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Janus Wortedrechsler
J Alter: 25 Beiträge: 86 Wohnort: Düsseldorf
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dürüm Wolf im Negligé
Alter: 46 Beiträge: 966 Wohnort: Cape Town
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08.02.2023 18:19
von dürüm
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Hallo Janus,
schön, dass Du Dich an Haiku ausprobieren willst.
Aber (ja, leider, ganz großes aber):
Selbst ein Haiku "Zyklus" besteht aus einzelnen Kurzgedichten.
Wenn Du sie alle untereinander schreibst, ist es schon kein Haiku (oder Senryu) mehr.
Und die Regeln gelten immer für jedes einzelne Haiku.
Die Silbenzahlen sind, (wie schon in meiner Antwort an Dich in meinem Zyklus geschrieben), eher als "guideline" als als strikte Regel zu interpretieren.
17 japanische Moren entsprechen im Deutschen oft nur 10 Silben, bis maximal 14.
Also ist die strikte Silbenzahl 5-7-5 wirklich nur der Rahmen, das Bild da drin darf deutlich kleiner sein mit einem breiten Passepartout. (Ich kenne Haiku mit nur 8 Silben)
Zu den Stilmitteln (ich hab es auch auf die harte Tour gelernt), japanische Lyrik folgt anderen Regeln als europäische Lyrik, viele Stilmittel, mit denen wir arbeiten, so auch die Apokoinu, die Du hier verwendet hast, oder z.B. Reime, kommen im Haiku nicht vor.
Gefühle sollen im Leser entstehen, aber nicht direkt benannt werden.
Maximal mal die eine Alliteration hier oder eine zarte Allusion dort.
Ansonsten ist ein Haiku so klar und karg wie ein Ryokan oder ein japanischer Zengarten. Eine Leinwand, eine Offenheit.
Und ja, Metaphern werden auch sehr sehr sparsam eingesetzt (bei meinen Haiku immer meine größte Versuchung, arrgg).
Wie gesagt, Dein Gedicht ist nach all diesen Kriterien kein Haiku/Senryu.
Das heißt aber nicht, dass es schlecht ist, nur falsch kategorisiert.
Details erste Strophe:
Zitat: |
Zitternde Äste
reflektieren im Eisteich Apokoinu geht leider nicht
spiegelt sich das Licht
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Eisteich verortet mich im Winter, zitternde Äste weisen auf Wind hin (eher selten im Winter), und in einer vereisten Fläche spiegelt sich nichts mehr.
Wenn es dir um Winter geht, würde ich "zitternd" gegen "dürre" tauschen, das Element "Wind" weglassen, das Spiegeln (weil faktisch nicht möglich) weglassen und überlegen, was und wo das Licht tatsächlich ist. Also, wenn Du Trauer implizieren willst, ev. ein Licht von dem Du weg gehst, oder das verloschen ist.
Meine Version (ohne Anspruch auf höhere Qualität, nur um zu demonstrieren, was ich gesagt habe)
ein toter baum -
mein schatten auf dem
vereisten teich
.
Gruß
Kerem
_________________ Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca) |
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Soleatus Reißwolf
Beiträge: 1002
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09.02.2023 12:16
von Soleatus
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Hallo Janus!
Wie Dürüm sagt: Schaut man mit der Haiku-Brille drauf, muss man sagen, das passt nicht. Aber! Ich denke, als grundlegende Möglichkeit, ein Kurzgedicht zu gestalten, hat es viele spannende Möglichkeiten. Wenn du also die knappe Darstellung magst, oder zumindest gelegentlich gestaltest: Das scheint mir ein guter Ausgangspunkt, die "Reise zur eigenen Form" zu beginnen! Und wenn du dann sagst, ein bestimmtes Stilmittel ist notwendig Bestandteil, kannst du ja auch den Rest drumherum so gestalten, dass dieses besondere Merkmal bestmöglich zur Geltung kommt. Ich glaube, das könnte zu etwas wirklich überzeugendem führen.
Gruß,
Soleatus
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Berni Exposéadler
Alter: 64 Beiträge: 2518 Wohnort: Südhessen (aus NRW zugelaufen)
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18.02.2023 01:14
von Berni
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Hallo Janus,
ich schließe mich Kerem an, was Haiku angeht. Ja, Apokoinu gibt es tatsächlich im Haiku (soviel ich weiß) nicht. Allerdings möchte ich hier diesen Text ausnehmen:
Grabsteine frieren
in einsamer Wacht
steigen neue Träume auf
Diesen Stil (die mittlere Zeile ist Teil sowohl der ersten als auch dritten Zeile) findet man bei Haiku durchaus. Es ist ein Scharniervers.
Und ich stimme auch Soleatus zu. Ich frage mich, weshalb du deine Texte unbedingt in die Schublade Haiku/Senryu stecken möchtest. Wie Kerem schon schreibt, sind es keine wirklichen Haiku/Senryu. Aber sie haben was!
Ich selbst beschäftige mich seit vielen Jahren mit diesen japanischen Kurzgedichten und schreibe auch ebenso lang Haiku und Senryu. Und ich treibe mich auf diversen Haiku-Plattformen im Internet herum. Mich mit Haikuregeln zu befassen, mich diesen auch zu fügen, hat mir sicherlich nicht geschadet. Aber mir war dieses Korsett am Ende zu eng. Heute nutze ich die Erfahrungen, die ich mit Haikuschreiben gemacht habe, für meine eigenen Kurzgedichte. Und diese können, müssen aber Haikuregeln nicht mehr entsprechen. Ich lege Wert darauf, dass meine Texte das ausdrücken, was ich fühle, und Regeln unterwerfe ich mich nicht mehr.
Und wenn ich Soleatus richtig verstehe, dann rät er dir, deine eigenen Texte zu schreiben, ohne sie ins Haikukostüm zu zwängen. Das wäre auch mein Ratschlag. Wobei nichts dagegen spricht, sich auch an echten Haiku und Senryu zu versuchen.
LG
Berni
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