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Autor |
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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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07.02.2015 14:41 Februar von silesio
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Februar
Zwölf Monate umfasst das Jahr;
der zweite ist der Februar,
gelegen in der Jahreszeit,
wo´s mehr als vorher friert und schneit.
Wird manchmal auch der Winter strenger,
die Tage werden wieder länger.
Wer morgens aus dem Schlaf erwacht,
tut´s nicht mehr mitten in der Nacht,
weil ab und zu am Horizont
ein Wölkchen, rosarot besonnt,
geheimnisvoll und unbegründet
den Anfang eines Tags verkündet.
Doch Aussichten, die sich entfalten,
sind, wie so häufig, zwiegespalten,
nicht logisch und nicht rational,
mit andern Worten, ein Skandal,
Andeutung nur, ein schwacher Hauch,
voll Widerspruch, sowohl - als auch.
Nun kommt, - wie soll es anders sein? –
auch hier ein Unglück nicht allein.
Gefrässig-gierig lauert schon
im Hinterhalt die Depression,
die keinen, der in Stockholm wohnt,
im Monat Februar verschont,
die bohrt und plagt und piekst und quält,
obwohl´s nach außen an nichts fehlt.
Dergleichen macht den Stärksten mürbe
so sehr, dass er am liebsten stürbe,
wenn Suizid nur nicht so schwer
und risikobehaftet wär.
Sobald die Sonne höher steigt
und Licht sich überall verzweigt,
dringt damit zwar ein Hoffnungsschein
ins winterkalte Herz hinein.
Licht lindert nämlich die Misere, -
Wenn da nicht noch das andre wäre,
das Öde, Triste, Totenblasse,
das Langweilige, Graue, Nasse,
das Oberflächliche, Banale,
Verschwommene, Stupide, Fahle,
das vor dem Fenster unverhohlen
umherschwirrt wie ein Schwarm von Dohlen.
Wer aus dem Bett durchs Fenster schaut,
hüllt sich sofort in Gänsehaut,
und auch sein Innerstes erstarrt
beim Anblick dieser Gegenwart,
so dass er sich erneut einrollte,
wenn er nur könnte, wie er wollte.
Doch leider, ach, er kann es nicht,
unüberhörbar ruft die Pflicht,
und nur die wenigsten der Pflichten
kann einer ja im Bett verrichten.
Meist muss er dazu aus dem Haus,
das heißt, auch aus dem Bett hinaus.
Er schnäuzt mit einem stillen Fluch
Zähschleimiges ins Taschentuch,
schlüpft in die sonst bedeutungslosen
schafwollnen langen Unterhosen;
schluckt reichlich Vitamintabletten,
die, hofft er, vor Erkältung retten;
beschließt, es sei ein Schnaps vonnöten,
um die Bazillen abzutöten,
und lutscht zu seiner Kehle Wohl
kaugummiartiges Menthol.
Er fasst den mutigen Beschluss
zu tragen, was er tragen muss.
Da Klagen sowieso nichts nützen
und vor dem Wetter nicht beschützen,
erscheint es klüger, ohne Klagen
das Unvermeidliche zu tragen,
wozu, auch wenn es noch so stört,
der Monat Februar gehört.
Doch wer von so viel Grau umgeben,
sehnt sich nach Farbe, Duft und Leben,
nach Vogelzwitschern, grünen Wiesen,
exotisch-fernen Paradiesen,
Begeisterung, Unendlichkeit,
nach einem Aufbruch der befreit.
Noch tut sich nichts, er wird nicht froh,
die Welt als solche ist nicht so.
Nein, diese Gegenwart ist wahrlich
nichts anderes als februarlich.
Da hilft nicht zornig sein, nicht toben;
nichts, gar nichts hilft mehr … siehe oben.
O Mona, warte noch ein Weilchen,
dann blühn im Garten erste Veilchen,
und hier in Schweden zwischen Klippen
blühn weisse oder blaue Zippen; x
die Kräfte blühn, die Liebe blüht,
es grünen Birken und Gemüt.
Der Dichter (richtig, dieser hier)
ergreift ein neues Blatt Papier,
denn auch in ihm steigt dann der Saft.
Es grünt und blüht die Dichterkraft
Doch leider, noch ist Februar.
Es ist so, wie es immer war:
Apathisch, trostlos, trist und fahl,
genau genommen stinknormal,
normaler Frust, normaler Schmerz.
O komm doch endlich, lieber März,
und komm, für alle deine Fans,
auch du recht bald, geliebter Lenz.
x Vit- och blåsippor
Weitere Werke von silesio:
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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07.02.2015 22:55
von firstoffertio
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Ich mag dein humorvoll scheinendes Gedicht. Ein wenig lang, vielleicht, aber es ist metrisch und inhaltlich gut gemacht. Fast eine Ballade. Ich fühle mit. Hast einiges gut eingefangen, was ich auch kenne. Manche Formulierungen mag ich besonders, z.B.
Wer aus dem Bett durchs Fenster schaut,
hüllt sich sofort in Gänsehaut,
und auch sein Innerstes erstarrt
beim Anblick dieser Gegenwart,
so dass er sich erneut einrollte,
wenn er nur könnte, wie er wollte.
Doch leider, ach, er kann es nicht,
unüberhörbar ruft die Pflicht,
und nur die wenigsten der Pflichten
kann einer ja im Bett verrichten.
oder
Der Dichter (richtig, dieser hier)
ergreift ein neues Blatt Papier,
Leider sagt mir die Erklärung zum x gar nix?
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Flower Schneckenpost
Beiträge: 14 Wohnort: Wien, Österreich
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18.02.2015 22:09
von Flower
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schönes Gedicht, ist zwar etwas lang und beansprucht deshalb ein wenig, gefällt mir aber trotzdem sehr gut.
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Magnus Soter Eselsohr
Alter: 64 Beiträge: 284
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18.02.2015 22:31
von Magnus Soter
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Das ist ein tolles Gedicht! Gefällt mir ausgesprochen gut.
Aufgefallen ist mir, dass manche Passagen neunsilbig sind, das meiste aber nur achtsilbig. Gestört hat es mich nur an einer Stelle:
Zitat: |
so dass er sich erneut einrollte,
wenn er nur könnte, wie er wollte.
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Diese beiden Zeile sind neunsilbig, eingebettet in eine sonst achtsilbige Strophe. Da merke ich, dass es nicht passt. Da könntest du das "E" am Ende einfach weglassen, dann passt es.
Gruß, Klaus
_________________ Ich bin der Klaus. |
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silesio Eselsohr
Alter: 89 Beiträge: 237 Wohnort: Dubai
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19.02.2015 11:20
von silesio
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Soweit ich weiss und auch unzählige Male gelesen und praktiziert habe, geht es nicht um die Zahl der Silben überhaupt, sondern um die der betonten. Ich verwende meist einen Vierheber. Das Ende kann stark oder schwach sein,
was einem wechselnden Rhythmus zu gute kommt.
silesio
_________________ Ein ernster Mensch, der gerne lacht. |
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Larsson Leseratte
Alter: 56 Beiträge: 111 Wohnort: Wakendorf I
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19.02.2015 11:51
von Larsson
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Moin silesio,
ich gebe es zu: Ich habe keine Ahnung von Lyrik und kann daher - technisch betrachtet - gar nicht mitreden. Andererseits habe ich damit die Freiheit, frei aus dem Bauch heraus zu entscheiden, was mir gefällt und was nicht. Dein Gedicht gefällt mir sehr gut, ich finde vieles, gut in wenigen Worten eingefangen, darin wieder.
firstoffertio schrieb:
Zitat: | Leider sagt mir die Erklärung zum x gar nix? |
Das ist einfach (wenn ich hier für silesio antworten darf) - das ist Schwedisch und bedeutet "weiße und blaue Zippen", wenn ich das mit meinen Scanrail-Schwedischkenntnissen richtig deute.
Mich als alten Botaniker würde natürlich interessieren, was sich für eine Pflanzenart dahinter verbirgt...
Weiterhin frohes Schaffen wünscht
Ralf
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Magnus Soter Eselsohr
Alter: 64 Beiträge: 284
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19.02.2015 11:57
von Magnus Soter
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Ja, Harald hat mir das mit den Jamben und der Hebigkeit schon mal vom Prinzip erklärt, nachdem ich selbst ein kleines Gedicht eingestellt und gar nicht gewusst hatte, dass ich in Jamben geschrieben habe. Will sagen, so ganz viel Wissen hab ich darüber nicht. Ich mach das immer nach Gefühl.
Nun ist es aber so, dass mir diese zwei Zeilen aufgefallen sind, mich irgendwie raus brachten. Das war überhaupt der Grund, warum ich nach den Silben geschaut habe. Ob das nun technisch richtig ist oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Wollte nur darauf hinweisen.
Lieben Gruß
_________________ Ich bin der Klaus. |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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19.02.2015 22:06
von firstoffertio
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Larsson hat Folgendes geschrieben: | Moin silesio,
ich gebe es zu: Ich habe keine Ahnung von Lyrik und kann daher - technisch betrachtet - gar nicht mitreden. Andererseits habe ich damit die Freiheit, frei aus dem Bauch heraus zu entscheiden, was mir gefällt und was nicht. Dein Gedicht gefällt mir sehr gut, ich finde vieles, gut in wenigen Worten eingefangen, darin wieder.
firstoffertio schrieb:
Zitat: | Leider sagt mir die Erklärung zum x gar nix? |
Das ist einfach (wenn ich hier für silesio antworten darf) - das ist Schwedisch und bedeutet "weiße und blaue Zippen", wenn ich das mit meinen Scanrail-Schwedischkenntnissen richtig deute.
Mich als alten Botaniker würde natürlich interessieren, was sich für eine Pflanzenart dahinter verbirgt...
Weiterhin frohes Schaffen wünscht
Ralf |
Habe in google translate sippor eingegeben. Danach sind es Anemonen!
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Merlinor Art & Brain
Alter: 72 Beiträge: 8667 Wohnort: Bayern
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20.02.2015 12:28
von Merlinor
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Hallo silesio
Zu Lyrik kann ich ja leider nichts Konstruktives sagen, da fehlt es mir an Kompetenz, aber hier habe ich ohnehin den sicheren Eindruck, dass der Text in sich rund und handwerklich sauber gefasst ist.
Da gäbe es also auch nichts zu mäkeln, selbst wenn ich es könnte.
Und die Aussagen? Treffend, auf den Punkt ...
Verfasst in einer abwechslungsreichen und ausdrucksstarken Sprache.
Gerne gelesen.
LG Merlinor
_________________ „Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“
MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942 |
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