18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Postkartenprosa 05/2018
Zwischenruf

 
 
Gehe zu Seite   Zurück  1, 2, 3 ... , 22, 23, 24  Weiter
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2942
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag05.06.2018 22:11

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Oh, wie schön smile

Dann bin ich sehr gespannt und sage erst mal nur: ich weiß ja nicht einmal, ob ich mir (komplette) Zustimmung erhoffe, denn
(1) war das nur eine knappe Darstellung eines sehr wirren Gebildes aus Überlegungen, Erfahrungen, Glaubenssätzen etc., oder eine Momentaufnahme von Dingen, die zwar gewachsen sind, sich aber auch immer verändern
(2) ist Schreiben ja immer auch Abgrenzung, Individualisierung, und die Konturen der eigenen Sprache oder der eigenen Sichtweise auf das Schreiben lassen sich bisweilen nur darin begreifen, wo sie enden oder anecken.


_________________
100% Fitte

»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag06.06.2018 00:44

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Schau nur kurz rein, und lasse eine nicht zu Ende gedachte Frage da:

Wann ist ein Gedanke zu Ende gedacht, formuliert, eine Aussage getroffen?

Sind Gedanken nicht so etwas wie ein Kontinuum?

Und will noch da lassen, dass dieser Wettbewerb viel Auseinandersetzung, Gespräche über Texte zu erreicht haben scheint, ausgerechnet, wenn ich wenig zum Mitlesen komme.  
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag06.06.2018 01:00

von d.frank
Antworten mit Zitat

Hallo Klemens,

Entschuldige bitte, sollte die Erwähnung deines Namens im Zusammenhang mit einer von mir gemachten Einschätzung zu irgendeiner Art Peinlichkeit geführt haben. Jedenfalls: Mich interessiert es! Und es ist diskussionswürdig, finde ich.
Denn was oder wen meinst du mit moderner Prosa? Und welchen Stellenwert hätte dann die Lyrik? Es gibt doch gar keine allgemeingültige Wahrheit, die  sich irgendwie abbilden lässt, man kann ihr nur näherkommen, sie in Bezüge oder Zweifel setzen. Als was würde man sich ausnehmen, glaubte man von sich selbst, man hätte all das verstanden oder dürfe es nur sagen, wenn es verstanden ist?
Ich will dich nicht angreifen, aber deine Forderung erscheint mir zwar nobel aber auch hehr. Die Konsequenz daraus klingt für mich beinahe, als dürften 80 % der Weltbevölkerung nie mehr den Mund aufmachen oder 90 % der schon geschriebenen Bücher verlören ihre Daseinsberechtigung. Shocked Wink Laughing
Ich versteh schon, was du meinst, die übliche Diskussion darum, was Literatur kann, darf und sollte, die immer wieder auch im Vorfeld üblicher Wettbewerbe ins Feld geführt wird. Aber es gibt keine allgemeingültige Aussage, genauso wenig wie es eine allgemeingültige Wahrheit gibt.
Und um der Wahrheit wenigstens ein bisschen näher zu kommen (auch und vor allem in einem fremden Bewusstsein), muss man manchmal Umwege gehen. Weil diesen Weg, den geraden und klaren, nicht jeder gehen kann oder will, weil eigene Gedanken, eigene Erfahrungen manchmal, nein, eigentlich immer, um vieles wertvoller sind, als irgendwelche vorgekauten Lehren.
Weil immer alles leichter gesagt, als getan ist. Deshalb ist es auch nicht Aufgabe der Literatur, die Antworten zu liefern, sondern eher die Fragen zu stellen, mit denen jedes Individuum sich individuell auseinandersetzen kann. Deshalb ist auch ein zu Ende gedachter Satz immer noch nur ein Satz, von jemandem, einem Individuum zu Ende gedacht.

Was du zu Texten an sich schreibst, das teile ich (sollte aus der zitierten Antwort eigentlich auch herauszulesen sein). Ich finde aber, man sollte dem Unbewussten, der Kunst auch ihren Raum lassen, weil man sie mit zu viel Logik auch ersticken kann.

Zitat:
Wenn die Wirkung eines Textes, seine Aussagekraft aber davon abhängt, was ich als Leser bereit bin hineinzulegen, bleibt er immer hinter seinen Möglichkeiten zurück.


Die Wirkung eines Textes, seine Aussagekraft hängt mE immer davon ab, was der Leser bereit ist, in ihn hineinzulegen. Sehr schönes Beispiel dafür?
Der Wettbewerb, dem dieser Faden hier zu Grunde liegt.
Ich zum Beispiel habe nicht viel in Jennys Text gesehen. Bin ich deshalb ein schlechter Leser? Gar ein dummer Mensch? Vielleicht. Vielleicht habe ich mich aber auch nicht auf den Text einlassen wollen, vielleicht war ich zu besetzt.
Vielleicht kann ich auch mit deinen Ausführungen nicht viel anfangen, weil sie sich meiner eigenen Denkweise entziehen, weil ich finde, dass auch ein kleiner Schritt schon ein Schritt ist und allenthalben besser, als in Bewegungslosigkeit zu verharren, denn dort führte sie hin deine Forderung, nur noch zu sagen und zu schreiben, was zu Ende gedacht wurde, in eine Statik des einzig Richtigen.
Als Analogie auf die Wissenschaft übertragen, bedeutete das, diese dürfe sich nur noch fortbewegen, wenn der Ausgang ihrer Experimente gewiss wäre. Das ist er aber nicht, das ist es nie, weil alles auch immer ein Suchen und Finden ist. Vielleicht hast du recht damit, dass die Ergebnisse dieses Prozesses erst nach dem endgültigen Abschluss geteilt werden dürfen oder dass ein Ergebnis wenigstens absehbar sein sollte.
Das Schreckliche und Erschütternde lauert aber nicht nur in der Klarheit eines Gedankens, sondern auch auf ganz individuelle Weise im Individuum selbst und manchmal kommt man diesen Fragen tatsächlich viel näher, wenn es gerade keinen festgelegten Weg gibt, der zu ihnen führt und von dem man abkommen könnte, fühlte man sich zu sehr ans Ziel gedrängt.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2942
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag06.06.2018 09:29

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Noch einmal: was ich hier schrieb/schreibe, ist für niemanden bindend außer für mich. Das Schreiben bringt kein eigenes Deutungsraster mit, man muss es notgedrungen selbst entwickeln, um das, was man liest oder schreibt, darin einordnen zu können.

Wenn ich von moderner Prosa spreche, meine ich das, was ich sehe, wenn ich einen Blick in Literaturzeitschriften, in vom Feuilleton ausgewiesene Veröffentlichungen oder in die Texte Hildesheimer Absolventen werfe, und natürlich ist dieser Blick vorurteilsbehaftet, es gibt dort Schubladen, in die ich Dinge einordne, und jedes Einordnen ist ein (mal mehr, mal weniger) gewaltsamer Prozess.

Wenn man das Wort Zweifel im Ausschnitt, den ich zitiert habe, ernst nimmt, ist doch klar, dass das zu Ende Führen eines Satzes oder eines Gedankens erstens keine allgemeingültige Wahrheit meint, sondern nur die, die dem Satz oder dem Gedanken innewohnt, und zweitens eine paradoxe Forderung ist, weil das zu Erreichende immer außerhalb des Machbaren liegt.

Ich könnte nachträglich ein Wort einfügen:

Zitat:
Wenn die Wirkung eines Textes, seine Aussagekraft aber einzig davon abhängt, was ich als Leser bereit bin hineinzulegen, bleibt er immer hinter seinen Möglichkeiten zurück.


Das ist vielleicht keine Frage des Entweder-Oder, aber es gibt Pole, auf die sich etwas zubewegen kann, oder meinetwegen diametral entgegengesetzte Seiten in diesem Raster, in das ich eintrage, was ich lese oder schreibe.

Das Unerreichbare, das hinter jedem Schreiben liegt, kann man nur für sich selbst formulieren; was ich hier geschrieben habe, ist nur ein ungenügender Abriss, und wenn aus ihm eine Dichotomie von Kunst und Logik herausgelesen wird, eine Lehre oder der Versuch, eine allgemeingültige Wahrheit zu postulieren, dann habe ich mich womöglich missverständlich ausgedrückt, andererseits aber auch keine Lust, diese Lesart zur Diskussion zu stellen.


_________________
100% Fitte

»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

Administrator
Alter: 58
Beiträge: 6477
Wohnort: München
DSFo-Sponsor Pokapro und Lezepo 2014
Pokapro VI Weltrettung in Gold


Beitrag08.06.2018 02:51

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Mir scheint der Verweis auf die Leerstellen – das Ungesagte oder nicht Fassbare oder die Metaebene oder wie auch immer man es nennen will – aber mehr und mehr eine Ausflucht der modernen Prosa, die sich damit begnügt, Reizpunkte zu setzen und den Rest ungesagt zu lassen. Wenn die Wirkung eines Textes, seine Aussagekraft aber davon abhängt, was ich als Leser bereit bin hineinzulegen, bleibt er immer hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Ich denke, das in dieser Weise Angesprochene ist die Teilmenge eines umfassenderen Literaturproblems, das eine gewaltige Spannweite aufweist.

Am einen Ende stehen ganz pragmatische Überlegungen über das, was notwendig und ausreichend in einem Prosatext ist relativ zu dem, was ausgedrückt werden soll. Sprache ist eigentlich sehr karg. Auf jeden Fall, wenn man nur die primäre Bedeutung der einzelnen Wörter anerkennt, aber auch dann noch, wenn man alle Konnotationen der Wörter selbst und die ihres Zusammenspiels in einem Satz dazunimmt. Der französische Linguist Dan Sperber meint, dass Sprache immer inferentiell sei, dass man sich im Wesentlichen die Bedeutung einer Äußerung zumindest in pragmatischer Hinsicht erschließe. Auch wenn man dem nicht folgen will, ist klar, dass ich zu keinem Zeitpunkt in einem Text der Wirklichkeit gerecht werden und vollständig sein kann. In trivialer Hinsicht. Wenn zum Beispiel die Protagonistin ihr Haus verlässt, muss das Türöffnen und -schließen beschrieben werden oder können die Leser das erschließen, wenn der Satz einfach nur heißt "Sie trat auf die Straße"? Man kann das in beide Richtungen weiterführen: In die eine mit dem Zweifel, dass wenn das Türöffnen in der Tat erwähnt wird, wie es denn dann um das Aufschließen oder das Niederdrücken der Klinke bestellt sei. In die andere Richtung mit dem Zweifel, ob das Auf-die-Straße-treten überhaupt nötig sei oder man einfach mit einer Beobachtung auf der Straße im Text fortfahren könne.

Diese Entscheidungen müssen ständig getroffen werden und ihnen haftet nichts Abgehobenes an. Jeder Mensch, der auch nur die simpelste Geschichte erzählen will, ist konstant mit ihnen konfrontiert. Gefährlich (fürs Schreiben) ist nur die Illusion, dass es in dieser Frage einen klaren Weg gäbe, dass schreiben kein Ringen damit wäre. Irgendwann wird nämlich jeder, der intuitiv einen guten Ansatz hatte und nie viel darüber nachdenken musste, von dem Problem eingeholt (sofern er oder sie ernthaft schreibt und nicht nur Schabllonen folgt), von dem Problem, das wir letztendlich keine Wirklichlichkeit liefern können, sondern sie zusammen mit den Lesern (einschließlich des Autors selbst) konstruieren. Und damit wären wir am anderen Ende des Spektrums angekommmen, wo es zu einerm philosophischen Problem wird. Die intensiverer Beschäftigung damit ist jedoch für das Schreiben wahrscheinlich eher hinderlich als förderlich.


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 5012
Wohnort: Berlin


Beitrag08.06.2018 07:15

von Nina
Antworten mit Zitat

Zitat:
Eigentlich geht es doch um die Metaebene. Der Text hinterm Text. [...]


ich denke, nicht allen. manchmal geht es "nur" um die direkte, sprachliche ebene, auf der etwas erzählt wird. dass im hintergrund, auf der metaebene noch etwas anderes sich abspielt/abspielen kann, man dieses auch absichtlich erzeugen kann (siehe kafka), das ist a) eine kunst, b) eine möglichkeit, die sich allerdings nicht allen erschließt, sowohl auf der geschriebenen, als auch auf der lesenden seite. das ist aber nicht tragisch, wenn es auch manchmal deprimierend ist. *g* denn vordergründig ist der text ja erst mal da, mit den worten, die er bietet und der lesen kann dies mitnehmen auf seinem lesen. manchmal muss ein text erst sacken, bzw. etwas zeit vergehen, bis die andere ebene klar und bewusst wird.


Zitat:
[...]Wenn man es hinbekommt, dass die Geschichte auf zwei Arten funktioniert: vordergründig und auch auf eben dieser Ebene dann kann man wohl zurecht stolz auf sich sein. Ebenso, wenn man es schafft, diese Ebene rauszulesen, aus einem Text, der vordergründig einfach aufgebaut scheint.


ja, das sehe ich auch so. es verlangt, meines erachtens einen zugang zum text BEVOR er überhaupt geschrieben ist. (manchmal ergibt diese andere ebene sich auch erst beim schreiben und beschäftigen mit dem text/thema). ich bin großer fan einfacher sprache. für manche wirkt einfache sprache nicht anspruchsvoll genug, so kommt es mir manchmal vor, doch ich finde, dass gerade in der einfachen sprache unglaublich viel möglich ist und diese, wie ich finde, außerdem eine eigene ästhetik bietet.

Zitat:
Es gibt immer Dinge, die dem Text eigen sind, ohne dass man sie bewusst oder gar explizit hineingeschrieben hat.


das stimmt. mich beschäftigt das auch gerade wieder sehr. der/die leser nehmen manchmal diese spur beim lesen direkt auf, und formulieren den "elephant in the room".

Zitat:
Mir scheint der Verweis auf die Leerstellen – das Ungesagte oder nicht Fassbare oder die Metaebene oder wie auch immer man es nennen will – aber mehr und mehr eine Ausflucht der modernen Prosa, die sich damit begnügt, Reizpunkte zu setzen und den Rest ungesagt zu lassen. Wenn die Wirkung eines Textes, seine Aussagekraft aber davon abhängt, was ich als Leser bereit bin hineinzulegen, bleibt er immer hinter seinen Möglichkeiten zurück.


das empfinde ich auch oft so, zumindest bei manchen texten, auch manchmal hier im forum bei einigen texten. der/die autor/in gibt dann nichts oder kaum etwas preis über inhalt, aussage, absicht, sondern überlässt den lesern alles, versteckt sich regelrecht dahinter und hüllt sich in totales schweigen. ich finde, damit wird ein text "umgebracht" und der leser "ausgesperrt".

Der, der sich selbst zitiert hat Folgendes geschrieben:
Es gibt einen Unterschied zwischen Leerstellen und: es dem Leser überlassen, ob der Text etwas zu sagen hat oder nicht. Sehe ich mir deine Liste oben an, finde ich kein Element, das den Text in der jetzigen Form trägt. Klar, enthalten ist das alles irgendwie, aber der Text erzählt nichts davon. Und natürlich können wir all das aus dem Text herauslesen, als wären wir im Deutschunterricht, und uns imaginäre Fleißpunkte für unsere Interpretationen verleihen. Und natürlich wird genau das mit Literatur gemacht – das ist aber mE nicht der Grund, weshalb sie geschrieben und gelesen wird.


gefällt mir sehr gut, was du hier sagst/schreibst, besonders den teil, wo es heißt: klar, enthalten ist das alles IRGENDWIE.

Zitat:

Ich halte es für unethisch – im Sinne von: dem Ethos der Literatur widersprechend – Themen nur als Reizpunkte zu sehen, die man setzt, ohne sich selbst in die Gefahr des Aussprechens zu begeben, dorthin, wo man eine Aussage treffen oder einen Gedanken zu Ende formulieren muss, sprich: sich angreifbar macht. Ob dieses Zu-Ende-Formulieren in Form einer gedanklichen Auseinandersetzung passiert, in Form von Abstraktion oder in Form einer Erzählung, ist dabei relativ egal, aber es muss zu Ende geführt sein, und zwar konsequent, und dann kann ich nicht sagen, das Wesentliche stehe doch zwischen den Zeilen, solange diese Aussage es mir lediglich erspart, etwas Wesentliches formulieren zu müssen.


genau. das mit dem zu-ende-formulieren: ich denke, dass nicht alles explizit an-und ausgesprochen sein muss/soll, gleichzeitig aber etwas "an die hand gegeben werden sollte". dieses ist das "eigentliche" um das es geht, auch wenn es nicht direkt ausgesprochen ist oder wird. doch es ist dennoch klar und nicht so vage, dass man alles dafür setzen kann. es ist nicht austauschbar, sondern benennbar. (das bedeutet dennoch gleichzeitig, dass es übertragbar sein kann!).

lg
nina
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 5012
Wohnort: Berlin


Beitrag08.06.2018 07:22

von Nina
Antworten mit Zitat

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:

(2) ist Schreiben ja immer auch Abgrenzung, Individualisierung, und die Konturen der eigenen Sprache oder der eigenen Sichtweise auf das Schreiben lassen sich bisweilen nur darin begreifen, wo sie enden oder anecken.


dafür sind schreibblockaden richtig gut. manchmal auch die kleinen, die sich nach dem schreiben eines textes ergeben und die manchmal auch gar nicht so groß und andauernd sein müssen. wenn das empfinden bleibt, etwas nicht "mit begriffen (oder ohne!) ergriffen/erfasst/greifbar" zu haben (im wahrsten sinne des wortes), dann ergibt sich, zumindest bei mir, dieser moment, der in der frage mündet: warum komme ich da nicht heran? gerade diese auseinandersetzung erweitert m.e. nicht nur die eigene perspektive aufs schreiben, sondern auch die sprache bzw. sprach"fertigkeit".
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 5012
Wohnort: Berlin


Beitrag08.06.2018 07:34

von Nina
Antworten mit Zitat

d.frank hat Folgendes geschrieben:
Die Wirkung eines Textes, seine Aussagekraft hängt mE immer davon ab, was der Leser bereit ist, in ihn hineinzulegen.


Jein. Laughing Ich denke, diese Betrachtungsweise entbindet den Autor/in zu sehr und überlässt dem Leser/in zu viel.


Zitat:
Vielleicht habe ich mich aber auch nicht auf den Text einlassen wollen, vielleicht war ich zu besetzt.


(Unabhängig von den Wettbewerbstexten:) Vielleicht darf ein Text auch mal nicht gefallen? Weil die Erzählweise nicht dem entspricht, was man für lesenswert oder gut befindet. Weil einen das Thema nicht interessiert. Weil man die Sprache bzw. den Sprachgebrauch nicht mag, die Sprache "verknarzt" ist, zu experimentell oder zu unexperimentell, zu, zu, zu ... Es gibt viele Gründe, warum man sich nicht einlassen kann oder will. (Dein Gedanke mit dem "besetzt" finde ich sehr interessant). Und doch kann einem Text/Autor/in es gelingen, das Interesse zu wecken, sogar dann, wenn einen das Thema "eigentlich" nicht interessiert, den/die Leser "bei der Stange halten" usw.

d.frank hat Folgendes geschrieben:
[...]Bewegungslosigkeit [...], dort führt sie hin deine Forderung, nur noch zu sagen und zu schreiben, was zu Ende gedacht wurde, in eine Statik des einzig Richtigen.


So ist es nicht gemeint, (so wie ich es verstehe). Ich versuchs mal kurz zu sagen: Es bedeutet für mich, einen "Gegenstand" begreifbar zu machen, ihn zu zeigen. Das kann direkt oder indirekt erfolgen.

LG
Nina
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 5012
Wohnort: Berlin


Beitrag08.06.2018 07:36

von Nina
Antworten mit Zitat

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:

Ich denke, das in dieser Weise Angesprochene ist die Teilmenge eines umfassenderen Literaturproblems, das eine gewaltige Spannweite aufweist.

Am einen Ende stehen ganz pragmatische Überlegungen über das, was notwendig und ausreichend in einem Prosatext ist relativ zu dem, was ausgedrückt werden soll. Sprache ist eigentlich sehr karg. Auf jeden Fall, wenn man nur die primäre Bedeutung der einzelnen Wörter anerkennt, aber auch dann noch, wenn man alle Konnotationen der Wörter selbst und die ihres Zusammenspiels in einem Satz dazunimmt. Der französische Linguist Dan Sperber meint, dass Sprache immer inferentiell sei, dass man sich im Wesentlichen die Bedeutung einer Äußerung zumindest in pragmatischer Hinsicht erschließe. Auch wenn man dem nicht folgen will, ist klar, dass ich zu keinem Zeitpunkt in einem Text der Wirklichkeit gerecht werden und vollständig sein kann. In trivialer Hinsicht. Wenn zum Beispiel die Protagonistin ihr Haus verlässt, muss das Türöffnen und -schließen beschrieben werden oder können die Leser das erschließen, wenn der Satz einfach nur heißt "Sie trat auf die Straße"? Man kann das in beide Richtungen weiterführen: In die eine mit dem Zweifel, dass wenn das Türöffnen in der Tat erwähnt wird, wie es denn dann um das Aufschließen oder das Niederdrücken der Klinke bestellt sei. In die andere Richtung mit dem Zweifel, ob das Auf-die-Straße-treten überhaupt nötig sei oder man einfach mit einer Beobachtung auf der Straße im Text fortfahren könne.

Diese Entscheidungen müssen ständig getroffen werden und ihnen haftet nichts Abgehobenes an. Jeder Mensch, der auch nur die simpelste Geschichte erzählen will, ist konstant mit ihnen konfrontiert. Gefährlich (fürs Schreiben) ist nur die Illusion, dass es in dieser Frage einen klaren Weg gäbe, dass schreiben kein Ringen damit wäre. Irgendwann wird nämlich jeder, der intuitiv einen guten Ansatz hatte und nie viel darüber nachdenken musste, von dem Problem eingeholt (sofern er oder sie ernthaft schreibt und nicht nur Schabllonen folgt), von dem Problem, das wir letztendlich keine Wirklichlichkeit liefern können, sondern sie zusammen mit den Lesern (einschließlich des Autors selbst) konstruieren. Und damit wären wir am anderen Ende des Spektrums angekommmen, wo es zu einerm philosophischen Problem wird. Die intensiverer Beschäftigung damit ist jedoch für das Schreiben wahrscheinlich eher hinderlich als förderlich.


Danke sleepless, für diese anregenden Gedanken! Später vielleicht mehr hierzu.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag08.06.2018 22:58

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Zitat:
sleepless:

Der französische Linguist Dan Sperber meint, dass Sprache immer inferentiell sei, dass man sich im Wesentlichen die Bedeutung einer Äußerung zumindest in pragmatischer Hinsicht erschließe.


Tatsächlich habe ich vor langer Zeit das Buch Relevance von Dan Sperber und Deirdre Wilson ziemlich intensiv gelesen.

Es gibt wohl einen Unterschied von Lyrik und Prosa.

Im Gegensatz zu Gesprächen muss die Prosa Kontext und eine mit dem Leser gemeinsame Grundlage aufbauen, in dem ihre Aussagen relevant werden.In Gesprächen ist irgendein Kontext immer gegeben.  Lyrik hingegen kann Kontext weglassen, dem Leser mehr abverlangen.

Deswegen lesen viele vielleicht nicht gerne modern Lyrik. Und man gesteht dem Lyrikleser eher zu, seinen eigenen einzubringen, und zuweilen zu sagen: Damit kann ich nix anfangen. Was bedeutet: Das ist für mich nicht relevant.

Genauso aber bei Prosa. Da mag ein Leser wie ich und du mit bestimmten Genres, Stilen,von vorne herein nichts anzufangen wissen.

Lesen verlangt noch mehr Arbeit als Zuhören. Doch auch Letzteres klappt nicht einfach automatisch.

"Es regnet": Was kann nicht alles damit vermittelt werden.

Aber auch ein scheinbar genauer Text/eine scheinbar genaue Aussage wie etwa "Die graue Krawatte liegt seit zwei Jahren in der obersten Schublade des Wohnzimmerschranks" wirkt seltsam, wenn ein passender Kontext, irgendein gemeinsames Wissen, auf dem sie relevant wäre, fehlt.

Da kann der Schreiber wiederum viel vorgeben, was wiederum mögliche Lesarten ausschließt.

So dahin gedacht ...

Ob das nun relevant war?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

Moderatorin

Beiträge: 4298

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
Podcast-Sonderpreis


Beitrag09.06.2018 21:04

von hobbes
Antworten mit Zitat

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Aber auch ein scheinbar genauer Text/eine scheinbar genaue Aussage wie etwa "Die graue Krawatte liegt seit zwei Jahren in der obersten Schublade des Wohnzimmerschranks" wirkt seltsam, wenn ein passender Kontext, irgendein gemeinsames Wissen, auf dem sie relevant wäre, fehlt.

Ich finde den Satz überhaupt nicht seltsam. Liegt das nun daran, dass ich sofort einen Kontext, oder vielleicht mehr eine Ahnung (der zugehörigen Geschichte) im Kopf habe?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag09.06.2018 21:46

von d.frank
Antworten mit Zitat

Zitat:
In trivialer Hinsicht. Wenn zum Beispiel die Protagonistin ihr Haus verlässt, muss das Türöffnen und -schließen beschrieben werden oder können die Leser das erschließen, wenn der Satz einfach nur heißt "Sie trat auf die Straße"? Man kann das in beide Richtungen weiterführen: In die eine mit dem Zweifel, dass wenn das Türöffnen in der Tat erwähnt wird, wie es denn dann um das Aufschließen oder das Niederdrücken der Klinke bestellt sei. In die andere Richtung mit dem Zweifel, ob das Auf-die-Straße-treten überhaupt nötig sei oder man einfach mit einer Beobachtung auf der Straße im Text fortfahren könne.


Weshalb nur in trivialer Hinsicht?
Mich persönlich würde das nerven, wenn mir derart triviale Begebenheiten wie das Auf-die-Straße-treten vorgekaut werden.

Zitat:
Ich finde den Satz überhaupt nicht seltsam. Liegt das nun daran, dass ich sofort einen Kontext, oder vielleicht mehr eine Ahnung (der zugehörigen Geschichte) im Kopf habe?


Ich finde ihn auch nicht seltsam, im Gegenteil er lässt mir genügend Raum für Ahnungen. Erinnert sich hier jemand noch an die Geschichte aus dem Zehntausender? Der neutrale Erzähler, der eine zerrüttete Familie beobachtete, deren männlicher Part irgendetwas mit den Bediensteten anstellte? Leider kam nach Wettbewerbsende keine Rückmeldung mehr vom Autor. Crying or Very sad  Mir ist die Geschichte stark in Erinnerung geblieben, so viel zwischen den Zeilen, in einfachen, scheinbar sachlichen Bildern.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag09.06.2018 22:23

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

hobbes hat Folgendes geschrieben:
firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Aber auch ein scheinbar genauer Text/eine scheinbar genaue Aussage wie etwa "Die graue Krawatte liegt seit zwei Jahren in der obersten Schublade des Wohnzimmerschranks" wirkt seltsam, wenn ein passender Kontext, irgendein gemeinsames Wissen, auf dem sie relevant wäre, fehlt.

Ich finde den Satz überhaupt nicht seltsam. Liegt das nun daran, dass ich sofort einen Kontext, oder vielleicht mehr eine Ahnung (der zugehörigen Geschichte) im Kopf habe?


Jetzt wäre es lustig, euren gedachten Kontext/eure Geschichten dazu zu lesen.

Das wäre aber wohl eher was für einen anderen Wettbewerb. Wink
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

Moderatorin

Beiträge: 4298

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
Podcast-Sonderpreis


Beitrag10.06.2018 09:08

von hobbes
Antworten mit Zitat

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Das wäre aber wohl eher was für einen anderen Wettbewerb. Wink

Ja, nicht wahr? Dachte ich auch schon. Vor allem, weil doch ganz klar ist, welche Geschichte dahinter steckt. Oder zumindest welche Art von Geschichte. Aber dann kommt d.frank und erzählt eine ganz andere smile

Und ja, ich erinnere mich auch noch an die Zehntausendergeschichte.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag10.06.2018 11:06

von d.frank
Antworten mit Zitat

Lasst uns den nächsten Wettbewerb starten.
Vorgabe:

Zitat:
Die graue Krawatte liegt seit zwei Jahren in der obersten Schublade des Wohnzimmerschranks


Der Satz darf nicht im Original wiederholt werden, das Wort Krawatte muss zweimal im Text vorkommen und irgendwo muss eine Tür zufallen. Wink Laughing


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Rübenach
Geschlecht:männlichExposéadler
R


Beiträge: 2832



R
Beitrag10.06.2018 11:16

von Rübenach
Antworten mit Zitat

und das ganze muss ein Haiku sein!

_________________
"Vielleicht sollten mehr Leute Schreibblockaden haben." Joy Williams
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag10.06.2018 13:00

von d.frank
Antworten mit Zitat

Krawatte in grau, der Wohnzimmerschrank
Ich lasse es binden, krawattenschick
Und Irgendwo fällt eine Tür


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
gold
Geschlecht:weiblichPapiertiger


Beiträge: 4943
Wohnort: unter Wasser
DSFo-Sponsor


Beitrag10.06.2018 22:03

von gold
Antworten mit Zitat

Das ist aber kein Haiku. Protest!

Und irgendwo und irgendwann (man beachte die geniale Erweiterung) fällt eine Tuer und sie fällt auf den Prota drauf. Und irgendwie gibt es Wurstwasser und Schmetterling in Aspik.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag10.06.2018 22:59

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Für Rübenach:

Lass die Krawatten
im Schrank vergrauen. Zieh nur
die Schubladen auf.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag13.06.2018 21:40

von Jenni
Antworten mit Zitat

Zwar ist der Wettbewerb schon lange um, aber die von Jan angeregte Diskussion, die damit auch gar nicht direkt zu tun hat, die finde ich ja immer noch interessant und wert weiterzuführen.
Klemens_fitte hat Folgendes geschrieben:
Mir scheint der Verweis auf die Leerstellen – das Ungesagte oder nicht Fassbare oder die Metaebene oder wie auch immer man es nennen will – aber mehr und mehr eine Ausflucht der modernen Prosa, die sich damit begnügt, Reizpunkte zu setzen und den Rest ungesagt zu lassen. Wenn die Wirkung eines Textes, seine Aussagekraft aber davon abhängt, was ich als Leser bereit bin hineinzulegen, bleibt er immer hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Der Gedanke ist mir mal erstens nicht neu, ich lese das und nicke. Ich habe auch mitunter das Gefühl, „moderne“ Prosa beschäftigt sich gern und ziemlich selbstbezüglich damit, was man nicht ausdrücken kann, und das finde ich zwar zufällig extrem interessant, aber die Folge müsste doch eigentlich zumindest der Versuch sein, einen Weg zu finden etwas auszudrücken - was natürlich etwas, ein Thema, voraussetzt über die Wortlosigkeit hinaus.
Und so finde ich sehr (Gedanken) anregend, was du hier über Konsequenz sagst:
Klemens_fitte hat Folgendes geschrieben:
Ich halte es für unethisch – im Sinne von: dem Ethos der Literatur widersprechend – Themen nur als Reizpunkte zu sehen, die man setzt, ohne sich selbst in die Gefahr des Aussprechens zu begeben, dorthin, wo man eine Aussage treffen oder einen Gedanken zu Ende formulieren muss, sprich: sich angreifbar macht. Ob dieses Zu-Ende-Formulieren in Form einer gedanklichen Auseinandersetzung passiert, in Form von Abstraktion oder in Form einer Erzählung, ist dabei relativ egal, aber es muss zu Ende geführt sein, und zwar konsequent, und dann kann ich nicht sagen, das Wesentliche stehe doch zwischen den Zeilen, solange diese Aussage es mir lediglich erspart, etwas Wesentliches formulieren zu müssen.

Und ich habe es auch nicht so gelesen, als ginge es dir um eine allgemeingültige Aussage, die zu treffen sei, überhaupt nicht. Aber um eine Auseinandersetzung (des Lesers) zu fordern, reicht es nicht, jede Möglichkeit offen zu lassen mit dem Ziel keine (vermeintlich) verbindliche Aussage zu treffen, sondern könnte es geradezu eine Voraussetzung sein, eine persönliche „Wahrheit“, also das Ergebnis einer eigenen gedanklichen Auseinandersetzung, als Basis zu bieten. Es wäre ja auch irgendwo sehr überheblich, zu glauben, ein eigener „zu Ende gedachter“ Gedanke biete für andere Menschen keine Möglichkeit mehr zur Auseinandersetzung und Weiterentwicklung.

Aber was das jetzt für das Verfassen fiktiver Prosa bedeuten könnte. (Weiß ich nicht, ich überlege, und ich spreche auch wenn überhaupt nur für mich persönlich -) Wenn ich eine Geschichte erzähle, bedeutet das für mich, dass ich mich mit einem Thema, das mich gerade oder generell gedanklich beschäftigt, durch das Schreiben auseinandersetze, oft durch eine Figur, die das Thema oder meine Unsicherheit damit in gewisser Weise verkörpert. Normalerweise weiß ich nicht vorher, was meine Wahrheit dazu ist, meist ist mir sogar die Frage ziemlich diffus. Wenn ich „fertig“ bin, dann kenne ich vielleicht zumindest die Frage, und im besten Fall habe ich mich einer (persönlichen) Antwort angenähert. Dann heißt überarbeiten vielleicht, den Gedankengang, der mich dorthin geführt hat, herauszuarbeiten. Und dann weiß ich überhaupt nicht, erst durch Rückmeldungen von Lesern, ob diese Gedanken für andere nachvollziehbar sind, oder gar bei ihnen zu einer eigenen Auseinandersetzung führt. Aber ja, so verstehe ich dich, Jan, und dem stimme ich (ohne es so schön ausdrücken zu können wie du) zu, ich sollte meine eigenen Rückschlüsse nicht zurückhalten oder verbergen und keine Angst haben, zu einer eigenen Antwort, und sei sie auch vorläufig, zu gelangen. Was für mich auch bedeutet: meinen Gedanken etwas zutrauen, ich denke das blockiert mich momentan am meisten beim Schreiben. (Ich glaube, ich denke nichts mehr zu Ende, seit mir als kleines Kind die bloße Idee, man könne über das Universum zu Ende nachdenken, Angst machte. Rolling Eyes)

Und jetzt doch noch mal auf die Wettbewerbe hier bezogen, die Vielfalt der Rückmeldungen zu einem Text macht sie so wertvoll, gerade dadurch, dass sie zuerst anonym sind (sich also nicht gegenseitig beeinflussen) und später eine Grundlage zu offener Diskussion bieten. Könnte es immer so sein, dass man fremde Gedanken mit in einen Text hineinnehmen und ihn dadurch weiterentwickeln kann.

Um zumindest noch irgendwas dazu gesagt zu haben über ein „interessant“ hinaus. (Habe ich überhaupt etwas gesagt?) Wenn ich aber doch noch mehr als mein eigenes Echo zu dem Thema höre (lese), freue ich mich eh.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag18.06.2018 14:23

von Jenni
Antworten mit Zitat

Wo bleibt eigentlich meine silberne Bulldogge?

Und nach dem Amazon-Gutschein kann ja mal eine/r der dsfo-Autor/inn/en fragen, deren Bücher ich davon kaufen werde, Pütchen oder Nemo z.B. wink
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Literättin
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 58
Beiträge: 1836
Wohnort: im Diesseits
Das silberne Stundenglas Der goldene Roboter
Lezepo 2015 Lezepo 2016


Beitrag19.06.2018 09:11

von Literättin
Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Wo bleibt eigentlich meine silberne Bulldogge?

Und nach dem Amazon-Gutschein kann ja mal eine/r der dsfo-Autor/inn/en fragen, deren Bücher ich davon kaufen werde, Pütchen oder Nemo z.B. wink


Es gibt Bulldoggen? Fein! smile


_________________
when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -

Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -

Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 23 von 24 Gehe zu Seite   Zurück  1, 2, 3 ... , 22, 23, 24  Weiter

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Postkartenprosa 05/2018
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Dieses Thema ist gesperrt, Du kannst keine Beiträge editieren oder beantworten. Lesezeichenpoesie 05/2018
Wichtig: Zwischenruf
von sleepless_lives
sleepless_lives Lesezeichenpoesie 05/2018 0 25.04.2018 23:32 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuch

von Fao

von MrPink

von Tiefgang

von Mr. Curiosity

von Münsch

von Jocelyn

von hobbes

von Schmierfink

von JGuy

von ELsa

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!