Danke, ich komme lieber nicht

[hobbes]

Bärchen!

Es ist alles ein klein wenig aus dem Ruder gelaufen. Gestern lag eine Katze vor unserem Haus. Die Katze war dummerweise tot. Überfahren, meinte Hans-Hubert. Da kann man natürlich nur mit den Augen rollen, es gibt in dieser Nachbarschaft nicht eine einzige Katze. Natürlich, die Meyers haben diesen Hund, der nichts weiter ist als eine bellende Katze, aber ich habe mir das tote Tier ganz genau angesehen, es ist eindeutig eine Katze und nicht Meyers "Hund."
Da will uns jemand Angst machen. Hans-Hubert sagt, ich solle mich nicht so reinsteigern, aber was weiß der schon. Der war nicht in unserer Klasse!
Vielleicht sollten wir die Sache doch lieber abblasen.

[nebenfluss]

Aber Mäuschen! Hans-Hubert hatte doch von der Tierchenwelt noch nie irgendeine Ahnung. Das ist doch der Vater von Jannis mit seinen fliegenden Rinderchen. Nein, das tote Kätzchen kann nur eine Nachricht von H. und M. sein. Du hättest sie nicht ausladen dürfen. Ich hatte es dir gesagt! Jetzt haben wir den Salat, aber absagen kommt natürlich nicht in Frage. Jetzt erst recht! Apropos, soll ich nicht doch einen Salat machen, oder soll es wirklich nur Fleisch geben? Ich würde den dann später vorbeibringen und mir bei der Gelegenheit auch das Kätzchen nochmal genauer anschauen.
Schlage vor, du wartest mit dem Abendspaziergang bis ich da bin. Man kann nie wissen, ob M. und H. nicht doch noch in der Nähe sind.
In latenter Sorge,
Bärchen

[hobbes]

Bärchen!

Die Katze ist weg. Hans-Hubert sagt, ich hätte mir das nur eingebildet. Da sei gar keine Katze gewesen und wenn, war sie nicht tot. Totstellreflex, hat er gesagt. Schreckstarre, Thanatose. Und eine halbe Stunde darüber doziert. Irgendwas mit Opposums und Hakennasennattern. Er ist so ein Mansplainer, ich weiß wirklich nicht, warum ich ihm überhaupt zuhöre. Wenn ich wollte, könnte ich das doch alles selbst auf Wikipedia nachlesen.

Es kamen noch drei Briefe zurück. Iris und Achim unbekannt verzogen und Heike soll angeblich verstorben sein? Das kann ich kaum glauben?!
Peter hingegen schreibt, er komme sehr gern. Das wiederum glaube ich sofort. Vor allem, wo Cornelia doch frisch geschieden ist, wusstest du das?

P.S. Du könntest einen Wurstsalat machen.

[nebenfluss]

Zuerst dachte ich, das ist mal wieder typisch Mäuschen, sich ein Kätzchen einbilden und Paranoia schieben. Doch dann bin ich raus, um Fleischsalat als Basis für den Wurstsalat zu kaufen, und da lag es, das Kätzchen, bei mir vorm Haus, mäuschentot. Entschuldige, aber sagt man so.
Als ich mit dem Fleisch wieder drinnen war, überlegte ich, ob nicht doch Max dahinterstecken könnte. Aber er war ja immer mehr der direkte Typ. Und als hätte er meine Gedanken gehört, klingelte kurz darauf das Telefon. Was das sollte, grunzte er, in seinem Garten zu randalieren und es dann in einem "Bekenner:innenschreiben" H. und M. in die Schuhe zu schieben. Die Unterschriften seien mir zwar gelungen, aber ob ich vergessen hätte, dass wir damals im Chemie-Unterricht immer Death-Metal-Songs zusammen geschrieben haben und er meine Sauklaue unter tausenden wiedererkennen könne? Zum Glück hatte er wie immer sehr laut die Musik an (Bloodspot, wenn ich mich nicht irre, vermutlich schläft er sogar damit) und ich konnte mich mit einem "Hallo? Hallo? Max, bist du's? Ich versteh' dich leider nicht" rauswinden. Aufgelegt, Telefonkabel gezogen, Handy abgeschaltet - so bleibt das jetzt erst mal, bis mir eine gute Antwort eingefallen ist.
Conny ist frisch geschieden? Wichtige Info. Ich forme ihr schnell noch ein paar Frikadellen in Herzchen-Form.

[Constantine]

Bärchen!

Ich habe die Fotos hervorgekramt. Über jeden machten sie ihre Witze: Heike mit ihrer Zahnspange. Achim und seine Akne. Peters unbändige Tolle. Cornelia überragte uns alle um einen Kopf. Meine viel zu schwere Brille. Hans-Hubert hat seine seit dem letzten Umzug entsorgt. Warum schaust du dir die alten Fotos an, fragt er. Wir waren unzertrennlich, schworen uns in Kontakt zu bleiben. Wie naiv ihr gewesen seid, sagt Hans-Hubert. Ach, halt die Klappe! Jemand hat uns auf dem Kieker. Nach all den letzten Wochen und Monaten brauche ich das.
Was mache ich nun mit dem Kanarienvogel?

[hobbes]

Bärchen!

Mit wem schreibst du da noch? Ist das Tino? Hatte der nicht früher schon einen Vogel? Aber doch keine Brille?
Hans-Hubert sagt, man solle Kanarienvögel mindestens paarweise halten, einer allein gehe gar nicht. Noch besser sei eine Gruppe mit mindestens vier Vögeln. Wusstest du, dass Kanarienvögel oft zu dick sind?

Max hat sich bei mir gemeldet. Ich habe so getan, als hätte ich schon seit ewigen Zeiten nichts mehr von dir gehört. Ich glaube, ich war recht überzeugend. Er sagt, wenn wir unser Konzept umstellen, käme er doch. Er sei jetzt nämlich Veganer, seit Jahren schon. Ihm ginge es viel besser seither.
Na ja, sehr viel schlechter hätte es ihm ja auch gar nicht mehr gehen können.
Und meditieren würde er. Er hätte ein Business aufgebaut, Meditation für Metal-Fans, das ginge total durch die Decke. Nächstes Jahr wird er ein Meditations-Zelt in Wacken haben, direkt neben der Hauptbühne, das sei jetzt schon ausgebucht.
Meditation übrigens auch der Grund, warum er nicht aufgemacht hat, als du geklingelt hast, er war da mitten in einer Sitzung.

Was hast du mit der Katze gemacht?

[nebenfluss]

Hallo Mäuschen,

das Kätzchen habe ich von der Straße geholt. Muss nicht sein, dass Leute drüberfahren, das gibt so einen hässlichen, dreckigen Fleischsalat.

Bei Max war ich am frühen Abend gewesen. Da meditiert er also immer, gut zu wissen. Dann rufe ich ihn um viertel nach sechs mal an, um mich zu entschuldigen. Kann ich doch nix dafür, wenn er nicht drangeht.

Tino ist sicher ein unzuverlässiger Erzähler. Beim Betrachten alter Fotos nostalgiert er unsere Schulzeit bis zur Groteske (er hat alles Ernstes das Wort unzertrennlich benutzt). Das mit der kolossalen Brille aber stimmt. Das Ding muss locker ein Pfund gewogen haben. Erinnerst du dich nicht, wie er manchmal den Kopf hängen ließ, und wir so: "Ah, Tino chillt mal wieder sein Nacken"? Wir waren ein übler Haufen, aber immerhin Trendsetter in Sachen Jugendsprache.
Den Hinweis, Heikes Tod hätte mit ihrer Zahnspange zu tun, würde ich trotzdem nicht vorschnell vom Tisch wischen. Denk an das Zirkuselefäntchen. Ob sie die wirklich bis zuletzt getragen hat?
Irritiert,
Bärchen

[Constantine]

Häschen!

Ich habe mit Thomas telefoniert. Trotz vollem Terminkalender nahm er sich Zeit für eine Beratung. Er denkt auch, dass etwas im Argen liegt. Etwas stimmt nicht mit Max. Erinnere dich. Ist sich Tino sicher? Ich habe neulich Hans-Hubert im Garten angetroffen. Er werkelte und wäre fast in einen Haufen getreten. Sah wie von einem Tier, vielleicht einem Hund, aus. Hat er dir davon erzählt? Fällt dir jemand mit Hund in eurer Nachbarschaft ein? Hans-Hubert schwieg, seufzte und entsorgte den Kot. Hat er aufgegeben? Es muss eine Vorgeschichte geben. Erinnere dich, verdammt nochmal!

[nebenfluss]

Kacke, Mäuschen.
Max ist doch ans Telefon gegangen und hat mir auch noch eine E-Mail mit Anhang geschickt. Er könne nicht mehr meditieren seit ich mit meiner Gartenrandale das Grab von Miss Fitty entweiht hätte. Das war ich nicht, rief ich, das hätte ich doch gemerkt! "Davon kann ich mir auch nichts kaufen", brüllte Max. Im Hintergrund lief wieder Bloodspot, Far from Innocence. "Jetzt ist meine einzige Einkommensquelle futsch!"
Unangenehmerweise kommt mir das Foto vage bekannt vor. Aber bei Dämmerung ähneln sich alle Kätzchen, sagt man nicht so?
Der Wurstsalat ist fertig und im Kühlschrank. Ich pack's nicht, ihn dir heute noch vorbeizubringen. Muss nachdenken. Thomas will ich diesmal auch nicht fragen. Der malt bestimmt gleich wieder den Teufel an die Wand.

[Constantine]

Häschen!

All dieses Schweigen, unterbrochen von gelegentlichen Lebenszeichen. Briefe. Telefonate. Das ganze Rauschen und Gemurmel. Muss irritierend, vielleicht auch befremdlich sein. Hans-Hubert und du, ihr kommt mich gar nicht mehr besuchen. Glaubt bitte nicht alles. Ich habe mir angewöhnt, den Fernseher anzulassen. Talkshows. Kochsendungen. Infotainment. Marlene Dietrich, David Bowie, Kylie Minogue stehen auf der Liste. Hast du gewusst, was mit Zitronensaft alles möglich ist? Faszinierend. Oder dieses handliche Gerät zum Entfernen vom Hornhaut an den Füßen. Bin am Überlegen es mir zu bestellen. Verlockend: Für kurze Zeit wird ein zweites gratis dazu angeboten. Hätten Hans-Hubert oder du Interesse?

[hobbes]

Bärchen!

Ich dachte, ich könnte mir dieses Wacken mal ansehen.
Okay, erwischt, natürlich wollte ich mir eigentlich Max ansehen und sein Andachtszelt. Nun hast du sicher die Berichterstattung verfolgt und falls du bei der Tagesschau ganz genau hingesehen hast, als die live vom Baumarktplatz gesendet haben, dann hast du mich eventuell im Hintergrund entdeckt. Ich wusste nicht, wie sehr man mit einem gold-bronzefarbenen Sommerkleid aus der Menge herausstechen kann.
Auf dem Parkplatz habe ich Irma und Robert kennengelernt, total nette Leute, obwohl ihre Musik ziemlich fragwürdig ist. Dann sind sie auch noch Vegetarier! Nur Tofu und Maiskolben auf dem Grill!
Sie haben mir ihre Fernsehzeitung dagelassen, Titelstory: "Geheimnisse glücklicher Paare." Du wirst nicht glauben, wer eins der portraitierten Paare war: Heike und Tino! Untertitel bei ihnen: "Er liebt mich trotz Zahnspange; Sie liebt mich trotz Brille und Hornhaut"
Habe ich mir doch gleich gedacht, dass Heike unmöglich tot sein kann.
Oh, Hans-Hubert kommt mit einer 100er Packung Spenglerschrauben, meine Güte, was der mir hier alles anschleppt, es wird Zeit, dass wir endlich von diesem Baumarktparkplatz herunterkommen.

[nebenfluss]

Mäuschen,
selbstverständlich habe ich dich erkannt, und das Kleid erschien mir deutlich zu schade, um sich damit in die Schlammschlacht zu stürzen, aber hey, immerhin mal live im Ersten gewesen und gut ausgesehen dabei. Nun hoffe ich nicht nur, dass du das Kleid bis zum Treffen wieder sauber bekommst, sondern auch Irma und Robert eingeladen hast, die immerhin - hast du das wirklich vergessen? - in unserer Parallelklasse waren. Ja, ich weiß, du wolltest kein Jahrgangstreffen, aber bei den vielen Absagen könnten wir eine Ausnahme machen, unter einer Bedingung. Schließlich haben wir noch niemanden für den Grill - und warum nicht? Weil ausgerechnet Leoni 'Fruktaria' Schmitternek zu kommen gedenkt, die in solchen Fällen immer ausgiebig rummoserte, ihre Apfelringe seien nicht kross genug. Irma und Robert waren eigentlich immer sehr entspannt und scheinen mir die Art von Leuten zu sein, die vielleicht sogar Himbeeren gegart kriegen, ohne dass sie ihre Form verlieren, also auch die Himbeeren nicht. Glaub mir, R. und I. sind genau die Richtigen für den Job.
Überleg's dir,
B.

P. S. Wusste ich's doch, Tino war der mit der Brille. Der ohne war sein Zwillingsbruder Toni.

[Constantine]

Häschen!

Apropos Parallelklasse: Weißt du noch, die Schule nebenan und unsere waren im Krieg ein Gebäude, bis ein Bombeneinschlag  daraus zwei Teile schuf. Ging nicht Toni in die Parallelschule und mit Robert in den gleichen Handballverein?

Ich hatte mir beim Teleshopping Schlammmasken bestellt und du warst in Wacken. Gelegenheit, um mal jungfühlend krasser Zufall zu sagen.

Vermutlich hast du es noch nicht gehört: Cornelia war schwanger. Dreimal darfst du raten, wer der Vater ist. Nicht Peter. Achim. Unbekannt verzogen? Ja ja. Und das Neugeborene. Perdita. Allein schon mit dem Namen kann die Kleine nur auf die schiefe Bahn geraten. Jesus.

[sleepless_lives]

Liebe M., lieber H.H. (und lieber B.),

danke, ich komme lieber nicht. Meine Ablehnung ist nicht der Verspätung zuzuschreiben, mit der mich die Einladung zum Treffen erreicht hat, obwohl wer Böses denkt, könnte hier Böses denken. Doch nein, ich bin mir sicher, es versteckt sich dahinter keine heimtückische Absicht oder auch nur ignorante Schlampigkeit, sondern es mag wohl dem Umstand zu schulden sein, dass sich meine Adresse geändert hat. Zwar nach wie vor wohnhaft im etwas entlegenen Unterobersberg, bin ich jedoch vor fünf Jahren von der Wegstraße 10 in die Wegstraße 13 umgezogen. Eine beträchtliche Herausforderung für unseren Briefträger, Herrn S., der seit vierunddreißig Jahren im Amt es nicht versteht, sein elektrisch verstärktes Dienstfahrrad zu wenden, wenn er am Ende der Straße angekommen ist.  

Wenn ich an die Zeiten unseres gemeinsamen Schulbesuchs zurückdenke, fällt mir eigentlich nichts ein. Außer vielleicht, wie das dunkelhaarige Mädchen in der zweiten Reihe ganz links – an deren Namen ich mich auch nicht mehr erinnere – den meisten Teil des Unterrichts damit verbrachte, aus dem Fenster zu starren, obwohl der Blick vollständig von der Betonmauer der benachbarten Stahlfabrik Krippisch & Söhne eingenommen wurde. Ach ja, ist nicht einmal der Heizungskessel in der Schule explodiert und hat das halbe Gebäude in Schutt und Asche gelegt? An dem Tag war ich aber krank, eine Lungenschwäche, die mich bis heute nicht ganz losgelassen hat.

Die Gründe für meine Absage sind vielfältig und gleichermaßen trivial wie tiefgründig, aber es fehlt mir der Platz auf dem Briefpapier sie darzustellen, da meine Handschrift über die Jahre kontinuierlich an Größe zugenommen hat.

So verbleibe ich unerklärt,

Z.

[Constantine]

Häschen!

Als du mir geschrieben hattest, saß ich im geparkten Wagen und wunderte mich darüber, irgendwo zwischen Ungeduld (raus, los), Loslassen (warten, lauschen), Prokrastination (surfen, rauschen) und Faszination (an der Windschutzscheibe kämpfte ein Käfer gegen die Rinnsale an, die seine Haftung verhindern und ihn wegzuspülen drohten) zu stecken. Mir war zum Lachen zumute. Als zusätzlich das Mobile vibrierte und ich deine Nachricht zu lesen versuchte, deine Worte irgendwie erfassen und ihnen einen Sinn zu geben suchte, während gleichzeitig meine Gedanken wie durch einen Zerstäuber frei schwebten und sich nicht sortieren ließen, bahnte sich das Lachen endgültig den Weg ins Freie: Ich drehte den Zündschlüssel, schaltete den Scheibenwischer ein und fuhr weg.

[hobbes]

Spätzchen!

Heute hat der Briefträger dreimal geklingelt. Es täte ihm wirklich sehr leid, aber ich müsse 12,78 Euro nachzahlen, sofern ich das Paket (er wedelte mit einem länglichen Karton vor meiner Nase herum) haben wolle. Es sei nicht ausreichend frankiert.
Also bitte, habe ich gedacht, was ist das jetzt wieder für ein schlechter Scherz?
Ob ich mal sehen könne, habe ich gefragt, aber er hat das Ding nicht aus der Hand gegeben. Meinte nur, es stünde kein Absender darauf. Was geht ihn das an?
Ob ich es öffnen könne, habe ich gefragt. Meinetwegen auch vor seinen Augen. Aber nein, sofort hat er den Karton noch enger an sich gezogen.
Verweigern könne ich es, meinte er.
Und ich so: Und was passiert dann damit?
Und er so: Geht zurück an den Absender.
Und ich so: Aber es gibt doch keinen?
Und er so: Mittel und Wege.
Pffft.
Ob ich es nun haben wolle oder nicht?

Ich habe ihm schlussendlich die Tür vor der Nase zugeschlagen. Unfreundlicher Fatzke.

Kennst du wohl jemanden bei der Post?

[Abari]

Schnuppelchen,

Ich sehe, Du verstehst das nicht. Postmen zu sein ist nicht bloß ein simpler Job, es ist eine instantielle Berufung. Wenn Du nicht interessiert bist, schicke ich Dir eben kein Geld mehr. Und auch nichts zum Geburtstag, Schrägstrich den Hochfesten. Haben wir früher nicht cool "slash" gesagt? Und minus statt Bindestrich?

Habe neulich in einem Artikel der FAZ gelesen, dass "cool" das neue "uncool" wär. Meine Güte, bin ich wirklich so alt? Wir hätten uns früher beleidigt gefühlt, alleine eine FAZ zum Sterniaufwischen nehmen zu müssen, geschweige denn, die zu lesen. Heute bin ich Abonnement. Traurig, traurig. Allerdings würde ich darin auch keine tote Katze beerdigen. Nicht mal mit einem Blues, zu dem ich mittlerweile gekommen bin. Weißt Du, was passiert, wenn man Blues rückwärts spielt? Zuerst kommt der Hund, dann die Frau, dann das Geld und das Haus wieder... Schlimm nicht? Nenne mich marvinesk, aber ich mag das so, während ich mit der FAZ in der Hand einnicke, natürlich im Schaukelstuhl.

Ich rauche auch wieder, aber kein Dope wie früher, sondern einfach Pfeife.

Grüße,

Q.

[nebenfluss]

Hallo Mäuschen,
falls der Gerüchteküche zu trauen ist, werden auch Häschen und Z. fernbleiben.
Du erinnerst dich doch sicher an "Häschen den Vergesslichen", der sich vor Klassenarbeiten immer einen Spickzettel schrieb, den er dann so geschickt vor der Lehrkraft (und am Ende sich selbst) versteckte, dass die gesamte Doppelstunde mit Suchen draufging. Offenbar hat er seine wenig ruhmreiche Schullaufbahn so erfolgreich verdrängt, dass er - als Tino ihn letztens aufsuchte - steif und fest darauf bestand, direkt nach der KiTa die Ausbildung in diesem Scherzartikelladen begonnen zu haben. Als Tino ihn darauf hinwies, dass er mit seinen bescheidenen sechsjährigen Körpermaßen doch unmöglich schon an das oberste Regal mit den Pupskissen herangelangt sein könne, verfiel Häschen in ein dumpfbrütiges Grübeln, das Tino schließlich zu langweilen begann - so verließ er ihn, ohne ihm noch etwas Verwertbares entlockt zu haben.
Bei Z. sieht es etwas besser aus. Er leugnet nicht, in einer früheren Phase seines Lebens etwas besucht zu haben, was sich "Schule" genannt haben könnte, kann sich wegen seines Ticks, sich immer von der Klasse weg, zum offenen Fenster hin zu setzen aber nur an Martina erinnern (die wir wegen ihrer Faszination für die der Schule gegenüberliegende Betonwand nur Betina nannten), weil sich ihr Profil in der Scheibe spiegelte. Ich fand es immer tragisch, dass aus den beiden nie ein Paar wurde, aber vielleicht genügte ihnen ja, was sie miteinander teilten: Sie schaute die Stahlfabrik an, er schaute ihr dabei zu. Er würde sich auf unserem Treffen nur unwohl fühlen - vor allem, wenn ihn alle erkennen und mit Namen begrüßen, während er Karin als Andrea anspricht und Ingo als Rüdiger, M. als H. und H. als M., und alle anderen versuchsweise als Stefan oder Stefanie, weil das damals die gängigsten Namen waren, während ausgerechnet bei uns niemand so hieß, so wie wir überhaupt alles andere als eine normale Klasse waren.
Mit Q. habe ich vereinbart, dass er dir - als Anzahlung für deine Mühen und in Erinnerung an alte Zeiten - die 5-Liter-Bacardi-Flasche mit seiner Kupfermünzensammlung zukommen lässt. Er meinte, mit dem Heiraten wird es in diesem Leben eh nichts mehr. Ich hoffe, sie ist wohlbehalten angekommen.
Gruß, B.

[Constantine]

Oje, Bärchen!

Tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde. Ich hoffe, mein Brief erreicht dich. Es gab Komplikationen. Hab mir die Haare färben lassen und die Mixtur wohl nicht vertragen. Mein Telefon ist kaputt. Ich kann warumauchimmer keine Nachrichten versenden. Wenn ich jemanden anrufe, ist ständig besetzt. Mich ruft niemand an. War in der Filiale meines Anbieters, aber es konnte kein Fehler entdeckt werden. Seltsam: Der Servicemensch konnte vom Ersatzgerät aus problemlos Nachrichten versenden und Anrufe tätigen. Er empfahl mir einen Arzt aufzusuchen.

Beim Wagen ist auch was kaputt. Er sprang nicht mehr an und nur durch Engelszungen konnte ich den Parkhauswächter überzeugen, den Abschleppdienst zu rufen. In der Werkstatt konnte kein Defekt festgestellt werden und dennoch ließ sich der Wagen von mir nicht starten. Der blöde Mechaniker riet mir zum Arzt zu gehen. Ich sagte ihm, er solle sich...naja.

Mein Internet ist gestört. War vor Ort beim Service. Gleicher Scheiß wie beim Telefon: Kein Defekt erkennbar, alle Leitungen sind ok. Mir wurde ein neuer Router mitgegeben mit einfachster Plug-and-Play-Einrichtung. Denkste.
Neulich war endlich der Techniker bei mir und hat stundenlang versucht, meinen Internetanschluss zum Laufen zu bekommen. Er konnte sich nicht erklären, was das Problem war, und riet mir beim Hinausgehen...so ein Arschloch.  

Bin seitdem zu Fuß unterwegs und die ganze Situation nahm richtig skurrile Züge an: Ampeln wechselten immer auf rot oder blieben rot. Die Leute reagierten mir gegenüber immer gereizter und eine Schiebetür öffnete sich nicht. War beim Arzt. Alles ok, die Nase ist nicht gebrochen.
Bin bis auf Weiteres krank geschrieben und warte auf den Termin beim Friseur. Bis dahin bin ich daheim und werde von einem Lieferdienst versorgt, der sich meine Hausnummer nicht merken kann. Ständig stellt er die Waren vor eine andere Haustür. Besser als nichts.

Meine Verzweiflung hat momentan ihren Höhepunkt erreicht.

[nebenfluss]

Mäuschen,
als Antwort auf meine herzförmigen Frikadellen hat mir Conny einen Mettigel mit einem albernen Grinsegesicht aus Petersilie und Gewürzgurken geschickt. Wenn die Sonnenstrahlen in einem bestimmten Winkel in die Küche fallen, blitzen Zähne aus gehackten Zwiebeln, die dem Gesichtsausdruck etwas Spöttisches verleihen - eine misslungene Flirtrevanche? Ein ironischer Kommentar, weil ich mich so direkt an eine frisch Geschiedene heranmache? Oder ambivalent: Sie hätte schon gerne Kontakt mit mir, aber nur, wenn ich auch ihre nicht so perfekten Seiten akzeptiere? Oder mache ich mir wieder zu viele Gedanken?
Was sagt denn dein Bauch? Du warst doch sisters mit Conny.
In jedem Fall besser als gar keine Reaktion, nicht wahr? Nicht wahr, Mäuschen?

Übrigens hat mir Vögelchen gezwitschert, dass Kohlgruber doch noch lebt und mit H. und M. etwas ganz Großes gegen Tino ausheckt.

Melde dich!
Bärchen

[Abari]

Mensch, Schnuppelchen,

ich höre, dass man von Dir so gar nichts mehr hört. Das wiederum ist unerhört! Zwinge mich bitte nicht, alles in Versalien zu schreiben, das würdest Du sicher doof und unhöflich finden! Heutzutage stellt ja schon das kleinste Anzeichen eines Ausrufezeichens eine unqualifizierte Übergriffigkeit dar. Das gebe ich zu bedenken. Warum auch immer.

War neulich im Hörsaal zum Fühlfilm. Das war lustig. Bin noch nie so niedergeschlagen aus einer billigen Schnulze gegangen, die mir ein HappyEnd vorgaukeln wollte aber subversiv eine Antipode zu Romeo und Julia war. Kannst Du Dir das wohl denken? Habe dann schlecht von Julia aus der Klasse geträumt, Andreas war Romeo und Dr. Schneider, den wir - weißt Du's noch? - nur "den Sezierer" genannt haben, war dann der Mönch. Das war makaber. Nein, so ein Fühlfilm ist nichts für Zartbesaitete, aber wie Du weißt, habe ich ja eine Bärennatur, seit ich am Zapfhahn gestillt werde.

Ich rede Dir sicher zu viel. Das tut mir echt leid. Man müsste noch einmal Papierflieger basteln und in den Relistunden von Herrn Fratzinger, dem "Exorzisten" fliegen lassen. Gott, war der anstrengend. Ich weiß noch, wie der sich immer über die Pentagramme an Mike aufgeregt hat, 'Immer diese furchtbaren Ketten' hat er gerufen! 'Diese T-Shirts erst, Du sitzt mir irgendwann über Satanismus nach!", hat er mit diesem 'Exorzistenblick' gesagt. Dabei war die so ein süßes Mädchen, richtig zum Anbeißen, nirgends zu viel oder zu wenig. Aber immer in schwarz, und dann hat sie es nach der Schule immer ausgezogen und in ihrem Spind versteckt. Wo die das wohl her hatte? - Bis, ja bis der Exorzist sie bei ihrer Mutter verpfiffen hat, da gab es doch noch den Riesenaufstand, und die Mettigel sind bei der Klassenfeier von der Karte gestrichen worden, quasi als Kollektivstrafe. Ist das nicht pervers? Heute esse ich Mett/Gehacktes/Hackepeter zu jeder Feier, was nur rein geht. Ob ich posttraumatisiert bin? Werde im nächsten Fühlfilm mit Mettigeln werfen, mal sehen, was das wird.

Man hört sich.

Q.