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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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06.04.2019 08:52 Die Kultivierte von menetekel
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Glashäuser
seien lichtdurchlässige Klöster
flüstert sie, Luxusasyle
kontrolliert und geschützt
Rosen, die dort wohnten
wüchsen eingewildert als
töricht-schmarotze Pracht
frei von Aromen und Dornen
Schlaf jetzt, sagt er -
morgen fühlst du dich besser
Weitere Werke von menetekel:
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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08.04.2019 00:36
von Tula
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Hallo menetekel
ich versuchte jetzt beim Lesen mehrdeutige Interpretationen zuzulassen. Beim Titel (ich las zunächst "kultiviert") dachte ich zuerst an die Damen der high-society (sozusagen "verkultet"), welche auf der einen Seite ihr Leben offen zur Schau stellen (müssen), während sie sich auf der anderen Seite wie im Kloster lebend fühlen, ohne Freiraum, um sich selbst zu entfalten.
Vielleicht passt die beschriebene Szene aber auch gut auf andere Lebensbereiche, es mag viele Gründe geben, um sich in der Masse dennoch wie im Glaskäfig vorzukommen.
Besonders gefällt mir "eingewildert" als in sich widersprüchliche Wortschöpfung. Die gesellschaftliche Kulturpflanze, die im Innern verwildert und abstumpft, ihre eigentliche menschliche Zierde unter Umständen längst vergessen hat.
Ein seltenes Thema hier, anschaulich und eindrucksvoll verdichtet!
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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08.04.2019 09:06
von menetekel
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Lieber Tula,
mir ist leider ein "i" aus dem Titel entsprungen, und ich habe unseren Admin bitten müssen, es zurückzutragen.
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Zitat: | ich versuchte jetzt beim Lesen mehrdeutige Interpretationen zuzulassen. Beim Titel (ich las zunächst "kultiviert") dachte ich zuerst an die Damen der high-society (sozusagen "verkultet"), welche auf der einen Seite ihr Leben offen zur Schau stellen (müssen), während sie sich auf der anderen Seite wie im Kloster lebend fühlen, ohne Freiraum, um sich selbst zu entfalten.
Vielleicht passt die beschriebene Szene aber auch gut auf andere Lebensbereiche, es mag viele Gründe geben, um sich in der Masse dennoch wie im Glaskäfig vorzukommen.
Besonders gefällt mir "eingewildert" als in sich widersprüchliche Wortschöpfung. Die gesellschaftliche Kulturpflanze, die im Innern verwildert und abstumpft, ihre eigentliche menschliche Zierde unter Umständen längst vergessen hat.
Ein seltenes Thema hier, anschaulich und eindrucksvoll verdichtet!
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Du hast ganz Recht; dieses Thema ist nicht sonderlich gut besetzt. Häufig fühlen sich Menschen mit sog. echten Problemen (Armut, Krankheit, Verlust etc.) davon eher unangenehm berührt.
Aber Leid beschränkt sich nicht auf eine Gesellschaftsklasse. -
In deinem klugen Kommentar interpretierst du die Folgen eines Lebens, das eigentlich "alles" bietet und dennoch fast nichts (Fassade = Glas) auf anschauliche Weise.
Und natürlich ist das Wort "eingewildert" von mir dafür vorgesehen.
Vielen Dank und liebe Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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08.04.2019 22:12 Re: Die Kultivierte von firstoffertio
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menetekel hat Folgendes geschrieben: | Glashäuser
seien lichtdurchlässige Klöster
flüstert sie, Luxusasyle
kontrolliert und geschützt
Rosen, die dort wohnten
wüchsen eingewildert als
töricht-schmarotze Pracht
frei von Aromen und Dornen
Schlaf jetzt, sagt er -
morgen fühlst du dich besser |
Die Kultivierte spricht. Ich denke an kultivierte Pflanzen. Die Rosen hier. Ein Bild für Menschen/Frauen.
Sie spricht über sich. Das "eingewildert" scheint nicht recht zu passen ins Glashaus, erst. Bei weiterem Nachdenken doch schon, waren ja alle Rosen mal wilde. (Aber sind nicht gerade die kultivierten die duftenden?)
Dann die letzten beiden Zeilen. Nun spricht ein Er. Mag sich nicht auf ihre Gedanken einlassen, empfindet sie als "unkultiviert".
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finis Klammeraffe
F
Beiträge: 577 Wohnort: zurück
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F 09.04.2019 22:34
von finis
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Hallo menetekel,
Wenn ich hier kurz ein paar angetane Worte hinterlassen darf? Ich finde, das ist wirklich schön geworden, und zwar insgesamt. Allein schon diese präzise, subtile Wortwahl: am besten gefällt mir fast die Spannweite flüstern-sagen, die nicht nur eine Diagonale durch das Gedicht zieht, sondern auch noch das Verhältnis der beiden Akteure auf den Punkt bringt. Das hat mich ehrlich begeistert.
Schön auch der Kontrast der opulenten Sprache der Frau, zu den Floskeln des Mannes, die zielsicher das Problem verfehlen. Dadurch zeigst du auf eine sehr konzentrierte Art einen unüberwundenen Kommunikationsgraben.
LG
finis
_________________ "Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky) |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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10.04.2019 07:35
von menetekel
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Hallo First,
herzlichen Dank für deinen Kommentar.
Ich bin keine Gärtnerin, weiß aber, welche Rosen beispielsweise von Discountern angeboten werden: dornen- und weitgehend duftfrei.
Die eigentliche Kultivierung alter Sorten setzt natürlich viel früher an. - Immer aber geht es um Veränderung des Ursprünglichen. Dazu gehört auch die "Veredlung."
Die Sprecherin konstatiert diese Entwicklung und sieht ihre Folgen gleichsam voraus.
Liebe Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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10.04.2019 07:48
von menetekel
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finis hat Folgendes geschrieben: | Hallo menetekel,
Wenn ich hier kurz ein paar angetane Worte hinterlassen darf? Ich finde, das ist wirklich schön geworden, und zwar insgesamt. Allein schon diese präzise, subtile Wortwahl: am besten gefällt mir fast die Spannweite flüstern-sagen, die nicht nur eine Diagonale durch das Gedicht zieht, sondern auch noch das Verhältnis der beiden Akteure auf den Punkt bringt. Das hat mich ehrlich begeistert.
Schön auch der Kontrast der opulenten Sprache der Frau, zu den Floskeln des Mannes, die zielsicher das Problem verfehlen. Dadurch zeigst du auf eine sehr konzentrierte Art einen unüberwundenen Kommunikationsgraben.
LG
finis |
Hallo finis,
ich bin entzückt, dass du die Kernaussage des Gedichts mit solcher Leichtigkeit erfasst. - Tatsächlich handelt es sich um ein Gedicht zum 8. März (Weltfrauentag).
Nicht immer spielt erkennbare Gewalt eine dominierende Rolle im fortdauernden Unverständnis beider Geschlechter.
Zuweilen handelt es sich einfach um eine konträre Sicht der Dinge und um ein anerzogenes Rollenverständnis, das nicht mehr zeitgemäß ist.
Viele Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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14.04.2019 16:51 Fundsache von menetekel
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Zitat: | Der Kernpunkt aller guten Samen-
zucht besteht darin, dass der Züchter
nur die schönsten und vollkommen-
sten Pflanzen zur Zucht auszuwählen
versteht. Wer solche Auswahl nicht
trifft, verschlechtert naturgemäß sei-
nen Stamm.
Boettners Gartenbuch, 1969 (!) |
Ihr Lieben,
habe dieses Zitat vorhin rein zufällig gefunden und staune, wie gut es sich an den Begriff des "Kultivierten" schmiegt, den ich im Gedicht verarbeite.
Zucht und Kultivierung sind natürlich zwei verschiedene Begriffe, die aber im Text zusammengehören, bzw. Zucht als Grundlage der Kultivierung verstanden wird.
Man könnte glatt meinen, das Gartenbuch böte eine 1 : 1 - Übertragung aus einer allzu gern vergessenen Zeit ...
Gruselig!
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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poetnick Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 835 Wohnort: nach wie vor
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14.04.2019 19:10
von poetnick
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Hallo Menetekel,
die Kultivierte in doppeltem Wortsinn...als so Seiende und als 'Gemachte'.
Ein Verlustgefühl scheint hier Ausdruck zu finden, das sich jedoch der Bewusstwerdung durch den anempfohlenen Schlaf wieder entzieht.
Vielleicht ein schmaler Grat auch zwischen Kultiviertheit und pikiertem, dornenfrei veredeltem Glashaushybrid?
Zitat: | Schlaf jetzt, sagt er -
morgen fühlst du dich besser |
Na dann, das klingt so säuselnd nach...
Gerne durch's Glashaus geschaut - Poetnick
_________________ Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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15.04.2019 16:06
von menetekel
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Hallo Poetnick,
dein Interesse freut mich sehr.
Tatsächlich ist ja das sog. Kultivierte immer etwas Gemachtes, oft auch etwas, das nicht allen Gesellschaftsschichten offen steht.
Es kann eine Kommunikation stark beleben oder zum zum Erliegen bringen, bzw. Wesentliches aussparen.
Interessant wird es stets, wenn "Kulturbanausen" über dieses Gebiet räsonieren.
Gern zitiere ich (metaphös) wiederum aus Boettners Gartenbuch, 1969, meinem neuen Lieblingsbuch:
Zitat: | Des Gartens größte Zierde ist die
Ordnung! Das welke Blatt, das auf
dem Rasen liegt, das Graspflänzchen
auf dem Weg und gar das Unkraut
auf den Beeten stören den wohltuen-
den Eindruck, den ein musterhaft sau-
ber gehaltener Garten ausüben soll.
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m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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Mettbrötchen Eselsohr
Alter: 35 Beiträge: 490 Wohnort: Rheinland
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07.06.2019 23:51
von Mettbrötchen
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Liebe menetekel,
das ist, finde ich, ein gelungenes Gedicht. Besonders gut gefallen mir die Neuschöpfungen eingewildert und schmarotze als Adjektiv zu schmarotzen.
Ich hadere noch mit dem Klöster. Das klappt mir gleich so eine religiöse Ebene auf, die aber nicht fortgeführt wird, wenngleich ich verstehe, dass sie hier eher die Abgeschiedenheit von der Welt symbolisieren.
LG Mettbrötchen
_________________ I read somewhere how important it is in life not necessarily to be strong... but to feel strong.
(Christopher McCandless |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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08.06.2019 11:09
von menetekel
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Lieber D.,
vielen Dank für deinen konstuktiv-kritischen Beitrag, den ich zu schätzen weiß.
Meinst du, dass ich eine weitere Neuschöpfung hinzufügen könnte?
Glashäuser
seien lichtdurchlässige Öden
flüstert sie, Luxusasyle
kontrolliert und geschützt
...
Ich bin mir (noch) nicht ganz sicher, ob das so funktionieren würde.
Herzliche Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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10.06.2019 06:54
von menetekel
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Inzwischen ist etwas Zeit vergangen, und ich übernehme die geänderte Version. Die Sache mit "den Öden" gefällt mir inzwischen richtig gut.
Die Kultivierte
Glashäuser
seien lichtdurchlässige Öden
flüstert sie, Luxusasyle
kontrolliert und geschützt
Rosen, die dort wohnten
wüchsen eingewildert als
töricht-schmarotze Pracht
frei von Aromen und Dornen
Schlaf jetzt, sagt er -
morgen fühlst du dich besser
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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Perry Exposéadler
P Alter: 71 Beiträge: 2509
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Charlie Rose Kane Leseratte
Alter: 47 Beiträge: 197 Wohnort: Leipzig
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01.07.2019 20:44
von Charlie Rose Kane
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nein, kultiviert duftet nicht (nach leben). es riecht, es riecht nach norm und geradheit, eben ohne dornen.
und ja, die sitzen dann im glashaus oder unter einer dunstglocke.
wildblumen finde ich persönlich viel schöner.
und eingewildert finde ich höchst passend. denn man muss ihnen das wilde erst wieder eingeben, ihnen nahe bringen.
es mag vielleicht etwas widerspenstig klingen dieses wort. aber das passt in meinen augen schon ...
^^
es ist wie mit der rose des kleinen prinzen, sie verdorrte unter der glasglocke.
_________________ ~c.r.k. ~ |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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02.07.2019 06:30
von menetekel
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Lieber Perry,
vielen Dank für deine Wortmeldung und den Vorschlag.
Mir ist der allerdings einen Tic zu "übertrieben", denn es geht hier ja um eine subtile Art der Verwahrlosung.
Herzliche Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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02.07.2019 06:31
von menetekel
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Danke, Rose,
ich bin auch der Meinung, dass nun soweit alles passt.
Erstaunlich ist, wie viele Frauen diese Art von Leben zunächst anstreben, um dann in /an ihrer eigenen Leere zu ersticken.
Liebe Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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