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anderswolf
Klammeraffe

Beiträge: 512 Wohnort: Bad Nauheim
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Verfasst am: 26.11.2020 16:59 Titel: Schattengäste
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Ich öffne die Tür und trete ein
in dies alte Haus der Stille,
und mich umfängt und mich verschlingt
gleich einer großen Welle,
gleich einem schwarzen Loch
das Auge im tosenden Sturm und doch
ersticke ich und sterbe fast
in dieser Nacht voll totem Grau
als mein eigner Schattengast.
Du öffnest und du suchest mich
in meinem kalten Herz voll Qual;
ich fasse und ergreife dich
und ziehe dich mit Donnerhall
in meine Tiefe ohne Ende.
Oh! würden diese Wände,
die einst ein Haus gewesen,
keine Stimmen, keine Namen,
keine Erinnerung mehr tragen!
Oh! hätte doch ein jeder Traum sein Ende!
Einst majestätisch das Portal,
doch jetzt gespalten voller Qual,
birgt nur noch Schatten voller Pein:
Arme Schatten, die mein Herz
erfüllen nur mit scharfem Schmerz
und die mit kalten Stimmen schrei’n.
Schatten der Vergangenheit
raunen meine Namen
mit leisen, rauen Klagen
und stehen nur und schauen nur
von Ewigkeit zu Ewigkeit
mit ihren Augen voller Fragen.
Der Morgen graut
nah dieser stillen Nacht
und langsam leert sich die Ruine.
Schattengast um Schattengast
verliert von seiner Schattenmacht,
bis er sich auflöst und verblasst.
23 Jahre ist das alt, und 17 Jahre alt war ich damals. Stolz außerdem, so sehr von mir selbst bewegt, dass ich den Text unbedingt bei einer Soiree meiner Schule vortragen musste. Heute schwanke ich zwischen dem Gefühl von Jugendsünde und der Begeisterung für mein jugendliches Ich, das so gefestigt war im Glauben an das eigene Talent.
Warum ich es jetzt in den Lyrik-Einstand stelle? Weil ich erstens zwei Gedichte Vorsprung brauche, um die Werkstatt für mich freizuschalten, und weil ich zweitens eine mäßige Beziehung zu Lyrik habe (siehe Kokon). Drittens kommt ein Schwarzes Loch drin vor, was mit Nichts. Alles. aktuell scheint, aber nur Zufall ist.
Das zweite Gedicht wird dann wohl das sein, an dem ich derzeit arbeite (mit hoffentlich größerer Kunstfertigkeit. Oder auch nicht. Was weiß ich schon.)
Über Feedback freue ich mich natürlich so oder so. Vielleicht ist ja noch was zu retten.
Weitere Werke von anderswolf:
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Windes_Urpoesie Gänsefüßchen
 Alter: 24 Beiträge: 26 Wohnort: Europa
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Verfasst am: 27.11.2020 20:08 Titel:
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Lieber anderswolf,
dein Name verrät es mir schon irgendwie.
Wenn man sich auf das Dunkle einlässt, - gewiss spricht ein Zauber daraus, so wie ich den Zauber in deinem Gedicht finden konnte.
Es erinnert ein wenig an Baudelaire, dessen Name ja auch schon dunkeltief wie die Nacht klingt.
Man wünscht sich gleichsam etwas in seiner Brunnenstube zu sterben,
doch dann, zum Glück, ein versöhnendes Ende.
Danke dir.
_________________ Wie ein Irrlicht schwebt die Traumfigur des Windes durch die Weltgeschichte. Folgt seiner alten Weise, und geht mit mir zusammen auf die Reise. Wir treffen uns am Portal der Himmelsschneise. |
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anderswolf
Klammeraffe

Beiträge: 512 Wohnort: Bad Nauheim
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Verfasst am: 30.11.2020 13:16 Titel:
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Windes_Urpoesie hat Folgendes geschrieben: | Lieber anderswolf,
dein Name verrät es mir schon irgendwie.
Wenn man sich auf das Dunkle einlässt, - gewiss spricht ein Zauber daraus, so wie ich den Zauber in deinem Gedicht finden konnte.
Es erinnert ein wenig an Baudelaire, dessen Name ja auch schon dunkeltief wie die Nacht klingt.
Man wünscht sich gleichsam etwas in seiner Brunnenstube zu sterben,
doch dann, zum Glück, ein versöhnendes Ende.
Danke dir. |
Danke Dir, dass Du meinen Text gelesen und in ihm etwas gefunden hast, das in Dir etwas zum Klingen bringt. Die Assoziation zu Baudelaire hat mich zunächst überrascht, dann aber doch erreicht (sein Wikipedia-Artikel enthält die Zwischenüberschrift "Der alternde Dandy", das hat mich überraschend getroffen).
Tatsächlich erzählt mir mein Text mittlerweile mehr über mich, als ich damals beim Schreiben in ihn hineinlegen wollte. Und was am Ende in der Brunnenstube stirbt, sind vielleicht nur die Erinnerungen an ein anderes, tragischeres Leben.
Danke nochmals für die Beschäftigung mit meinen "Schattengästen".
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Nina
Dichterin

Beiträge: 4850
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Verfasst am: 26.12.2020 09:36 Titel:
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Lieber anderswolf,
mir gefällt Dein frühes Gedicht. Es klingt! Ich habe es zwei Mal gelesen, mir ist eigentlich nur eine eine Stelle aufgefallen, an der ich ein Wort nur leicht verändern würde, und zwar gleich in der ersten Strophe heißt es:
Zitat: | Ich öffne die Tür und trete ein
in dies alte Haus der Stille, |
da würde ich "dieses" anstelle von "dies" setzen. Aber das ist Geschmackssache. Ansonsten würde ich es so lassen, wie es ist. Ich finde, Du hast ein gutes Gespür für Sprache und den Inhalt hast Du interessant gestaltet.
Ich freue mich auf mehr Lyrik von Dir!
Liebe Grüße
Nina
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
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dürüm Wolf im Negligé
 Alter: 43 Beiträge: 531 Wohnort: Cape Town
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Verfasst am: 26.12.2020 11:10 Titel:
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Hallo anderswolf,
Wow. Mit siebzehn habe ich sowas noch nicht geschrieben.
Chapeau.
Ich bin nicht wirklich der Experte für Metrik, aber mir fällt auf, dass ich beim lauten Lesen ab und zu über die Betonung stolpere.
D.h. ich würde eventuell tatsächlich einmal Silben und Betonungen markieren und damit spielen, um den Fluss noch gleichmäßiger zu machen.
Aber insgesamt habe ich auch Lust auf mehr!!
Gruß
Kerem
_________________ Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde) |
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anderswolf
Klammeraffe

Beiträge: 512 Wohnort: Bad Nauheim
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Verfasst am: 29.12.2020 16:58 Titel:
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Hallo Nina, hallo Kerem,
vielen Dank für Eure sehr positiven Gedanken zu meinem "Altwerk".
Die Metrik (und dadurch das "dies"/"dieses" gleich in der zweiten Zeile) ist wirklich nicht ganz unproblematisch, und ich frage mich mittlerweile, wie ich das rezitiert habe damals auf der Bühne. Jetzt stolpere ich beim Lautlesen dauernd, werde mal schneller und langsamer, und dann achte ich auch noch auf den (wie ich mittlerweile finde) überpathetischen Inhalt...
Ich bin aber auch ein bisschen überkritisch, denke ich. Gleichzeitig weiß ich aber nicht, ob ich da allzu viel ändern könnte. Immerhin ist das Gedicht ja jetzt doch schon recht alt, und ich habe keine Ahnung, ob ich mich jemals wieder in diese Gedanken einfühlen kann, denen dieses Gedicht entsprungen ist. Oder ob ich das will.
Habt trotzdem vielen Dank für Euer Feedback. Es freut mich, dass die "Schattengäste" tatsächlich noch berühren können.
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