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Mein Job


 
 
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Reese Buttercup
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 28



Beitrag20.05.2014 20:42
Mein Job
von Reese Buttercup
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

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Am Dienstag um kurz nach Sieben mache ich mich wie jede Woche auf den Weg.
Wir haben uns vor einem Jahr über einen Zettel am Schwarzen Brett des Supermarkts kennengelernt.
Frau Taube, Waltraud, hat mir gesagt, dass sie einen Babysitter braucht, damit sie den Frauenkreativabend im Gemeindehaus besuchen kann.
Es ist ein Filzkursus, der im Moment dort stattfindet, wenn ich mich nicht irre.
Ihre drei Jungs sind zwei, drei, und sieben Jahre alt.
Ich heiße Laura und bin Sechzehn.
Es sind zwei Kilometer, und weil das Rücklicht an meinem Fahrrad kaputt ist, muss ich aufpassen - wenn die Polizei mich erwischt, bin ich mehr als meinen Tageslohn los.   
Ruben macht mir die Tür auf und hinter ihm steht Lars- Ole, sein jüngerer Bruder, beide mit dem gleichen Grinsen auf dem Gesicht.
Als Lars- Ole mich sieht, steckt er den Daumen in den Mund und hält sich sein Schnoddertuch vor die Augen.
 - Bin ich wirklich die Richtige für den Job?
Waltraud ist wie immer im Schlafzimmer und zieht sich um, als ich das Haus betrete.
Meine Hausschuhe, die ich mitbringen soll, habe ich mal wieder vergessen, und hoffe, sie merkt es nicht, bis sie in ihrem blauen Glockenrock und der knallroten Filzjacke zur Tür hinausgerauscht sein wird, sonst muss ich ihre alten Dr. Scholl- Gesundheitslatschen anziehen, die sie für solche Fälle im Heizungkeller aufbewahrt.
Meine Jacke hänge ich auf den Haken der Kindergarderobe und gehe ins Wohnzimmer, wo es nach Essen riecht.
Heute gehört es wieder zu meinen Aufgaben, den Abendbrotstisch abzuräumen, ahne ich, wenn ich nicht vorher von den Resten ihrer Mahlzeit selber noch etwas möchte, wie Waltraud mir schon öfter angeboten hat.
In seinem Hochstuhl am Tisch sitzt Bastian, der jüngste der Brüder. Seine Augen sind groß wie Untertassen und der linke Zeigefinger ist in seiner Miniaturnase verschwunden. Auch Basti ist nicht begeistert von meinem Anblick, schließe ich aus der Tatsache, dass seine Gesichtsfarbe von rosa nach violett wechselt und er die Unterlippe vorstülpt.
Ich habe das Glück, dass Waltraud in diesem Moment von hinter der Badezimmertür ruft:
"Laura - wie schön, dass du schon da bist. Kannst du bitte dafür sorgen, dass der Basti noch ein paar Löffel von dem Rote- Beete- Brei zu sich nimmt?".
'Zu sich nimmt', sagt sie wörtlich.
Letzte Woche war es sein Möhrenpürree, das mein Lieblingsshirt ruiniert hat.
"Hallo, Waltraud", sage ich, "Na klar, - mache ich."
"Und dann lass ihn bitte Bäuerchen machen, bevor du ihn ins Bett legst, und, ach ja, eine neue Windel bräuchte er auch noch!"  
Mit apfelroten Bäckchen steht sie um kurz vor acht vor mir, ihre dunklen Haare zu einem Zopf geflochten, den sie sich um den Kopf gewickelt hat. Wie eine dieser russischen Holzpuppen sieht sie aus, die, die man aufmachen kann, und wo immer noch eine kleinere drinsteckt.
Kann es sein, dass sie schon wieder schwanger ist?
Endlich zieht sie ihre Schuhe an und nimmt die rote Jacke vom Haken, die dafür sorgen wird, dass die dreifache Mutter auf ihrem Hollandrad nicht von einem Auto überfahren wird.
"Und nicht wieder dieses Theater beim Zubettgehen, junge Dame. So etwas soll mir nicht mehr zu Ohren kommen, wenn ich meine Buben befrage!"
Endlich ist sie weg und ich würde nichts lieber tun als den Fernseher einzuschalten, denn Spongebob- Schwammkopf wäre garantiert ein besserer Babysitter als ich.
Es gibt aber keinen Fernseher in ihrem Haus, oder die Taubes haben eine von diesen geheimen Wänden, die sich auf Knopfdruck öffnen und schließen lassen, hinter der sich solche Dinge verbergen.
Aber zum Glück ist mir eine andere Methode eingefallen, um die drei Quälgeister in Schach zu halten, und die werde ich heute ausprobieren.
Mal sehen, ob sie mich wieder verpetzten!
Als erste Amtshandlung rühre ich den Rote- Beete- Brei ins Klo, den ich auf keinen Fall im Mülleimer entsorgen kann, weil ich annehme, dass der von Waltraud kontrolliert wird.
Ruben und Lars- Ole stelle ich vor die Wahl, entweder den Tisch abzuräumen, oder sich bettfertig zu machen. Letzteres ziehen sie zum Glück vor.
Bastian bekommt eine neue Windel, davor kann ich mich nicht drücken, auch das würde seine Mutter sicherlich merken. Seinen Schnuller tauche ich für zwei Minuten in den Biowein, von dem eine offene Flasche oben auf dem Küchenschrank steht.
Als ich sie ins Bett schicke, weiß ich ganz genau, was kurz darauf passieren wird.
Das erste Mal, als ich zum Babysitten bei den Taubes war, kamen sie keine fünf Minuten später  aus ihrem Kinderzimmer spaziert, um mir ihre Pimmel zu zeigen  (O- Ton Ruben). Ich hatte keine Ahnung, wie ich sie daran hindern sollte, nur Basti scheiterte an der Wickeltechnik seiner Mutter, die aus ökologischen Gründen diese Stoffwindeln verwendet.
Ein anderes Mal haben sie meinen I-Pod geschnappt, und sich bei Miley Cyrus um die Kopfhörer gekloppt, bis eine Tonvase kaputtging.
Und gleich am nächsten Tag haben sie ihren Eltern erzählt, dass ich eine ZIGARETTE auf ihrer Terrasse geraucht hätte, was ich völlig entnervt auch getan habe - als ich dachte, sie würden endlich schlafen.
Als Waltraud mich darauf angesprochen hat, hat sie getan, als hätte ich eins ihrer Kinder gegrillt.  
 - Rotzblagen!
Aber heute werde ICH der Sieger sein!
Die Gummibärchen, die ich mitgebracht habe, lege ich gut sichtbar neben mir auf die Sofalehne.
Ich mache Musik an und setze mir Kopfhörer auf.
Und als sie schließlich, wie immer, aus ihrem Zimmer getapert kommen und meine bunte Tüte sehen, sage ich ihnen, dass sie mir gehört, und dass ich meine Süßigkeiten SELBER essen möchte.
Wie die Orgelpfeifen stellen sie sich vor mich und riechen nach Zahnpasta.
Obwohl sie am Nachmittag zwei bis drei Stunden an der frischen Luft gewesen sein dürften, sind sie kein bisschen müde. Normalerweise hätte ich keine Chance gegen sie.
"Und wenn du die aufgegessen hast, - willst du dann wieder eine Zigarette rauchen vor der Tür?", fragt mich Lars- Ole.
"Das kann schon sein, dass ich das will, aber dann schlaft ihr ja schon", sage ich.
"Wir WOLLEN aber nicht sslafffn!".
Zwischen den Wollsocken und der Unterkante von Bastis Schlafanzughose quillt ein feistes Stück Kinderbein heraus.
"Dann wollt ihr bestimmt wieder eurer Mutter erzählen, wenn ich eine Zigarette rauche?"
 "JA! JA! JA! -  wollen wir!", singen sie im Chor.
Die beiden Kleinen johlen, während ihr großer Bruder ins Grübeln kommt.
Ich schaufle mir eine Handvoll Haribo in den Mund und schaue sie der Reihe nach an. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, dass sie zu sabbern anfangen.
"Aber wenn ich WILL, das ihr schlafen geht?"
"Dann musst du uns die Gummibärchen geben!", trumpft Ruben auf.
"Mmhhmm...", sagt Basti, und grapscht nach der Tüte.
"Finger weg, ich kenn' euch", sage ich. "Wenn die alle sind, kommt ihr doch wieder aus euren Betten raus."
"Versprochen nicht", sagt Lars- Ole und guckt wie ein Weihnachtsengel.
"Versprochen!", sagt auch Basti.
"Das glaube ich nicht!", sage ich.
Wieder nehme ich mir ein paar Weingummis und schaue in die Runde.
"Also gut, ich könnte euch ein paar abgeben, aber ihr bleibt im BETT und schlaft EIN, ist das klar?"
"Mmmmmmhmmmm..."
"Und wenn ihr das tut, bringe ich euch nächstes Mas wieder welche mit, abgemacht?"
"Juchuuuuu!"
"Und Coca-Cola auch!", verlangt Ruben.
Wir kippen die Tüte auf den Couchtisch und machen vier Haufen. Jeder musst gleich viele Bärchen bekommen. Ruben darf sie verteilen, während seine Brüder zuschauen. Es herrscht eine Stimmung, als würden wir einen Joint bauen.
Neun für sie, jeden von ihnen, sieben Gummibärchen bleiben für mich.
Um kurz nach halb neun gehen sie zufrieden ins Bett. So schnell habe ich das noch nie geschafft.
"Die muss man aber gaaanz langsam essen, sonst kriegt man Bauchschmerzen!", rufe ich ihnen hinterher.
Dann lege ich mich aufs Sofa und genieße die Stille und den angefressenen Mond, der durch das Fenster herein scheint.
Nachdem ich eins ihrer Bilderbücher durchgeblättert habe, gehe ich in die Küche, wo das Geschirr vom Abendbrottisch steht. Ich lasse Wasser ins Spülbecken und fange an abzuwaschen.
Die Taubes haben keinen Geschirrspüler.
Was macht eigentlich Herr Taube an den Abenden, an denen seine Frau zu den Kirchenbastelabenden geht?,  frage ich mich.
Als ich mit dem Abwasch fertig bin, hänge ich das Handtuch vor den Herd, wie ich es vorgefunden habe. Zu Hause haben wir zum Glück eine Geschirrspülmaschine.
Eine Zigarette wäre jetzt redlich verdient, finde ich, schlüpfe in meine Schuhe und schleiche mich auf die Terrasse raus.
Zu gern würde ich mich in die Hollywoodschaukel setzten, aber die steht genau vor dem Zimmer, in dem die drei Monster schlafen. Und sie quietscht höllisch, weiß ich.
Ein dicker roter Kater liegt darin, den ich schon öfter hier gesehen habe. Er lässt sich von mir streicheln.
Waltraud sieht es nicht gern, wenn ich mich einschließe, aber trotzdem werde ich den Schlüssel rumdrehen, wenn ich reingehe, nehme ich mir vor.  
Im gleichen Moment höre ich das Gebrüll.
 - Was ist DAS denn?
Von dem inzwischen mehrstimmigen Geheul, das aus dem Haus kommt, verstehe ich vor Allem zwei Worte: "BAKTUS UND KARIUS, BUUUHUHUUU, BAKTUS UND KARIUS - BAKTUS UND KARIUS - DIE SIND JETZT BEI MIR IM MUUUHUUUHUUND!"
Nachdem ich meine Zigarette in den Teich geworfen habe, eile ich ins Haus um sie zu beruhigen, und nach nochmaligem Zähneputzen zurück in ihre Betten zu schicken.
Puh, Schwein gehabt...
Dass Waltraud mich bei meinem Lohn mal wieder um eine halbe Stunde bescheisst, bemerke ich, wie immer, erst viel zu spät.

Weitere Werke von Reese Buttercup:


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(Von mir.)
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Papagena
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Ei 8


Beitrag20.05.2014 21:15

von Papagena
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Hm, ich bin mir nicht sicher, was ich dazu sagen soll.

Mein echtes Interesse hattest du bei diesem meinem Lieblingssatz:

Zitat:
Seinen Schnuller tauche ich für zwei Minuten in den Biowein, von dem eine offene Flasche oben auf dem Küchenschrank steht.


Fand ich super! lol Davon hatte ich mir mehr erhofft. Aber der Plan ist am Ende dann doch eher fad, find ich. Die Kinder mit Gummibärchen bestechen? Na ja, da ginge sicher noch mehr.

Der Text ist flüssig zu lesen, ich konnte mich komplett auf den Inhalt konzentrieren, so was ist immer gut. Allerdings war der Inhalt dann nicht ganz so "spannend", wie ich mir das erhofft hatte.

Hoffe, du kannst mit der kurzen Rückmeldung was anfangen.

Gruß
Papagena smile


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Jack Burns
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Beitrag20.05.2014 22:55

von Jack Burns
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Hallo Reese

Das Thema ist gut gewählt, um es amüsant zu verarbeiten.
Das gelingt Dir auch zum Teil. Beim Durchlesen halten mich keine Stolpersteine auf. Ich denke sogar, leicht dosierte Sozialkritik entdeckt zu haben. Du nimmst den typischen (Prenzl'berger?) Öko-Spießer aufs Korn. Das gefällt mir bis zu einem gewissen Grad. Einige Dinge, über die die Erzählerin lästert, sind aber für mich nachvollziehbar. (Nicht vor Kindern rauchen, kein Fernsehen für Kleinkinder) An diesen Stellen verliert die Prota meine Sympathie. Um es mal humorlos zu sagen: Wenn sie kein Gefühl (und keinen Bock) für Kinder hat, sollte sie besser kellnern gehen.
So schwanke ich zwischen schmunzelnder Zustimmung und unbehaglicher Ablehnung des Charakters.
Die Gummibärchen als Trick zu verkaufen, ist nicht gerade der Brüller. Trotz allem: Du hast es drauf, unterhaltsam zu schreiben.

Grüße
Martin


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Reese Buttercup
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Beiträge: 28



Beitrag21.05.2014 10:37

von Reese Buttercup
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Hallo Papagena, Hallo Jack,

vielen Dank für euer Interesse.
In einem Punkt widersprecht ihr euch interessanterweise:
Während Papagena den in Biowein getränkten Schnuller (für einen Zwei-Jährigen!) gut fand, war Jack selbst das Fernsehen und die Zigarette (Letztere für den Babysitter) schon zu viel.
Dass meine Protagonistin nicht nur sympathisch rüberkommt, ist mir klar - das wollte ich allerdings auch gar nicht.


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Nicki
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Beitrag21.05.2014 11:32

von Nicki
Antworten mit Zitat

Schöner Text, den man allerdings noch um einiges überspitzen sollte, damit man manche Dínge nicht zu ernst nimmt. Wie Schnuller in Bio-Wein. So schwankt man zwischen Satire und Realität.
Auch das Gummibärchen-Ende ist mir noch zu brav.
Dieser Vergleich ist absolut Spitze:
 
Zitat:
Wie eine dieser russischen Holzpuppen sieht sie aus, die, die man aufmachen kann, und wo immer noch eine kleinere drinsteckt.
Kann es sein, dass sie schon wieder schwanger ist?

Willst du an dem Text noch arbeiten? Ich frage lieber vorher, damit ein eventuelles Auseinanderpflücken Sinn macht.


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Beitrag21.05.2014 23:50

von firstoffertio
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Gefällt mir gut. Die Diskrepanz zwischen den life styles hast du gut und witzig eingefangen. Dies ist kein ernster Text. Ich lese ihn wie eine Glosse.

Aber das hier kommt mir irgendwie aus dem Blauen:

Waltraud sieht es nicht gern, wenn ich mich einschließe, aber trotzdem werde ich den Schlüssel rumdrehen, wenn ich reingehe, nehme ich mir vor.
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Reese Buttercup
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Beiträge: 28



Beitrag22.05.2014 08:55

von Reese Buttercup
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Hallo firstoffertio,

danke, das tut gut.
Ich werde den Text, wie gesagt, noch etwas zuspitzen.
Warum meine Protagonistin sich einschließen will, wird in einer ursprünglich ausführlicheren Version der Geschichte deutlich, ist hier aber tatsächlich unverständlich und daher überflüssig - werde ich knicken.


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Reese Buttercup
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Beiträge: 28



Beitrag27.05.2014 18:00

von Reese Buttercup
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Hallo an alle, die es noch interessiert.
Hier ist, wie versprochen, eine zweite Version meines Textes:


Wie jeden Dienstag mache ich mich um kurz nach Sieben auf den Weg.
Wir haben uns vor einem Jahr über einen Zettel am Schwarzen Brett des Supermarkts kennengelernt. Frau Taube, die ich Waltraud nennen darf, hat mir gesagt, dass sie einen Babysitter braucht, damit sie den Frauenkreativabend im Gemeindehaus besuchen kann. Es ist ein Filzkursus, der im Moment dort stattfindet, glaube ich.
Ihre drei Jungs sind zwei, drei, und sieben Jahre alt.
Ich heiße Laura und bin Sechzehn.
Es sind zwei Kilometer, und weil das Rücklicht an meinem Fahrrad kaputt ist, muss ich aufpassen - wenn die Polizei mich erwischt, bin ich mehr als meinen Tageslohn los.   
Ruben macht mir die Tür auf und hinter ihm steht Lars- Ole, sein jüngerer Bruder, beide mit dem gleichen Grinsen auf dem Gesicht. Als Lars- Ole mich sieht, steckt er den Daumen in den Mund und hält sich sein Schnoddertuch vor die Augen.
 - Bin ich wirklich die Richtige für diesen Job?
Waltraud ist wie immer im Schlafzimmer und zieht sich um, als ich das Haus betrete.
Meine Hausschuhe, die ich mitbringen soll, habe ich mal wieder vergessen, und ich hoffe, sie merkt es nicht, bis sie in ihrem blauen Glockenrock und der knallroten Filzjacke zur Tür hinausgerauscht sein wird, sonst muss ich ihre alten Dr. Scholl- Gesundheitslatschen anziehen, die sie für solche Fälle im Heizungkeller aufbewahrt.
Meine Jacke hänge ich auf den Haken der Kindergarderobe und gehe ins Wohnzimmer, wo es nach Vollwertkost riecht.
Heute gehört es wieder zu meinen Aufgaben, den Abendbrotstisch abzuräumen, ahne ich, wenn ich nicht vorher von den Resten ihrer Mahlzeit selber noch etwas essen möchte, wie Waltraud mir schon öfter angeboten hat. Sie ist einen von denen, die nur schweren Herzens wegwerfen können, was sie aus besten Zutaten gekocht haben, aber sorry, ihre Grünkernklopse lässt selbst Charlie, mein Hamster, links liegen, der notfalls sogar die Sohlen meiner Chucks nicht verschmäht.
In seinem Hochstuhl am Tisch sitzt Bastian, der jüngste der Brüder. Seine Augen sind groß wie Untertassen und der linke Zeigefinger ist in seiner Miniaturnase verschwunden.
Auch Basti ist nicht begeistert von meinem Anblick, schließe ich aus der Tatsache, dass seine Gesichtsfarbe von rosa nach violett wechselt und er die Unterlippe vorschiebt.
Ich habe das Glück, dass Waltraud in diesem Moment von hinter der Badezimmertür ruft:
"Laura - wie schön, dass du schon da bist. Kannst du bitte dafür sorgen, dass der Basti noch ein paar Löffel von dem Rote- Beete- Brei zu sich nimmt?".
'Zu sich nimmt', sagt sie wörtlich. Letzte Woche war es Möhrenpürree, mit dem er mein Lieblingsshirt versaut hat.
"Hallo, Waltraud", sage ich, "Na klar, -  mache ich."
"Und dann lass ihn bitte Bäuerchen machen, bevor du ihn ins Bett legst, und, ach ja, eine neue Windel bräuchte er auch noch!"  
Mit apfelroten Bäckchen steht sie um kurz vor acht vor mir, ihre dunklen Haare zu einem Zopf geflochten, den sie sich um den Kopf gewickelt hat. Wie eine dieser russischen Holzpuppen sieht sie aus, die, die man aufmachen kann, und wo immer noch eine kleinere drinsteckt.
Kann es sein, dass sie schon wieder schwanger ist?
Endlich zieht sie ihre Schuhe an und nimmt die rote Jacke vom Haken, die zusätzlich zu der an ihrem Gepäckträger befestigten  Fahnenstange dafür sorgen wird, dass die dreifache Mutter auf ihrem Hollandrad nicht von einem Auto überfahren wird.
"Und nicht wieder dieses Theater beim Zubettgehen, junge Dame. So etwas soll mir nicht mehr zu Ohren kommen, wenn ich meine Buben befrage!"
Endlich ist sie weg und ich würde nichts lieber tun als den Fernseher einzuschalten, denn Spongebob- Schwammkopf wäre garantiert der bessere Babystitter von uns beiden.
Es gibt aber keinen Fernseher in ihrem Haus, oder die Taubes haben eine von diesen geheimen Wänden, die sich auf Knopfdruck öffnen und schließen lassen, hinter der sich solche Dinge verbergen.
Aber zum Glück ist mir eine andere Methode eingefallen, um ihre drei Quälgeister in Schach zu halten. Wir wollen doch mal sehen, ob sie mich wieder verpetzten werden.
Als erste Amtshandlung rühre ich den Rote- Beete- Brei ins Klo, den ich auf keinen Fall im Mülleimer entsorgen kann, weil ich annehme, dass Waltraud ihn kontrollieren wird.
Ruben und Lars- Ole stelle ich vor die Wahl, entweder den Tisch abzuräumen, oder sich bettfertig zu machen. Letzteres ziehen sie glücklicherweise vor.
Seine neue Windel bekommt Bastian von mir, davor kann ich mich nicht drücken, denn auch das würde Waltraud merken. Und als ich die Drei schließlich ins Bett schicke, weiß ich ganz genau, was kurz darauf passieren wird.
Das erste Mal, als ich zum Babysitten bei den Taubes war, kamen sie keine fünf Minuten später aus ihrem Kinderzimmer spaziert, um mir ihre Pimmel zu zeigen (O- Ton Ruben). Ich hatte null Ahnung, wie ich sie daran hindern sollte, nur Basti scheiterte bei diesem Unternehmen an der Wickeltechnik seiner Mutter, die aus ökologischen Gründen diese Stoffwindeln verwendet.
Ein anderes Mal haben sie meinen I-Pod geschnappt und sich bei Miley Cyrus um die Kopfhörer gekloppt, bis eine Tonvase kaputtging, und am nächsten Tag haben sie ihren Eltern erzählt, dass ich auf ihrer Terrasse eine ZIGARETTE geraucht hätte, was ich völlig entnervt auch getan habe - als ich dachte, sie würden endlich schlafen. Als Waltraud mich darauf angesprochen hat, hat sie getan, als hätte ich eins ihrer Kinder gegrillt.  
 - Diese Rotzblagen!
Aber heute werde ICH der Sieger bleiben.
Da gibt es nämlich einen Punkt, wo sie angreifbar sind, eine Achillesferse, die ich herausgefunden habe: Wegen der lauernden Gefahren von Übergewicht, Zahnfäule und Neurodermitis dürfen sie keine Süßigkeiten essen und kriegen nur Dinkelbrezel, wenn sie was zu knabbern möchten.  
Und deshalb habe ich Gummibärchen mitgebracht, die ich gut sichtbar neben mir auf die Sofalehne lege. Ich mache Musik an und setze mir Kopfhörer auf.
Und wie immer kommen sie kurze Zeit später tatsächlich aus ihrem Zimmer getapert - und interessieren sich sehr für meine bunte Tüte. Ich sage ihnen, dass die mir gehört, und erinnere sie daran, dass sie gar keine Süßigkeiten essen dürfen.
Wie die Orgelpfeifen stellen sie sich vor mich und riechen nach Zahnpasta.
Obwohl sie am Nachmittag zwei bis drei Stunden an der frischen Luft gewesen sein dürften, sind sie kein bisschen müde. Normalerweise hätte ich keine Chance gegen sie.
"Und wenn du die aufgegessen hast, - willst du dann wieder eine Zigarette rauchen vor der Tür?", fragt Lars- Ole.
"Das kann schon sein, dass ich das will, aber dann schlaft ihr ja schon", sage ich.
"Wir WOLLEN aber nicht sslafffn!".Zwischen den Wollsocken und der Unterkante seiner Schlafanzughose quillt ein feistes Stück Kinderbein hervor.
"Dann wollt ihr bestimmt wieder eurer Mutter erzählen, wenn ich eine Zigarette rauche?"
 "JA! JA! JA! -  wollen wir!", singen sie im Chor.
Die beiden Kleinen johlen, während ihr großer Bruder ins Grübeln kommt.
Demonstrativ schaufle ich mir eine Handvoll Haribo in den Mund und schaue sie der Reihe nach an. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, dass sie vor Gier zu sabbern anfangen.
"Aber wenn ich WILL, das ihr schlafen geht?"
"Dann musst du uns deine Gummibärchen geben!", trumpft Ruben auf.
"Mmhhmm...", sagt Basti, und grapscht nach der Tüte.
"Finger weg, ich kenn' euch", sage ich. "Wenn ich euch welche gebe, kommt ihr doch wieder aus euren Betten raus, wenn ihr sie aufgegessen habt."
"Versprochen nicht", sagt Lars- Ole und guckt wie ein Weihnachtsengel.
"Versprochen!", sagt auch Basti.
"Das glaube ich nicht!", sage ich.
Wieder nehme ich mir ein paar Weingummis und schaue in die Runde.
"Also gut, ich könnte euch ein paar abgeben, aber ihr bleibt im BETT und schlaft EIN, ist das klar?"
"Mmmmmmhmmmm..."
"Und wenn ihr das tut, bringe ich euch nächstes Mal wieder welche mit, abgemacht?"
"Juchuuuuu!"
"Und Coca-Cola auch!", verhandelt Ruben.
Also kippen wir die Tüte auf den Couchtisch aus und machen vier Haufen.
Jeder musst gleich viele Bärchen bekommen, Ruben darf  sie verteilen, seine Brüder schauen zu. Es herrscht eine Stimmung, als würden wir einen Joint bauen.
Neun Bärchen für sie, jeden von ihnen, sieben bleiben für mich.
Es ist kurz nach halb neun, als sie zufrieden ins Bett gehen. So schnell habe ich das noch nie geschafft.
"Die muss man aber gaaanz langsam essen, sonst kriegt man Bauchschmerzen!", rufe ich ihnen hinterher. Dann lege ich mich aufs Sofa und genieße die Stille und den angefressenen Mond, der durch das Fenster herein scheint.
Nachdem ich eins ihrer Bilderbücher durchgeblättert habe, gehe ich in die Küche, wo das Geschirr vom Abendbrottisch steht. Ich lasse Wasser ins Spülbecken laufen und fange an abzuwaschen.
Die Taubes haben keine Geschirrspülmaschine.
Was macht eigentlich Herr Taube an den Abenden, an denen seine Frau zu den Kirchenbastelabenden geht?,  frage ich mich. Trinkt er lieber irgendwo in der Kneipe ein Bier, statt seine quirlige Brut  zu hüten?
Als ich mit dem Abwasch fertig bin, hänge ich das Handtuch vor den Herd, wie ich es vorgefunden habe. Zu Hause benutzen wir zum Glück einen Geschirrspüler.
Eine Zigarette wäre jetzt redlich verdient, finde ich, schlüpfe in meine Schuhe und schleiche mich auf die Terrasse raus.
Zu gern würde ich mich in die Hollywoodschaukel setzten, aber die steht genau vor dem Zimmer, in dem die drei Monster schlafen. Und sie quietscht höllisch, weiß ich.
Ein dicker roter Kater liegt darin, den ich schon öfter hier gesehen habe. Er lässt sich von mir streicheln.
Irgendwo in der Nachbarschaft fängt ein Hund zu jaulen an und im gleichen Moment höre ich das Gebrüll.
 - Was ist DAS denn?
Von dem inzwischen mehrstimmigen Geheul, das aus dem Haus kommt, verstehe ich vor Allem zwei Worte: "BAKTUS UND KARIUS, BUUUHUHUUU, BAKTUS UND KARIUS - BAKTUS UND KARIUS -  SIND BEI MIR IM MUUUHUUUHUUND!"
Nachdem ich meine Zigarette in den Teich geworfen habe, eile ich ins Haus um sie zu beruhigen und nach nochmaligem Zähneputzen zurück in ihre Betten zu schicken.
Aber nichts da, sie brüllen und brüllen, und es ist schon reichlich spät, ich muss zusehen, dass sie einschlafen, sonst kann ich meinen Job vergessen.
Baktus und Karius, die muss ich besiegen, und zwar ganz schnell, bevor Waltraud um kurz nach zehn wieder hier sein wird...
Ich brauche ein Zaubermittel, stärker als Baktus und Karius.
Mit einem halben Glas lasse ich sie kurz darauf gurgeln.
"Und schön runterschlucken den letzten Schluck, das mögen Baktus und Karius gar nicht", versichere ich ihnen.
Die offene Flasche Biowein stand ganz oben auf dem Küchenschrank, wo ich sie gewissenhaft wieder hinstelle.
Puh, gerade noch rechtzeitig habe ich es geschafft, sie ratzen wie die Bierkutscher.
Auf dem Fußboden in ihrem Zimmer liegt ein Gummibärchen, das ich auflese und in den Papierkorb tue.  

Dass Waltraud mich bei meinem Lohn mal wieder um eine halbe Stunde bescheisst, bemerke ich, wie immer, erst viel zu spät.


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