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crim sex, crim & rock'n'roll
Beiträge: 1578 Wohnort: München
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09.09.2023 09:01 starr nicht von crim
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starr nicht
morgen
dunst über frischem teer
greift nach gekappten armen
die schattenspende der trauer
weide
hilft bei der fahrt auf sicht
schwarze ader am rande der stadt
über dir wächst die tief hängende frucht
aus licht
im behang des nach allen seiten geneigten baums
starr nicht
direkt hinein
ein fleck im auge bleibt blind
wenn der wind
den grünen vorhang aufweht
der baumarbeiter sturm
liegt zurück
und sämtliche wege sind gangbar
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Abari Alla breve
Alter: 43 Beiträge: 1838 Wohnort: ich-jetzt-hier
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10.09.2023 09:19 Re: starr nicht von Abari
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Hey,
Inkognito hat Folgendes geschrieben: | starr nicht
morgen
dunst über frischem teer
greift nach gekappten armen Das ist so interesseweckend und glücklich zugleich, auch wenn ich es erst in der zweiten Leserunde kapiert habe, was das meint.
die schattenspende der trauer
weide Bis hierhin Top. Ich meine, es böte sich ein anderer Vers an als dieser:
hilft bei der fahrt auf sicht zB "meine blätter mit gutem" - ist nicht irre, aber könnte als Inspirationsquelle erst mal reichen.
schwarze ader am rande der stadt
über dir wächst die tief hängende frucht Das verstehe ich nicht. Wahrscheinlich die "Baumkrone", aber das ist zu halbhermetisch in meinen Augen.
aus licht
im behang des nach allen seiten geneigten baums Hmmm. Da ich das Gedicht nun zweimal gelesen habe, frage ich mich, ob das den gefällten oder den noch stehenden Baum meinen soll. Bin mir unschlüssig.
starr nicht
direkt hinein
ein fleck im auge bleibt blind
wenn der wind
den grünen vorhang aufweht Einfach gelungen, diese Strophe.
der baumarbeiter sturm
liegt zurück
und sämtliche wege sind gangbar Hmmm. Wieder so etwas, was mich aus dem Flow des Gedichtes wirft und zugleich verständlich ist. Zu verständlich vielleicht?!? Weiß nicht. Klingt ein bisschen moralistisch, obwohl ich denke, dass es nicht so gemeint war. Hmmm, hmmm. |
An sich ein solider Text mit interessanten Wendungen und Bildern. Weiß noch nicht genau, wo Du stehst, aber gewiss nicht mehr am Anfang. Was mir fehlt, sind Stilmittel, die den Text von der "lyrischen Wiedergabe mit Schlusswort" zum "Erlebnis" schmieden. Muss gerade an "Mein Freund, der Baum" denken, obwohl das im Gegensatz zu Deinem Text moralinsauer hoch 23 ist, also im Grunde keine Vergleichsgrundlage. Weiß nicht, wie ich drauf komme.
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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crim sex, crim & rock'n'roll
Beiträge: 1578 Wohnort: München
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11.09.2023 06:47
von crim
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Heyja,
damit kann ich arbeiten. Danke!
hilft bei der fahrt auf sicht
Ich werde mir hier etwas überlegen. Tendiere gerade zur ersatzlosen Streichung oder
ein(en) augenblick trost
Die letzte Strophe betrachte ich auch noch einmal genauer.
Die tiefhängende Frucht aus Licht braucht vielleicht eine Verdeutlichung, aber vielleicht ist es auch der nach allen Seiten geneigte Baum, der noch nicht ganz aufgeht.
Liebe Grüße Inko
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anuphti Trostkeks
Alter: 58 Beiträge: 4320 Wohnort: Isarstrand
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25.09.2023 12:15 Re: starr nicht von anuphti
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Hallo crim,
crim hat Folgendes geschrieben: | starr nicht
morgen
dunst über frischem teer
greift nach gekappten armen
die schattenspende der trauer
weide
hilft bei der fahrt auf sicht
schwarze ader am rande der stadt
über dir wächst die tief hängende frucht
aus licht das ist die einzige Stelle, an der ich hängen bleibe, weil ich Trauerweiden so überhaupt nicht mit Früchten verbinde
im behang des nach allen seiten geneigten baums
starr nicht
direkt hinein
ein fleck im auge bleibt blind
wenn der wind
den grünen vorhang aufweht
der baumarbeiter sturm
liegt zurück
und sämtliche wege sind gangbar |
das ist mir tatsächlich entkommen, tststs, wenn man nicht täglich in die Lyrik schaut.
Sehr gerne gelesen und sofort die Bilder nach dem Sturm in München vor Augen gehabt. Stolperstelle siehe oben.
Eventuell auch noch die Stelle mit dem Fleck im Auge ...
Es gibt ja physiologisch einen blinden Fleck im Auge (da wo der Sehnerv einmündet), aber ich denke, Du meinst eher einen Blendeffekt, nach Blick in die Sonne?
Falls ja, würde ich das wahrscheinlich versuchen anders zu formulieren.
Liebe Grüße
Nuff
_________________ Pronomen: sie/ihr
Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)
You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach) |
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Brombärchen Eselsohr
Beiträge: 258
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25.09.2023 16:07 Re: starr nicht von Brombärchen
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Hey crim:)
Wollte schon seit längerem zu dem Gedicht etwas schreiben. Schon bevor du zu du geworden bist:) Bin bisher nicht dazu gekommen. Denn es ist sehr komplex für mich, aber faszinierend. Weil es das ambivalente Gefühl des modernen Menschen gegenüber der Natur treffend widersprüchlich erfasst.
Am meisten packt mich ja die Überschrift. „Starr nicht“. Das fand ich faszinierend. Auch wenn mir nicht klar ist warum. Die Frucht aus Licht ist für mich die Sonne. Doch hat es was Ambivalentes, die wachsende Frucht aus Licht, denn Frucht spendet Nahrung, doch man soll nicht starren, durch die bedrohliche, moderne und zugleich etwas märchenhafte, surrealistische Stimmung erinnert es mich aber auch an die Vision eines Atompilzes.
Das ganze Gedicht ist von Widersprüchlichkeiten durchzogen, die Natur spendet Schatten, bietet die Frucht aus Licht, sie ist fragil, zerbrechlich aber auch bedrohlich und übermächtig. „Starr nicht“ und der Blendfleck erinnern mich an das Ozonloch, Bilder und Metaphern wie die geklappten Arme oder die schwarze Ader an das giftige, naturfremde und Zerstörerische der Zivilisation, das auch den Menschen bedroht.
Die noch in der Romantik als Rückzugsort gegenüber der Stadt und als Quelle der Harmonie empfundene Natur ist längst selbst bedroht/bedrohlich geworden. die Natur zerbrochen, spendet immer noch Schatten, doch auch hier muss man vorsichtig sein. Starr nicht! Ist ein eindringliches Gebot, das man auf eigene Gefahr missachtet. ich bin noch immer nicht wirklich zufrieden mit meiner Interpretation. Aber wenn ich zu lange warte, schreibe ich nachher gar nichts und das fände ich auch nicht gut. Weil das Gedicht ja was mit mir macht.
Im übrigen finde ich durchaus, dass man den Fleck, der blind bleibt, durchaus auch als blinden Fleck deuten kann, auch wenn zuerst der Blendfleck der Sonne näher liegt. Doch was ist der blinde Fleck? warum ist er mit der Aufforderung „Starr nicht“ verbunden? Wer äußert die Aufforderung, die erinnerte Stimme einer Mutter, die Personifikation der Natur selbst? Das hätte jeweils eine ganz unterschiedliche Bedeutung.
„Sämtliche Wege sind gangbar“, ist dies ein Hinweis darauf, dass die Natur zwar beschädigt, aber noch intakt ist? Das es noch immer einen Weg der Umkehr gibt? Dass die Natur all dies sein kann und es auf unsere Entscheidung ankommt, welche Version der Natur unsere Zukunft sein wird? Dieses Gedicht erhebt für mich vor allem Fragen, fordert auf zu antworten. Antworten, die wir nicht geben können. Und auch dadurch wird in uns das spezifisch moderne Lebensgefühl, der spezifisch moderne Lebensbezug zur Natur in uns wachgerufen.
Liebe Grüße von brombärchen
_________________ Wild schlafend, Erdbeerblut verschmiert
heldenhaft freundlich, harmlos verliebt,
Gänseblümchens toll wütiger Bruder |
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