerei.

Für mich hättet du viele Möglichkeiten gehabt das innere Hin und Her in deiner Protagonistin zu beschreiben, stattdessen verlierst du dich in Plakativem. Und auch wenn mir deine Idee mit der Extraktion der Wut in Kunst gefällt, so wäre das für mich eine andere Geschichte geworden. Die Leidenschaft, die du Marrais beim Extrahieren gibst, hätte ich mir durchgängig in deiner Protagonistin gewünscht. Irgendwie habe ich das Gefühl, hättest du Marrais oder auch Lydie als Hauptcharakter genommen und aus seiner/ihrer Perspektive erzählt, wäre deine Geschichte um einiges interessanter geworden.

Für sich allein finde ich die Ansätze gut und ich denke, ich hätte dich mit einem Punkt in meine Top10 aufgenommen, auch wenn deine Geschichte sehr konventionell verfasst ist. Aber das waren (mehr oder weniger) ein Großteil der Wettbewerbsbeiträge auch. Mir gefällt die Künstler/Muse-Idee und die Extraktion der Wut.

Gerne gelesen. Vielleicht magst du an deiner Geschichte noch feilen, lohnen würde es sich.

LG,
Constantine
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag23.11.2014 17:12

von Jenni
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Laughing Ja schau, hätte ich mal doch lieber nicht die Kommentare gelesen sondern selber fertig drüber nachgedacht, ob es echte Wunden sind. Wie gesagt irritierte mich ja deren Beschreibung schon arg.

Ich habe nichts von E und U gesagt, das möchte ich mal gleich von mir weisen. Nur, dass mir zuviel ausgesprochen ist und du dem Geschehen wenig erlaubst zwischen den Zeilen zu wirken. Oder es mir so vorkam ... Habe ich das deshalb zu wörtlich aufgefasst?
Meine Intention war jedenfalls sicher nicht, zu klassifizieren (wer wäre ich).

Ansonsten ... ich warte mal ab, schalte mich dann vielleicht noch mal ein.

LG!
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Rainer Zufall
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Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag23.11.2014 17:43

von Rainer Zufall
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Nur ganz schnell, Jenni, ich hätt mal besser lesen sollen, du hast tatsächlich nicht von E oder U gesprochen, da hab ich was in den falschen Hals gekriegt und deinen Hinweis auf den Nachhall und das zuviel Sagen in die Richtung interpretiert. Als negativ oder als irgendwie komische Klassifisierung habe ich deinen Komm aber gar nicht empfunden, im Gegenteil, sondern als Hinweise und feedback. Und ich wär total dankbar, wenn du mir ein Beispiel für das Zuviel sagen würdest. Das ist mir auch viel wihtiger als E oder U, das gibt zusammen eh nur EU. Also nur wenn du Zeit und Lust hast, klar, aber interessiert mich einfach. Und so ein bisschen verunsichert bin ich grad auch, weil der Constantine mit sicheren Kommentatorfingern in die Wunde piekst, die ich selbst schon befürchtet habe, das ist die Kürze des Textes und dass die Charaktere da nicht genügend Raum haben. Verstehst du?
Und Constantine, du sprichst da einen wichtigen Punkt an, ich komme ja eigentlich aus der Ecke, dass man viel längere Geschichten erzählt, Charaktere aufbaut, Beziehungen und ihr Geflecht zeigt. In vielem, was du geschreiben hast, hast du so ein kleines Kopfnicken ausgelöst. Eigentlich wollte ich viel deutlicher als hier zeigen, dass die Protagonistin ihr Mitgefühl, ihre Sympathie gegenüber Lydie abknipsen muss. Scheint nicht deutlich genug geworden zu sein.
Jetzt unabhängig von der 10 000 Beschränkung könnte ich den einen oder anderen Haken noch setzen. Und vielleicht geht das gar nicht, dass man so eine Sache in 10 000 Zeichen möglich macht. Vielleicht kann ich das ja auch nur nicht, gerade deswegen war mir dein Hinweis, Jenny, wichtig, dassich da zuviel vorgegeben habe.
Also schon wieder und nochmal ein Dankeschön, jetzt gings eigentlich anders weiter mit dem Antworten, denn eigentlich wär ja erst mal tronde drangekommen. Aber so gehts. Jetzt muss ich erst mal kochen gehen. Aber dann, wahrscheinlich erst morgen, ich verspreche es, gehts wirklich einzeln weiter.
Liebe Grüße von Zufall
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Einar Inperson
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Beitrag23.11.2014 17:48

von Einar Inperson
Antworten mit Zitat

Hallo Rainer,

die E U Frage lässt sich kaum abschließend behandeln. Einigen wir uns, dass dein Text keinem Genre zugerechnet werden kann. Welches sollte das sein?

Nichtsdesttrotz ist dein Text unterhaltsam.  Entwickelt einen Sog, der den Leser, mich als Leser, mitzieht, hineinzieht in die Obsession der Protas, einer Obsession, die keinen Blick für die Welt um sie herum zulässt. Zaghafte Versuche der Wahrnehmung der Aussenwelt werden  unterbunden.

Gleichwohl es nutzt nichts. Das Vergangene lässt sich nicht heraufbeschwören. Dafür bleibt die Schuld.

Ob dein Text Punkte bekommen hätte, ist müßig und wohl kaum noch unbeeinflusst zu klären.


_________________
Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
Einar Inperson in Anlehnung an Aris Kalaizis

si tu n'es pas là, je ne suis plus le même

"Ehrfurcht vor dem Leben" Albert Schweitzer
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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag23.11.2014 18:42
Re: Pinselstiche
von Constantine
Antworten mit Zitat

Liebe Rainer,
anbei in einem Teil deines Textes dick markiert, Vorschläge, was du weglassen könntest, weil vieles bereits im Kontext ersichtlich wäre.

Vom Text her bist du bei ca. 9180 Zeichen, mit den vorgeschlagenen Kürzungen hättest du einiges an "Platz" mehr für deine Überarbeitung,um auf deine Charaktere näher eingehen zu können und z.B. dieses Abknipsen der Sympathie und Mitgefühls gegenüber Lydie zu zeigen. Es sind jetzt nur Vorschläge für Kürzungen.

Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Pinselstiche

Die weichen, fleischfarbenen Wulste schmerzen nicht, da ist nur ein zartwehes Gefühl, wenn ich sie mit den Fingern ertaste und ihre Kuppen von rechts nach links verschiebe. Wie verrückte Ornamente ziehen sie sich über meinen Brustkorb. Ich verberge sie unter weißen Blusen, unter bauschigen Spitzen, die an den Rändern mit Paspeln eingefasst sind. Blusen, die mir das Gefühl geben, ich könnte noch einmal von Neuem beginnen.
Doch wenn ein Wort mich trifft oder ein Blick, erschrecke ich zutiefst, ich will wütend werden, mich wehren, aber ich weiß nicht mehr, wie das geht. Marrais hat mir meinen Zorn genommen, meinen Groll, ihn in Bilder verwandelt, in leuchtende Karmesinfelder und blaugischtende Formen.
Und ich taumele durch die Welt, hilflos, verwundbar, suche nach meiner Wut, suche nach Hass, suche nach dem, was mich ganz sein lässt.

 
Marrais.
Ich war seine Muse, seine Gefährtin, seine Schülerin, bis er sich entschloss, Lydie zu lieben.
Als ich las, ich solle kommen, hatte ich mir längst ein neues Leben aufgebaut. Voller Groll, doch ohne ihn. Er schrieb, es sei falsch gewesen, mich wegzuschicken, er könne nicht mehr malen, jetzt bekomme Lydie auch noch ein Kind.
Er brauche mich. Bitte. Wollte ich ihm helfen? Oder ihnen schaden? Ich verteidige mich nicht. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich wirklich wollte. Vielleicht war es ein Impuls unbewusster Loyalität oder die Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich ging hin.
Er wohnte einen Ort weiter, in Coligny. Als ich vor das Haus trat, in dem er mit Lydie lebte, kam sie mir schon entgegen. Eine große, dunkle Frau, die ich für eine Angestellte hielt, wäre da nicht der grotesk geschwollene Bauch gewesen. Sie reichte mir die Hand, weiß, schwammig, doch das Lächeln, das schief in ihrem Gesicht haftete, sah nett aus. Ich unterdrückte den Impuls, sie sympathisch zu finden, und fragte nach Marrais.
„Er ist im Atelier.“ Sie wischte eine Haarsträhne hinter das Ohr und zeigte auf eine dunkel gestrichene Tür. Ich hatte längst geöffnet, da hing ihre Hand noch immer in der Luft 
Marrais stand vor einem Bild, er trug einen farbverschmierten Monteursanzug, in der Hand hielt er drei Pinsel, deren Haare verklebt waren. Ungeduldig wedelte winkte er mich in den Raum.
„Lydie ist schwanger“, sagte er.
„Das hätte ich gar nicht gemerkt.“
„Lass das, es steht dir nicht.“
Und schon fühlte ich seine Umarmung, ein erstickendes, bärenhaftes Umschließen, das nach Farben roch und nach Schweiß. Ich spürte seine Hände auf meinem Rücken, seine Lippen, die meinen Mund aufbrachen, genauso ungestüm, wie er Brötchen mit den Händen zerteilte, um das Weiche herauszurupfen. Marrais. Ein Mann wie ein warmer, starker Wind.
Ich deutete zur Tür, schnappte nach Luft und fragte: „Was ist mit ihr? Stört es sie nicht, wenn du mich küsst? So küsst?“
„Sie merkt das gar nicht, sie ist viel zu beschäftigt damit, trächtig zu sein.“ Er sah traurig aus bei diesen Worten. Dann zeigte er mir seine Bilder. Aufeinandergeschichtete Kuben in schmutzigen Tönen, darin schlierige Öffnungen, in denen sich Schatten wanden. Die Farben waren matt, über allem klebte eine mehlige Schicht.
„Schmierst du jetzt Lebensmittel auf die Leinwände?“
Er zuckte mit den Schultern und starrte aus dem Fenster.
Wie kannst du so einen Dreck hinpfuschen“, sagte ich. „Wo ist der Glanz geblieben, der Schimmer der Haut, wenn du Menschen malst? Das hier“, ich suchte nach Worten, „sieht tot aus.“
Marrais drehte sich um. „Es ist tot“, sage er. „Ich krieg nichts mehr hin, seit du weg bist. Alles, was ich anfange, wird schal. Ich male Lehmstöcke, in denen Menschen brüten. Ich liebe Lydie, ich will Vater sein, aber ich weiß nicht, wie. Es ist gut, dass du da bist. Lass uns trinken und essen.“
Gleich darauf trat Lydie ins Esszimmer, sie hielt ein Tablett vor sich, als stütze sie damit ihren Bauch. Ihr Gesicht wirkte gedunsen und fleckig. Sie brachte Rotwein und Fleisch. Wir sprachen kein Wort.

Am Morgen half ich Lydie, weil Marrais nicht da war, und räumte danach das Atelier auf. „Schön sieht das aus“, sagte sie. „Er hat mir erzählt, dass du die Einzige bist, die genau weiß, wie er es haben will. Mich jagt er raus, wenn ich aufräumen will.“ Sie lachte unsicher.
„Das ist kein Wunder“, sagte ich, „ich war ja lange seine Assistentin. Bis er dich kennengelernt hat.“
„Und jetzt bist du wieder da.“
„Ja“, sagte ich.
In der Nacht, nachdem wir wieder schweigend gegessen hatten, kam Marrais zu mir. Aus dem Raum nebenan drangen leise Geräusche. Ein Stöhnen, vielleicht nur ein Schnarchen. Ich achtete nicht darauf. Ich war damals vor Kummer fast gestorben, doch das hatte keinen gekümmert. Und mit Sicherheit nicht Lydie.
Er küsste mich. Und während er mich umschlang, vernahm ich es wieder. Ein Wimmern und Stöhnen. Ich presste mich an ihn, bis ich endlich in seiner Bärengestalt versank. Irgendwann sagte er zu mir: „Ist das Lydie? Ruft sie?“
„Es ist nichts", flüsterte ich. "Nur die Geräusche eines alten Hauses.“ Dann verschloss ich seine Ohren mit meinen Küssen und mit meinem Stöhnen. Und tief in mir war da auch die Freude daran, Lydie meine Lust hören zu lassen und wie gut es ihm tat, bei mir zu sein.
Gegen Morgen hörte ich lautes Schreien. Marrais war fort. Lydie hatte eine Fehlgeburt erlitten, das Kind war tot. Er rief einen Krankenwagen, der sie Lydie abholte. Oder das, was von ihr übrig war. Ich sah sie davonfahren. Ihr blasses Gesicht. Die strähnigen Haare.

Er stand im Atelier vor einer Leinwand, die über und über mit Farbe bedeckt war. Sie tropfte herunter, sammelte sich in den Ritzen des Holzbodens. Staubgrün auf Rost, keine gute Farbwahl. Er sah hoch, als ich eintrat. Seine Augen sahen stumpf aus wie die Farben seiner Bilder.
„Jetzt habe ich nichts mehr“, seine Stimme erstarb.
„Du hast deine Kunst“, sagte ich. „Und mich.“
„Meine Kunst“, sagte er, „nennst du das Geschmiere Kunst? Und was soll ich mit dir? Da ist nichts, das weißt du. Ich dachte, wenn ich dich noch einmal liebe, wenn ich deine Sinnlichkeit spüre, deine Kraft, dann wüsste ich wieder, wie ich malen muss. Aber es geht nicht.“ Er schluchzte. „Ich habe nur alles verloren.“
Die Worte brannten in mir. „Na und“, sagte ich, „keine dreckigen Kuben mehr. Und Kinder kriegt man auch von anderen Frauen.“
Er sah mich an, als entdeckte er ein hässliches Insekt, dann wandte er sich ab.
„Die Sorge für Lydie fällt dir ja früh ein. Meine Kraft spüren", ich schnaubte, "bin ich deine Motivationsfotze?“ Das Brennen füllte meine Brust, zerriss sie. Mit Wucht trat ich gegen eines der Bilder. Ich liebte ihn, ich liebte ihn so sehr.


LG,
Constantine
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hobbes
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Beitrag23.11.2014 19:13

von hobbes
Antworten mit Zitat

Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Die Narben, die die Icherzählerin trägt, sind keine realen Narben.

Dann machst du es dir bzw. dem Leser aber unnötig schwer mit diesem doch sehr haptischen Anfang.
(Ich hatte noch dazu meine kümmerlichen Pinsel vor Augen - derart steif zusammengeklebt, weil nicht richtig sauber gemacht, da könnte man sicherlich ... na ja.)

Mit deiner Erklärung kann ich auch mein "Zwei-Geschichten-Problem" genauer definieren.
Da ist zum einen die direkte Begegnung Ich-Marrais.
Und dann der "wie geht das bzw. wie geht das nicht: Leben ohne Wut"-Teil. Mit dem habe ich so meine Probleme, weil er mir nicht verständlich wird, in dem Sinn, dass ich mitfühlen kann. Vielleicht tatsächlich wegen der Zeichenbeschränkung. Oder nein, weil sie es mir erzählt, erklärt. Das ist im direkten Begegnungsteil nicht so, daher gefällt der mir auch viel besser. Und daher will ich hier:
Constantine hat Folgendes geschrieben:
Was ich generell vermisse, ist eine Emotionalität bzw. sind Innnenansichten in der Rückblende, was das Wiedertreffen mit Marrais angeht. Ist sie überwältigt, diesen bärenstarken Mann wieder zu sehen? Ist sie wütend? Geht geht in ihr vor?

"Nein, nein, bitte nicht!" rufen.
Natürlich macht sie sich Gedanken um Lydie, natürlich weiß sie, was sie ihr antut.
Dafür reicht mir das hier:
Zitat:
Ich war damals vor Kummer fast gestorben, doch das hatte keinen gekümmert.

Und was soll denn in ihr vorgehen, warum muss man das aussprechen?
Natürlich, ich kann völlig daneben liegen, mit dem, was ich annehme, was in ihr vorgeht (Widerwillen, vor allem. Sie will da nicht hin. Muss aber. Weil sie ihn immer noch liebt, weil sie ihn verletzen will, wie er sie verletzt hat. Kann sie aber nicht).
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BlueNote
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Beitrag23.11.2014 21:47

von BlueNote
Antworten mit Zitat

Hi RZ!

Wenn in deinem Text vieles als Metapher stehen soll, müsste das am Anfang für den Leser deutlicher werden (dass es sich bei bestimmten Formulierungen tatsächlich um Metaphern handelt). Dein (symbolisches) Bild mit der Körperbemalung hatte ich übrigens so interpretiert, dass der Protagonistin durchaus körperlicher Gewalt angetan wird (allerdings nicht mit dem Pinsel, sondern, wie angedeutet, mit einem Messer). Dass hier psychische Gewalt gemeint ist, geht meines Erachtens aus dem Text alleine nicht zwingend hervor, zumal ja auch zu Beginn von Narben bzw. fleischfarbenen Wulsten gesprochen wird. Eine "symbolische" Narbe braucht in der Farbe nicht beschrieben zu werden. Hier würde das Bild der Narbe (resultierend aus früheren psychischen Verletzungen) durchaus genügen, ohne genauer auf Details einzugehen).

Meiner Meinung nach lässt sich dein Text nicht eindeutig (ohne Unterstützung des Autors) interpretieren. Wenn du möchtest, dass die Zusammenhänge für den Leser klarer werden, solltest du vielleicht doch auf die ein oder andere Methapher verzichten und lieber Klartext reden bzw. schreiben.

Ansonsten ist der Text durchaus interessant zu lesen und enthält viele ausgefallene Ideen.

BN
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Rainer Zufall
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Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag24.11.2014 08:58
Re: Pinselstiche
von Rainer Zufall
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Hallo tronde,
das war gut, dass du vorbeigeschaut hast, hat mich total gefreut. Und wenn der erste Gast dann noch jemand ist, der mit der Geschichte was anfangen kann, ist das umso schöner, auch wenn er dann letzten Endes doch nicht so ins Fließen kommt.

Psychotisches Erleben - ja, das triffts.

Zitat:
„Lydie ist schwanger“, sagte er.
„Das hätte ich gar nicht gemerkt.“ Kommt mir für Sarkasmus zu lang vor (Ach, wirklich?) Oder "Das habe ich ...", sie hat sie ja schon gesehen

Da überlege ich noch. Dieses "hätt ich" stammt wohl aus meinem persönlichen Sprachschatz, da steckt immer so ein unausgesprochenes "wenn du es nicht gesagt hättest" mit. Ich bin am Überlegen, ob ich deinem Kürzer-Hinweis nachgehen soll. Den Indikativ zu verwenden, das macht es ja nicht wirklich kürzer. Hmmm, also ich überlege.

Zitat:
Und dann reden sie im Atelier vom Essen und Lydie kommt ins Esszimmer, wie sind sie dahin gekommen? Minimallösung wäre vielleicht ein Absatz oder "Als Lydie kurz nach uns ins Esszimmer kam, trug sie das Tablett ..."

Oh ja, das ist echt der Hammer, komisch, dass man sowas doch immer wieder überliest. Und den Vertipper mach ich auch noch weg. Also Danke, das wird abgeändert. Auch das Schluchzen, hast wohl Recht, ist vielleicht eine Schippe zuviel.

Danke schön fürs Lesen und Finden. Hat mich sehr gefreut.
Bis denn
Zufall

Und Hallo hobbes,
vielen Dank für dein Auge und deine Eindrücke. Da sind ulkigerweise ganz viele Stellen dabei, die ich auch auf dem Schirm hatte oder über die ich mir unsicher war. Ich hatte dran rumüberlegt,  und mich entschieden, sie zu lassen.
Normalerweise nimmt man sich ja mehr Zeit zum Überarbeiten und lässt einen Text mal eine Zeit liegen, da findet man dann eh immer noch was oder räumt bestimmte Stellen um, die einem schon die ganze Zeit so eine gewisse Unruhe bereitet haben.

Aber erst mal muss ich loswerden, wie stolz ich bin, dass ausgerechnet du meinen Tonfall, die Figuren und die Stimmung grundsätzlich gelobt hast trotz Kritik im Einzelnen.
Liegt einfach daran, dass ich so ein bisschen Fan deiner Texte geworden bin. Und was gibt es Schöneres, als ein Lob von jemandem, dessen Sprach- und Schreibstil man fast als Vorbild hat. Ich finde, du hast sehr oft einen wahnsinnig guten Blick und eine wunderschöne Sprachmelodie, besonders die Geschichte mit dem unsichtbaren Hund, die könnte ich jeden Tag zweimal lesen.
Dass du ausgerechnet diese eine karge Stelle als Beispiel zitiert hast, ja, das hat mich auch total gefreut. Also ich finde nämlich da schwingt, ohne es auszusprechen, so wahnsinnig viel zwischen den beiden mit. Das hat einfach viel Spaß gemacht, da immer mehr zu reduzieren. Ich neige normalerweise viel eher zum Überborden, zum Weitschweifigen, zu Satzausuferungen, wird man bei meiner nächsten Geschichte auch bestimmt sehen, aber hier da hatte ich eben (auch durch die 10 000 Vorgabe) den Zwang, mich zu mäßigen. Und manchmal tut das gut, so sehr zu verknappen, und nur den Dialog wirken zu lassen.

Zitat:
Oder nein, ich fange mal mit den Pinselstichen an. Wegen der Narbenwulste überm Brustkorb dachte ich zuerst an Brustkrebs.
Ohne den Anfang hätte ich das Ende eher metaphorisch verstanden. Aber wenn sie Wulste hat, muss er sie ja tatsächlich mit dem Pinsel verletzt haben? Geht das? Kann ich mir nicht vorstellen. Aber vielleicht hast du das eh anders gedacht.

Tja, du hast wohl Recht. Ich weiß jetzt auch nicht mehr, welcher Gedankengang mich dazu angetrieben hat, es so haptisch zu lassen. Beziehungsweise nicht schon hier einen Hinweis auf das Unsichtbare der Narben zu geben. Also ich merke jetzt, dass ich dadurch Leser in die Irre führe, Bluenote hat das ja später auch noch mal gesagt.
Ich war wohl auf dem Trip, dass die Leser es über die Pinselstecherszene verstehen werden, dass auch der Beginn metaphorisch ist, Und was ich mir als Aha-Erlebnis gewünscht hatte, als nachträgliches, ach so war das, das kann genausogut Irritation oder Stolpern werden. Erst war ich noch ein wenig im Schwimmen und hab überlegt, ob ich nur am Ende den ganz deutlichen Hinweis gebe - oder eben gleich. Ich bin noch ein bisschen stur, aber du und Bluenote und Jenni, ihr seid alle drei aufmerksame Leser, ich glaub, da muss ich eurem Stolpern einfach mal trauen.

Zitat:
Und mit der Wut, die er ihr genommen hat - so ganz aufgehen tut das für mich auch nicht. Irgendwie scheint mir das noch mal eine andere Geschichte zu sein.
Wenn ich auch die Wut metaphorisch verstehe - als einen Teil von ihr, den er ihr genommen hat, der kaputt gegangen ist - tja, dann erschließt sich mir das hier nicht wirklich:

Tja, du hast ja geschreiben, dass die Geschichte für dich eigentlich zwei Gesch. sind. Hier begründest du es eher inhaltlich, später dann mit dem Argument das eine sei zuviel tell, zu viel erzählt und erklärt, zu wenig gezeigt. Letzteres kann ich als Argument nachvollziehen. Dir gefällt ja auch die Mittelsszene, wenn die drei Personen aufeinander treffen, besser, und mir ja auch. Das ist ja auch das Kernstück der eigentlichen Geschichte.
Der Leben-ohne-Wut-Teil, ja, mit dem kann man nicht mitfühlen, so war es auch nicht gedacht von mir, sondern einfach als das Benennen einer Folge. Und vielleicht gebe ich dem zuviel Raum.  Also da brauch ich noch ein bisschen Entscheidungszeit.  
Das Thema war ja Aufbruch und die Nacht da bei dem Maler, der bricht sie psychisch auf, ihre Schuld, ihre Besessenheit, Marrais Kunstbesessenheit, die führen dazu, dass sie aufgebrochen  und sie nur noch von Angst beherrscht wird. Und dieses Thema oder diese Lösung will ich natürlich auch nicht über Bord schmeißen, das wüde ja eine ganz andere Geschichte sonst werden.

Vielleicht wird es insgesamt runder, wenn ich in dem Leben ohne Wut-Teil kürzer werde. Das überdenke ich wie gesagt im Moment.
Jedenfalls war ich  unendlich dankbar für deinen Hinweis im zweiten Post, die Innensichten der Icherzählerin nicht noch genauer zu beschreiben. Mich hatte dein Argument, constantine, sehr verunsichert, weil ich normalerweise auch eher dazu tendiere, sowas in eine Geschichte mit hineinzunehmen, und es gibt ja auch gute Gründe dafür, aber hier ist es anders. Meine Intention hier war, die Innensicht sehr knapp und karg zu halten. Sie nur über Hinweise zu geben, und die gibt es ja auch im Handlungsteil. Hinweise zu dem Punkt, dass das Ich sehr wohl weiß, was es da tut, die Frau unterdrückt ihre mitleidigen Regungen ja geradezu, dann hat sie diese aber auch gehabt. Es ist halt nicht expliziert, aber das wollte ich hier auch nicht, wollte es karg lassen.
Also Danke hobbes, dass du dich noch mal gemeldet hast, den Punkt hab ich jetzt einfach klarer. Im Handlungsteil werde ich nicht weiter auffüllen.
Ich war glaube ich so sehr verunsichert, weil erstens einige schreiben, dass ich die Charaktere zu wenig ausgebaut hätte, die beiden Hauptfiguren wurden ja als unsympathisch empfunden. Das sind sie ja auch. Trotzdem steh ich dazu.
Und auf der andern Seite kam auch das Argument, ich würde übererklären. Das hab ich einfach nicht zusammengekriegt, wie kann ein und dieselbe Sache zu wenig und zuveil sein. Aber vielleicht ist dein Hinweis auf die zwei Geschichten, hobbes, ja der Punkt.

Zu den Personen noch: Also ich lege eigentlich immer wert darauf, dass man die Handlungen meiner Figuren nachvollziehen können muss, und ich denke, das kann man schon. Die sind beide auch nicht einfach nur böse, und an der Hauptfigur sollte man eigentlich, wenn man ein bisschen zwischen die Zeilen schaut, durch die  durch die Art, wie sie Lydie beschreibt, merken, dass ihr Blick auf sie ambivalent ist. Sie sieht, was sie da tut, knipst sich das Mitgefühl aber ab. Und auch die Art, wie sie die andere Frau beschreibt, an der sollte man eigentlich auch bemerken können, dass sie sehr wohl wahrnimmt, was sie da angerichtet hat. Ich denke, das kommt raus. Und ich befürchte, ich mache mir das Karge kaputt, wenn ich da jetzt in die Vollen gehe.
Die Gründe,die sie hat, hinzugehen, sind die, die du genannt hast, hobbes, sie will da eigentlich nicht hin, sie will die ganze Situation nicht, aber sie muss hin, weil sie den Kerl braucht, das trifft es ganz gut. Vielleicht macht sie sich auch die Hoffnung, sie könnte nur wieder seine Muse sein, sie fühlt sich auch gebauchpinselt durch seine Bitte um Hilfe. Und ist es nicht so, dass man manchmal glaubt, man könnte mit einer Situation umgehen, die einen dann doch überfordert?

Also im Moment tendiere ich dazu, den Anfang zu ändern, dass man das Symbolische deutlicher merkt, hast schon Recht, hobbes und du auch Bluenote,  man muss es dem Leser ja nicht unnötig schwer machen. Den Ohne-Wut-Teil werd ich noch mal kritisch prüfen, ob ich da was kürzen kann oder weniger erkläre.

Zu dem Kleinkram noch:
Da sind eh viele Sachen dabei die ich mir noch überlege oder tatsächlich abändern werde.
Bei einigen Sachen bin ich im Zweifel:

Zitat:
Zitat:
Er wohnte einen Ort weiter, in Coligny.

Wie, was, nur einen Ort weiter? Ein neues Leben aufbauen hätte ich mir irgendwie ... größer, revolutionärer vorgestellt.

Naja, das genau wollte ich sagen, dass das mit dem neuen Leben so ein bisschen eine Farce ist. Sie hat es eben nicht besonders weit geschafft, sich von ihm abzunabeln, sie macht sich was vor.

Zitat:
Wischen finde ich unpassend. Das orangefarbene finde ich missverständlich formuliert, vor allem ohne ein "sie". Außerdem frage ich mich, wie sie die Hand noch sehen kann, wo sie doch längst an Lydie vorbei ist.

Da musste ich lachen. Als ichs abgeschickt hab, dachte ich grad noch, ob das wohl geht, dass man die Hand noch sieht, ich habs dann gelassen, weil ich die beiden Frauen dadurch beschreiben konnte, dass die eine so forsch ist und die andere eher zögerlich, ängstlich, ihr das Heft aus der Hand genommen wird. Aber ich überleg.


Zitat:
Gleich darauf trat Lydie ins Esszimmer, sie hielt ein Tablett vor sich, als stütze sie damit ihren Bauch.

Ich kann mir leider nicht vorstellen, wie ein Tablett einen Bauch stützen soll.

Hmm, so ein Mist, ich habe es gewusst. Aber da bin ich noch stur, es gefällt mir als Bild einfach noch zu gut,  Du legst den Finger echt genau immer auf die Stellen, die ich schon im Hinterkopf mit so einem kleinen Fragezeichen versehen hatte. Will ja eigentlich auch eine Mege sagen mit dem Bild. Vielleicht kriege ich es ja eleganter hin.

Hobbes, du hast mir sehr weitergeholfen. Nicht nur mit deinem Finger auf den unsauberen Stellen. Ich geh die jetzt alle nochmal durch und überlege, manche stehen geistig eh schon auf der To Do-Liste. Nee, du hast mir auch sehr durch deine Hinweise auf den Anfang weitergeholfen und auch bei meiner Verunsicherung, ob ich nicht doch die ganze Mittelszene total ausbauen und um innere Monologe ergänzen sollte, die die Icherzählerin in Bezug auf Marrais und Lydie hat.

Euch beiden tronde und hobbes noch mal tausend Dank und bis denn.
Zufall
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Rainer Zufall
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Alter: 70
Beiträge: 801

Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag27.11.2014 08:29

von Rainer Zufall
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Und weiter gehts mit den Antworten,

Hallo Bluenote,
fand ich schön, dass du vorbeigeschaut und deine Eindrücke dagelassen hast.
Ich musste auch ein bisschen lachen, als ich deinen Kommentar las, denn ich hatte vorher schon damit gerechnet, dass die UE-Schiene angelegt wird und ich hatte auch mit mit selbst gewettet, wer es sein würde. Also echt, Bluenote, musst du so vorhersehbar sein? Die Smileyflut, um dir das als Witz zu verdeutlichen, kann ich mir bei dir ja sparen, aber ich fand das einfach nett, wie du so schön argumentiert hast, dass mein Text schlauer ist als ich und mir den falschen Sendeknopf unter die Finger schiebt.
Zitat:
vielleicht wollte sich dein Text einfach nur weigern, an einem E-Wettbewerb teilzunehmen, weil er zu 100 % U ist?

Bluenote, Bluenote, wusstest du denn nicht, dass Aberglauben Unglück bringt?

Du schreibst, die Protagonisten seien dir unsympathisch gewesen. Stimmt, sind sie auch, aber ich denke, ich habe das nicht so übertrieben,, wie du das schilderst, manchmal gibt es im Text Hinweise, dass beide durchaus ein gewisses Empathiemaß besitzen, sich dessen bewusst sind, was die da eigentlich tun, aber es eben wegen ihrer Getriebenheit und die Selbstbezogenheit direkt abschneidenen. Ansonsten hat da hobbes mir glücklicherweise die Antwort in ihrem Post schon unter die Feder gelegt: Die beiden können nicht anders, sie sind Arschlöcher, aber Arschlöcher mit ein paar Ecken und Kanten und Schichten, und sie sind nachvollziehbare Arschlöcher.

Danke für das Lob, was Sprache betrifft, allerdings suche ich noch nach der Liebesszene, die dir so missfallen hat. Ich hab nämlich gar keine geschrieben, sondern nur eine angedeutet und das einzige, was in der Szene groß rauskommt, ist, dass die Icherzählerin fast mehr an die Rivalin im Nebenzimmer denkt als an die Liebe. Finde ich jetzt nicht direkt kischig.
Also ich würde mich freuen, wenn du mir sagen würdest, welche Formulierungen dir denn so viele E-Literatur-Falten auf die Stirn getrieben haben, denn so kann ich eigentlich nichts mit der Bemerkung anfangen, außer, dass du sie Pfui fandest. Okay, hab ich realisiert, frag mich aber halt immer noch, was du gelesen hast.

Zitat:
Die Malorgie hingegen mochte mir nicht so recht einleuchten, zumal sie ja mit einer gehörigen Verletzung und einem nicht auszumalenden körperlichen Schaden für die Protagonistin einherging (wie gut hat sie eigentlich die anschließende Blutvergiftung weggesteckt?).

Dazu hab ich ja schon in der Sammelantwort geschreiben und du hast mir zurückgeantwortet, dass ich das klarer machen soll, damit die Leser nicht reinfallen. Ja, da hast du recht, das habe ich wohl so völlig falsche eingeschätzt, hatte ich einfach nicht erwartet.

Zitat:
Nun, dass das kein E-Text ist, wurde mir schon klar bei dem Begiff "zartwehes Gefühl".

Weiß ich nicht, ob nicht auch heute als kitschig verschriene Wörter in älterer E-Literatur vorkommen. Woher weiß du das so genau? Ich wär mir da an deiner Stelle nicht so sicher. Auch die Art, wie E-Texte geschreiben sind, ist eine Mode- und Zeitgeistfrage. Und ich finde, du hast da auch falsche Erkennungssignale, oder machst es dir etwas leicht, einen Text zu etikettieren. Aber das lass uns woanders besprechen, ist ja ein anderes Thema, denn dir geht es ja hier um den Gebrauch des Wortes zartweh. Also ich hatte schon eine bestimmte Überlegung gerade mit dem Gebrauch dieses Wortes, es gehört normalerweise nun wirklich nicht zu meinem Sprachsschatz in Geschichten. Ich denke auf jeden Fall drüber nach, denn dass es dir aufgefallen ist, ist ja ein Hinweis für mich und ich war von Anfang an so ein bisschen am Rumüberlegen. Und jetzt, wo ich eh nachdenke, wie ich das mit dem Anfang mache, vielleicht fällt es der Veränderung dann eh zum Opfer.
Zitat:
Aber er muss ja jetzt kein E-Text mehr sein, sondern darf im U schwelgen, wie er mag. Das ist zwar nicht ganz mein Geschmack. Ich habe dann aber zumindest den recht soliden Schreibstil genossen.

Also danke für den soliden Schreibstil und Danke fürs Vorbeischauen. Halt die Ohren steif und den Kopf frei und arbeit nicht so viel, jedenfalls nicht so viel wie ich das grad tu.
Lass es dir gut gehen.
Zufall

Und Gruß auch noch mal an Hobbes fürs Antworten, was die beiden Unsympathlinge in meiner Geschichte betrifft. So hatte ich das auch gemeint.

Und Hallo Rieka,
als ich merkte, dass ich selbst dich, die die Geschichte ja in meinem Sinne erfasst hatte, am Anfang auf eine falsche Fährte gelgelockt hatte, wars dann eigtnlich fast schon klar, dass ich was ändern werde. Mittlerweile bin ich auch sicher, dass ich das direkt am Anfang mache, hab aber noch nicht geschrieben.
Ich war ziemlich froh, als ich deinen Post sah, ich war nämlich mittlerweile schon sehr an mir selbst ins Zweifeln geraten, ob man die Geschichte überhaupt verstehen kann.
Danke für deine lobenden Worte, ging runter wie Kaffeemarmelade.
Viele Grüße

und bis denn an euch alle drei.
Bis die Tage
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lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

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Beitrag28.11.2014 15:45

von lupus
Antworten mit Zitat

Es tut mir leid, dass ich erst so spät hier vorbei schaue. Vieles wurde schon gesagt, und - seltsam - ich würde dem meisten widersprechen wollen, nehme nur ein paar Punkte heraus:

tatsächliche Narben?:

die Tatsache, dass die Prota zu Beginn so tut, als handle es sich um echte Narben, entspricht ihrer Wahrnehmung, verwirrt aber in der Tat.
Aber: das reizvolle an diesem Text ist, dass sichim Laufe des Lesens immer mehr herausstellt, dass es Wunden an der Seele sind (ach wie schön pathetisch Wink). Dass die Prota diese Wunden auch noch beschreibt (haptisch und optisch) zeigt mE wie sehr sie darunter leidet. Und stilistisch ist das einwandfrei - der Text würde alles verlieren, bliebe diese Beschreibung aus, denn das eben ist der Blick ins Innere der Prota.

Im Prinzip vermittelst du hier eine Klimax: du stellst die psychischen Verletzungen als die schlimmere Variante dar, mit dem Höhepunkt am Ende des Textes. Mit der Farbgebung zu Beginn machst du die seelischen Verletzungen unsichtbar - und genau das sind sie, aber schmerzhaft. Die schlimmste innere Verletzung ist das Phlegma gegenüber der Welt - der Mangel an Fähigkeit zu grollen.

nur ein Dorf weiter:

du greifst hier das alte romantische 'so nah und doch so fern' auf, verdrehst es aber ins Gegenteil: Nicht das:" ich lieb dich obwohl du so weit weg bist", sondern: "Egal wie nah du mir bist, ohne dich geht's mir besser".

unsympatische Protas:

gut so. Ist nicht eines der Charakteristika der Trivial- oder Schemenliteratur die Zeichnung von schwarz-weiß-Charakteren, die Darstellung von Personen, die des Lesers Erwartungen erfüllen? Hier gehst du einen durchaus entgegen gesetzten Weg.

gut, sprachlich gibt es vlt die eine oder andere Minimal-Schwachstelle, da aber herum zu tüfteln schient mir ein bisserl  sehr weit her geholt.


Also, das war jetzt nicht alles, aber zumindest ergibt sich für mich folgendes kurze Fazit: ein guter Text, eine Geschichte, die E-Kriterien mE durchaus zu erfüllen mag.Gut geschrieben ist das ganze: mir gefällts und ich habs gerne gelesen.

lgl


_________________
lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

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rieka
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Beiträge: 816



Beitrag28.11.2014 20:59

von rieka
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@Rainer
hach, schön, dass meine Möglichkeit (Gefühlsgeleitete Leseeindrücke lt. SL) mich zu beteiligen (Stilanalyse raff ich partout noch nicht) dir hilft.


@Lupus
Dein Kommentar freut mich. Du formulierst differenzierend, wie es mir noch nicht gelingt.

Ich kann nicht nachvollziehen, warum sofort aus Worten deutlich werden sollte, dass es sich nicht um eine physische Narbe sondern um eine psychische handelt.
Sind doch die psychischen Prozesse häufig unbewusst, versteckt und manchmal mehrdeutig oder missverständlich. Warum sollte das beim Schreiben nicht erkennbar werden. Gerade das macht für mich den Reiz, auch dieses Geschehen in Worte zu fassen, aus. Gerade das finde ich spannend. Es erfordert halt oft ein 'zwischen den Zeilen lesen' beim Beobachten. Und es entlässt manchmal eine Unsicherheit zurück. Auch das finde ich spannend, diese Fragen "ist es wirklich so"?
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firstoffertio
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Beitrag28.11.2014 22:33

von firstoffertio
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Leider gefällt mir das gar nicht so sehr. Es kommt bei mir zu konstruiert, erzählt an, zu sehr so, als ob der Text einer Geschichte wegen so ist wie er ist. Ich kann keine der Figuren wirklich nachvollziehen. Tut mir leid.
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Mardii
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Beitrag29.11.2014 19:25

von Mardii
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Hallo Frau Zufall,

der Titel und das Malermillieu machten mir die Geschichte zuerst schmackhaft. Eine Dreiecksgeschichte, hrm, da kam schon eine Ahnung auf, wo das hinläuft, nur hoffte ich, da E war, es käme etwas anderes dabei heraus.
Teilweise liest sich die Geschichte hochdramatisch und -da muss ich Blue zustimmen- kochen die Gefühle wie in einem Liebesroman. Die Umkehrung der Vorzeichen, dass die Erzählerin offenbar die Schlechte ist und die Kontrahentin das arme Mädchen, das ausgestochen wird, bewirken doch zum Teil, dass wider Erwarten das Geschehen einen anderen Verlauf nimmt. Doch der irritierte mich.

Ich las den Ausbruch des Malers ebenso wenig symbolisch. Er erschien mir mehr irrsinnig, nachdem die Erzählerin den Tod des Kindes mitbewirkt hatte. Vielleicjt auch als Reaktion, weil er sich selbst schuldig gefühlt hatte. Und als große Attitüde des Künstlers, etwas umzumünzen, die Wut in erotische Anziehung.

Etwas anderes sehe ich in der Bezeichnung Pinselspitze. Denn die Spitze des Pinsels ist ja die Seite womit man malt. Nur kann die Metallhülse in der die Haare gehalten werden, zu solchen Verletzungen führen, wie am Anfang beschrieben.

Also, ich bin etwas hin und her gerissen. Stilistisch gefällt mir der Fluss, aber ich finde es auch etwas dick aufgetragen.
Der Schluss kommt für mich deshalb überraschend, weil der Maler in meinen Augen einen Ausbruch der Zuneigung hatte, als er den Körper der Erzählerin malträtierte. Ich fragte mich deshalb, warum sie am Schluss so allein und gebrochen ist.

So, ich hoffe, du konntest etwas mit meiner Kritik anfangen und sie war nicht etwa zu hart und ungerechtfertigt.

LG Mardii


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BlueNote
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Beitrag30.11.2014 09:46

von BlueNote
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Hi Rainer!

Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:

Also ich würde mich freuen, wenn du mir sagen würdest, welche Formulierungen dir denn so viele E-Literatur-Falten auf die Stirn getrieben haben, denn so kann ich eigentlich nichts mit der Bemerkung anfangen, außer, dass du sie Pfui fandest. Okay, hab ich realisiert, frag mich aber halt immer noch, was du gelesen hast.

Ich habe deinen Text jetzt noch einmal gelesen und dabei vor allem in der ersten Hälfte viele Dinge gefunden, die mir ausgesprochen gut gefallen haben. Meine persönliche, überaus empfindlich eingestellte U-Detection macht beim Lesen aber immer noch überdeutlich große Ausschläge. Thematisch und oft auch formulierungstechnisch hast du dich m.E. bei deinem Beitrag fast ausschließlich auf der U-Schiene bewegt. Einzig (IMHO) eine Zutat hinzugefügt (die Symbolik), die den Text (für den Wettbewerb) "E" machen sollte. Allerdings ist, wie gesagt, die Symbolik für mich gar nicht unbedingt als solche zu erkennen (bzw. der Sinn nicht ganz eindeutig), zweitens halte ich "Symbolik" (ich sage auch gerne "Verschlüsselung" dazu) genauso wenig "E", zumindest wenn sonst alles drumherum "U" ist.

Na ja, der Text will "E" sein, der Autor möchte, dass er "E" ist, der große lupus meint, er könnte "E" sein. Somit könnte man sagen, ich sei von der Gewalt des Faktischen (= lupus) überstimmt (oder so). Ich finde aber dennoch Vieles daran "U". Immer noch!

Aber ist das eigentlich wichtig?

Na ja, dir anscheinend. Also dann halt weiter mit U/E-Diskussion (Maria sagt immer "diese leidige U/E_Diskussion"): Vorausschicken möchte ich, dass ich deinen Text inzwischen immer mehr mag, bzw. zu schätzen weiß (zumindest die erste Hälfte).
In einem E-Text würde ich beispielsweise auf folgende Formulierungen verzichten:

Dann verschloss ich seine Ohren mit meinen Küssen und mit meinem Stöhnen.
Lydie meine Lust hören zu lassen
wenn ich deine Sinnlichkeit spüren
Das Brennen füllte meine Brust, zerriss sie.
...

Die Beschreibung der "Gefühlswallungen" der Protagonisten machen u.a. den Text für mich zu einer U-Geschichte. Dann das für U typische Thema: Wer liebt wen und wer liebt wen nicht? Die übersteigerte Beschreibung von Gefühlen, die blumigen Formulierungen, die wenig zurückgenommene Sprache.
Zitat:

Weiß ich nicht, ob nicht auch heute als kitschig verschriene Wörter in älterer E-Literatur vorkommen. Woher weiß du das so genau? Ich wär mir da an deiner Stelle nicht so sicher. Auch die Art, wie E-Texte geschrieben sind, ist eine Mode- und Zeitgeistfrage. Und ich finde, du hast da auch falsche Erkennungssignale, oder machst es dir etwas leicht, einen Text zu etikettieren.

An meiner Stelle bin ich mir aber einfach sicher. Wie E-Texte früher geschrieben wurden, habe ich dabei nicht berücksichtigt. Es ist eben meine innere U-Detection, die mich so sicher macht. wink Deswegen mache ich es mir leicht, Texte zu etikettieren. Das aber nur für mich. Andere sollen sie etikettieren, wie sie es meinen.
Aber ... da fällt mir gerade (aktuell) ein: Ich etikettiere Texte, andere Personen. Da ist es mir doch viel sympathischer, Texte, anstatt Personen zu etikettieren.
Damit mir dein Text zu 100 % gefällt, müsstest du schon ein paar Dinge ändern. Aber wozu?! Wenn dir der Text so gefällt, wie er ist, ist das doch in Ordnung. Mir gefällt Vieles, aber nicht alles. Das ist aber auch ein Stück weit Geschmackssache. Und bei mir macht sich der "Geschmack" eben hauptsächlich an solchen Dingen wie der U/E Kategorisierung fest.

Dennoch möchte ich sagen, dass du (bis auf Ausnahmen) den Text großartig geschrieben hast. Beim zweiten Mal ist mir dein mit Sicherheit vorhandenes Schreibtalent noch mehr aufgefallen. Es sind Details, die den Text schön machen (allerdings auch Details, die diesem positiven Eindruck wieder entgegenwirken).

Na ja, gut gemacht ist der Text auf jeden Fall. Interessante Konstruktion! Vielleicht würde es dem Text gut tun (zumindest hinsichtlich "E"), wenn du deiner Protagonistin nicht so sehr auf die Pelle rücken würdest, d.h. ihr Innenleben nicht so emotional ausbreiten (und auf die etwas krude Symbolik verzichten) würdest?

BN
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