Eine Nachbarin

[Pencake]

Sie war noch eben
auf eine Tüte
rüber gekommen.
"Ich kann seine
Sprüche nicht mehr ab".
Ich nickte und blies
ein Universum über
den Balkonrand.
"Bleib hungrig und
lass dich nicht gehen",
sie warf die Haare
zurück, sie glänzten
wie schwarze Schlangen
im Todeskampf, "diese
Scheiße muss ich mir
tagtäglich anhören".

Das Mondlicht zeichnete
Schwerter über unsere
Münder, ich öffnete
zwei Flaschen Bier,
"was sagst du dazu,
sag doch auch mal was,
Herrgott", ich reichte
ihr eine Flasche,
in der die Nacht
schwappte,
"Sein schafft Bewusstsein",
den hatte ich mir
für solche Fälle gemerkt,
sie zögerte keine Sekunde
und spuckte
über die Brüstung.

"Weißt du, das ist
das Problem mit euch Typen,
fällt eine Frau aus der Reihe,
zieht ihr euch zurück,
hinter eine Wand
aus klugen Sprüchen,
hinter eine Mauer
aus falschem Verständnis",
sie streifte ihre
Sneakers von den Füßen,
ließ den Mond ruhen
auf Zehen aus Muscheln.
 
"Auch falsche Dinge
sind wahr", sagte ich sanft
und küsste sie nicht,
bevor ich aufstand
und ins Bett ging.

[Jocelyn]

Wieder so ein klasse Gedicht!

Ein Dialog, über den man nachdenken kann,
aber ohne viel zu gewinnen.
Fast möchte ich ihr sagen: Sei nicht so zickig.

Lieben Gruß, Caecilia

[Bananenfischin]

Moin!

[EdgarAllanPoe]

Ich muss hierzu sagen, dass mir die ab und zu eingestreuten Bilder sehr gefallen. Solche wie diese hier

[Jocelyn]

[jim-knopf]

Ich hätte, wenn ich ehrlich bin, mal wieder ein Pencake Gedicht, indem die ganzen tollen Formulierungen sich nicht vereinzelt auf das Gedicht verteilen, sondern indem jede Formulierung stark ist. Du veröffentlichst zwar in letzter Zeit sehr viele Texte und die meisten davon sind wirklich nicht schlecht, aber vielleicht führt dieses Inflationäre dazu, dass dir kein richtig richtig gutes Gedicht mehr gelingt.

Gruß
Roman

[Pencake]

Moin zusammen,

Dank an euch alle für die Reaktionen.
Caecilia und Bananenfischin, das ist spannend, wie
unterschiedlich euer Empfinden/Bewerten ist.

Roman, ich glaube, genau das Gegenteil ist der Fall.
Das "Inflationäre" kommt dir nur so vor - es war
schon immer meine Art, mal weniger, dann wieder
mehr zu veröffentlichen. Da ist die Anzahl von zuletzt
keine Ausnahme.

Ansonsten glaube ich, dass ich gerade wieder ganz
gut in Form komme. Gerade deshalb, weil ich wieder
mehr als in den letzten Wochen schreibe. Dass mir
ein "richtig richtig gutes Gedicht" gelingt, wird genau
so selten passieren wie früher; daran wird sich nie
etwas ändern. Richtig richtig gute Gedichte sind rar.

Niemand ist eine Insel,
Niko

Edit: Caecilia, um das noch zu klären: Ich glaube auch,
dass sie was verpasst. Zumindest die sehr weise
Entscheidung, die er trifft.

[Bananenfischin]

Hallo Niko,

interessant zu lesen, in welche Richtung die Gedanken des Autors gehen.



Hallo Caecilia,

danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, deine Sichtweise, die ja auch zu Nikos passt, noch einmal zu verdeutlichen. Ich kann sie auch durchaus nachvollziehen und finde sie auch richtig, aber für mich bleibt es trotzdem anders.

Er reicht ihr Dinge, naja, das ist einfacher als zu reden.
Er stimmt und hört ihr zu, aber hört er wirklich GUT zu, wenn er Allgemeinplätze, die er auswendig gelernt hat, von sich geben muss?
Der Satz mit dem "mit euch Typen" kommt auch erst dann, nachdem er die erste Plattitüde von sich gegeben hat.

Ich denke, also, so kann man es begründbar auch deuten. Allerdings würde ich nicht so weit gehen zu behaupten, dass ER etwas verpasst, denn natürlich wirkt die Frau mit ihrer Art auch nicht sehr sympathisch.


Gruß an euch beide
von Bananenfischin

[Tiefgang]

Wirklich interessant wie unterschiedlich so ein Gedicht gelesen werden kann; vllt. liegt es ja an den vielen direkten Reden, die wie im täglichen Leben oft unterschiedlich aufgenommen werden.

Ich jedenfalls - und da widerspreche ich Roman gerne mal - finde, dass dies ein richtig, richtig gutes Gedicht ist. Mehr kann ich dazu (leider) nicht sagen.

[Jocelyn]

[jim-knopf]

[Pencake]

Moin Roman,

die besten Autoren, die ich kenne, sind
manische Schreiber.

Leider gehöre ich nicht dazu. Was solls,
ein Stressfaktor weniger.

Niko