Buddha today

[mahisha]

In einer Duftwolke
verfilzt sich das Haar
mit der Zeit tragen
Fingernägel Trauer und
die Bettelschale
aus Plastik mitten
auf dem Gehweg
erzwingt sich die
Aufmerksamkeit
blickloser Füße

der Hund auf der
Wolldecke verschläft
wohlgenährt den
Wimpernschlag
dieses Augenblicks

[Jocelyn]

Liebe mahisha,

das ist eine Lyrik, dir mir sofort gefällt. Du zeichnest ergreifend die demütigende Stimmung, auf eine milde Gabe angewiesen zu sein.

Die Verbindung der Vorrübergehenden mit dem Hund über das Bild der blicklosen Füße ist sehr subtil. Dadurch wird das Gesellschaftskritische deines Gedichtes aber um so eindringlicher.
Du drückst für mich aus, dass wir genau hinschauen müssen, um die Not der Mitmenschen auch wirklich zu sehen. Tun wir es nicht, sind wir nicht Mensch.
Dann blinzeln wir höchstens kurz, wie der Hund, froh darüber, selbst satt geworden zu sein. Aber wer ist schon gerne ein Hund? Wenn man den Begriff noch weiter fasst, eben als Schimpfwort, würde es keiner wollen. Und doch laufen die meisten vorbei. Wer würde das leugnen.

Gerne gelesen, ich finde, dein bisher bestes Gedicht, lieben Gruß, Jocelyn

Edit: Vielleicht kannst du den Titel noch erläutern, den habe ich in meiner Interpretation vergessen, aber ich verstehe ihn auch nicht so richtig, auch wenn ich eine Ahnung habe. Danke.

[The Brain]

Liebe mahisha,

sehr gelungenes Kleinod, das eindrucksvoll nachdenklich stimmt!

Liebe Grüße

The Brain

[Kristallkind]

Warum heißt dein Gedicht Buddha today?

[mahisha]

Hallo Ihr,
vielen Dank für eure Kommentare.
zu Jocelyn : Es freut mich sehr, daß mein Text dich eingeladen hat, eigene Interpretationen zu finden.Sie sind in sich stimmig und so ganz anders als meine Intentionen, es zu schreiben. Ich wäre neugierig,was dir zu dem Titel einfällt.
zu The Brain : Schön,dich wieder zu haben.Ich schreibe dir ausführlicher
in der Geschichte.
zu Kristallkind : Deine kurze Frage ohne Kommentar hat mich nachhaltig zum Grübeln gebracht. Hier ist meine Antwort zu dem,was du nicht geschrieben hast.(Nur meine Phantasie,wenn sie falsch ist, bitte  vergessen).
Meine Lebenshaltung als Mensch und Autorin ist, daß jedes Wesen (und nicht nur der Mensch) einen Wert hat.Hat Buddha,wenn man seine Geschichte kennt,nicht genau so ausgesehen wie mein Protagonist ? Nur wenn ich voller Vorurteile bin, erkenne ich die Weisheit eines Menschen der z.B. auf der Straße lebt nicht.In meinen Texten beschreibe ich nur was ich sehe, Wertungen und Vorurteile überlasse ich anderen. Dadurch lerne ich meine Leser gut kennen. Wenn meine Texte verschiedene Standpunkte verdeutlichen und bewußt machen,bin ich sehr zufrieden.

[Kristallkind]

Gut. Dann habe ich dein Gedicht richtig verstanden:).
Ich hab die Geschichte des kleinen Prinzen Siddharta letzt erst wieder gelesen. Irritiert hatte mich nur, dass Buddha ja nicht nur ein Bettler war. Aber durch deine Erklärung versteh ich jetzt deine Absicht. Du hast Buddha als Bettler ohne Erwartung skizziert, der völlig vorurteilslos den Menschen begegenet:). Schön.

[Jocelyn]

Ich bin dir, mahisha, noch meine Assoziationen zum Titel schuldig.

Ich hatte die bettelnde Alte nicht mit einer Buddhafigur verbinden können. Für mich hatte sie das Bild eines Häufchen Elends. Eine Buddhafigur hat Haltung, innere Größe, Ausstrahlung. So sitzt kein Bettelnder da.

Buddhismus ist eine heute moderne Glaubensrichtung der Intellektuellen, der Schöngeistigen. Vielleicht auch eine Form von Sehnsucht. Ich kenne einige, die ihm nahestehen, kann mich selbst auch mit der Glaubensform anfreunden, ohne sie aber bewusst zu pflegen. Nur einige Bücher, Mainstream, habe ich konsumiert.

Ich denke, der Konsum ist das Problem. So habe ich das today verstanden. Da laufen also die Wohlgenährten vorbei, haben vielleicht am Morgen noch eine Stunde meditiert, aber sind dann doch in diesem Moment auf der Straße unachtsam. Halt Buddha today. Eine Art verlorener Buddha, den wenige meinen, zu haben, aber eben doch nicht.

Schönen Gruß, Jocelyn

[mahisha]

Hallo Jocelyn, du warst mir nichts schuldig. Ich habe mich nur über deine Gedankenspiele gefreut.
Wenn nur zwei Worte dazu anregen können,daß sich einige Menschen für einen Moment dafür interessieren, was ein Buddha ist und was nicht, bin ich zufrieden, an diesem "Austausch" teilgenommen zu haben.
Ich habe den mittleren Weg des Buddha so verstanden, daß er viele Jahre als Bettelmönch durch die Lande zog um zu lernen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein und das in jedem von uns dieses Potential angelegt ist.
Sind nicht auch wir Dichter/innen und Denker/innen immer auf der Suche, den Sinn,wenn es denn überhaupt einen gibt, des Lebens zu ergründen und ganz persönliche Antworten zu finden ?
Aber vielleicht ist das ja alles Blödsinn und wir denken zuviel und zu verschroben und zu verbohrt ?
Egal, schön, ein bißchen von dir kennengelernt zu haben.
LG   mahisha

[Kristallkind]

Ich glaube nicht, dass dieses Denken verschroben und verbohrt ist. Ich finde die Kernidee des Buddhismus, dass in uns allen die Buddha-Natur zu finden ist, eine wunderschöne Vorstellung. Es regt uns Menschen an, jeden Tag an uns zu arbeiten und unseren Geist ebenso zu schulen, wie wir unseren Körper zufrieden stellen. Wenn dann nach Jahren ein etwas achtsamerer Mensch aus uns wird, der vielleicht etwas mehr Liebe und Mitgefühl für alle Lebewesen dieser Welt kultivieren kann, dann ist das nicht ein mal schöngeistig, sondern (so meine Auffassung) der einzige Weg zu dauerhaftem und wahrem Glück für uns alle:)

[Jocelyn]

Ehrlich gesagt kommt mir gerade der Verdacht, dass wir hier etwas verkrampft einen nicht passenden Titel für ein eigentlich gelungenes Gedicht auf einen passenden Titel zurechtzimmern wollen. Erzwungende Aufmerksamkeit. Vielleicht habe ich ja was falsch in Erinnerung? War da nicht etwas von Absichtslosigkeit im Buddhismus? Aber vielleicht verwechsel ich das mit dem Zen-Buddhismus?

Ich vermute, die Diskussion driftet etwas ab. Sorry.
Sicher sucht ein Dichter auch Sinn. Ich für meinen Teil suche nach Worten, die das ausdrücken, was ist, mit und ohne mir. Sinn wäre für mein Verständnis eher ungeklärt.

Na ja, viel Spaß noch,

 

[mahisha]

mir hat das Abdriften gefallen,aber es stimmt, das gehört hier nicht hin.
Dir noch einen schönen Sonntag wünscht
mahisha

[mahisha]

Liebes Kristallkind,
du hast auch meine Lebensmaxime haarscharf auf den Punkt gebracht. Freiheit für alle Andersdenkenden.
Aber auch Jocelyn hat Recht, kehren wir zum Sinn dieses Forums zurück, was immer es für den einzelnen bedeutet.
 Einen freundlichen Sonntagabend wünscht dir     mahisha

[Perry]

zu deinen Schlussworten fällt mir eine Aussage von Britta Meletz aus ihrem Gedicht Bound ein:

"einen Augen-Blick einzufangen,
in dessen Wimpernschlag,
sich das ganze Sein wiederfindet."

Ich denke, darin liegt ein wenig von der Betrachtung des Budhismus, wobei ich mich da weniger auskenne.

Im Gedicht selbst sehe ich einen Bettler mit einem Hund, an dem die "blicklosen" Füße vorbeiziehen.
Etwas konträr empfinde ich die "Duftwolke" und das "wohlgenährt", aber das liegt vermutlich an dem unterschiedlichen Status den Bettler bei uns und anderswo haben.

LG
Perry

[mahisha]

Danke für deine Sicht auf das Gedicht, Perry.
Ich sehe oft, daß die Hunde von Bettlern besonders gut gepflegt sind, es gibt auch eine "Tier - Tafel.
LG mahisha