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zeroinfinity Schneckenpost
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Klemens_Fitte Spreu
Alter: 41 Beiträge: 2941 Wohnort: zuckerstudio waldbrunn
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11.02.2018 16:58 Re: Verlangen von Klemens_Fitte
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Wir streifen endlos nach einem ungreifbaren Ziel und merken nicht, dass mit jedem Schritt, ein Stück von dem, was wir wollen, verloren geht bis wir alles aufgeben um jenes verlorene Stück wiederzuerlangen und am Ende nicht mehr wissen, was wir jenseits des Horizontes wollen.
Hallo zeroinfinity,
ich weiß: was ich da oben mache, macht man eigentlich nicht. Und es ist auch nicht fair, allein aus der Tatsache, dass sich ein Gedicht problemlos in einen Fließtext wandeln lässt, auf seine lyrische Qualität zu schließen. Aber: an dieser Stelle musste ich es einfach ausprobieren, weil mir die Verssetzung keinerlei inhaltlichen/ästhetischen Mehrwert zu bieten scheint.
Du hast dir sicher etwas dabei gedacht, wahrscheinlich auch mehr als nur: es ist ein Gedicht, also muss man es eben in Verse setzen. – Nur: mir erschließt es sich nicht.
Hinzu kommt, dass die transportierte Aussage zwar eine ist, der ich tendenziell zustimmen würde, aber dadurch, dass sie so wahr ist – zeigt sich ja schon in der Wir-Ansprache – läuft sie mE auch Gefahr, banal zu wirken; zumal sie hier durch nichts konterkariert wird, keine Aspekte hinzugefügt werden, die ich mir so oder so ähnlich nicht selbst schon an irgendeinem Punkt in meinem Leben gedacht habe, sprich: mir fehlt ein wenig das Neue, Interessante.
Das muss jetzt nicht heißen, dass dein Gedicht schlecht ist. Aber es könnte besser sein?
btw.: wenn mit jedem Schritt ein Stück verloren geht, gibt es viele verlorene Stücke, nicht jenes, für das wir alles aufgeben könnten.
_________________ 100% Fitte
»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer) |
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Abari Alla breve
Alter: 43 Beiträge: 1838 Wohnort: ich-jetzt-hier
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11.02.2018 17:54
von Abari
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Hey,
die wichtigen "Probleme", die ich in Deinem Text auffinde, hat Klemens schon formuliert.
Versuche doch einmal, statt eines LWirs ein LIch einzubetten; natürlich verändert das die Textaussage, dessen bin ich mir voll bewusst. Vermutlich ist es Dir so aus der Feder geflossen. Aber um für viele zu sprechen, kann es sinnvoller sein, von sich auszugehen. Dann zeigt der Text eine Erfahrung, die ein LI macht, was der Leser automatisch auf sich bezieht und prüfen kann, ob er diese Erfahrung teilt. Das kann ich im Sinne des Textes nämlich schon.
Die Textwirkung Deines "Mammutsatzes lässt sich sicher zusätzlich noch steigern, wenn Du verschiedene Satzzeichen - zB Bindestriche und Apostrophe - einsetzt und damit anzeigst, dass hier ein Dir wichtiger Gedanke eingeschoben wird. Jetzt "rausche" ich durch den Text und nehme wenige Informationen mit, obwohl mir jedes Wort bewusst gesetzt scheint. Ein bisschen habe ich den Eindruck, dass Du mich als Leser philosophisch zu beeindrucken trachtest, aber das brauchst Du nicht.
Das "wollen" am Schluss würde ich ins Präteritum setzen, weil das LWir dort ja innerlich schon am Ende des Weges angekommen ist und über seine Fehlentscheidung, den Weg gegangen zu sein, und den Verlust der Stücken reflektiert.
Ich finde auch, dass Dein Text Potenzial hat. Das LWir beschreibt eine Erfahrung, die sicher viele Menschen teilen können und beobachtet sehr genau. Allein an dem LWir stoße ich mich hauptsächlich, weil es so erklärende Aspekte impliziert. Ich weiß, dass Menschen beim Philosophieren oft von "Wir" sprechen, aber das macht es nicht gut im Sinne eines lyrischen Textes. Das Wunder liegt ja eher darin, dass der Leser die Erfahrung mit dem LI teilt und "erkennt", dass der Text seine Erfahrung spiegelt. Ein LWir macht so eine Erkenntnis oft kaputt.
Nimm Dir, was Dir gefällt.
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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zeroinfinity Schneckenpost
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Beiträge: 8
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Abari Alla breve
Alter: 43 Beiträge: 1838 Wohnort: ich-jetzt-hier
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13.02.2018 13:36
von Abari
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Hey,
zeroinfinity hat Folgendes geschrieben: | Vielleicht hätte der Alternativtitel das besser rübergebracht. Der hieß "Soldaten". |
Auf jeden Fall! Dann ist die Textaussage eine völlig andere. Dann finde ich ein LWir nur zu berechtigt.
Natürlich kann man dann trefflich streiten, ob die Textaussage so zutrifft, aber sie ist mindestens kongruent.
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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zeroinfinity Schneckenpost
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Abari Alla breve
Alter: 43 Beiträge: 1838 Wohnort: ich-jetzt-hier
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20.02.2018 21:49
von Abari
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Wir streifen endlos nach einem ungreifbaren Ziel.
Merken nicht, dass mit jedem Schritt
ein Stück von dem, was wir wollen, verloren geht;
bis wir alles aufgeben, um es wiederzuerlangen,
und am Ende nicht mehr wissen,
was wir jenseits des Horizontes wollten.
Warum reite ich auf den drei Kommas herum? Weil sie da noch gesetzt bzw. gestrichen werden müssen. Das ist alles und leider keine Geschmackssache, insofern sich der Text der Grammatik unterwerfen soll, was mir so zu sein scheint. Sorry. Aber es gibt einen Gewinn dabei: Der Schritt von Vers zwei zu Vers drei wird durch ein Enjambement (oder Verssprung) verbunden; eine Sache, die in der Lyrik lange Tradition hat. Letztlich ist es Deine Entscheidung, aber wenn ohne Satzzeichen, dann konsequent. Bitte sieh das nicht als Rumgemäkele an, ja? Ich finde es bedeutend besser gelöst als vorher. Aber letzten Endes muss es Dir gefallen.
Ansonsten hat der Text viel gewonnen, finde ich. Wie geht es Dir mit der neuen Version? Findest Du Dich darin wieder?
Wie lautet eigentlich nun der Titel?
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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James Blond Eselsohr
Alter: 71 Beiträge: 448 Wohnort: HAMBURG
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22.02.2018 15:58
von James Blond
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Ich denke ebenfalls, dass der Text, der mit einer ausgefeilten Syntax anstelle einer lyrischen auf präzise Weise eine philosophische Aussage zu formulieren sucht, durch die korrigierte Zeichensetzung erheblich hinzugewonnen hat. Allerdings ist auch diese Version hinsichtlich der Zeichensetzung noch verbesserungswürdig, denn das Zeugma funktioniert als rhetorische Figur nur innerhalb eines Satzgefüges, nicht aber über Satzgrenzen hinweg.
Statt
Zitat: |
Wir streifen endlos nach einem ungreifbaren Ziel.
[Wir] merken nicht, dass mit jedem Schritt, [...]
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sollte es besser heißen
Zitat: |
Wir streifen endlos nach einem ungreifbaren Ziel,
merken nicht, dass mit jedem Schritt, [...]
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denn erst so lässt sich das wiederholte "Wir" in V2 vermeiden.
Weiterhin stellt sich die Frage, wodurch das Semikolon in V3 gerechtfertigt ist. Gemeinhin wird es im Satzgefüge, wenn überhaupt noch, als Kompromiss zwischen Punkt und Komma dort verwendet, wo eine lockere, aufzählende Verbindung zwischen Hauptsätzen angedeutet werden soll. Dies scheint mir gerade in V3 nicht der Fall zu sein, weil mit dem "bis" in V4 der entscheidende Angelpunkt des Textes folgt: Etwas geschieht solange, bis ein Zustand in sein Gegenteil umgekippt ist. Die beiden Textteile (vor und nach dem "bis") summieren sich also nicht, der letztere baut vielmehr auf dem ersteren auf. Um diesen Umschlag hervorzuheben, empfiehlt sich ein Gedankenstrich, der als rhetorische Pause die Wende einleitet:
Zitat: |
ein Stück von dem, was wir wollen, verloren geht -
bis wir alles aufgeben, um es wiederzuerlangen,
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Das Semikolon hingegen wäre als Trennung von V1 und V2 vermutlich besser verwendet:
Zitat: |
Wir streifen endlos nach einem ungreifbaren Ziel;
merken nicht, dass mit jedem Schritt, [...]
|
Satzzeichen haben die Aufgabe, das syntaktische Satzgefüge transparenter zu machen und sind vor allem bei komplexeren Verschachtelungen wie hier eine wichtige Verständnishilfe.
Allerdings erfährt der Text hinsichtlich seiner Aussage auch durch die Ersetzung von "um jenes verlorene Stück" durch "es" nur scheinbar eine Verbesserung, weil die Kausalität vertauscht bleibt:
Zitat: | bis wir alles aufgeben, um es wiederzuerlangen, |
Gemeint ist die stückchenweise Aufgabe durch den fortgesetzten Versuch der Wiedererlangung des bereits Verlorenen. Beschrieben wird aber der Versuch einer Wiedererlangung durch die vollständige Aufgabe des Erstrebten. (Ein - für mich jedenfalls - interessanter anderer Gedanke mit einer ZEN-Komponente.)
Aber im Text ist vermutlich der fortschreitende Verlust der Wertorientierung gemeint, wenn strategischen Überlegungen als Mittel zum Zweck die Oberhand gewinnen. Etwa: Der gute Zweck heiligt so lange die Mittel, bis er vollständig aufgebraucht ist.
Leider wird der Text seinem Anliegen nicht ganz gerecht; er verwickelt sich in Widersprüchliches. Wie kann ein erstrebenswertes, doch "ungreifbares Ziel" als "ein Stück von dem, was wir wollen", in dessen Besitz wir uns also nicht befinden, überhaupt "verloren gehen"? Was man nicht hat, lässt sich auch nicht "verlieren", man könnte es aber "vergessen", "aus dem Auge verlieren" oder "aufgeben".
Ungreifbarkeit: Ziele haben es an sich, dass sie nicht zu "greifen" sind, sie können bestenfalls "in greifbarer Nähe", also "erreichbar" scheinen; die großen Ziele hingegen liegen so fern, dass dies fraglich erscheint. Allerdings können wir schlechterdings versuchen, etwas "wiederzuerlangen", dessen Verlust wir gar nicht bemerkt haben.
Zweifellos steckt auch in jedem Versuch der Realisierung bester Absichten bereits der Keim ihrer Zuwiderhandlung, das lässt sich auch gut an diesem Text erkennen und nichts anderes ist das klägliche Brot der Politik. Allerdings ist der Mechanismus einer scheibchenweisen Aufgabe bis zum vollständigen Ende der guten Wurst nicht unbedingt plausibel: Mag sich der Weg auch zunehmend als weit und beschwerlich erweisen, das hehre Ziel geht unterwegs nicht etwa verloren, es wird als verklärte Monstranz weiterhin vor den Zug gespannt, egal, wohin die Reise auch gehen mag. Der Esel bedarf zum zügigen Antritt der Möhre vor seiner Nase.
Der schrittweise Prozess der Erosion eigener Werte wird im Text zwar erwähnt, nicht aber begründet oder beschrieben, sondern als etwas Inhärentes und Unabänderliches bereits vorausgesetzt. Dies aber wäre der springende Punkt: Aufzuzeigen, wie unsere Schritte ins Leben dessen Ziele zwangsläufig verderben. Dann wäre die Tragödie perfekt, aber noch immer nicht lyrisch; dazu bedürfte es dann noch der richtigen Worte.
Grüße
JB
_________________
Was soll ich mit guten Freunden?
Ich bräuchte bessere Feinde! |
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Aywa_Surreya Gänsefüßchen
Alter: 32 Beiträge: 16 Wohnort: Hannover
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24.07.2018 01:38
von Aywa_Surreya
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Klar, verständlich, gut !
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Mephistoria Gänsefüßchen
M
Beiträge: 40
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M 26.08.2018 18:25
von Mephistoria
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Sehr schön geschrieben. Hab zwar bei dem Titel auf eine andere Art verlangen gehoft. Aber trotzdem sehr schön.
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