[KGe] Aileen

[Hollow]

In einer Gegend, in der Geld alles und zugleich nichts bedeutete, kam um 16.34 Uhr ein alter Mustang um die Ecke gebogen. Er schleppte sich noch ein paar Häuser weiter und hielt keuchend vor dem Grundstück der Wilsons. Ich hatte seit zwei Stunden auf diesen Moment gewartet. Aber das machte nichts, nicht im Geringsten.
Ich war geduldig.

Vince kletterte aus seiner Rostlaube – anders konnte man die Karre nicht bezeichnen – und knallte die Tür zu. Sie musste so ziemlich das Einzige sein, das daran noch intakt war. Nicht mehr lange, dachte ich mir.
Der Moment war perfekt. Ich hatte den wunderbarsten Überblick über die ganze Straße. Kein Mensch weit und breit.
Nur Vince.

Er war auf dem halben Weg zum Haus, da sprang die Wohnungstür auf. Es war Aileen, die die wenigen Meter zu ihm rannte, um ihm an den Hals zu springen und einen saftigen Kuss zu verpassen. Aileen, oh Aileen! Süße, wie konntest du nur diesen Fehler begehen. Nie war etwas, das du getan hast, so unglaublich dumm gewesen wie in diesem Moment. Hättest du gewartet, nur eine halbe Minute noch, dann wäre alles vorüber gewesen. Warum musstest du die Türe öffnen, warum in diesem Augenblick? Aileen, du bist mein Mädchen, mein Mädchen bist du. Du und keine andere. Hättest du gewartet, wärst du nicht so dumm gewesen, der Moment war so perfekt.

Es war genug, ich konnte es nicht riskieren. Ich verließ den stickigen Dachboden, verstaute das Gewehr im Kofferraum und fuhr heim.

Morgen ist auch noch ein Tag.

[Locard]

Hallo Hollow!

Für mich ist deine Kurzgeschichte lediglich irgendein Text. Ein Text, der bloß eine Situation beschreibt. Eine Situation im Leben eines Mannes wahrscheinlich. Mehr erfahre ich als Leser nicht. Den Rest müsste ich mir zusammenreimen, darüber spekulieren, so dass ich bloß die Beschreibung hinnehme. Sie bleibt nirgendwo hängen, geht so durch. Muss nicht einmal verdaut werden. Was soll es denn auch schon zu verdauen geben?
Deine Charaktere sind sehr flach, was natürlich auch an der Kürze des Textes liegt. Ich fühle keine Sympathie; weder mit Vince oder Aileen oder dem Typen, aus dessen Sicht geschildert wird. Warum auch? Ich weiß nichts über sie. Eine Motivation deines Protagonisten fehlt. Und ein bloßes "Du gehörst mir" ist mir eindeutig zu plump. Das lasse ich nicht durchgehen. Da muss mehr dahinter stecken.
Hinzu kommt noch, dass hier überhaupt ein Konflikt vorliegt. Die Szene ist statisch und steigert sich nicht. Es kommt absolut keine Spannung auf. Zumindest in mir.

Was ich ebenfalls nicht verstehe ist folgende Aussage:

[Hollow]

Hart, aber ehrlich. Ich denke, du hast Recht.

[Locard]

Arbeite daran!
Du hast eine Idee im Kopf, dann setze sie auch um! Kapituliere nicht, sondern kämpfe. Du verstehst die Geschichte. Du weißt, warum er so einen Groll auf Vince hat. Zeig es dem Leser. Bring uns sein Schicksal näher.

Vielleicht hilft dir bei deiner Geschichte eine Prämisse.

Ich freue mich auf jeden Fall auf deine überarbeitete Version Die Geschichte hat Potenzial! Gib also nicht auf und aktiviere deine weißen und grauen Zellen  

[Creola]

Hallo Hollow!

Ich stimme Locard zu, die Geschichte hat einen guten Ansatz, ist im Großen und Ganzen aber ein Stück weit zu oberflächlich. Kurzgeschichte, schon klar, aber ein bisschen mehr wäre nicht schlecht bei dem guten Ansatz

Liebe Grüße,
Creola

[Hollow]

Gut, ja, schön. Ich sehe ein, dass die Geschichte nix geworden ist, aber nur langsam, ganz allmählich. Mit jedem verstreichenden Tag ein wenig mehr.
Ich denke, es ist der Abstand, der fehlt. Habe ich eine Story geschrieben, setze ich sie ohne große Überarbeitung ins Forum und sehe, wie sie gedeiht, Blätter und Blüten bekommt, wie sie sich der Sonne entgegenstreckt und in ihrer vollen Farbenpracht die Fensterbank ziert.
Oder wie sie eingeht, weil ich sie nicht gegossen habe.

Nun, Botanik ist nicht mein Steckenpferd. Belassen wir's dabei.
Was ich sagen wollte, ist Folgendes: Da ich die Geschichten immer unmittelbar nach Beendung online stelle, fehlt mir die notwendige Distanz, die notwendige Objektivität. Ist die Sache fertig, finde ich sie erstmal ganz toll. Jeder MUSS die Geschichte einfach lieben. Dass die ganze Chose einfach nur kompletter Bullshit ist, fällt mir erst nach einem gewissen zeitlichen Abstand auf.

Verstehst du, was ich meine?

[Benson]

Es war genug, ich konnte es nicht riskieren. Ich verließ den stickigen Dachboden, packte meine Tasche und ging.

So oder so ähnlich solltest du den satz schreiben, die Erwähnung des Gewehrs raubt dem ganzen die Spannung.

[Creola]

[Schwarze'Seele]

Einer Blüte für den Botaniker:

„Alles ist ganz ganz einfach“ dachte sich Aileen. „So einfach!“.
Sie stellte die Tasse mit den Kornflakes und die Schüssel mit dem Kaffe wieder auf den Küchenboden. Die kalten, glatten Fliesen ließen sie einen Moment inne halten.
Es war immerhin der Sommer. Nicht irgendein Sommer. Nein der Sommer.
40 Grad Celsius und noch viel mehr grad Fahrenheit.
Der kleine Schwarz-Weiß Fernseher, eigentlich Weiß Blau, eigentlich Farb- aber dank dauerndem Gekrisel irgendwie Schwarz-Weiß Fernseher, erhellte hinter den runtergelassenen Rollos das einfache Haus.
Langsam sackten die Knie zu den Händen hinunter, so langsam als stiege sie in ein heißes Bad, oder versuche in zu kaltem Wasser schwimmen zu gehen.
Ihr Kopf lehnte sich gegen die Kühlschranktür, ebenfalls ein kalter Ort.
Sein Brummen trat nun viel deutlicher an ihr Ohr und übertönte die öden Nachrichten über Bombenanschläge im Iran... über Verfolgungen im Stadtinnenraum... und über Bandengewalt in dem Viertel, in dem auch das kleine beschauliche Haus stand, in dem sie nun da saß.
 
Unwissentlich stieß sie die Schüssel mit dem Kaffee, als ihr Bein in einem Augenblick des totalen Glücks, ausgelöst durch das beruhigende Kühlschranksummen, sich nach Vorne schob, um.

„Ich hab es ihm versprochen“, „Nein mir versprochen“. „Mir versprochen es für ihn zu versuchen...und alles ist ganz einfach!“.
So motiviert begann sie nun gleich das Kaos zu beseitigen dass ihr Fuß beim Zusammenstoß mit dem Frühstücksmissgeschick hinterlassen hatte.
Pragmatisch, beugte sie sich vorne über und leckte den Kaffee von den Fliesen, tupfte ihre Lippen an einem Schwamm ab und wischte das restliche Gemisch aus Speichel und Kaffeegrund mit ihren Socken weg.
Endlich erlöste sie ein vertrautes Geräusch aus der Lirthagie in der sie festgefroren war nach dem sie die Kaffeetasse voller Kornflakes bermerkte.
Sie stieß die Haustür zusammen mit dem Fliegennetz auf, die Tasse Kornflakes in der Hand, und rannte auf ihren Vince zu.

PS: Ich mag deine Namen, brauchte ne kurze Übung, vielleicht inspirierst dich ja zurück
    .

[Hollow]

Die Übung ist dir gelungen.

Allerdings wird sie mich nicht inspirieren. Ich finde es immer amüsant, dass Hobbyautoren anderen Hobbyautoren stets ihre eigene Schreibe aufzudrücken versuchen.
Also, ich hätte das so-und-so geschrieben, weil das aus dem-und-dem Grund besser passt.
Soll keine Beleidigung sein, sondern eine bloße Feststellung.
Ich weiß, dass "Aileen" mir nicht besonders gut gelungen ist. Schwamm drüber. Kopf hoch. Scheißegal. Das nächste Mal wird's besser.

[Dave]

[Hollow]

Tja, aus Fehlern lernt man. Selbst ich mit meinen fast 24.  

[Dave]

24? hm....ich finde ja, wir beide sind in einem Alter, wo es mit dem (ernsthaften) Schreiben erst so richtig los geht!
Ein veröffentlichter Roman kurz vor dem Dreißiger würde sich in unserer Vita ausgezeichnet machen.

[Locard]