Der Dichter ging zum weiten, stillen Meere

[EdgarAllanPoe]

Inspiriert von einem englischen Sonett und dessen Übersetzung, habe ich beschlossen, mich wieder an einem solchen Gedicht zu versuchen. Da es Parallelen zum Original aufweist, packe ich es mal hier rein.

Der Dichter ging zum weiten, stillen Meere


Der Dichter ging zum weiten, stillen Meere,
den Stift in seiner Hand, ein neues Blatt,
versessen auf der leisen Worte Ehre;
doch hinter seiner Stirn es blieb so matt.

In frühern Zeiten, Gedichte so wie Wellen
sich schlugen durch die Sinne, blinkend, funkelnd,
im Wahne taumelnd, Worte, so groß, die hellen,
doch nun waren sie klein, keine Strahlen – dunkelnd.

Der Dichter schritt umher, zu Füßen Möwen;
er hatte keine Namen, wofür er fühlte –
so schwer, dass sich nun Worte bald erhöben –

die Vögel pickten ihm ganz zart die Zehen,
er spürte, dass ihn eine kalte Welle kühlte:
und wähnte es rauschend hinter der Stirne wehn.

[jim-knopf]

vll erstmal eine frage:
hattest du die intension das ganze streng nach einem "klassischen" Sonett zu schreiben? Oder durfte es auch bissal freier sein? Würde mir eine Kritik erleichtern.

Gruß
Roman

[Hardy-Kern]

Ich denke, wenn man es mit dem Original vergleicht, ist es doch sehr frei geschrieben, was dich von dem Verdacht des Abkupferns schnell freispricht.
Mir gefällt es jedenfalls. Gut.

Hardy

[EdgarAllanPoe]

Roman: Größtenteils ist es nach einem klassischen Sonett geschrieben, ja. Allerdings habe ich die Zäsur nach der dritten Hebung ausgelassen, weil ich da keinen Sinn drin sah. Und das Reimschema ist auch nicht das eines "normalen" Sonetts. Der Kreuzreim passte für mich besser zum regelmäßigen Klatschen der Wellen an den Strand. Aber ich denke, dass ich das Metrum bei diesem Versuch einigermaßen hingekriegt hab.

Hardy: Danke, dass es dir gefällt. Und da dachte ich schon, es wäre zu sehr abgekupfert. Es ist schön, dass es dann doch etwas freier geraten ist.

Eddie