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Ronneburger Eselsohr
R Alter: 44 Beiträge: 316
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R 09.04.2008 13:04 Erinnerungen von Ronneburger
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Die Erinnerungen des Kommandanten
Der Kommandant blickte unentschlossen auf seine Hände. Die Hände, mit denen er bereits so viele Menschen getötet hatte, mit denen er Befehle erteilt hatte ohne über die Konsequenzen überhaupt nur nachzudenken, weil es nicht half darüber nachzudenken. Wichtig war, dass es getan wurde.
Der junge Soldat, der die ganze Zeit vor seinem Schreibtisch gestanden und gewartet hatte, räusperte sich verlegen und der Kommandant blickte auf.
„Bereiten Sie alles für die Überführung vor!“.
„Ja, Kommandant!“ bestätigte der Soldat den Befehl, machte auf dem Absatz kehrt, ging mit großen Schritten nach draußen und ließ die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen.
Der Kommandant war nun alleine – alleine mit seinen Gedanken, alleine mit seiner Schuld.
Er handelte nach seinen Befehlen, den Anordnungen, denen er sein gesamtes Leben unterworfen hatte, die er nie in Frage gestellt hatte. Doch nun, angesichts dieses Befehles, den er auszuführen hatte, zweifelte er. In seiner ganzen Laufbahn hatte es niemals einen Befehl gegeben, dessen Ausführung ihn in solche Unruhe versetzte.
Er versuchte seinen sinnlosen Gedanken beiseite zu wischen, nicht auf das zu hören, was sein Gewissen ihm einflüsterte, es einfach zu ignorieren, wie er es schon oft getan hatte. Konzentriert blickte er auf das Papier das vor ihm lag, aber immer wieder kehrten seine Gedanken zu der jungen Frau zurück, die es zu bestrafen galt.
Sie war geschändet, erniedrigt und gedemütigt worden. Er hatte in ihr Gesicht geblickt als sie am Fenster gestanden hatte, das Gesicht voll Blut, den weißen Kittel besudelt, mit dem Blut seiner Soldaten, die ihr das alles antaten und ihn mit diesen leeren Augen anblickte. Der Kommandant hatte Verständnis für ihr Handeln – konnte ihren Hass verstehen. Unwirsch schüttelte er den Kopf, so als könnte er seine Gedanken auch einfach wegschütteln. Es half nichts, und er konnte ihr nicht helfen – auch wenn es noch so gerne wollte. Selbst der Krieg verlief nach Gesetzen, Gesetze, die so sinnlos sie waren, es einzuhalten galt. Die Ärztin hatte seine Männer getötet, Männer die er befehligte, die ihm vertrauten und deren Kameraden es nach Rache gelüstete - daran war nichts zu rütteln.
Er war nun dafür verantwortlich sie dafür zu strafen, sich zur Wehr gesetzt zu haben.
„Eine Woche noch, nur noch eine Woche!“ dachte er.
Sie waren nachts gekommen. Wie Schatten huschten sie um die Häuser, lautlos und gespenstisch. Der Wind war urplötzlich verstummt, so als schien die Welt den Atem anzuhalten. Kein Laut war zu hören. Alles war ruhig. Die Männer hasteten immer weiter, verteilten sich, suchten Deckung vor Feinden die es nicht gab.
Er atmete schwer als er vor der Tür des Hauses stand, wartete auf weitere Befehle, blickte angestrengt auf den Hügel vor dem Dorf, wartete auf das Signal. Schweißperlen rannen ihm aus seinem Helm, er blinzelte, damit sie ihm nicht in die Augen rannen. Schwer lag das Maschinengewehr in seinen Armen und je mehr Zeit verstrich, desto schwerer wurde es. Es fing bereits an in seinem rechten Arm zu kribbeln und zu bitzeln. Er starrte weiter in die Dunkelheit, dann sah er es, die Fackel – Angriff. Mit einem kräftigen Stoß stieß er Tür auf, die krachend aus den Angeln fiel und stürmte in das Haus. Die anderen Soldaten seines Zuges folgten ihm. Im Haus war es ganz still und es roch angenehm nach dem wahrscheinlich erst vor wenigen Stunden bereiteten Abendessen. Er brauchte eine Weile um sich an die völlige Dunkelheit zu gewöhnen. Aus einem der Zimmer war ein Geräusch zu hören und sofort richtete er seine Waffe auf die Tür.
Stille.
Rascheln.
Flüstern.
Wieder Stille.
Langsam ging er auf die Tür zu, hielt die Waffe im Anschlag. Er spürte wie das Adrenalin in seinen Adern pulsierte und das Blut rauschte in seinen Ohren. Er bedeutete seinen Kameraden ihm Deckung zu geben. Seine linke Hand ging langsam zur Klinke, er hielt die Luft an, drückte die Klinke nach unten und schubste die Tür auf.
Einatmen, und durch die Tür durch.
Mit schnellen Schritten war er in den Raum getreten und blickte sich hastig um.
Ausatmen.
In der Mitte des Raumes stand ein Bett, die Laken waren zerwühlt. An jeder Seite stand ein in dunklem Holz gehaltenes Nachttischchen mit einer Lampe. Auf der linken Seite des Zimmers stand ein großer Kleiderschrank, der sich dunkel von der weißen Wand abzeichnete. Leises Schluchzen kam aus dem Schrank. Er bedeutete dem jungen Soldaten, der näher am Schrank stand als er, die Tür zu öffnen, während er Feuerschutz gab. Die Tür öffnete sich und im diffusen Lichtschein konnte man gerade die Körper zweier Menschen erkennen, die sich umklammert hielten. Eine der Personen hatte etwas glänzendes in der Hand. Eine Pistole schoss es ihm durch den Kopf. Da wurden auch schon zwei Schüsse abgefeuert.
Stille.
Er war automatisch in die Deckung des Bettes gesprungen und wartete lauernd.
Stille.
Vorsichtig erhob er sich aus der Deckung, starrte in Richtung des Kleiderschrankes.
Stille.
Er bedeutete einem der Soldaten, die aus dem Zimmer rausgelaufen waren und nun mit der Waffe im Anschlag an der Tür Stellung bezogen hatten, das Licht anzumachen.
Stille.
Langsam stand er auf, die Waffe schussbereit und ging um das Bett herum, immer bereit sofort wieder in Deckung zu gehen. Vorsichtig spähte er in den Schrank. Eine Blutlache kam aus dessen Innern. Zwei Menschen hielten sich dort in noch immer verzweifelter Umarmung umschlungen. Eine Frau, sie konnte kaum älter als 30 Jahre sein, lehnte mit dem Kopf an einer der Seitenwände. Aus dem Mundwinkel lief Blut und sie starrte blicklos ins Leere. In den Armen hielt sie ein ca. 7 Jahre altes Mädchen aus deren Kopf ein großes Loch klaffte. In den Händen hielt es einen silbernen Spiegel.
Stille.
Seine Muskeln entspannten sich, die Augen flimmerten – die Gefahr war gebannt.
Plötzlich ein Schrei.
Er rannte in das andere Zimmer. Drei seiner Soldaten standen um ein Kinderbettchen herum und starrten auf das schreiende Baby hinab.
Ohne auf das Kind zu blicken, sagte er: „Tötet es und dann raus mit euch!“
Die Worte hingen schwer in der Luft. Die jungen Soldaten drehten sich erschrocken zu ihm um, aber ihr Befehlshaber war schon hinausgegangen.
Er hatte bereits die Türschwelle überquert als er den Schuss hörte.
Stille.
Schweißgebadet wachte er auf, atmete stoßweise ein und aus. Schweiß stand auf seiner Stirn. Langsam blickte er sich in dem dunklen Raum um, nahm die Konturen wahr, erfasste wo er sich befand. Er rieb sich die Augen und vertrieb die Schatten der Nacht – zumindest für heute.
Er stand auf, machte sich frisch, zog seine Uniform an und ging nach draußen - um erneut seine blutige Pflicht zu erfüllen.
Weitere Werke von Ronneburger:
_________________ If you have big ideas, you have to use big words to express them. (Anne of Green Gables)
Das ist einer dieser Tage, an dem ich erst weiß was ich rede, wenn ich höre, was ich sage. (Anett Louisan) |
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Gast
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10.04.2008 08:40
von Gast
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Gut geschrieben, aber so viel Gewalt. Mir krampft sich jetzt noch der Magen zusammen. Ich wünschte mir, Du würdest Dein Talent für positivere Geschichten verwenden. Aber wie gesagt: Gut geschrieben.
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Ronneburger Eselsohr
R Alter: 44 Beiträge: 316
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Taleweaver Schneckenpost
T Alter: 35 Beiträge: 9
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T 24.04.2008 09:14
von Taleweaver
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Also wenn ich mir vorstelle, dass eine Militärdienstleistender so verstört und traumatisiert ist, sage ich mal, dann wird der seinen Dienst nicht mehr antreten oder wird vom Stabsarzt in Frührente geschickt. Gut in der NS Zeit war das wohl eher nicht der Fall aber ich kann mir vorstellen, dass dieser Protagonist, der ja doch sehr darunter leidet, ausgewandert wäre, um sich diesen Taten zu entziehen.
Als ranghöherer Militärdienstleistender wäre es ihm ein leichtes gewesen auch in der NS Zeit aus Deutschland zu fliehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der seinen Job noch ausführen würde.
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yt Klammeraffe
Alter: 49 Beiträge: 703 Wohnort: Sittensen
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24.04.2008 09:41
von yt
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Moin,
Zitat: | Der Kommandant blickte unentschlossen auf seine Hände. Die Hände, mit denen er bereits so viele Menschen getötet hatte, mit denen er Befehle erteilt hatte ohne über die Konsequenzen überhaupt nur nachzudenken, weil es nicht half darüber nachzudenken. Wichtig war, dass es getan wurde.
Der junge Soldat, der die ganze Zeit vor seinem Schreibtisch gestanden und gewartet hatte, räusperte sich verlegen und der Kommandant blickte auf. |
Zitat: | Konzentriert blickte er auf das Papier das vor ihm lag, |
Für meinen Geschmack bist du noch zu sehr an der Oberfläche. Zu Glatt.
Zitat: |
Sie war geschändet, erniedrigt und gedemütigt worden. Er hatte in ihr Gesicht geblickt als sie am Fenster gestanden hatte, das Gesicht voll Blut, den weißen Kittel besudelt, mit dem Blut seiner Soldaten,
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Das ist für mich eine deutlich Schwachstelle. Sie erklärt irgendwie nichts.
Zitat: | Der Kommandant hatte Verständnis für ihr Handeln – konnte ihren Hass verstehen. Unwirsch schüttelte er den Kopf, so als könnte er seine Gedanken auch einfach wegschütteln. Es half nichts, und er konnte ihr nicht helfen – auch wenn es noch so gerne wollte |
Und genau dort wo es spannend werden sollte ist auch nichts. Der Kopf ist leer. Bei mir will kein Bild entstehen. Da muss meiner Meinung mehr Leben, mehr Gefühl rein meiner Meinung.
Zitat: |
Selbst der Krieg verlief nach Gesetzen, Gesetze, die so sinnlos sie waren, es einzuhalten galt. Die Ärztin hatte seine Männer getötet, Männer die er befehligte, die ihm vertrauten und deren Kameraden es nach Rache gelüstete - daran war nichts zu rütteln. |
Wenn das eine Erklärung sein sollte, ich versteh sie nicht oder sie ist so offensichtlich das ich darüber hinweggehe.
Zitat: | Er war nun dafür verantwortlich sie dafür zu strafen, sich zur Wehr gesetzt zu haben.
„Eine Woche noch, nur noch eine Woche!“ dachte er. |
Hier eine Andeutung...
Zitat: | Er rieb sich die Augen und vertrieb die Schatten der Nacht – zumindest für heute.
Er stand auf, machte sich frisch, zog seine Uniform an und ging nach draußen - um erneut seine blutige Pflicht zu erfüllen. |
Die sich bis zum in Bedeutungslosigkeit verloren hat, weil sie nicht mehr aufgegriffen wird.
Ich hoffe ich kann anhand der Beipiele etwas erklären woran ich mich bei deinem Text aufhänge. Das Thema ist für mich spannend, und ich suche in deinem Text nach Spuren, nach Gedanken, nach Information, nach Fragen, ... aber es ergibt für mich kein in sich stimmiges Bild.
Würde mich freuen wenn ich ein paar Gedanken noch mal anschubsen konnte.
Mit liebem Gruß,
yt
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