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Bekenntnisse eines Tiefstaplers (Tagebuchfragmente) (In Frauengefängnissen)


 
 
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Hera Klit
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 61
Beiträge: 447



Beitrag04.01.2024 12:19
Bekenntnisse eines Tiefstaplers (Tagebuchfragmente) (In Frauengefängnissen)
von Hera Klit
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Bekenntnisse eines Tiefstaplers (Tagebuchfragmente) (In Frauengefängnissen)

Dieses Tagebuch folgt freilich nicht der Chronologie, des in unseren Breiten üblichen Kalenders, sondern der Chronologie meiner, zufällig, wie aus dem Nichts hereinbrechenden Gedanken, die von mir Besitz nehmen, während ich ein menschliches Dasein friste in dem, durch scheinbar unabänderliche physikalische Prozesse gesteuerten, galaktischen Raumzeitkontinuum. Mir geht das täglich mehr auf den Keks, aber ich habe noch kein Mittel, gegen diese Absonderlichkeiten, die sich als Notwendigkeiten tarnen, gefunden.

Heute Morgen befiel mich die Erkenntnis, schon viele Jahre meines Lebens in Frauengefängnissen verbracht zu haben. Damit meine ich hier, entgegen der üblichen Definition, Gefängnisse, deren Direktorinnen und Wärterinnen Frauen sind und in denen ich als einziger Gefangener gehalten werde.

Heute sind es konkret, eine nervenschwache, depressive, stets lebensüberdrüssige Mutter und eine geistesschwache, ältere, ins Heim gegenüber verfrachtete, Schwester, die mich in Schach halten, weil die Welt, die Menschen und letztlich auch ich, der Ansicht sind, als Sohn und Bruder fiele mir die Aufgabe zu, durch permanente Anwesenheit und Hilfestellungen aller Art, das Los dieser beiden Unglücklichen, so gut es geht noch etwas zu erleichtern.

An einen Konzertbesuch, einen Ausflug oder gar eine kleine Reise, darf ich keinen Gedanken verschwenden, so etwas ist völlig unmöglich und es würde mindestens den Tod, meiner Mutter unweigerlich nach sich ziehen.

Am Anfang meiner Bewusstwerdung, lernte ich meine Mutter, als nährendes und förderndes Wesen kennen, das mich sogar unter Schmerzen gebar. Fast wäre sie gestorben, weil ich mich gegen das Geborenwerden sehr sträubte. Die Hebamme kam bei der damals noch üblichen Hausgeburt an die Grenzen ihrer Macht und konnte Mutter und Sohn nur mit großer Mühe retten. Früher empfand ich immer starke Schuldgefühle, wenn mir meine Mutter diese Geschichte immer und immer wieder auftischte und schwieg dabei betroffen oder ich flüsterte ungenügende Entschuldigungen. Vor vier Wochen stammelte ich dabei zum ersten Mal, ich sei doch ein Kind gewesen und hätte keine Schuld an der Situation gehabt. Wer weiß, woher ich plötzlich diese dreiste Erkenntnis nahm. Meine Mutter schaute mich darauf lange finster an, ohne ein Wort und es machte den Eindruck, in diesem Augenblick erkannte sie erst wirklich, was für ein verworfenes, undankbares Geschöpf ich immer schon gewesen war.

Später, vielleicht schon zu spät, lernte ich meine erste Freundin kennen, die ich bis heute für das größte Geschenk des Universums an mich und gleichzeitig, für das größte Unglück, das mir je widerfuhr, halte.

Ich konnte mich dieser Freundin nicht voll widmen, weil meine Mutter unglücklicherweise in dieser, für mich so Glück verheißenden Zeit, von starken Depressionen geplagt wurde. Ich erinnere mich genau, diese lebensmüde Frau damals Nachts mehrfach in der Scheune unter dem Heuwagen hervorgezogen zu haben und einmal sogar splitternackt aus der Badewanne, in die sie gerade im Begriff war, den Föhn hineinfallen zu lassen. So rief sie jedenfalls durch die geschlossene Tür zu mir hinaus, sodass ich mich gezwungen sah, die Regeln des Anstands zu brechen und die Tür aufzubrechen, um meine liebe, total verzweifelte Mutter zu retten.

Komischerweise fehlen mir jegliche Erinnerungen an den Verbleib und Aufenthalt meines Vaters in diesen schweren Zeiten, der aber definitiv mit Mutter verheiratet war und im gleichen Haus wie wir wohnte. Soviel ist ganz gewiss.

Erst als Mutter von ihrem Hausarzt in die Psychiatrie eingeliefert wurde, nahm meine Beziehung zu meiner ersten Freundin richtig Fahrt auf und trotz schlechten Gewissens meiner armen Mutter gegenüber, hatte ich den besten Sex meines ganzen Lebens und fühlte so etwas wie Glücklichsein.

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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1241
Wohnort: An der Elbe


Beitrag07.01.2024 14:25

von Arminius
Antworten mit Zitat

Erstaunlich. Es scheint mehr problematische Mutter-Sohn-Beziehungen zu geben, als man denkt (oder allgemeiner: Kind-Eltern-Beziehungen; ich erinnere mich, hier im Forum über ein ähnlich schwieriges Verhältnis gelesen zu haben).
Kritik: Mit der etwas willkürlichen Kommasetzung liest sich der Text nicht so flüssig, wie er könnte. Den ersten Satz könnte man um gut 2/3 kürzen. Die Auslassungen zum Dasein im RZ-Kontinuum bringen der Geschichte keinen substanziellen Mehrwert; sie hemmen unnötig den Lesefluss und tragen womöglich dazu bei, bereits zu Anfang das Interesse zu verlieren. Das aber hat der restliche Text nicht verdient.
Die Überschrift wirft Fragen auf: weshalb Tiefstapler? Warum Tagebuchfragment, wenn der Text doch einen längeren Lebensabschnitt zum Thema hat?


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Hera Klit
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 61
Beiträge: 447



Beitrag15.01.2024 15:48

von Hera Klit
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen Dank, für deine hilfreichen Anmerkungen, Arminius.


Tiefstapler, womöglich, weil der Protagonist wohl stets unter seinen Möglichkeiten agiert und Fragment, weil das Tagebuch recht dick ist oder werden würde, wenn es jemand tatsächlich schriebe.
Im Grunde, ist das auch wieder eine Tiefstapelei, also folgerichtig.


Liebe Grüße
Hera
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