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wahn Schneckenpost
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Beiträge: 8
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Hugin_Hrabnaz (N)Ich-Erzähler
Alter: 48 Beiträge: 248 Wohnort: Ulm
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21.02.2024 02:42
von Hugin_Hrabnaz
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Aus meiner Sicht absolut richtig so, wenn es sich bei der allgemeingültigen Aussage um eine Feststellung handelt, die nicht nur damals (zeitspezifisch, als die Geschichte spielte) gültig war, sondern vom Autor auch heute (also beim Schreiben und beim zukünftigen Lesen des Buches) noch als gültig angenommen werden soll.
Würdest du im letzten Satz das Präteritum nutzen, würfe dies die Frage auf, ob das jetzt nicht mehr so sei, dass jeder Mensch, der untertaucht, den Namen ändert.
P.S.:
Nebenbemerkung abseits deiner Frage:
Ohne den Gesamtkontext zu kennen, lässt es sich schwer sagen, ob es so passt, aber der Wechsel zwischen Imperfekt und Plusquamperfekt scheint auf den ersten Blick etwas wild. Außerdem ist "heute" ein klassischer Trigger für das Präsens bzw. "bis heute" für das Perfekt, was sich ein wenig mit der Erzählzeit Imperfekt beißt. Aber wie gesagt, das lässt sich an dem kurzen Abschnitt nicht sicher sagen. Vielleicht mal ein Auge drauf werfen.
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Christof Lais Sperl Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 944 Wohnort: Hangover
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21.02.2024 06:46
von Christof Lais Sperl
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Schließe mich Hugin an.
_________________ Lais |
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Globo85 Klammeraffe
Alter: 38 Beiträge: 744 Wohnort: Saarland
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21.02.2024 08:03
von Globo85
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Von mir dann noch ein Widerspruch.
Also nur insofern, als dass nicht das eine richtig und das andere falsch wäre. Es geht beides (meiner Meinung nach) und ist reine Geschmacksfrage.
Hugin_Hrabnaz hat Folgendes geschrieben: | Außerdem ist "heute" ein klassischer Trigger für das Präsens bzw. "bis heute" für das Perfekt, was sich ein wenig mit der Erzählzeit Imperfekt beißt. |
Hier lautet das Stichwort "episches Präteritum". Das ist was anderes als das grammatikalische Präteritum und bedeutet nicht zwanghaft, dass etwas aus der Vergangenheit, also bereits abgeschlossenes, erzählt wird, was ja eigentlich beim Präteritum so sein müsste.
Es ist bloß eine Erzählzeit, das was stattfindet, wird aber "live" erzählt (bzw. kann live erzählt/erlebt werden), nicht zwingend aus einer ex post Sicht.
Daher sind Sätze wie "Heute war Bilbo Beutlins 111. Geburtstag" absolut korrekt.
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Hugin_Hrabnaz (N)Ich-Erzähler
Alter: 48 Beiträge: 248 Wohnort: Ulm
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21.02.2024 12:47
von Hugin_Hrabnaz
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Ja, es ist natürlich möglich, es so zu handhaben, Globo. Da hast du völlig recht. Kommt auf den inneren Zusammenhang der Geschichte an, und wie es sich in die Erzählweise einfügt, was sich an einem Absatz nicht ohne Weiteres ausmachen lässt. Daher meinerseits auch nur als "mal ein Auge draufwerfen, ob es so passt"-Hinweis gedacht.
Persönlich finde ich auch im epischen Präteritum "heute war" etwas seltsam, rein gefühlsmäßig. Da würde ich dann wohl, schriebe ich im Präteritum, eher zu "an jenem Tag war" neigen, und echte Präsenstrigger wie "jetzt" oder "heute" eher in der direkten Rede benutzen. Aber ja, sicher beides möglich, wenn es sich gut einfügt und im konkreten Einsatz stimmig und flüssig lesbar ist.
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Globo85 Klammeraffe
Alter: 38 Beiträge: 744 Wohnort: Saarland
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21.02.2024 13:12
von Globo85
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Zitat: | Persönlich finde ich auch im epischen Präteritum "heute war" etwas seltsam, rein gefühlsmäßig. Da würde ich dann wohl, schriebe ich im Präteritum, eher zu "an jenem Tag war" neigen, und echte Präsenstrigger wie "jetzt" oder "heute" eher in der direkten Rede benutzen. Aber ja, sicher beides möglich, wenn es sich gut einfügt und im konkreten Einsatz stimmig und flüssig lesbar ist. |
Ja, nach dem, was ich von dir gelesen habe, passt das natürlich zu deinen Präferenzen. Aber durch "an jenem Tag" rutsche ich eben eher ins Erzählende (also ex post) oder auch tell. Durch "heute war" bin ich unmittelbarer. Im Moment. Erlebt. Eher im show.
Auch hier gilt natürlich: Beides geht und hat seine Berechtigung. Mir ging es nur drum, dass es eben (sehr gut) auch ohne Präsens machbar ist. Dass es dafür sogar einen Begriff gibt literaturtheoretisch, und dass in diesem Zusammenhang Präteritum nicht unbedingt Präteritum bedeutet.
Am deutlichsten wird das (mMn.) in der ersten Person und im Englischen gibts dann für die (grob) beiden Erzählformen die treffenderen Begrifflichkeiten finde ich:
1. Person Präteritum kann narrated erzählt werden oder als unfolding events. Bei ersterem hat der Ich-Erzähler die Geschichte schon erlebt und berichtet sie den Lesenden (oder Zuhörern am Lagerfeuer oder whatever). Beim zweiten, erlebt die Ich-Erzählerin die Geschichte beim Erzählen. Sie weiß selbst noch nicht, wie die Geschichte ausgeht. Die grammatikalische Form ist zwar das Präteritum, aber die Handlung ist nicht abgeschlossen, sondern gerade im Gange. Sie wird erlebt.
Beides hat seine Vorzüge, bei beidem kann ich Dinge tun, die ich beim jeweils anderen nicht kann. Aber es ist eben ein Unterschied. Und beim Schreiben sollte man sich dieses Unterschieds bewusst sein.
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Hugin_Hrabnaz (N)Ich-Erzähler
Alter: 48 Beiträge: 248 Wohnort: Ulm
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21.02.2024 14:22
von Hugin_Hrabnaz
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Prägnant und gut zusammengefasst. Es ist ja auch toll, dass es diese vielen verschiedenen Möglichkeiten gibt, eine Geschichte zu erzählen, denn das macht am Ende den individuellen Charakter des Erzählers und vor allem den Spirit der Geschichte aus.
Das Beispiel des Threaderstellers möchte ich im Übrigen nicht zu hoch hängen, da es ja nur darum ging, die Zeitform allgemeingültiger Feststellungen im Präteritum-Erzähltext zu klären, worüber wir uns ja auch einig sind.
Mir kam nur der Auszug von den Zeitformen her ein wenig wild vor, weshalb es ein ziemlich spannender Aufhänger ist:
Als meine Mutter am nächsten Tag aufgewacht war, hatte er nicht im Bett gelegen. Sie konnte ihn nirgendwo finden. Und er blieb bis heute unauffindbar! Im Internet hatte ich auch nichts über ihn finden können. Natürlich nicht. Jeder Mensch, der untertaucht, ändert seinen Namen.
Erster Satz im Plusquamperfekt (rot), zweiter und dritter Satz im Imperfekt (orange), einmal davon im epischen "unfolding" Modus ("heute"), dann wieder Plusquamperfekt bzw. eine Modalverbkonstruktion, die jenes ersetzt ("hatte finden können" statt "hatte gefunden"), und zu guter Letzt das Präsens der Allgemeingültigkeit (blau).
Für mich liest sich das trotz der äußerst lebhaften temporalen Dimension überraschend gut, flüssig und schlüssig, muss ich sagen. Satz 1 passierte vor Satz 2, daher korrekterweise PQP, Satz 3 ist damit auch wieder konsequent ("heute" hin oder her), dann wieder Rückblende in modifiziertes PQP (wäre die Haupterzählzeit Präsens, dann wäre hier wohl Perfekt als vollendete Gegenwart angezeigt) und dann die "Naturgesetzmäßigkeit" im Präsens. Daher ist das jetzt auch mitnichten als "falsch" gemeint. Zöge sich dieser wilde Wechsel der Tempora aber durch die ganze Geschichte, könnte es anstrengend werden, für den einen oder anderen Leser. Daher ein reiner Augenmerk-Hinweis meinerseits, keinerlei Ablehnung der gewählten Form.
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wahn Schneckenpost
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Beiträge: 8
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W 21.02.2024 16:13
von wahn
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Vielen Dank für Eure Antworten, vorallem für Deine, Hugin_Hrabnaz!
Dieser Abschnitt ist alles Vorvergangenheit, also aus der Sicht des Erzählers (im Präteritum) in der Vergangenheit passiert. Ich habe irgendwo gelesen, wenn man einen längeren Abschnitt in PQP beschreiben möchte, dann schreibt man nur den ersten Satz oder die ersten zwei Sätze in PQP. Der Rest darf dann in Präteritum erfolgen. Was mir auch bei vielen anderen Romanen aufgefallen ist. Deswegen ist der - von dir - orange markierte Satz wieder Präteritum.
Danach bin ich wieder in PQP gesprungen, weil da wieder etwas erzählt wird, das aus der Sicht des Erzählers vergangen ist. Aber diesmal findet es nicht in der selben Zeit statt, als der Vater verschwand, sondern viele Jahre später.
Ist das richtig so?
Keine Sorge, dieser Wechsel zieht sich nicht durch die ganze Geschichte so durch. Aber dieser Abschnitt war einfach nur die Erzählung einer Vergangenheit aus der Sicht des Erzählers, also für den Leser die Vorvergangenheit.
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6421 Wohnort: 50189 Elsdorf
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21.02.2024 16:37
von Ralphie
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Meiner bescheidenen Meinung nach ist alles richtig. Ich würde die Als-Konstruktion am Anfang der Löschtaste anvertrauen.
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Hugin_Hrabnaz (N)Ich-Erzähler
Alter: 48 Beiträge: 248 Wohnort: Ulm
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21.02.2024 16:40
von Hugin_Hrabnaz
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wahn hat Folgendes geschrieben: |
Dieser Abschnitt ist alles Vorvergangenheit, also aus der Sicht des Erzählers (im Präteritum) in der Vergangenheit passiert. Ich habe irgendwo gelesen, wenn man einen längeren Abschnitt in PQP beschreiben möchte, dann schreibt man nur den ersten Satz oder die ersten zwei Sätze in PQP. Der Rest darf dann in Präteritum erfolgen. Was mir auch bei vielen anderen Romanen aufgefallen ist. Deswegen ist der - von dir - orange markierte Satz wieder Präteritum.
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Ja, das ist eine beliebte und bewährte Technik, um zu vermeiden, ganze Kapitel oder längere Abschitte im Plusquamperfekt schreiben zu müssen, das sich für viele Leser auf Dauer unangenehm liest (vor allem für solche aus dem oberdeutschen Dialektkontinuum, weil man dort in der gesprochenen Sprache das Plusquamperfekt gar nicht nutzt [und das Imperfekt normal auch nicht, aber das ist ein anderes Thema]).
Den Shift ins Imperfekt finde ich nachvollziehbar und okay, und zwar aus zwei Gründen, zum einen in Anwendung der von dir beschriebenen Technik, zum anderen weil das "nirgendwo finden und unauffindbar bleiben" ja bis zum Erzählzeitpunkt andauert und damit zeitlich später ist und länger dauert, als das Verschwinden. Passt also völlig.
Zitat: |
Danach bin ich wieder in PQP gesprungen, weil da wieder etwas erzählt wird, das aus der Sicht des Erzählers vergangen ist. Aber diesmal findet es nicht in der selben Zeit statt, als der Vater verschwand, sondern viele Jahre später.
Ist das richtig so?
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Es geht weniger um richtig oder falsch, sondern um die Nachvollziehbarkeit, und ja, die ist für mich hier gegeben. Es ergibt sich die folgende logische Chronologie:
älteste Vorvergangenheit:
Der Vater war eines morgens verschwunden.
jüngere Vorvergangenheit:
Zwischendurch hatte man erfolglos im Internet recherchiert.
episches Präteritum im Prozess, aktuelle Zeit des Ich-Erzählers:
Man suchte und fand bis dato nicht.
Mein Einwand war ganz ausdrücklich nur ein "Acht geben und hinterfragen!", kein "Sollte man nicht so machen!"
Wenn sich das, wie du schreibst, nicht generell so fortsetzt, mit dem Springen in den Zeitebenen, lässt sich das durchaus so lösen. Aber gerade die angewandte Technik zur Vermeidung des PQP würde ich im Regelfall nur anwenden, wenn ich die vorvergangenen Handlungen länger ausbreite, über mehrere Absätze oder Seiten. Wenn innerhalb eines Absatzes ein oder zweimal ein Backshift in der Zeitebene kommt, ist es besser, auch PQP zu belassen, damit der Leser diesen Wechsel nicht verschläft und vor allem eben die Abgrenzung zur aktuellen Erzählzeit nicht verwischt.
Für deinen Beispielabsatz passt es so oder so, weil sich das Imperfekt in den beiden von mir orange markierten Sätzen eben nicht nur durch die PQP-Vermeidungstechnik erklärt, sondern auch auf der zeitlichen Ebene.
Zitat: |
Keine Sorge, dieser Wechsel zieht sich nicht durch die ganze Geschichte so durch. Aber dieser Abschnitt war einfach nur die Erzählung einer Vergangenheit aus der Sicht des Erzählers, also für den Leser die Vorvergangenheit.
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Für mich so nachvollziehbar gelöst.
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