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Albtraum eines Jünglings


 
 
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7306
Wohnort: NBY



Beitrag07.01.2010 21:47
Albtraum eines Jünglings
von BlueNote
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Sein Körper war ihm fremd. Er verformte sich oszillierend, wie eine fallende Wasserblase, aufgenommen in Slow-Motion. Die Wangen blähten sich regelmäßig auf und fielen anschließend wieder in sich zusammen: Sie flatterten. In den Augen glänzte ein vierteiliges Fenster.  

Gierig schnappte er nach Luft. Eine junge Frau kam angerudert, in einem großen, hölzernen Bett. Ihre Beckenknochen waren wie Flügel ausgeformt. Als sie in Reichweite war, warf sie ihm ein Kissen herüber. Er wollte lächeln, seine Backen flatterten jedoch nur. Sein Herz stand still. Ich komme jetzt, rief die Frau. Der junge Mann war verwirrt über die zweideutige Wortwahl. Er konnte der Frau unmöglich zulächeln.  

Die Frau hatte zwei Arme, zwei Augen und zwei Brüste. Der Mann hatte eine Nase, einen Nabel und einen nach hinten gekrümmten, zackenförmigen Schwanz. Mit diesem versuchte er die Frau näher an sich heranzuziehen, was ihm jedoch mehrere Male misslang.  Seine Backen flatterten noch immer. Er konnte nicht lächeln.  

Die Frau sprang herüber in sein kalt gewordenes Bett. Der Mann sah auf ihre Arme, auf ihre Augen und auf ihre Brüste. Er wollte sie anfassen. Seine Hände jedoch zitterten. Er wollte sprechen, die Wangen, sie flatterten nur.  

Die Frau setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen auf die Bettkante und kämmte ihr Haar mit einem großen Kamm aus Fischgräten. Der junge Mann sah im Geiste einen Film mit nackten Menschen. Sie versuchten sich zu vereinigen, ihre Körper waren jedoch wie Pyramiden geformt. Sie passten nicht zueinander. Der Mann wollte sprechen, seine Lippen gehorchten ihm jedoch nicht. Die Menschen im Film schrien laut auf. Der Mann schloss die Augen. Die Filmmenschen flüchteten auseinander. Die Frau küsste ihn auf die Schulter. Der Mann wollte sprechen, seine Wangen jedoch flatterten nur. Die Frau blickte verträumt aus dem Fenster.  

Der Mann wurde leichter und schwebte zur Decke. Die Frau zog ihn energisch zu sich herab, legte sich mit dem Rücken auf das Laken und klemmte ihn wie einen Luftballon zwischen die Beine. Der Mann wollte sprechen, die Frau verschloss ihm jedoch mit ihren Fingern den Mund. Seine Finger waren Fäuste, seine Füße Klumpen. Die Haut war so weich und unbehaart,  wie die eines Neugeborenen.  

Da ließ sie ihn los. Sofort schwebte er zur Decke und platzte in tausende Tröpfchen. Er regnete herab. Sie breitete die Hände aus und seufzte. Ein glücklicher Moment.

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Mardii
Stiefmütterle

Alter: 64
Beiträge: 1774



Beitrag07.01.2010 22:12

von Mardii
Antworten mit Zitat

Hallo Inkognito,

ein schöner Text mit einem stark surrealen Einschlag. Erst bahnt sich eine Vereinigung zwischen den Beiden an, dann löst sich der Mann vollständig auf.
Irritiert bin ich von der Doppelung des Bettes. Erst kommt die Frau auf einem Bett angerudert, dann setzt sie sich zu ihm auf das Bett.
Das stört irgendwie.

Mardii

Edit: habe gerade nochmal die Überschrift angesehen. Das erklärt einiges.
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Sandkorn im Muschelschlund
Eselsohr

Alter: 36
Beiträge: 276
Wohnort: DieWeltIstMeinGarten


Beitrag07.01.2010 22:43

von Sandkorn im Muschelschlund
Antworten mit Zitat

Ich muss zugeben: faszinierend und irritierend! Das war wahrscheinlich dein Plan! Mir hat es sehr gefallen!

Zitat:
Die Frau setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen auf die Bettkante und kämmte ihr Haar mit einem großen Kamm aus Fischgräten. Der junge Mann sah im Geiste einen Film mit nackten Menschen. Sie versuchten sich zu vereinigen, ihre Körper waren jedoch wie Pyramiden geformt. Sie passten nicht zueinander. Der Mann wollte sprechen, seine Lippen gehorchten ihm jedoch nicht. Die Menschen im Film schrien laut auf. Der Mann schloss die Augen. Die Filmmenschen flüchteten auseinander. Die Frau küsste ihn auf die Schulter. Der Mann wollte sprechen, seine Wangen jedoch flatterten nur. Die Frau blickte verträumt aus dem Fenster.

Der Mann wurde leichter und schwebte zur Decke. Die Frau zog ihn energisch zu sich herab, legte sich mit dem Rücken auf das Laken und klemmte ihn wie einen Luftballon zwischen die Beine. Der Mann wollte sprechen, die Frau verschloss ihm jedoch mit ihren Fingern den Mund.

Du solltest nur an diesen extrem vielen Wiederholungen, Satzanfängen und Bezeichnungen feilen. Das war mir dann irgendwann zu viel. Es liest sich dadurch etwas unschön.

Liebe Grüße,
Steffi
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7306
Wohnort: NBY



Beitrag08.01.2010 18:13

von BlueNote
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Traumdeuter,

danke für euere Kommentare.

@Mardii
Zitat:

Erst bahnt sich eine Vereinigung zwischen den Beiden an

Tja, Männerträume halt ... Wovon sollten die auch sonst handeln.

Zitat:

Irritiert bin ich von der Doppelung des Bettes.


Der Jüngling und seine Herzdame haben halt noch zwei "Jugendbetten", als sie aufeinander treffen.

Zitat:

Edit: habe gerade nochmal die Überschrift angesehen. Das erklärt einiges.

Vielleicht deutest du dann auch noch den Schluss richtig wink


@LightVersionXX
Zitat:

Du solltest nur an diesen extrem vielen Wiederholungen, Satzanfängen und Bezeichnungen feilen.[

Ursprünglich wollte ich alle Sätze mit "Der Mann"/"Die Frau" beginnen lassen. So wird auch das Lesen zum Albtraum.
Ernsthaft: Der Hintergedanke beim Schreiben war, die Traumsprache schriftlich nachzuempfinden. Wir träumen nur Bilder bzw. einzelne Szenen und schmücken erst aus beim Erzählen des Traumes. Es wird keine Handlung geträumt. Die Handlung entsteht erst durch unsere Assoziationen beim Erinnern.

Zitat:

Es liest sich dadurch etwas unschön.

Verstehe ich. Aber soll ich wirklich eine "richtige/schöne" Geschichte daraus machen?

BlueNote
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Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

Alter: 47
Beiträge: 3206

Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag08.01.2010 20:33

von Alogius
Antworten mit Zitat

Hi BN,

schreibst ja doch in Bildern - erwischt!

Zum Text:

Die Wiederholungen stören mich keineswegs. Ich meine sogar, sie sind für die Art des Textes (kleine Phantasmagorie, ein wenig) sehr wichtig und unverzichtbar. Immerhin unterstreichen sie die Intensität des Albtraums. Der so gesehen vielleicht keiner ist. Sondern eine metaphorische Umschreibung eines Augenblicks, der nicht nur mit Gier aufgeladen ist. Es ist ebenfalls Angst, die mitspielt. Sehr interessant auch die Auflösung.

Aus sprachlicher Sicht habe ich die Wiederholungen schon erwähnt und...wiederhole sie nochmals: Aus meiner Sicht unterstreichen sie das jeweilige Gegenüber. Immerhin werden beide auch beschrieben, und es findet ein stetiger Wechsel in diesem "Kammerspiel" statt.

Mich stört nur ein Punkt:

Zitat:
Er verformte sich oszillierend, wie eine fallende Wasserblase, aufgenommen in Slow-Motion.

Für mein Empfinden ist das Bild zwar klasse, doch die "Slow-Motion" sticht als Wort negativ heraus.

Ansonsten: interessant!

Gruß

Tom


_________________
Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt.
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7306
Wohnort: NBY



Beitrag09.01.2010 21:11

von BlueNote
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Alogius,

Zitat:

Es ist ebenfalls Angst, die mitspielt.

In Träumen begegnet uns die "nackte" Angst in ihrer unmittelbarsten Ausprägung. Eine solche Angst empfinden wir selten im Wachzustand. Vielleicht trainiert unser Gehirn im Traum die Angst ... Falls es diese in dieser Ausprägung doch mal brauchen könnte.

Schade, dass dich das Wort Slow-Motion stört. Sprich es doch mal ganz langsam (in Slow-Motion). Das Ergebnis ist genau das was mit den Gesichtszügen des Mannes passiert.

BlueNote
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