|
|
Autor |
Nachricht |
Schmierfink Lyroholiker
Alter: 34 Beiträge: 1172
|
08.09.2011 15:16
von Schmierfink
|
|
|
war irgendwie klar.
_________________ "Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht über alles seine Bemerkungen."
Heinrich Heine
"Ich gebe Zeichen von mir, Signale . . . Ich schreie aus Angst, ich singe im Dschungel der Unsagbarkeiten"
Max Frisch
"Die Leute gehen ins Feuer, wenn's von einer brennenden Punschbowle kommt!"
Georg Büchner |
|
Nach oben |
|
|
Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
|
A 08.09.2011 15:39
von Aranka
|
|
|
Es ist schon fast zu viel über diesen Text geschrieben worden, sodass ich mich zuerst nicht mehr zu Wort melden wollte. Aber ich bin immer wieder bei diesem Text gelandet, weil meine Reaktion auf diesen Text eine gespaltene war. Mittlerweile bin ich mit mir und dem Text klarer und habe mich entschlossen, meine Gedanken aufzuschreiben (03. 09. 2011). Hier sind sie:
(Werde sie einstellen, wenn das Inkognito gelüftet ist. Weiß einfach gerne, wer mein Gegenüber ist.)
Ich habe mich schon nach dem ersten Lesen gefragt, warum mich der Text nicht so berührt, wie er es sollte. Denn, dass lässt der Text außer Zweifel, der Autor möchte mit dem Text wahr- und ernst genommen werden, vielleicht Selbstverständliches/Gängiges erschüttern und im Rahmen seiner Standortbestimmung jede Frage formulieren dürfen? Auch solche, die vielleicht Tabus berühren.
Um dies zu erreichen, bedient er sich einer durchaus klaren und ungeschönten Sprache, in der aus meiner Sicht nur das Wort „Scheiß“ überstrapaziert wird. Dadurch, dass das Wort „scheiß“ in den ersten zwei Strophen dreimal wiederholt wird, erfährt der Text nicht mehr Eindringlichkeit, im Gegenteil, das Wort nutzt sich ab, und die Ernsthaftigkeit des Textes gerät in Zweifel. („Scheiß Wetter! So eine Scheiße!“ Auf dieser Ebene kommt das Wort bei mir an. (nicht provozierend, eher abwertend) Denke jedoch, der Text bewegt sich auf einer anderen Ebene.)
Ich spürte als Schreibhaltung eine so nach außen getragene „Wuthaltung“, fast eine wenig eine unqualifizierte „Scheißwut-Haltung“, eher so nach der Art: “Ist so und so egal!“. Das fand ich so schade, denn alles andere im Text sind für mich durchaus ernst zu nehmende Aussagen und Überlegungen und auch gut in Sprache gesetzt.
Ich habe dann einfach einmal diese vier „scheiß“ Worte herausgenommen, sonst nichts geändert. Und siehe da, es liest sich ganz anders. So hart der Autor bei seiner Standortsbestimmung auch seine Fragen formuliert, sie erschienen mir seriöser, von einer ernsthafteren Glaubwürdigkeit.
Lese ich in der letzten Strophe vielleicht sogar ein Versöhnungsangebot, einen kleinen Zweifel des LI, sagt es da nicht doch wieder Herz. Die letzte Strophe ist überhaupt sehr bemerkenswert. Und ich glaube, ich habe noch ein paar Tage an dem Text zu knacken, im positiven Sinne.
Das jetzt eher nebenbei: „mäandrisch“ fällt für mich aus der sonstigen Sprache heraus, ein wenig aufgesetzt.
Ich bin sehr unentschlossen, den Text für mich qualitativ einzuordnen. Auf jeden Fall macht er sich bemerkbar, hebt sich ab von vielem sonst, hat eine eigene Kraft (vielleicht noch etwas unausgegoren), dennoch unbedingt ernst zu nehmen und auch weiter zu verfolgen.
Hallo Roman, schicke meinen Kommentar unverändert ab. Fang damit an, was immer du willst.
Auch nach deinen Erklärungen, ob nun hilfreich oder nicht: ich habe es nicht bereut, über den Text gestolpert zu sein. Gruß Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
|
Nach oben |
|
|
Eredor Dichter und dichter
Moderator Alter: 32 Beiträge: 3415 Wohnort: Heidelberg
|
08.09.2011 16:29
von Eredor
|
|
|
Ach komm. Sei nicht so verbittert, Roman! Das Gedicht ist gut und ich kann mich damit durchaus identifizieren, aber diese Art von Lyrik steht dir nicht halb so gut wie die Gedichte, die das LI nicht mehr schreibt
Kein mega-monster-guter Text - doch je öfter man ihn liest, desto besser wird er. Hat Potenzial. Doch, vielleicht muss ich ihn noch paarmal lesen
Auf auf
_________________ "vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel |
|
Nach oben |
|
|
jim-knopf Dichter und Trinker
Alter: 35 Beiträge: 3974 Wohnort: München
|
13.09.2011 10:35
von jim-knopf
|
|
|
vielen dank ihr beiden
deine kritik, aranka, ist sehr fundiert und gelungen. ich werd darüber nachdenken und gegebenenfalls ein paar kleine änderungen vornehmen. vielen dank.
verbittert bin ich im übrigen nicht
ganz im gegenteil
gruß
roman
_________________ Ich habe heute leider keine Signatur für dich. |
|
Nach oben |
|
|
firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
|
13.09.2011 23:07
von firstoffertio
|
|
|
Die folgende Frage hat nicht direkt mit dem Text hier zu tun. Vielleicht kann sie zu passender Stelle verschoben werden, Roman?
Das LI wird hier öfters genannt. Es dauerte eine Weile, bis ich draufkam, dass das Lyrisches Ich bedeutet.
Es kommt mir aber oft so vor, das damit gar nicht etwas anderes als das Ich des Autors gemeint ist, wenn es genannt wird in Beiträgen.
Was genau ist nun das Lyrische Ich denn nun?
(Ist vielleicht hier doch ganz passend, zu fragen, der Autor erst inkognito. Rosanna: "aber diese Art von Lyrik steht dir nicht halb so gut wie die Gedichte, die das LI nicht mehr schreibt")
|
|
Nach oben |
|
|
Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
|
A 14.09.2011 00:59
von Aranka
|
|
|
Interessante und nicht ganz neue Frage. Weiß nun nicht, ob diese Diskussion hier an diese Stelle gehört, hier jedoch ein Beitrag zur Diskussion: Autor und Lyrisches Ich
Durs Grünbein äußert sich in seiner Frankfurter Poetikvorlesung dazu und ich finde das eigentlich eine ganz gute Aussage. Hier das Zitat: „Erst langsam begann ich zu begreifen, welchen Paradoxa das Gedichte schreiben ausgesetzt war. Zu seinen konstitutiven Widersprüchen gehörte es, dass man nie sagen konnte, aus wie vielen Stimmen sich die eigene zusammensetzte. Nicht nur war man selbst weitaus mehr als bloß dieser Eine, sondern man war auch, als sogenanntes Lyrisches Ich, immer nur punktuell deckungsgleich mit dem geistigen Wesen, das sich dahinter verbarg und das man als einziger kannte. …Dem Subjekt der poetischen Stimme, geht es um den Unbekannten hinter der Maske.“
Ich denke die Janusköpfigkeit der Autorposition ist nicht zu leugnen, und das „ich“ des Autors steckt bis zur Unkenntlichkeit in Wörter aufgelöst im „Ich“ des Gedichtes und das Gedicht siedelt sich nicht in der Biographie seines persönlichen Lebens an, sondern im Erleben seiner inneren Biographie.
Ulla Hahn sagt einmal dazu: „Erst wenn aus Fleisch Wort wird, entsteht das Gedicht, dann werden aus Erfahrungen Erfindungen gemacht.“
Ich denke, die Nähe und gleichzeitige Verschiedenheit zwischen Autor und LI immer klar zu realisieren und zu trennen, gerät schon mal ins Wanken in den Beiträgen.
Gruß Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
|
Nach oben |
|
|
jim-knopf Dichter und Trinker
Alter: 35 Beiträge: 3974 Wohnort: München
|
14.09.2011 01:11
von jim-knopf
|
|
|
in der literaturwissenschaft begehst du einen schweren fehler, wenn du das lyrische ich unreflektiert mit dem autor gleichsetzt. allerdings lässt sich nicht leugnen, dass gerade in der lyrik die grenzen zwischen autor und lyrischem ich verwischen und fließend sind. aber: das lyrische ich ist nie zu 100% der autor. du musst dir dessen nur bewußt sein.
gruß
roman
_________________ Ich habe heute leider keine Signatur für dich. |
|
Nach oben |
|
|
firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
|
14.09.2011 22:44
von firstoffertio
|
|
|
Danke für die Antworten.
Ich mag Gedichte, wo kein "Ich" vorkommt. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, auch bei meinen, aber ich finde Lyrik sollte etwas beschreiben, wo es nicht auf ein Ich, weder Autor's noch Lyrisches, ankommt. So dass etwas beschrieben wird, was allgemein von Interesse ist, oder allgemein nachvollziehbar (Natürlich niemals für alle, das geht nicht.)
Ist der Begriff "Lyrisches Ich" ein speziell Deutscher? Mir ist er in meinen workshops hier nicht untergekommen, und google translation hat auch nicht weitergeholfen.
Eins der besten Beispiele von was ich meine ist:
One Art
by Elizabeth Bishop
The art of losing isn't hard to master;
so many things seem filled with the intent
to be lost that their loss is no disaster.
Lose something every day. Accept the fluster
of lost door keys, the hour badly spent.
The art of losing isn't hard to master.
Then practice losing farther, losing faster:
places, and names, and where it was you meant
to travel. None of these will bring disaster.
I lost my mother's watch. And look! my last, or
next-to-last, of three loved houses went.
The art of losing isn't hard to master.
I lost two cities, lovely ones. And, vaster,
some realms I owned, two rivers, a continent.
I miss them, but it wasn't a disaster.
--Even losing you (the joking voice, a gesture
I love) I shan't have lied. It's evident
the art of losing's not too hard to master
though it may look like (Write it!) like disaster.
Zwar verwendet sie "I" und spricht aus dieser Perspektive in den letzten drei Versen, sehr eindeutig sogar, aber durch die Form der Villanelle und einfuehrenden Verse ist deutlich, dass das nur beispielhaft ist, dass sie allgemeine Erfahrungen durch eigene illustriert. Es geht nicht um ihre persoenlichen Erfahrungen in dem Text, noch um die eines lyrischen Ichs, sondern um die von "uns".
Was meint ihr? Liege ich da falsch?
|
|
Nach oben |
|
|
firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
|
14.09.2011 22:54
von firstoffertio
|
|
|
Und jetzt nochmal zu deinem Text, jimknopf:
jetzt schreibe ich keine gedichte mehr
über jahreszeiten und scheiß blätter und
irgendwelche verkorksten leben weil
die liebste sich einen einen anderen
ins auge gemalt hat ich schreibe keine scheiß
gedichte mehr von einem acker und
einer scheiß heimat wo die kinder
und die ratten auf den dachböden der
bauernhöfe ihre köpfe zum explodieren
bringen von dem vielen gefühl und weil sie
sich den wald in die köpfe tätowieren gib
ihnen ein wenig straßendreck von dort
wo die autobahn mäandrisch beinah
in die stadt eindringt vielleicht müssen
sie einfach vergewaltigt werden man muss
ihnen die heimat nur herausficken nur
herausficken und ich schreibe keine gedichte
mehr über den herbst und seine verspiegelte
sonne und über den scheiß winter wer schnee
und sonne sagt muss auch herz sagen: herz
Du schreibst hier etwas allgemeines ueber das Gedichteschreiben, ueber die Frage "wie Gedichte schreiben", oder? Obwohl du "ich" sagst? Und die Antwort auf diese Fragen sozusagen, die du als allgemein als die richtige ansiehst.
Du sagst "Herz", nicht "ich". Du gibst eine allgemeine Antwort.
|
|
Nach oben |
|
|
Angst Scheinheiliger
A Alter: 33 Beiträge: 1571
|
A 14.09.2011 23:27
von Angst
|
|
|
Wenn ich ein Gedicht schreibe, dann gehe ich immer von meinen eigenen Gefühlen aus, versuche sie aber so zu beschreiben, dass sie für andere nachvollziehbar werden. Würde ich das nicht tun, könnte ich das Schreiben gleich bleiben lassen und mich in meinem Köpfchen mit mir selbst unterhalten. Allerdings glaube ich schon, dass es in der Lyrik mehr als in der Prosa darum geht, sich selbst mitzuteilen. Darunter muss die allgemeine Nachvollziehbarkeit ja nicht leiden. Ausserdem bin ich der Meinung, dass diese völlig unabhängig davon ist, ob im Text nun "ich" steht, oder nicht.
_________________ »Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48. |
|
Nach oben |
|
|
firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
|
14.09.2011 23:45
von firstoffertio
|
|
|
Hallo Scheinheilige,,
Ja, das versuchte ich ja deutlich zu machen, dass ein lyrischer Text auch mit "ich" allgemein gelten kann. Aber mit dem "sich selbst mitteilen" und "Gefühle beschreiben" habe ich Probleme. Selbst wenn sie nachvollziehbar sind. Da muss noch was dazukommen. Genau weiss ich auch nicht, wie ich das benennen soll. Dass sie relevant sind für andere, vielleicht?
|
|
Nach oben |
|
|
Angst Scheinheiliger
A Alter: 33 Beiträge: 1571
|
A 15.09.2011 00:05
von Angst
|
|
|
Hey firstoffertio
Ich habe keine Macht darüber, ob andere relevant finden, was ich zu sagen habe.
Ich versuche nur, mich so gut wie möglich auszudrücken.
Alles andere wäre Anbiederung, und das hat, finde ich, nichts mit Kunst zu tun.
So, wird Zeit fürs Bett, gute Nacht :)
_________________ »Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48. |
|
Nach oben |
|
|
|
|
Seite 2 von 2 |
Gehe zu Seite 1, 2 |
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben. Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten. Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten. Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen. Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen. In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten Du kannst Dateien in diesem Forum herunterladen
|
Buch | Empfehlung | Empfehlung | Buch | Empfehlung | Empfehlung | Empfehlung | Empfehlung | Empfehlung | Buch |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|