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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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01.05.2017 00:22 am Wasser von Tula
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am Wasser
Mein Stein versinkt, an diesem Ort
gebiert ein Nabel neue Kraft;
in Ringen fliehend, wie ein Wort,
das in der Tiefe Licht verschafft
und stürmisch in die Ferne strebt.
Beharrlich erst, doch bald verwebt
sich steter Drang mit Ungeduld,
entwirft jetzt neuen Plan, belebt
fraktalen Bühnentanz, Tumult,
der sich kaleidoskopisch dreht.
Der Himmel, der darüber steht,
erzittert mit Ergebenheit
in diesem Spiel, das nie vergeht ...
wie jenes Wort, das nun, schon weit,
sich auflöst in Unsterblichkeit.
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Perry Exposéadler
P Alter: 71 Beiträge: 2509
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P 01.05.2017 14:00 Hallo Tula, von Perry
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ich bin deinem Sinnen beim Anblick des Wassers nach einem Steinwurf gern gefolgt.
Einiges konnte ich nachvollziehen wie die "fliehenden Ringe" etc.
was allerdings das "Licht, den Tanz und die Lebensphilosope anbelangt, da wär mir ein (sur)reales Licht wie Mond, Laterne etc. nähergewesen als "ein Wort."
LG
Perry
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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01.05.2017 15:32
von Tula
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Hallo Perry
Danke für deinen Kommentar. - Nun, es geht hier nur vordergründig um Naturbetrachtung und die Physik der Wasseroberfläche. Der Lyri sinniert darüber hinaus und über die Kraft und den Weg des Wortes, welches hier wie auch anderswo stellvertretend für neue Gedanken und Ideen jeder Art zu verstehen ist. Das Gleichnis besteht gerade in der stetigen Interferenz (mit anderen Gedanken) und Um' und Neuformung. Kein Verebben und Verlust dieser Kraft, sondern ein Eingehen und Auflösen im unsterblichen Ganzen.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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poetnick Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 835 Wohnort: nach wie vor
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01.05.2017 22:35
von poetnick
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Hallo Tula,
hier wird zum grossen Wurf verdichtet: 'wie ein Wort, das in der Tiefe Licht verschafft...der Himmel der darüber steht, erzittet mit Ergebenheit...
bis hin zum Auflösen in Unsterblichkeit (in diesem Spiel, das nie vergeht...)
Zitat: | wie jenes Wort, das nun, schon weit,
sich auflöst in Unsterblichkeit. |
eine faszinierende Betrachtung, der sich ewig bewegende und vollziehende, Tanz in Berührung und Abstoßung, Beeinflussung und Durchdringung: das Werden.
Gefasst und befördert in diesem Gedicht, nicht sofort erfasst von mir und so lese ich es gerne wieder.
Eine Anmerkung: Zitat: | erzittert mit Ergebenheit | - vielleicht besser in Ergebenheit?
Lieben Gruß, beim Werden - Poetnick
_________________ Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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02.05.2017 01:54
von Tula
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Hallo Poetnick
vielen Dank für deinen freundlichen Kommentar. Freut mich sehr.
Deine Frage und Vorschlag zur letzten Strophe entsprechen meiner ersten Fassung (vor dem Posten). Das Problem ist die Wiederholung von 'in', also 'in Ergebenheit in diesem Spiel', das gefiel mir irgendwie nicht. Es muss aber 'in diesem Spiel' heißen, um der Idee der Reflexion auf dem Wasser gerecht zu werden. Also nicht 'vor dem Spiel'.
Hier eine neue Version. Die erste Strophe enthielt in der Tat zwei Patzer:
- der Nabel - Dinge laufen "zu" einem Nabel und nicht aus ihm heraus; also jetzt Quelle
- 'fliehen' und 'streben' sind widersprüchlich und neue Gedanken, Ideen usw. sollten sowieso nicht fliehen; in der neuen Version also 'ziehen' und auch 'mutig' statt 'stürmisch; das entspricht wohl ebenfalls etwas besser dem Aufbruch neuer Ideen
LG
Tula
am Wasser
Mein Stein versinkt, an diesem Ort
entspringt als Quelle neue Kraft;
in Ringen ziehend, wie ein Wort,
das in der Tiefe Licht verschafft
und mutig in die Ferne strebt.
Beharrlich erst, doch bald verwebt
sich steter Drang mit Ungeduld,
entwirft jetzt neuen Plan, belebt
fraktalen Bühnentanz, Tumult,
der sich kaleidoskopisch dreht.
Der Himmel, der darüber steht,
erzittert mit Ergebenheit
in diesem Spiel, das nie vergeht ...
wie jenes Wort, das nun, schon weit,
sich auflöst in Unsterblichkeit.
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James Blond Eselsohr
Alter: 71 Beiträge: 448 Wohnort: HAMBURG
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02.05.2017 13:52 Mataphorik von James Blond
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Lieber Tula,
wenn ich hier nun schon wieder auf ein Gedicht von dir antworte, könnte leicht der Eindruck entstehen, ich würde mich auf dich "einschießen", dabei ist der Grund vor allem darin zu suchen, dass ich hier nicht so vieles finde, das zu kommentieren ich in der Lage bin ...
... und wenn ich mich zu diesem bereits gut betexteten Poem auch noch äußere, dann aus dem Eindruck heraus, dass trotz aller tiefsinnigen Ergründungen Wesentliches noch nicht gesagt wurde.
Es gibt wenige goldene Regeln in der Lyrik, denn vieles lässt sich auf ganz verschiedene Weise lösen, eine gilt jedoch für den Gebrauch von Metaphern:
Vermeide das Wörtchen "wie"!
Dieser Vergleichsoperator ist ein Metaphernkiller, denn nun steht dort statt eines implizit und intuitiv zu übertragenden Bildes ein Vergleich und der fleißige Leser wird sich flugs mit der Prüfung beschäftigen, ob so ein Vergleich in allen Details statthaft und plausibel ist.
Du hast gleich zweimal die Formulierung "wie ein Wort" benutzt, um damit jede Möglichkeit einer Metaphorik von vornherein auszuschließen und sich dieses Ausschlusses am Ende noch einmal zu versichern.
Zum anderen sollte sich der Dichter zuvor darüber klar werden, von wo er ein Bild worauf überträgt. Gewöhnlich benutzt man solche Sinnbilder zur Veranschaulichung abstrakter Zusammenhänge, d.h. etwas wird aus der sinnlich konkreten Welt (der Anschauung) in die abstrakten Sphären der Ideenwelt übertragen, um hier einen Erkenntnisprozess zu initiieren oder zu verdeutlichen.
Du machst es hier genau umgekehrt: Das "Bild" vom sich ausbreitenden Wort wird zur Metapher für einen Stein, der ins Wasser fällt. Erwartet hätte ich eher das Gegenteil und vermutlich meintest du es auch, denn aus dem folgenden wird deutlich, dass es dir eher um die geäußerten Worte des Dichters geht, als um Steine unter Wasser. Warum schreibst du es dann nicht auch so?
Daneben entdecke ich unschöne Tautologien, wenn etwas "als Quelle" entspringt (wie sonst?), falsche Adjektive wie "mutig" in die Ferne strebende Worte, seltsame fraktale Tumulte auf der Bühne, von denen ich nicht weiß, wo die auf einmal herkommen und einen in "Ergebenheit" ""erzitternden" Himmel. Ach du liebes Herrgottchen noch einmal! Vor wem sollte der Himmel erzittern? Vor des Dichters Wort? Ein Haiku-Dichter schrieb einmal davon, dass selbst noch die kleinste Motte auf dem Teich den Mond zittern lässt, aber das ist ein Bild voller Ironie und Witz.
Hier gerät mir alles eine Nummer zu überheblich, zu gewollt wuchtig und bedeutungsüberladen: Unsterblichkeit! Metaphern sind gewiss das Brot der Lyrik, wenn man sie nur richtig bäckt.
Grüße
JB
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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03.05.2017 00:53 jetzt Finger wund und im Wasser kühlend ... von Tula
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Lieber James
keine Sorge, deine Kritik ist bei mir in guten Händen, es wäre doch auch merkwürdig, wenn in einer Werkstatt keine Späne fielen und man sich einer künstlerischen nicht (konstruktiv) streiten würde. Mit dieser Absicht habe ich mich hier eingefunden und auch dieses Gedicht eingestellt.
Zur textlichen Kleinarbeit: zunächst nochmal die Absicht:
1. vordergründig, eine Naturbetrachtung:
Der Stein plumpst ins Wasser, die sich ausbreitenden Wellen treten mit anderen Bewegungen und Formen auf der Oberfläche in eine komplexe Beziehung und lösen sich schließlich auf.
2. hintergründig, der philosophische Aspekt:
Der Weg der Erkenntnis, Gedankengut, neue Ideen usw. welche im 'Wort' ihre Verallgemeinerung finden, der ewige Austausch, Neu- und Umformung, welche dem Erkenntnisprozess selbst eigen sind.
Struktur des Gedichts:
1. Strophe: Aufbau des Bildes und Verknüpfung der zwei Perspektiven
2. Strophe: Beschreibung des Bildes, welches beide Perspektiven (Natur, Weg des Wortes) beinhaltet
3. Strophe: Auflösung, d.h. der Grundgedanke, dass das beschriebene 'Wort' im 'unsterblichen Ganzen' aufgeht, Teil von ihm wird; auch als ewiger Kreislauf
Analyse als Antwort auf deine Textarbeit:
1. Strophe:
Das Wörtchen “wie”: ich will jetzt nicht vorgeben, diesen Hinweis noch nie gelesen zu haben. Ich frage mich, ob es hier wirklich so stört; die grundsätzliche Frage ist aber, ob der Leser beide Perspektiven der Betrachtung erfasst, oder noch besser: ob er sie 'freiwillig nachvollzieht'. Darin besteht wahrscheinlich die größte Herausforderung des Gedichts überhaupt: der Aufbau mag plump wirken, zu direkt, aber auch inhaltlich unverständlich.
Natürlich habe ich versucht, eine neue Variante zu erstellen; schlechter als die erste sollte sie nicht sein.
'mutig': da widerspreche ich dir, d.h. die Ideen, Gedanken usw. werden in ja Wirklichkeit über den Menschen selbst vermittelt, dabei bedarf es oft Courage (mit alten Ideen zu brechen). 'Mutig' beinhaltet hier auch das 'sich auf die Reise machen', Unbekanntes zu suchen usw.
2. Strophe:
Hier überlegte ich, ob wir beide dasselbe Bild vor Augen haben. - Auf einer stillen Wasserfläche breiten sich die Wellenringe gleichförmig und unter Umständen über eine für den Betrachter beträchtliche Entfernung aus. Das ist aber relativ selten der Fall und wird hier nicht beschrieben. Denn die Oberfläche befindet sich in ständiger Bewegung, auch ein leichter Wind und sanfte Strömungen erzeugen Wellenformen, in Miniatur oder eben etwas größer.
Andererseits wird schon beim Titel klar, dass der Lyri hier nicht an einem reißenden Strom steht und Steine in denselben wirft.
Unter solchen 'normalen' Bedingungen kommen die Wellenringe nach dem Steinwurf nicht sehr weit, es treten schnell Interferenzen auf, die Welle wird von den anderen Bewegungen schrittweise gebrochen, ihre ursprüngliche Form wird dabei verändert, immer komplexer, bis sie schließlich im Geschaukel der Oberfläche aufgeht. Dieses Schauspiel kann für den geduldigen Betrachter sogar sehr interessant sein, sich die Formen zu erschließen, Steine jeder Größe ins Wasser zu werfen, um sich über die Physik der Wellen seine Gedanken zu machen. Das hat fast etwas Kindliches an sich.
Zu den Bildern im Detail, die erste Behauptung: “Die Geometrie der Natur ist fraktal.”
Vor 20 Jahren hätte das jemand vielleicht als mathematisch abstrakt und wenig poetisch empfunden. Doch heute ist die bildliche Schönheit der Fraktale weithin bekannt, sie sind wahrhaftig inspirierend, auch in künstlerischer Hinsicht.
Was bedeutet fraktal?: unendliche Vielfalt, eine immer wiederkehrende Symmetrie in der scheinbaren Unordnung der Dinge. - Und das trifft bei mir aufs Wasser genau zu!
Wer es nicht glaubt, versuche sich zu erinnern, als er/sie mal aus einer gewissen Höhe, z.B. aus einem Flugzeug beim Start oder Anflug, von einer (wirklich hohen) Brücke usw. aufs Wasser geschaut hat. Wer aufmerksam dabei war, bemerkte, dass die Formen an der Oberfläche denen verdammt gleichen, die wir aus Höhe der Augen beim Blick auf einen See wahrnehmen. Nähmen wir die Bezugspunkte weg (Horizont, Objekte auf dem Wasser usw.) dürfte es dem ungeübten Betrachter (beim Anblick einzig des Bildes der Wasseroberfläche) schwer fallen, die Höhe zu bestimmen (besser: zu erraten). Das liegt an der fraktalen Natur des Phänomens. Nicht umsonst haben die Fraktale in der Computerspielindustrie vor vielen Jahren Einzug gehalten, weil man mit ihnen jede erdenkliche Textur (Berge, Himmel, Wiesen und andere Vegetation, Mauern …) nachbilden kann.
Der fraktale Bühnentanz bezieht sich hier also auf 'fraktal' wie oben beschrieben (unendliche Vielfalt der Formen, immer wiederkehrende Symmetrien im 'Chaos' der Wellenbewegung, auf den Tanz und das Spiel der Wellen, d.h. auf das 'Naturschauspiel', also 'Schauspiel' auf der 'Bühne' der Natur.
Der kaleidoskopische Tumult umschreibt eine ähnliche Erscheinung, hier spielt vor allem das Licht der Sonne hinein, also die Spiele der Reflexion auf der Oberfläche, die immer wieder neue Bilder erzeugt. Jedenfalls hat es mich an das Spielzeug in meiner Kindheit erinnert, mit dem sich mit einem Dreh die allerschönsten Bilder '(er)finden' ließen, schade nur, dass nie eins wiederkam …
Noch zur zweiten Strophe: dass sich Drang und Ungeduld mischen, entspricht ebenfalls nicht nur der Wechselwirkung zwischen der zuerst gleichförmigen Welle und den scheinbar unregelmäßigen Formen des Wassers, die ihr (der Welle) gewissermaßen entgegentreten, sondern steht genauso für den geistigen Austausch, d.h. das Wort, Ideen usw. werden von anderen aufgenommen, aber auch sofort verarbeitet, allerdings nicht nach irgendeinem Plan, manchmal 'überschlägt' sich dieser Prozess, menschlicher Eifer spielt eine Rolle (der erste zu sein, Schlagabtausch usw.); also ebenfalls eine Form der 'Ungeduld'.
3. Strophe:
Das 'Erzittern des Himmels' entspricht dem gespiegelten Bild auf der (nicht vollkommen ruhenden) Oberfläche. Die Metapher liegt gerade nicht in diesem Bild an sich, sondern in den weiterführenden Gedanken des Lesers; wie bereits angedeutet, kann der Himmel auf verschiedene Weise interpretiert werden. Wichtig ist mir hier nur, dass der Himmel als Zuschauer verbleibt, sein Zittern deutet auf ein 'ängstliches, ehrfürchtiges Verhältnis' zum Wasser hin.
Unsterblichkeit: ich verstehe, was du meinst: zu wuchtig, unangemessen, man sollte bescheiden bleiben, denn man ist ja schließlich kein 'Großer Denker', sondern nur ein kleiner Hobbydichter ... Andererseits möchte ich in diesem philosophischen Gedicht das kühne Wort am Ende nicht 'verblubbern' lassen. 'Ewigkeit' schien mir zu theatralisch; dass Ideen und Erkenntnis an sich 'unsterblich' sind, liegt mir da näher (wo wären wir als Zivilisation, wenn das nicht stimmen würde und wir das Rad immer wieder neu erfinden müssten ...). Und wohlgemerkt ist nicht 'das Wort' unsterblich, sondern das 'Wasser der Erkenntnis' als ein Ganzes.
Übrigens: ich folgte dem Rat, mich mal an einem Haiku zu versuchen. Nach wenigen mehr oder weniger tot langweiligen Beispielen, trat ich gedanklich ans Wasser. Nach ein paar 'fliehenden Ringen' dachte ich mir, dass da mehr draus zu machen wäre ...
LG
Tula
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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03.05.2017 00:55
von Tula
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neue Version
am Wasser
Der Stein versinkt, an diesem Ort
quillt Ringe treibend ein Kraft;
Erleuchtung ... Sinn … auch nur ein Wort,
das aus der Tiefe Licht verschafft
und mutig in die Ferne strebt.
Beharrlich erst, doch bald verwebt
sich steter Drang mit Ungeduld,
entwirft jetzt neuen Plan, belebt
fraktalen Bühnentanz, Tumult,
der sich kaleidoskopisch dreht.
Der Himmel, der darüber steht,
erzittert mit Ergebenheit
in diesem Spiel, das nie vergeht ...
dem Worte gleich, das nun, schon weit,
sich auflöst in Unsterblichkeit.
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James Blond Eselsohr
Alter: 71 Beiträge: 448 Wohnort: HAMBURG
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03.05.2017 08:36 Im Wasser von James Blond
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Ich denke, dass die Metapher vom Steinwurf ins Wasser so geläufig ist, dass sie keiner weiteren Erörterung bedarf. Es beruhigt mich, wenn du selbst die Gefahr erkennst, hier etwas zu "plump(s)" daher zu kommen.
Zitat: | 'mutig': da widerspreche ich dir, d.h. die Ideen, Gedanken usw. werden in ja Wirklichkeit über den Menschen selbst vermittelt, dabei bedarf es oft Courage (mit alten Ideen zu brechen). 'Mutig' beinhaltet hier auch das 'sich auf die Reise machen', Unbekanntes zu suchen usw. |
Das mag ja durchaus (gemeint) sein, aber wenn ein Wort "mutig in die Ferne strebt", dann wird es selbst zum Hänschen klein, mit Stock und Hut. Ein "mutiges Wort" hingegen ist nicht selbst aktiv, es wird (passiv!) aus einem Mut heraus geäußert, ebenso wie der Stein, der nicht selbst ins Wasser springt, sondern hinein geworfen wird. An dieser Vertauschung ins Aktive schwächelt übrigens der ganze Vergleich, du sprichst von "verweben", "entwerfen", "beleben", "drehen", wo etwas verwoben, entworfen, belebt, gedreht wird.
Deine Betrachtungen über die Natur der Fraktale und das Fraktale der Natur sind sehr schön und ansprechend, auch gegen einen ängstlich zuschauenden Himmel habe ich nichts einzuwenden. Aber es bleibt mir der Eindruck, das trotz aller Ausführungen die drei Strophen keinen rechten Zusammenhang herzustellen vermögen. Der rote Faden des anfänglichen Wortbildes konzentrischer Kreise löst sich schnell auf in ein Wortgewaber, in dem alles mit allem irgendwie in Beziehung gebracht wird, ohne dass erkennbar wird, wo es hingeht. Unsterblichkeit? Solch ein Erleuchtungsrausch(en) vermag zwar Motten ans Licht locken, aber die sind ja auch von vornherein darauf programmiert, sich in Ekstase zu rotieren.
Zum "Wasser der Erkenntnis" fällt mir die Erleuchtungsszene in Hesses Siddhartha ein: Der zukünftige Buddha erblickt als Fährmann im strudelnden Wasser die Metapher allen Lebens, das Werden und Vergehen. Das Wasser als Spiegel der Seele. Sind wir denn immer noch die selben alten Hippies?
Mein Tipp: Je höher sich des Dichters Gedanken emporwölben, desto eher empfiehlt sich eine nüchterne, zurückhaltende, betrachtende Sprache. Alles andere birgt leicht die Gefahr des Absturzes:
Zitat: |
Der Himmel, der darüber steht,
erzittert mit Ergebenheit |
Grüße
JB
P.S. Wirf noch mal einen Blick auf V2, da stimmt etwas nicht
P.P.S. Tipp 2: Zuweilen empfiehlt es sich, einen Text für längere Zeit "abhängen" zu lassen, bevor man wieder einen frischen Blick drauf werfen kann.
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Ich bräuchte bessere Feinde! |
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Soleatus Reißwolf
Beiträge: 1002
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03.05.2017 09:36
von Soleatus
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Hallo Tula!
Ich habe mir deine drei Fassungen der ersten Strophe angeschaut und denke, du bleibst besser bei der ersten - die anderen sind keine Verbesserung.
Mir scheint, der Grund für all die Schwierigkeiten ist die Strophe selbst, ihr Raum, der auch da gefüllt werden muss, wo die Aussage sich einer Füllung eher widersetzt, als dass sie sie verlangte.
Du brauchst zum Beispiel den "Ort" nicht erwähnen - den hast du dem Leser mit "Mein Stein versinkt" gezeigt. Und wenn weder "Nabel" noch "Quelle" noch anderes passen, dann ist das, denke ich, ein guter Hinweis darauf, dass da einfach nichts fehlt; dass zwar der Vers eine Leerstelle und einen Füllungshunger hat, aber nicht die Aussage.
Noch zur "Unsterblichkeit": Die kann man verwenden, wie die "Ewigkeit" auch; aber diese "großen Wörter" benötigen eben auch einen großen Aufwand, ein Gerüst, von dem ihr gewaltiges Gewicht gehalten wird - und das bedeutet im Allgemeinen so viel Aufwand, dass es sich nicht lohnt und ein Gedicht ohne "Unsterblichkeit" besser dran ist. Deines wäre das ganz sicher, weil du dir die Errichtung dieses Gerüstes ganz ersparen möchtest, was nicht gut geht; das Gedicht verliert den Leser am Ende, weil es dieses große, aber leere Wort einfach nur behauptet. (Nebenbei: die Reime auf "-keit" und "-heit" sind, denke ich, Notfallreime und keine wirkliche Zierde.)
Und, das kann ich mir als Bewegunsversler nicht verkneifen: "Steter Drang und Ungeduld", "Tumult": Wäre das nicht eine gute Gelegenheit, einmal gegen das Metrum zu schreiben? Der Inhalt behauptet einen Tumult, aber die Silben gehen höchst untumultig den immer gleichen Iambengang ... Auch ein leicht gelockerter Satzbau wäre eine Möglichkeit?!
Gruß,
Soleatus
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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04.05.2017 00:14
von Tula
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Hallo James
Jetzt komme ich doch arg ins Grübeln, d.h. wenn ich die Bilder nun in eine passive Form bringe, wird sich da nicht alles nach “Gottes Hand” (oder den Zauberer von Oz) lesen? - Kein leichtes Unterfangen, solch ein Reimgedicht auf diese Weise umzustellen (rein grammatikalisch rutscht das Partizip ans Zeilenende; davor graut mir irgendwie).
Ich werde es mal versuchen … befürchte aber, dass da nichts Gutes bei herauskommt.
Zitat: | Der rote Faden des anfänglichen Wortbildes konzentrischer Kreise löst sich schnell auf … |
Ich werde es nochmal durchgehen, dabei deine und andere Vorschläge im Kopf behalten und auch an den roten Faden denken. Ich vermute, der Übergang von Strophe 1 zu Strophe 2 ist noch ein zu großer bildlicher Sprung (?)
Zitat: | Je höher sich des Dichters Gedanken emporwölben, desto eher empfiehlt sich eine nüchterne, zurückhaltende, betrachtende Sprache |
ok, siehe untenstehende Antwort zu Soleatus, keine Behauptungen aufstellen, sondern beim Bild und seiner Betrachtung bleiben, ohne überschwänglich zu werden … aber auch mit einiger Sorge, dass das gedankliche Wasser dann verflacht.
Zitat: | Zuweilen empfiehlt es sich, einen Text für längere Zeit "abhängen" zu lassen, bevor man wieder einen frischen Blick drauf werfen kann |
Sicher. Man will natürlich die Leser im Forum auch nicht warten lassen (sonst wird der Leser zum Schinken, nicht das Gedicht . Nichtsdestotrotz gebe ich mir für die nächste Version ein paar Tage, es liegen ja noch andere Steine zum Schleifen herum.
LG
Tula
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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04.05.2017 00:20
von Tula
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Hallo Soleatus,
Danke für Kommentar und die wertvollen Hinweise. Auf Unsterblichkeiten muss ich wohl nicht weiter eingehen, ich sehe, dass das den Lesern 'eine Nummer zu groß und fett' ist. Speziell zum Gerüst: ein guter Hinweis, d.h. ich verstehe, dass man 'starke Behauptungen' auch inhaltlich vorbereiten sollte. Hier erscheint also die letzte Zeile weniger als Auflösung oder inhaltlich nachvollziehbare Schlussfolgerung, sondern eben als finale These der Allweisheit, die als solche den Leser überraschen mag.
Zur ersten Strophe: Redundanz sollte an sich kein Problem darstellen, solange diese sprachlich einen positiven Beitrag leistet (interessante Formulierungen, schöne Sprache usw.). “an diesem Ort” ist inhaltlich redundant wie richtig bemerkt wurde, die Quelle davor war es nach meiner Ansicht allerdings noch mehr (d.h. zusätzlich zur bereits bestehenden Redundanz des Ortes), der Nabel wiederum war kein guter Vergleich (weil aus diesem nichts emporsteigt).
Ich werde mal versuchen, auf den Reim-Konstrukt Ort-Wort zu verzichten, um ein 'volleres' Bild zu erhalten und nicht das Reimwort selbst als Lückenfüller erscheint.
Ein sehr guter Vorschlag ist, sich auch mal gegen das Metrum zu stellen, wenn es der Inhalt rechtfertigt (Strophe 2). Zwar kommen mir auch hier Befürchtungen, dabei etwas zu verderben, aber ein Versuch ist es auf alle Fälle wert.
Wie James bereits vorgeschlagen hat, ich werde mir mit der neuen Version etwas Zeit lassen, das muss jetzt alles erstmal in mein dichterisches Beet sickern.
LG
Tula
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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14.05.2017 17:07
von Tula
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Hallo James und Soleatus
hier eine neue Durchsicht und Versuch, eure Vorschläge so gut wie mir es möglich war zu verarbeiten.
LG
Tula
am Wasser
Der Stein versank. Doch seine Kraft
steigt Ringe werfend auf und bricht
die Stille, die der See verschafft,
dem Worte gleich, das - kaum am Licht
- geschwind zu fernen Ufern strebt.
Beharrlich drängt sie, dann verwebt
sich Harmonie mit Ungeduld;
entwirft jetzt neuen Plan, belebt
auf einer Bühne ... wilden Tanz!... Tumult,
der sich kaleidoskopisch dreht ...
Den Himmel, der darüber steht,
des Spiegels Spiel zum Zittern bringt.
In diesem Streit, der nie vergeht,
verliert die Welle … sie verklingt
wie alles, das die Zeit verschlingt ...
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(Dichter und Leser) |
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