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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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Soleatus Reißwolf
Beiträge: 1000
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02.12.2017 10:49
von Soleatus
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Hallo Tula!
Das überzeugt in Ansätzen, an vielen Stellen aber auch nicht. Ich kann den Finger noch nicht ganz darauf legen, warum; wahrscheinlich hat es aber etwas zu tun mit den vielen "Behauptungswörtern". Die "Einöde" wäre ein Beispiel. Das wirkt wie die einfache Lösung, wie eine Abkürzung; aber darum eben auch wie eine Leerstelle. Auch "vergangenes Leid" - das ist,im eigentlichen, eine leere Behauptung?!
Die Menge der "verdächtigen Wörter" ist auch sehr groß: Horizont, Verheißung, Melancholie, Aufbruch, Traum, Ferne, Schweigen, Nacht, Sterne - da lassen sich Leerstellen schwer vermeiden. Nun hast du auch manches an eigenständigem, genauer beschriebenem, aber insgesamt scheint mir das Verhältnis nicht zu stimmen?!
Gruß,
Soleatus
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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02.12.2017 17:26
von Tula
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Hallo Soleatus
vielen Dank für deinen ersten Eindruck. Der lässt mich jetzt selbst noch etwas unschlüssig, bestätigt aber, dass es nicht einfach ist, ein Gedicht vollständig aus sich selbst erklären zu lassen, wenn es um einen Landstrich geht, der dem größeren Teil der Leser nicht sonderlich bekannt sein dürfte, und obendrein spielt dieses ja auf einige soziale Aspekte an, die dem nicht eingeweihten Leser erst recht nicht sofort zugänglich sein können.
Daran dachte ich durchaus, wollte aber auch wissen, inwieweit sich der Leser das Gedicht auch ohne Hilfe weitestgehend erschließen kann. In einem Buch oder auf einer thematisch orientierten Web-Seite würde hier auf alle Fälle ein begleitender Text stehen, der auch mit passenden Bildern noch an Wirksamkeit gewinnen kann.
Um jetzt nicht 'alles' zu erklären, vorerst die folgenden Hinweise:
Alentejo - wörtlich das Land jenseits des Tejo, geografisch also der Süden Portugals, den man auf der Autobahn in etwa 2 Stunden durchquert, um an den benannten Ort der Verheißung zu gelangen
- Verheißung - erklärt sich somit aus dem blauen Elysium und der Strandbar
Zitat: | nicht auszudenken eine Panne in dieser Einöde irgendwo |
Schließt eigentlich den ersten Teil des Gedichtes ab, d.h. stellt einen doch sehr oberflächlichen Gedankengang des sich in Bewegung befindlichen Lyri (ohne Zweifel ein Großstädter) dar. Dieser Satz kontrastiert dann mit dem zweiten Teil des Gedichtes, der versucht, einen tieferen Blick auf Land und Leute zu wagen
Ich überlege mir nun, dass man aus besagtem Grunde diesen Satz auch herausstellen sollte. Somit getan, in der hier darunter gesetzten zweiten Version, ansonsten vorerst ohne weitere Änderungen.
LG
Tula
Land hinter dem Fluss
(Alentejo)
zwei Stunden lang zieht uns der flimmernde Punkt
am Horizont - Verheißung blauen Elysiums und einer Strandbar -
über das Meer aus Durst und Melancholie
treiben auf erstarrter Dünung
Karavellen mit grünen Segeln
olivenbeladen
nicht auszudenken eine Panne in dieser Einöde irgendwo ...
in den Dörfern schlingt sich blau um weiß
gekalkte Wände harren Stunden auf
die Überlebenden des Aufbruchs
in die neue Zeit die zählt
man hier schon lange nicht mehr
jeden Abend finden sie sich unter den Steineichen
die knorrigen Brüder teilen vergangenes Leid
und Brot und Wein und auch
die Träume von anderen
in der Ferne
bald tränkt die Dämmerung sie mit Schweigen
Menhiren gleich werden sie
allmählich eins mit Baum und Feld und
Dorf und Traum
dann lächelt jeder auf seine Weise
sie wissen um ihre Nächte
hier sind sie noch
sternenklar
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Perry Exposéadler
P Alter: 71 Beiträge: 2509
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P 02.12.2017 20:09 Hallo Tula, von Perry
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gefällt mir dieser Blick ins Hinterland.
Konstruktiv würde ich die Eingangssequenz (stark gekürzt) an den Schluss setzen und die Befindlichkeit (nicht auszudenken ... weglassen).
LG
Perry
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Soleatus Reißwolf
Beiträge: 1000
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03.12.2017 23:03
von Soleatus
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Hallo Tula!
Ich denke, der Knackpunkt ist nicht die "Erklärbarkeit" - ich komme schon ganz gut mit hier. Für mich mangelt es dem Terxt an Erfahrbarkeit, und das gründet in den zahllosen Oberbegriffen, die für dich, als "erfahren habendem", ein angenehmes Mittel sind, gedrängt und übersichtlich zu schreiben, mir aber einen Zugang, der über ein fernbleibendes Verstehen hinausgeht, nicht ermöglichen.
Anders: Du fasst zusammen, wo du ausbreiten müsstest. Da ist zuviel Du und nicht genug Alentejo. Diese Einschätzung zum Beispiel ... "(ohne Zweifel ein Großstädter)" ... hat mich sehr erstaunt; woran mache ich das fest als Leser?! Kann ich nicht "vom Dorf" kommen und etwas als Einöde empfinden oder mir Sorgen wegen einer Panne machen? Das bist "Du", nicht der Text.
Jetzt kann ich derlei leicht vorschlagen (ich hätte ja nicht die Arbeit damit), aber ich fände es reizvoll, diesen Versuch der Landschafts- / Landstrichbeschreibung deutlich ausgedehnt zu lesen. Sagen wir als Sonett-Zyklus, zehn, zwölf davon, die mir erfahrbar machen, was hier gänzlich verloren geht. Oder ein längerer Hexameter-Text; ein Vers, der aus sich heraus Wirklichkeit einfordert und den Schreibenden mit Ungefährem nicht davonkommen lässt. So, oder in Distichen, ist ja auch schon viel dergleichen geschrieben worden. Oder auch "frei", klar!
Gruß,
Soleatus
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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03.12.2017 23:37
von firstoffertio
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Ich verstehe Soleatus' Bedenken.
Und habe nun überlegt, ob dein Gedicht, wenn auch sicher angestoßen von der Erfahrung in Alentejo, diesen Untertitel braucht. Anders gesagt, ob es nicht von etwas handelt, was auch woanders erlebbar wäre?
Ich lese hier schon hauptsächlich einen Besuch des Li in einer für es ungewohnten Welt, auf die es von außen guckt. Aber geht es wirklich um Alentejo?
Habe das gerne gelesen.
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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04.12.2017 18:25 Re: Land hinter dem Fluss von holg
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Tula hat Folgendes geschrieben: | Land hinter dem Fluss
(Alentejo)
zwei Stunden lang zieht uns der flimmernde Punkt
am Horizont - Verheißung blauen Elysiums und einer Strandbar -
über das Meer aus Durst und Melancholie
treiben auf erstarrter Dünung
Karavellen mit grünen Segeln
olivenbeladen
nicht auszudenken eine Panne in dieser Einöde irgendwo
in den Dörfern schlingt sich blau um weiß
gekalkte Wände harren Stunden auf
die Überlebenden des Aufbruchs
in die neue Zeit die zählt
man hier schon lange nicht mehr
jeden Abend finden sie sich unter den Steineichen
die knorrigen Brüder teilen vergangenes Leid
und Brot und Wein und auch
die Träume von anderen
in der Ferne
bald tränkt die Dämmerung sie mit Schweigen
Menhiren gleich werden sie
allmählich eins mit Baum und Feld und
Dorf und Traum
dann lächelt jeder auf seine Weise
sie wissen um ihre Nächte
hier sind sie noch
sternenklar |
Hallo Tula
Ich mag die Stimmung. Die letzten beiden Strophen gefallen mir sehr (könnte mir überlegen, das „noch“ zu streichen). Die davor mit abstrichen. „Die knorrigen Brüder teilen vergangenes Leid“ das ist einerseits ein schönes Bild, andererseits fände ich es schöner, wenn das Leid benannt würde, auch wenn es dazu etwas mehr Platz bräuchte. Aber schon etwas wie „teilen die Narben von Hunger und Krieg“ (oder was passendes) würde das Bild etwas greifbarer, ehrlicher machen. Vergangenes Leid ist genau so vorinterpretiert wie Einöde und Melancholie. Letztendlich sind das leere Platzhalter. (Schreibe ich jetztvon Soleatus ab?). Vlt. würde es funktionieren Bilder für z.B. die Melancholie einzusetzen?
Als Beispiel für von Soleatus angesprochenen mMn sehr gut gelungenen Gedichtzyklus zu einer Landschaft (Stadt/Land) hier ein Link zu einem älteren Werk aus dem Forum Sonnette an Accra von Jim Knopf
_________________ Why so testerical? |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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08.12.2017 01:27
von Tula
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Hallo Soleatus, Perry, firstoffertio und holg
ein Dankeschön für eure Beiträge und Vorschläge zum Gedicht, die mir für die weitere Beschäftigung mit diesem und anderen Themen sehr wertvoll sind.
Der Vorschlag, mit einem längeren Zyklus (welche Form da auch immer gewählt wird) ausführlicher zu werden, hat natürlich seine Berechtigung. Auch wenn die Beschreibung der melancholisch schönen Landschaft Teil des Gedichtes ist, war meine Absicht hier, vor allem auf die Begegnung zwischen den Menschen einzugehen, oder besser: auf die Begegnungen die leider kaum oder gar nicht stattfinden. D.h. zwischen den 'modernen' Stadtmenschen, die auf der Autobahn auf dem Weg an die Strände der Algarve etwa 2 Stunden brauchen, um den Alentejo zu durchqueren (und beim Anblick der vorüber rauschenden Landschaft eher oberflächliche Betrachtungen anstellen), und den Menschen, die in der Region im Wandel der Zeiten zurückgeblieben sind.
Dabei hoffe ich, dass ungeachtet der Kritik dieser Ansatz und die Kernaussage herübergekommen sind und vom nicht-eingeweihten Leser ebenso erarbeitet werden können, auch wenn der historische und gesellschaftliche Hintergrund in dieser Szene im Detail nicht sofort erfasst wird. Ich denke allerdings ganz ehrlich, dass das 'Leid' hier keiner besonderen, eingehenden Erklärung bedarf, d.h. es geht um Armut, eine stets 'durstige' Landschaft, um Menschen, die sich auch im Alter im Schatten der Bäume Brot und Wein teilen, es geht um die Brüderlichkeit derjenigen, die nicht viel besitzen, das man sich teilen kann.
Diese Schwierigkeit (nicht ausführlich genug zu werden oder, bei diesem Versuch das Gedicht mit Überlänge zu verwässern) war mir durchaus klar, weshalb es mir auch wichtig erschien, den Teil des Landes anzugeben. Ginge es einzig und allein um die Schönheit der Landschaft, dann, da stimme ich zu, wäre es sinnvoller, sich allein auf die lyrische Beschreibung zu verlassen, ohne geografische Angaben.
Das 'noch' am Ende hat seinen Sinn, denn es geht ja gerade darum, dass es sich beim Anblick des von künstlichem Licht weitestgehend ungestörten Anblicks des nächtlichen Sternenhimmels um ein Gut handelt, welches den anderen abhanden gekommen ist. Da bleibt zu bedenken, dass nicht wenige der Menschen im Auto ihre Kindheit unter Umständen noch in ländlicher Umgebung verbracht haben. Es geht also wahrhaftig um einen 'Verlust'.
Wie oben angedeutet, die Vorschläge nehme ich gern an, vor allem für spätere lyrische Versuche, Land, Geschichte und Kultur einer interessierten Leserschaft näher zu bringen.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Gast
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08.12.2017 14:39
von Gast
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Hi,
mir gefallen sowohl die neue als auch die alte Version nicht so gut.
Grund für mich mag sein, dass die Naturbetrachtungen durch verkomplizierte Satzkonstruktionen und Wortgebilde-, zusammenhänge zerrieben werden.
Ich würde mir da mehr Schlichtheit und weniger Metabene wünschen.
Gruß,
Monochrom
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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10.12.2017 00:53
von Tula
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Hallo Monochrom
schade, dass dir dieses nicht so zusagt. Nichtsdestotrotz Danke für dein feedback.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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