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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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D 09.07.2022 13:39 Still von Don Rülpschen
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Jetzt steht er mal für einen kurzen Moment ganz still. Die dreckigen, rostroten Turnschuhe vor der weißen, gestrichelten Linie. Marke Converse - an nichts anderes hatte er sich bis jetzt gewöhnen können. Dabei lagen mittlerweile so viele graue Tage, Monate, Jahre zwischen dem Jetzt und seinen wirklich jugendlichen Jahren, wo Rebellion so einfach wie selbstverständlich schien und die Zukunft eine schemenhafte, in kräftigem Grün schimmernde Weite war. Wann ist daraus eine graue Suppe geworden?
Ein leichter Luftzug kündigt die U-Bahn an, woraufhin er sich zu seinem Freund Carsten umblickt, der kraftlos und gewollt-lässig auf der Holzbank hängt, in blassgrüner Stoff-Jacke, der man schon von Weitem ansieht, wie sehr sie nach kaltem Rauch stinkt. Carsten ignoriert seinen ängstlich-auffordernden Blick, gibt sich betont lässig. Von Deiner Nervosität lass ich mich nicht anstecken, ich habe die wahre Lean-Back-Position im Leben gefunden, sagt er mit jeder seiner langsamen, räkelnden Bewegungen. Bald werde ich hinausgehen in die Welt und die Herzen werden mir zufliegen - das täten sie schon jetzt, wärst Du nicht ständig da mit Deiner blöden, unsicheren, dauernervösen Art.
Die Metallgriffe klacken, die Massen strömen aus den orangefarbenen Waggons.
Als einer der ersten steigt er ein, findet einen Sitzplatz direkt am Fenster und sieht, wie Carsten draußen langsam auf den Waggon zuschlendert, sich hineinschiebt und irgendwo im mittlerweile vollen Eingangsbereich stehenbleibt. Die Bahn fährt los und verschwindet im dunklen Tunnel; in der Scheibe vor ihm sein blasses, schwaches Gesicht.
Die Familie, die plötzlich in den Waggon poltert, ist nicht von hier, das merkt man sofort. Das Gerede laut, freundlich - aber stumpf. „Nee, dat is echt schwierig“. Ruhrpott. Dann plötzlich die vertraute Stimme von Carsten, die sich dazwischenmischt. Er wendet den Blick von der Scheibe und sieht, wie Carstens Kiefer sich langsam-malmend bewegen, irgendetwas sagen, was aber nicht zu verstehen ist. Der Familienvater ist schon etwas älter, eigentlich zu alt für den vielleicht vierjährigen Sohn, in einer unförmigen, abgewetzten Jacke. Schlechter Geschmack, billig, Massenware. Jetzt redet das Kind, es will Carsten etwas sagen. Carsten zaubert ein künstliches Leuchten in seine Augen, denn er schätzt an Kindern ihre Ungeformtheit, sie wecken eine Ahnung in ihm, wie es sein kann, sich für das Leben zu begeistern. Wieder ist nicht zu verstehen, was gesagt wird, aber er kann von Weitem hören, wie das Kind seinen Satz mit einem lauten Ausrufezeichen beendet. Carsten, der dem Kind während der Erzählung gebannt in die Augen geschaut hat, wartet einen kurzen Augenblick, legt noch ein wenig mehr begeistertes Strahlen in seine Augen - so überdreht, dass man nun seine Traurigkeit dahinter deutlich erkennt - und stößt dann ein lautes Lachen aus. Es ist befremdlich, Carstens Lachen durch den Waggon schallen zu hören. Früher noch klang es hell und selbstbewusst, heute klingt es trocken und kantig. Er wandte seinen Blick wieder in Richtung der dunklen Scheibe. Während er Carstens Lachen noch nachhallen hört, spürt er plötzlich ganz deutlich: Ein wichtiger Teil seines Freundes ist schon längst still gestorben.
Weitere Werke von Don Rülpschen:
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Muzzlehatch Wortedrechsler
Beiträge: 98
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10.07.2022 18:21
von Muzzlehatch
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Hier und da kann man vielleicht ein unnötiges Adjektiv streichen und andere Straffungen vornehmen, aber damit möchte ich hier nicht langweile, denn der Text tut es auch in dieser Form nicht. Die Prosa ist plastisch, eindrücklich und realitätsnah, ohne ins Belanglose abzugleiten und effektvoll im Dienst der Charakterisierung. Gefällt mir sehr gut und macht Lust auf mehr.
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Bananenfischin Show-don't-Tellefant
Moderatorin
Beiträge: 5340 Wohnort: NRW
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10.07.2022 19:26
von Bananenfischin
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Schon der erste Satz ist toll, und er bleibt nicht allein. Mich spricht der Text an, die Schreibe wirkt (offenbar im Geheimen, wie ich auf dem Teppich las) gereift, der Stil selbstbewusst statt nullachtfünfzehn. Ich will da jetzt nichts kritisieren, sondern mehr lesen.
Willkommen im Forum, bitte bleib da.
Liebe Grüße
Bananenfischin
_________________ Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge
Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft
I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf) |
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F.J.G. Bitte keinen Weichspüler verwenden
Alter: 33 Beiträge: 1955 Wohnort: Wurde erfragt
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10.07.2022 19:36
von F.J.G.
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Ich schließe mich an: Schreiben kannst du auf jeden Fall! Wäre dies ein Klappentext, ich würde das Buch spontan einpacken und mitnehmen zur Kasse gehen und dich entlohnen.
_________________ Ab sofort erhältlich: Achtung Ungarn! Ein humorvolles Benutzerhandbuch |
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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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Sylvia T. Gänsefüßchen
S Alter: 45 Beiträge: 24 Wohnort: München
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Christof Lais Sperl Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 944 Wohnort: Hangover
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11.07.2022 10:08 Bravo von Christof Lais Sperl
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Sehr gelungen!
_________________ Lais |
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Michel Bücherwurm
Alter: 52 Beiträge: 3374 Wohnort: bei Freiburg
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11.07.2022 14:16
von Michel
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Ein bisschen stolpere ich über die paar Ausrutscher ins Präteritum, die ich nicht als absichtsvoll gesetzt lese. Davon abgesehen finde ich den Text genauso stark wie die übrigen Kommentatoren. Wenn ich sehr genau hinsehe, finde ich ein paar Wortwiederholungen, die man sich ansehen könnte, aber nicht müsste. Sehr gelungen.
_________________ Seit 27. April im Handel: "Rond", der dritte Band der Flüchtlings-Chroniken |
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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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HansGlogger Klammeraffe
H Alter: 65 Beiträge: 615 Wohnort: Bayern
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H 11.07.2022 18:58 Re: Still von HansGlogger
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Hallo willkommen,
wenn alle loben, dann will ich mal den advoctus diaboli geben.
Der Text liest sich wie die Hausaufgabe eines creative-writing-Kurses.
Nicht für echte Leser, sondern die Kursleiterin geschrieben. Ich sehe keine Geschichte, keinen Spannungsbogen. Die Figuren werden nicht eingeführt, ein nicht mehr so ganz jungen Mann (Prota) und ein wahrscheinlich Jüngerer fahren in der U-Bahn. Beide sind Freunde, wie eng die Beziehung ist geht nicht aus dem Text hervor. Man kann natürlich alles Mögliche rein-interpretieren.
Sollte es er Auszug aus einem umfangreicheren Text sein, nehme ich alles zurück. Du hättest dann das aber erwähnen sollen.
Ort und Zeit der Handlung bleiben ebenso im Unklaren.
Einzelkritik
Don Rülpschen hat Folgendes geschrieben: | Jetzt steht er mal für einen kurzen Moment ganz still.
Ein anonymer Protagonist; kann man machen. Das Problem ist, wenn weitere Personen mit demselben Pronomen auftauchen. Entweder der Autor muss ständig die Namen wiederholen (wie Du mit Carsten) oder der Leser weiß nicht auf wen sich ein Pronomen bezieht (hier nicht der Fall)
Die dreckigen, rostroten Turnschuhe vor der weißen, gestrichelten Linie. Marke Converse - an nichts anderes hatte er sich bis jetzt gewöhnen können. Dabei lagen mittlerweile so viele graue Tage, Monate, Jahre zwischen dem Jetzt und seinen wirklich jugendlichen Jahren, wo Rebellion so einfach wie selbstverständlich schien und die Zukunft eine schemenhafte, in kräftigem Grün schimmernde Weite war. Wann ist daraus eine graue Suppe geworden?
Also ein nicht mehr ganz junger Mann, mehr erfährt man nicht über den Protagonisten
Ein leichter Luftzug kündigt die U-Bahn an, woraufhin er sich zu seinem Freund Carsten umblickt, der kraftlos und gewollt-lässig auf der Holzbank
U-Bahn mit Holzbank im Außenbereich, interessant. Soll das dem Leser was sagen? Es deutet wieder auf die Jahre 1960 - 1990 hin. Oder auxh nicht.
hängt, in blassgrüner Stoff-Jacke, der man schon von Weitem ansieht, wie sehr sie nach kaltem Rauch stinkt. Carsten ignoriert seinen ängstlich-auffordernden Blick, gibt sich betont lässig. Von Deiner Nervosität lass ich mich nicht anstecken, ich habe die wahre Lean-Back-Position im Leben gefunden, sagt er mit jeder seiner langsamen, räkelnden Bewegungen. Bald werde ich hinausgehen in die Welt und die Herzen werden mir zufliegen - das täten sie schon jetzt, wärst Du nicht ständig da mit Deiner blöden, unsicheren, dauernervösen Art.
Hier und später (*) noch schildert der Autor die Gedanken Carstens.
Es ist also eine auktoriale Perspektive. Kann man machen, muss man aber nicht bei einem so kurzen Text.
Carsten scheint deutlich jünger zu sein als der Protagonist
Die Metallgriffe klacken, die Massen strömen aus den orangefarbenen Waggons.
Als einer der ersten steigt er ein, findet einen Sitzplatz direkt am Fenster und sieht, wie Carsten draußen langsam auf den Waggon zuschlendert, sich hineinschiebt und irgendwo im mittlerweile vollen Eingangsbereich stehenbleibt. Die Bahn fährt los und verschwindet im dunklen Tunnel; in der Scheibe vor ihm sein blasses, schwaches Gesicht.
Die Familie, die plötzlich in den Waggon poltert, ist nicht von hier, das merkt man sofort. Das Gerede laut, freundlich - aber stumpf. „Nee, dat is echt schwierig“. Ruhrpott.
Deutet auf die 1960- 1990 Jahre hin als Zeit
Dann plötzlich die vertraute Stimme von Carsten, die sich dazwischenmischt. Er wendet den Blick von der Scheibe und sieht, wie Carstens Kiefer sich langsam-malmend bewegen, irgendetwas sagen, was aber nicht zu verstehen ist. Der Familienvater ist schon etwas älter, eigentlich zu alt für den vielleicht vierjährigen Sohn, in einer unförmigen, abgewetzten Jacke. Schlechter Geschmack, billig, Massenware.
Oder wenig Geld
Jetzt redet das Kind, es will Carsten etwas sagen. Carsten zaubert ein künstliches Leuchten in seine Augen, denn er schätzt an Kindern ihre Ungeformtheit, sie wecken eine Ahnung in ihm, wie es sein kann, sich für das Leben zu begeistern.
* Hier wieder die Innenwelt Carstens.
Wieder ist nicht zu verstehen, was gesagt wird, aber er kann von Weitem hören, wie das Kind seinen Satz mit einem lauten Ausrufezeichen beendet.
"Er" ist der Protagonist, vermutlich obwohl es vorher um Carsten ging
Carsten, der dem Kind während der Erzählung gebannt in die Augen geschaut hat, wartet einen kurzen Augenblick, legt noch ein wenig mehr begeistertes Strahlen in seine Augen - so überdreht, dass man nun seine Traurigkeit dahinter deutlich erkennt - und stößt dann ein lautes Lachen aus.
Der Prota kann das Kind nicht hören, sieht aber Strahlen in den Augen Carstens.
Es ist befremdlich, Carstens Lachen durch den Waggon schallen zu hören. Früher noch klang es hell und selbstbewusst, heute klingt es trocken und kantig. Er wandte seinen Blick wieder in Richtung der dunklen Scheibe. Während er Carstens Lachen noch nachhallen hört, spürt er plötzlich ganz deutlich: Ein wichtiger Teil seines Freundes ist schon längst still gestorben. |
Wie gesagt zu wenig Hintergrund -Informationen über die beiden, um da eine Geschichte zu erkennen.
Herzlich willkommen. Ich hoffe die Kritik war nicht vernichtend. Positives habe ich weggelassen, gelobt habe andere schon ausreichend.
Gruß Hans
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Dyrnberg Klammeraffe
Beiträge: 569 Wohnort: Wien
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11.07.2022 19:46
von Dyrnberg
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Zwei Männer nach einem Clubabend in Berlin. So lese ich die Story. Carsten wird für mich nicht greifbar: Ist er nun jung oder alt? Freut er sich nun aufs Leben oder ist er verbittert und desillusioniert?
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Muzzlehatch Wortedrechsler
Beiträge: 98
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11.07.2022 20:14
von Muzzlehatch
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Dyrnberg hat Folgendes geschrieben: | Carsten wird für mich nicht greifbar: Ist er nun jung oder alt? Freut er sich nun aufs Leben oder ist er verbittert und desillusioniert? |
Vielleicht interpretiere ich fehl, aber ich habe Carsten klar als "nicht mehr ganz so jung" und desillusioniert, was er jedoch hinter aufgesetzter Gleichgültigkeit versteckt, gelesen. Aus dem Ungesagten, Angedeutetem erwächst für mich gerade die Spannung des Textes. Deshalb teile ich auch Hans Kritik nicht, was einen angeblich mangelnden Spannungsbogen oder die Notwendigkeit einer Figureneinführung angeht. Letztere erfolgt ja direkt am Anfang, aber auf subtile und nicht plakative Art und Weise.
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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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D 11.07.2022 21:12
von Don Rülpschen
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Also die beiden Protagonisten sind gleich alt, etwa Mitte 20. Sie fühlen sich aber schon relativ alt und leben auch eher nicht wie typische junge Leute ihres Alters.
Carsten ist verbittert, denn Kinder "wecken eine Ahnung in ihm, wie es sein kann, sich für das Leben zu begeistern"
Ja, eher keine Geschichte, sondern eine Momentaufnahme im Leben der beiden Protagonisten. Daher auch kein klassischer Aufbau mit Exposition und Spannungsbogen. Analog: Ort und Zeit. Ort ist ja klar eine Großstadt, Zeit: Wann war Converse als Schuhmode modern? Genauere Einordnung fand ich nicht wichtig.
Creative-Writing-Kurs? Weiß nicht, habe nie einen besucht. Brauch ich dann wohl auch nicht mehr
Ach ja und das mit dem Pronomen. Das war echt schwierig, offenbar ist es mir nur halb gelungen. Ich-Perspektive wollte ich nicht, und ja, "Carsten" wird etwas oft genannt.
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HansGlogger Klammeraffe
H Alter: 65 Beiträge: 615 Wohnort: Bayern
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H 11.07.2022 22:04
von HansGlogger
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Don Rülpschen hat Folgendes geschrieben: | Also die beiden Protagonisten sind gleich alt, etwa Mitte 20. Sie fühlen sich aber schon relativ alt und leben auch eher nicht wie typische junge Leute ihres Alters.
Carsten ist verbittert, denn Kinder "wecken eine Ahnung in ihm, wie es sein kann, sich für das Leben zu begeistern"
Ja, eher keine Geschichte, sondern eine Momentaufnahme im Leben der beiden Protagonisten. Daher auch kein klassischer Aufbau mit Exposition und Spannungsbogen. Analog: Ort und Zeit. Ort ist ja klar eine Großstadt, Zeit: Wann war Converse als Schuhmode modern? Genauere Einordnung fand ich nicht wichtig.
Du solltest IMHO als Autor schon einen konkreten Ort und eine konkrete Zeit im Kopf haben, wenn auch nicht unbedingt im Text aufführen.
Zum Beispiel die Dyrnberg'sche Vermutung, es handele sich um eine Situation nach einem Clubabend (kalter Rauch in der Jacke). Wenn es wirklich so wäre, dann passt das nicht zur Familie mit dem Kleinkind. Es müsste dann spät in der Nacht oder sehr früh am Morgen sein.
Solche Fehler geschehen nicht, wenn Du einen konkreten Ort und ein konkrete Zeit im Kopf hast.
Creative-Writing-Kurs? Weiß nicht, habe nie einen besucht. Brauch ich dann wohl auch nicht mehr
Ach ja und das mit dem Pronomen. Das war echt schwierig, offenbar ist es mir nur halb gelungen.
Du könnest ja dem Prota einen Namen geben.
Ich-Perspektive wollte ich nicht, und ja, "Carsten" wird etwas oft genannt. |
Sprachlich ist der Text gelungen, keine Frage
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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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D 11.07.2022 22:09
von Don Rülpschen
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HansGlogger hat Folgendes geschrieben: | Don Rülpschen hat Folgendes geschrieben: | Also die beiden Protagonisten sind gleich alt, etwa Mitte 20. Sie fühlen sich aber schon relativ alt und leben auch eher nicht wie typische junge Leute ihres Alters.
Carsten ist verbittert, denn Kinder "wecken eine Ahnung in ihm, wie es sein kann, sich für das Leben zu begeistern"
Ja, eher keine Geschichte, sondern eine Momentaufnahme im Leben der beiden Protagonisten. Daher auch kein klassischer Aufbau mit Exposition und Spannungsbogen. Analog: Ort und Zeit. Ort ist ja klar eine Großstadt, Zeit: Wann war Converse als Schuhmode modern? Genauere Einordnung fand ich nicht wichtig.
Du solltest IMHO als Autor schon einen konkreten Ort und eine konkrete Zeit im Kopf haben, wenn auch nicht unbedingt im Text aufführen.
Zum Beispiel die Dyrnberg'sche Vermutung, es handele sich um eine Situation nach einem Clubabend (kalter Rauch in der Jacke). Wenn es wirklich so wäre, dann passt das nicht zur Familie mit dem Kleinkind. Es müsste dann spät in der Nacht oder sehr früh am Morgen sein.
Solche Fehler geschehen nicht, wenn Du einen konkreten Ort und ein konkrete Zeit im Kopf hast.
Creative-Writing-Kurs? Weiß nicht, habe nie einen besucht. Brauch ich dann wohl auch nicht mehr
Ach ja und das mit dem Pronomen. Das war echt schwierig, offenbar ist es mir nur halb gelungen.
Du könnest ja dem Prota einen Namen geben.
Ich-Perspektive wollte ich nicht, und ja, "Carsten" wird etwas oft genannt. |
Sprachlich ist der Text gelungen, keine Frage |
Also konkreten Ort und Zeit im Kopf habe ich definitiv. Aber beides geht aus dem Text halt nur vage hervor. Aber Ort und Zeit im Kopf beim Schreiben hatte ich: Es ist irgendwann später nachmittag, wochentags. Die Jacke stinkt nach Rauch, weil vor allem Carsten viel in der Wohnung rumhängt und raucht, Perspektivlosigkeit.
Ja, dem Prota einen Namen geben hatte ich auch erst versucht. Aber dann wimmelte es mir zu viel vor Namen bei dem kurzen Text. Eine andere Lösung schien es mir nicht zu geben
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Araragi Drama-Capra
Alter: 33 Beiträge: 210 Wohnort: Diomedes Inseln, manchmal auch Türme des Kölner Doms
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12.07.2022 00:31 Re: Still von Araragi
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Hallo Don Rülpschen, hat dir schon jemand gesagt wie toll der Name klingt?
Ich muss gestehen, ich habe deinen Text zwei mal lesen müssen um ihn einigermaßen verstehen zu können. Vielleicht fehlt mir einfach das Fable für lange Sätze, oder meine Aufmerksamkeitsspanne ist sehr kurz gehalten. Nachdem ich aber das viele Lob gesehen habe, versuchte ich mich nochmal an den Text, diesmal konzentrierter. Und tatsächlich, von Zeit zu Zeit, rüttelt er herzergreifend an meinem emotionalen Apparat. Wie es schon jemand hier gesagt hat, die Story ist gar nicht so sehr von Bedeutung, wenn der Text eine tolle Atmosphäre bietet. Es gibt jedoch im letzten Abschnitt ein paar Momente, die mich aus dieser Stimmung entrissen haben.
Don Rülpschen hat Folgendes geschrieben: |
Er wendet den Blick von der Scheibe und sieht, wie Carstens Kiefer sich langsam-malmend bewegen, irgendetwas sagen, was aber nicht zu verstehen ist. Der Familienvater ist schon etwas älter, eigentlich zu alt... |
Dass wir nicht verstehen, was Carsten sagt, finde ich gut. Jedoch scheint sein Gesagtes niemand außer "Er" wahrzunehmen. Spricht Carsten vielleicht zu sich selbst? Spricht er mit der Familie und sie ignorieren ihn, oder hören sie ihn einfach nur nicht? Das wäre als Leser super zu wissen.
Don Rülpschen hat Folgendes geschrieben: | Jetzt redet das Kind, es will Carsten etwas sagen. Carsten zaubert ein künstliches Leuchten in seine Augen, denn er schätzt an Kindern ihre Ungeformtheit, sie wecken eine Ahnung in ihm, wie es sein kann, sich für das Leben zu begeistern. Wieder ist nicht zu verstehen, was gesagt wird, aber er kann von Weitem hören, wie das Kind seinen Satz mit einem lauten Ausrufezeichen beendet. |
Also hat Carsten mit dem Kind gesprochen, oder hat das Kind Carsten sprechen hören und will mit ihm reden? Eigentlich ist es echt schade, dass wir schon wieder lesen müssen, dass nichts verstanden wird. Vielleicht wäre es besser den Teil einfach rauszunehmen und direkt zu sagen, dass das Kind seinen Satz mit einem lauten Ausruf beendet.
_________________ It's a cold world, but here, in Rosella's house, it is hell.
Cimona - Copenhagen Cowboy |
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Skatha Eselsohr
Beiträge: 372 Wohnort: Alpenraum
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12.07.2022 11:09
von Skatha
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Mir gefällt der Text, er ist eindrücklich, die Atmosphäre kühl. Der Prota scheint einen klaren Moment zu haben, er erfasst, an welchen Punkt im Leben er bzw. sein Freund sich gerade befindet, und das tut er fast schon mit nüchterner Art und Weise, die der Grundstimmung im Text und den gezeichneten Bildern zuträglich ist.
Auf das höfliche Du im Kursivteil ließe sich mMn verzichten, da es sich um Gedanken und keinen Brief oder ähnliches handelt.
Die einzig direkte Rede bräuchte es im Grunde auch nicht, oder würde ich allenfalls indirekt wiedergeben. Dann wäre es wirklich ein 'stiller' Text.
Am Ende hätte ich mir, nach dem Fokus auf seinen Freund, noch einen kurzen Schwenk zurück zum Prota gewünscht, eine Frage, die er sich selbst stellt, eine Feststellung ihn betreffend; denn bei ihm, seinen Converse und seiner Introspektion der grauen Suppe nimmt der Text auch seinen Anfang.
Gern gelesen.
LG Skatha
_________________ It is not despair, for despair is only for those who see the end beyond all doubt. We do not.
(J.R.R. Tolkien, The Lord of the Rings) |
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Dyrnberg Klammeraffe
Beiträge: 569 Wohnort: Wien
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12.07.2022 11:23
von Dyrnberg
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HansGlogger hat Folgendes geschrieben: | Zum Beispiel die Dyrnberg'sche Vermutung, es handele sich um eine Situation nach einem Clubabend (kalter Rauch in der Jacke). Wenn es wirklich so wäre, dann passt das nicht zur Familie mit dem Kleinkind. Es müsste dann spät in der Nacht oder sehr früh am Morgen sein.
Solche Fehler geschehen nicht, wenn Du einen konkreten Ort und ein konkrete Zeit im Kopf hast. |
Das sehe ich anders: Menschen, die in Großstädten in Clubs gehen, kehren oft erst untertags aus diesen zurück. Man geht also um zwei Uhr in der Früh tanzen und dann um 10h am Vormittag nach Hause. So hätte ich die Szene gelesen - und dann hätte auch die Familie in der U-Bahn perfekt gepasst. However... wir wissen ja nun vom Autor, dass die Szene ohnehin untertags spielt. Ohne Clubbesuch.
Warum wird Carsten zu Beginn "unterstellt", dass ihm bald die Herzen zufliegen und sein Freund ihn quasi hemmt? Diese Stelle war nämlich für mich der einzige Grund, Carsten als wesentlich jünger einzuschätzen - was dann aber gegen Ende der Story eben keinen wirklich Sinn macht.
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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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D 12.07.2022 18:15 Re: Still von Don Rülpschen
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Araragi hat Folgendes geschrieben: | Hallo Don Rülpschen, hat dir schon jemand gesagt wie toll der Name klingt?
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Danke, das erleichtert mich jetzt. Kurz nachdem ich mein Profil erstellt habe, dachte ich, der Name ist zu albern. Aber wer weiß, ob Du nicht mit Deiner Meinung alleine dastehst Aber gut, jetzt ist es auch egal....
Araragi hat Folgendes geschrieben: |
Ich muss gestehen, ich habe deinen Text zwei mal lesen müssen um ihn einigermaßen verstehen zu können. Vielleicht fehlt mir einfach das Fable für lange Sätze, oder meine Aufmerksamkeitsspanne ist sehr kurz gehalten. Nachdem ich aber das viele Lob gesehen habe, versuchte ich mich nochmal an den Text, diesmal konzentrierter. Und tatsächlich, von Zeit zu Zeit, rüttelt er herzergreifend an meinem emotionalen Apparat. Wie es schon jemand hier gesagt hat, die Story ist gar nicht so sehr von Bedeutung, wenn der Text eine tolle Atmosphäre bietet. Es gibt jedoch im letzten Abschnitt ein paar Momente, die mich aus dieser Stimmung entrissen haben.
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Immerhin! Und ja, die Story ist es nicht so sehr, eher das Transportieren einer Momentaufnahme und der Emotion.
Araragi hat Folgendes geschrieben: |
Don Rülpschen hat Folgendes geschrieben: |
Er wendet den Blick von der Scheibe und sieht, wie Carstens Kiefer sich langsam-malmend bewegen, irgendetwas sagen, was aber nicht zu verstehen ist. Der Familienvater ist schon etwas älter, eigentlich zu alt... |
Dass wir nicht verstehen, was Carsten sagt, finde ich gut. Jedoch scheint sein Gesagtes niemand außer "Er" wahrzunehmen. Spricht Carsten vielleicht zu sich selbst? Spricht er mit der Familie und sie ignorieren ihn, oder hören sie ihn einfach nur nicht? Das wäre als Leser super zu wissen.
Don Rülpschen hat Folgendes geschrieben: | Jetzt redet das Kind, es will Carsten etwas sagen. Carsten zaubert ein künstliches Leuchten in seine Augen, denn er schätzt an Kindern ihre Ungeformtheit, sie wecken eine Ahnung in ihm, wie es sein kann, sich für das Leben zu begeistern. Wieder ist nicht zu verstehen, was gesagt wird, aber er kann von Weitem hören, wie das Kind seinen Satz mit einem lauten Ausrufezeichen beendet. |
Also hat Carsten mit dem Kind gesprochen, oder hat das Kind Carsten sprechen hören und will mit ihm reden? Eigentlich ist es echt schade, dass wir schon wieder lesen müssen, dass nichts verstanden wird. Vielleicht wäre es besser den Teil einfach rauszunehmen und direkt zu sagen, dass das Kind seinen Satz mit einem lauten Ausruf beendet. |
Den Teil beim zweiten Mal rausnehmen finde ich gut.
Es ist so gemeint, dass Carsten sich mit der Familie unterhält, offensichtlich ist ein Gespräch entstanden. In diese Unterhaltung mischt sich dann auch das Kind. Der Protagonist ("Er") versteht aber nicht, was gesagt wird.
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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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D 12.07.2022 18:25
von Don Rülpschen
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Skatha hat Folgendes geschrieben: | Mir gefällt der Text, er ist eindrücklich, die Atmosphäre kühl. Der Prota scheint einen klaren Moment zu haben, er erfasst, an welchen Punkt im Leben er bzw. sein Freund sich gerade befindet, und das tut er fast schon mit nüchterner Art und Weise, die der Grundstimmung im Text und den gezeichneten Bildern zuträglich ist.
Auf das höfliche Du im Kursivteil ließe sich mMn verzichten, da es sich um Gedanken und keinen Brief oder ähnliches handelt.
Die einzig direkte Rede bräuchte es im Grunde auch nicht, oder würde ich allenfalls indirekt wiedergeben. Dann wäre es wirklich ein 'stiller' Text.
Am Ende hätte ich mir, nach dem Fokus auf seinen Freund, noch einen kurzen Schwenk zurück zum Prota gewünscht, eine Frage, die er sich selbst stellt, eine Feststellung ihn betreffend; denn bei ihm, seinen Converse und seiner Introspektion der grauen Suppe nimmt der Text auch seinen Anfang.
Gern gelesen.
LG Skatha |
Danke für das detaillierte Feedback und diese glasklare Begründung, warum Dir der Text gefallen hat - das freut mich wirklich sehr! Was das Ende angeht: Ich wollte unbedingt mit dem "still gestorben" enden. Und indirekt ist das ja auch eine Feststellung des Protagonisten über sich selbst: Er sieht seinen Freund in einem anderen Licht und das betrifft ja auch indirekt ihn selbst.
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Don Rülpschen Schneckenpost
D Alter: 48 Beiträge: 13 Wohnort: Potsdam
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D 12.07.2022 18:28
von Don Rülpschen
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Dyrnberg hat Folgendes geschrieben: | HansGlogger hat Folgendes geschrieben: | Zum Beispiel die Dyrnberg'sche Vermutung, es handele sich um eine Situation nach einem Clubabend (kalter Rauch in der Jacke). Wenn es wirklich so wäre, dann passt das nicht zur Familie mit dem Kleinkind. Es müsste dann spät in der Nacht oder sehr früh am Morgen sein.
Solche Fehler geschehen nicht, wenn Du einen konkreten Ort und ein konkrete Zeit im Kopf hast. |
Das sehe ich anders: Menschen, die in Großstädten in Clubs gehen, kehren oft erst untertags aus diesen zurück. Man geht also um zwei Uhr in der Früh tanzen und dann um 10h am Vormittag nach Hause. So hätte ich die Szene gelesen - und dann hätte auch die Familie in der U-Bahn perfekt gepasst. However... wir wissen ja nun vom Autor, dass die Szene ohnehin untertags spielt. Ohne Clubbesuch.
Warum wird Carsten zu Beginn "unterstellt", dass ihm bald die Herzen zufliegen und sein Freund ihn quasi hemmt? Diese Stelle war nämlich für mich der einzige Grund, Carsten als wesentlich jünger einzuschätzen - was dann aber gegen Ende der Story eben keinen wirklich Sinn macht. |
Dass Carsten die Herzen zufliegen, glaubt Carsten lediglich selbst: er denkt, dass er mit der richtigen Portion Coolness und Gelassenheit auf Leute zugehen kann bzw. könnte. Er tut es aber nicht und gibt dafür dem Protagonisten die Schuld.
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