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Was ist Kunst?

 
 
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d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
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D
Beitrag24.01.2017 18:06

von d.frank
Antworten mit Zitat

Hallo menetekel,

Zitat:
der Videoclip hat mir bereits den Morgen verschönt. love

 smile, schön, dass du diesem "Gesamtkunstwerk" etwas abgewinnen konntest

Zitat:
Deine Empfindungen kann ich gut nachvollziehen. Die persönlichen - dieses Gefühl, ein knallgelber Forensittich zu sein, der zwar sprechen aber nicht wahrgenommen werden kann,


Ist das wirklich so? Wenn ja, nehme ich das nicht allzu persönlich.
1. bin ich mir meines fehlenden Hintergrundwissens bewusst, bereit zu lernen und mit einer gehörigen Portion Selbstironie ausgestattet
2. geht es mir auch im zivilen Leben oft so, dass ich vorschnell in eine Schublade verfrachtet oder nicht ernst genommen werde

Zitat:
ebenso wie die Gedanken, die du dir zur Kunst machst.
In Berlin gibt es eine ganze "Bewegung", die sich für deren Verständlichkeit einsetzt.  Jene fügt sich durchaus nicht aus geistigen Schwachmaten zusammen, sondern aus Kunstschaffenden, die ähnliche Meinungen formulieren wie du es hier getan hast und wie sie  immer wieder einmal von der radikalen Linken geäußert werden.


Leider habe ich bisher noch nicht zu ihr gefunden, liegt wahrscheinlich an meinem spießigen Leben, einer unbewussten Angst, als Person nicht genügen zu können und daran, dass ich beinahe alle Freizeit in meine Projekte investiere. Oder eben hier "verschwende" wink

Zitat:
Natürlich ein Balanceakt: Niemand wünscht sich wohl Neorealistisches zurück, aber doch etwas weniger Hochmut:


Das ganze Leben ist doch ein Balanceakt. Es geht immer darum, eine Mitte zu finden, dazu muss es sich natürlich auch an den Seiten ausscheren lassen. Deshalb würde ich niemandem niemals nie gedanklich verbieten, seine Form der Kunst zu machen. Und das habe ich doch hoffentlich auch nicht getan?
Nur gefallen darf mir dann doch, was ich für mich persönlich als erstrebenswert erachte.

Zitat:
Anderentags –
Ein Wort, das ich mag


fast ein philosophisches Wort, vom andererseits abgeleitet







Hallo gold,

Zitat:
Also ich musste sowohl Blumfeld als auch John Green googeln, was aber eher an meiner hinterwälderischen Lebensart liegt.


Das Internet sollte wirklich für alle kostenlos zur Verfügung stehen.wink
Es ist eine riesige Bücherei, man muss sich nur zu bedienen wissen

Zitat:
Zu Blumfeld kann ich nichts sagen, weil Musik bei mir direkt über den emotionalen Kortex wirkt.


Du meinst rein über die Komposition?

Zitat:
Zu John Green: Kenne keines seiner Bücher (obwohl :das Schicksal ist ein mieser Veräter gerade verfilmt wurde) Aber wenn er soviele Preise gekriegt hat muss er wohl Künstler sein.


Du solltest das Buch lesen, der Film kann für sich nicht erzeugen, was John Green mit Worten vermag. Ich habe das Buch als klug und unprätentiös empfunden. Man mag ihm die konstruierte Handlung vorwerfen und sicher auch Pathos, aber ich empfand das Lesen ähnlich wie beim Distelfinken, und ich würde ihm die Bezeichnung "Kunstwerk" nicht aberkennen, nur weil es viele Menschen erreicht.

Zitat:
Früher war das einfacher, hab ich heut morgen gedacht, als ich mich hier durchgearbeitet habe. Zumindest bei den Malern war es meist so, dass sie erst als Künstler anerkannt wurden, wenn sie tot waren und dann hat halt jemand anders die dicke Kohle mit ihren Werken gemacht.


Vielleicht liegt das ja daran, dass immer fasziniert, was unwiederbringlich verloren ist? wink lol2

Zitat:
So ganz unverschämt finde ich es nun auch nicht, dass der "Künstler" gerne auch was von der Penunze abhaben will zu Lebzeiten.
Aber manchmal scheint mir das Ganze momentan gerade in die gegenseitige Richtung auszuschlagen. Wobei wir wieder beim Einpacken von Gebäuden und so wären.


Zu diesem Thema halte ich lieber die Klappe, ich bin in meinen Ausführungen und Ansichten schon genügend fehlgetreten...
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Lapidar
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Beitrag24.01.2017 19:54

von Lapidar
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d.frank hat Folgendes geschrieben:


Hallo gold, Lapidar wink


Zu diesem Thema halte ich lieber die Klappe, ich bin in meinen Ausführungen und Ansichten schon genügend fehlgetreten...


nun, das mit den Fettnäpfchen kann ich echt gut, aber was mich echt freut: dass du nach den anfänglichen sagen wir mal Verständigungsschwierigkeiten doch deinen Platz hier gefunden hast lol2


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d.frank
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Alter: 44
Beiträge: 1129
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D
Beitrag24.01.2017 20:28

von d.frank
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hallo lapidar..... Shocked

Zitat:
nun, das mit den Fettnäpfchen kann ich echt gut,

na, ich aber auch...entschuldige bitte!
lapidar und gold passt doch aber auch sehr gut zusammen... Question Exclamation Blink Embarassed
Keine Ahnung, warum mein Unterbewusstsein euch zusammen geschmissen hat, ich verliere wohl einfach den Überblick?

PS: Ich glaube zu wissen, warum ich euch verwechselt habe, weil ihr beide einen sehr zugewandten und freundlichen Eindruck macht smile
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Heidi
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Der goldene Durchblick


Beitrag25.01.2017 00:00

von Heidi
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Zitat:

Ja, ist mir klar. du Genie! Selbstverständlich hast du nicht verstanden wovon die Rede ist. Jetzt nicht und vorher auch nicht. Keine Entschuldigung also, obwohl sie jetzt wirklich fällig wäre? Armes Mädchen...

Du bist bestimmt aine gutä Autorin! Waist du warumm ich mirr da sicher binn? Duh dennkst wehnigstens nach! Grühse.


blaues Pigment

Schurwolldecke
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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1425
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag25.01.2017 00:34

von Heidi
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Zitat:
Findet Kunst da statt, wo die Worte aufhören ( steht hier auch irgendwo)? Natürlich nicht! Wieso soll sie nur dort stattfinden? Selbstvertsändlich kann man als Künstler mit Worten das eigene Werk oder das anderer erklären. Kunstwissenschaftler auch, die schreiben schließlich darüber.  


Das Erklären eines Kunstwerks (das eigene oder das eines anderen Künstlers) kann nur eine Art „Drumrumreden“ sein. Die Erklärung wird sich auf das beschränken müssen, was abgebildet ist, wie die Technik ausgeführt wurde, das Material, die Beschaffenheit (also das Äußere), aber du sagst ja selbst:

Zitat:
Kunstwerke sind immer Formulierungen, die geistige Dimensionen besitzen.


Wie aber soll ich Geist erklären? Wie soll ich Gefühle erklären (die mitunter auch künstlerisch dargestellt werden)? Das Kunstwerk ist dazu da, um Geist und Gefühl erlebbar zu machen. Von daher ist es sinnlos ein Kunstwerk zu erklären, es widerspricht mMn sogar seinem Wesen.

d.frank hat Folgendes geschrieben:
Dazu, ob Kunst sich verkauft, wenn sie verkäuflich ist und dazu, ob Kunst keine Kunst mehr ist, wenn eine Unterschicht sie verstehen und sich leisten kann?


Warum sollte Kunst keine Kunst mehr sein, wenn sie nicht verstanden wird? Kunst ist, sie denkt sich nichts dabei, wenn ein Mensch vor ihr steht und ein großes Fragezeichen in seinem Kopf entsteht. Ich habe die Erfahrung gemacht (und mache sie immer wieder aufs Neue), dass ich den Inhalt eines Kunstwerks Nachspüren, Nachempfinden muss, um das, was dahinter steht, zu erkennen. Ich betrachte beispielsweise ein Bild, versuche es verstandesmäßig einzuordnen, merke aber, dass ich es so nicht zu fassen bekomme. Verstand kann schädlich sein bei der Kunstbetrachtung. Objektives Denken und innere Aktivität wären naheliegender.

Warum sollte sich eine Unterschicht keine Kunst leisten können? Es gibt im öffentlichen Raum viele Skulpturen vor denen auch Menschen mit wenig Einkommen staunend innehalten können.* Und wer sich die richtigen Fragen stellt, wird mMn als ganzer Mensch (Empfinden inklusive objektivem Denken und allem was sonst noch dazu gehört) auch das Anliegen des Kunstwerks ergründen können.

*Besser wäre es natürlich, wenn Museen, Theateraufführungen usw. für Menschen mit geringem Einkommen frei wären, vielleicht wird das ja irgendwann mal so sein, wäre jedenfalls wünschenswert.
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lupus
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Beitrag25.01.2017 01:36

von lupus
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Sich mit Kunst auseinander zu setzen, ist heute - ganz im Unterschied zu früher - primär keine Frage des Geldes sondern des Wollens. In den meisten Großstädten sind die Eintritte subventioniert, es gibt eine soziale Staffelung. Für Jugendliche ohnehin. Nur als Beispiel: die großen Museen in Wien sind bis 18 Jahre gratis, eine Jahreskarte kostet 34€, für Pensionisten die Hälfte, für Leute mit geringem Einkommen sind sie wiederum gratis. Die Staatsoper bietet Karten um €2,50, wenn man stehen will, für 10€ sitzt man schon. Auf youtube findet man im Prinzip alle großen Opernaufführungen  und -filme der letzen Jahre.

Die Auseinandersetzung mit Kunst bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man das ausschließlich in Museen machen kann. Im Gegenteil: um die Bilder, die in den großen Museen hängen zu verstehen, ist es sogar nötig, sich entweder einen Guide zu nehmen, oder sich im Vorfeld schlau zu machen. Und ich stelle einmal eine Behauptung in den Raum: Niemand ist in der Lage (und das sind jetzt nur Beispiele), Vermeers 'Kunst der Malerei', Klimts Kuss, van der Weydens 'Kreuzigungsaltar' zu verstehen, ohne sich im Vorfeld zu informieren. Unabhängig davon, wie viel Gefühl, Erhabenheit oder sonst was im Bild zu finden ist. Das kann sicher nicht schaden, aber gerade für die alten Meister gilt, dass Gefühle zweitrangig sind. Es gilt eine Botschaft zu transportieren. Das gilt selbst für die oft so schief angeschauten Genremalereien des Biedermeier. Wie will man etwa ein Doppelbild von Krafft verstehen, ohne zu wissen worum es tatsächlich geht. Da hilft nichts, als sich zu informieren. Und das, obwohl alles so konkret ist. Da gibt's nichts Abstraktes. Alles konkret und leicht erkennbar (selbst bei den barocken Ideallandschaften): Burgen, Abhänge, Höhlen, Brücken. Aber alles vermittelt eine Botschaft. Meistens moralischer Natur, das bedeutet, dass Abstraktes konkret dargestellt wird. Wer die Konkreta nicht lesen kann, versteht das Bild nicht. Oder falsch.

Irgendwie würd ich gern noch was zu den Künstlern als arme Schlucker. Jedenfalls jene, die heute in den Museen hängen, waren zum Großteil (=Ausnahmen bestätigen die Regel) keine Armen Schlucker, sondern konnten gar nicht schlecht von ihrer Kunst leben und zwar zu Lebzeiten. Die Adornos'sche Anwandlung, Kunst sei zum Kommerz verkommen kam mithin um einige Jahrhunderte zu spät.


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gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

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Literättin
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Beitrag25.01.2017 07:48

von Literättin
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lupus hat Folgendes geschrieben:
Sich mit Kunst auseinander zu setzen, ist heute - ganz im Unterschied zu früher - primär keine Frage des Geldes sondern des Wollens. In den meisten Großstädten sind die Eintritte subventioniert, es gibt eine soziale Staffelung. Für Jugendliche ohnehin. Nur als Beispiel: die großen Museen in Wien sind bis 18 Jahre gratis, eine Jahreskarte kostet 34€, für Pensionisten die Hälfte, für Leute mit geringem Einkommen sind sie wiederum gratis. Die Staatsoper bietet Karten um €2,50, wenn man stehen will, für 10€ sitzt man schon. Auf youtube findet man im Prinzip alle großen Opernaufführungen  und -filme der letzen Jahre.

Die Auseinandersetzung mit Kunst bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man das ausschließlich in Museen machen kann. Im Gegenteil: um die Bilder, die in den großen Museen hängen zu verstehen, ist es sogar nötig, sich entweder einen Guide zu nehmen, oder sich im Vorfeld schlau zu machen. Und ich stelle einmal eine Behauptung in den Raum: Niemand ist in der Lage (und das sind jetzt nur Beispiele), Vermeers 'Kunst der Malerei', Klimts Kuss, van der Weydens 'Kreuzigungsaltar' zu verstehen, ohne sich im Vorfeld zu informieren. Unabhängig davon, wie viel Gefühl, Erhabenheit oder sonst was im Bild zu finden ist. Das kann sicher nicht schaden, aber gerade für die alten Meister gilt, dass Gefühle zweitrangig sind. Es gilt eine Botschaft zu transportieren. Das gilt selbst für die oft so schief angeschauten Genremalereien des Biedermeier. Wie will man etwa ein Doppelbild von Krafft verstehen, ohne zu wissen worum es tatsächlich geht. Da hilft nichts, als sich zu informieren. Und das, obwohl alles so konkret ist. Da gibt's nichts Abstraktes. Alles konkret und leicht erkennbar (selbst bei den barocken Ideallandschaften): Burgen, Abhänge, Höhlen, Brücken. Aber alles vermittelt eine Botschaft. Meistens moralischer Natur, das bedeutet, dass Abstraktes konkret dargestellt wird. Wer die Konkreta nicht lesen kann, versteht das Bild nicht. Oder falsch.

Irgendwie würd ich gern noch was zu den Künstlern als arme Schlucker. Jedenfalls jene, die heute in den Museen hängen, waren zum Großteil (=Ausnahmen bestätigen die Regel) keine Armen Schlucker, sondern konnten gar nicht schlecht von ihrer Kunst leben und zwar zu Lebzeiten. Die Adornos'sche Anwandlung, Kunst sei zum Kommerz verkommen kam mithin um einige Jahrhunderte zu spät.


Äm, sorry Lupus, aber entdecke ich hier die arglose Arroganz derer, die noch nie persönlich mit der realer (der neuen, der sogenannt relativen) Armut zu tun hatten, schon gar nicht im eigenen Leben?  Mittellosen fehlt in der Regel schon das Fahrgeld in die Großstadt, dorthin wo die Kunsttempel stehen. Da nützen auch keine Sozialtickets mehr. Die Sozialtickets von denen Du redest, entlasten die Haushaltskassen der Mittelverdiener, die ihren Sprößlingen den rechten Weg weisen, dass aus ihnen was Kultiviertes werde.

Ich hatte in meinem Leben ein einziges Mal die Chance, eine Oper von innen zu sehen. Das Ergebnis war eine schlichte ganzkörperliche Ergriffenheit und ein monatelanger körperlich-geistiger Nachhall. Das hat Null und rein gar nichts mit einem Youtube-Video zu tun.

Ebenso verhält es sich damit, vor einem Original zu stehen. Ein Monet direkt vor meiner Nase ist erst ein Monet. Der lohnt sich zwar auch als sauteurer Kunstbuch-Druck, oder irgendwo im Netz, ist aber in nichts vergleichbar mit dem, dem man von Angesicht zu Angesicht gegenüber steht.

Zum dritten: Die eigene tätige Beschäftigung mit Kunst. Auf einer Plastikblockflöte zuhause ziellos herumtröten können ist das eine. Die warme Schwingung einer echten und unbezahlbar gewordenen aus Birnbaum o.ä. unter Anleitung und vielleicht sogar noch in einem Ensemble ... Was Du da schreibst, Verzeihung, das erinnert mich an ein gewisses "Sollen sie doch Kuchen fressen, wenn sie kein Brot haben".

Wo ein Wille ist, ist noch lange kein Weg.
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menetekel
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Beitrag25.01.2017 07:56

von menetekel
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lupus hat Folgendes geschrieben:
Sich mit Kunst auseinander zu setzen, ist heute - ganz im Unterschied zu früher - primär keine Frage des Geldes sondern des Wollens. In den meisten Großstädten sind die Eintritte subventioniert, es gibt eine soziale Staffelung. Für Jugendliche ohnehin. Nur als Beispiel: die großen Museen in Wien sind bis 18 Jahre gratis, eine Jahreskarte kostet 34€, für Pensionisten die Hälfte, für Leute mit geringem Einkommen sind sie wiederum gratis. Die Staatsoper bietet Karten um €2,50, wenn man stehen will, für 10€ sitzt man schon. Auf youtube findet man im Prinzip alle großen Opernaufführungen  und -filme der letzen Jahre.


In der BRD, in Frankfurt beispielsweise, sieht das schon etwas anders aus.
Die Museenjahreskarte kostet 85,--, die Familienkarte 150,-- €. Einzelausstellungen zwischen 8 - 12,-- €. Falls es überhaupt einmal Ermäßigungen für Rentner gibt, sind die sehr gering.
Opern lasse ich ganz außen vor: Die sind grundsätzlich sauteuer!

Zitat:
Wo ein Wille ist, ist noch lange kein Weg. (Literättin)


So ist es!

m.


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BlueNote
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Wohnort: NBY



Beitrag25.01.2017 08:26

von BlueNote
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So ist es nicht! Vielmehr wie lupus schrieb:
Zitat:

Sich mit Kunst auseinander zu setzen, ist heute - ganz im Unterschied zu früher - primär keine Frage des Geldes sondern des Wollens.

Sich mit Kunst zu beschäftigen heißt ja nicht (nur), sich teure Opernbesuche zu leisten, sondern sich auf irgend eine Art mit einem künstlerischen Werk auseinanderzusetzen, indem man z.B. (Sekundär-)Literatur dazu liest (von der Ausleihbibliothek etwa) oder sich von mir aus Fernsehsendungen reinzieht (z.B. 100(0) Meisterwerke). Auch das Internet ist ein unendlicher Quell für Recherche. Es muss nicht die Berliner Oper sein, es reicht auch, wenn Thielemann mit Beispielen am Klavier ein Werk Wagners erklärt (im Fernsehen!). Wenn man klassische Musik hören will, reicht es schon, das Radio anzuschalten. Daneben kann man sich auch ganz einfach mit anderen Menschen über Kunst austauschen, und das völlig kostenlos. Eine arglose Arroganz sehe ich in den Ausführungen lupus überhaupt nicht, eher in den Armutsrechtfertigungen eine Ausrede derer, die sich nicht mit Kunst beschäftigen wollen (weil sie vielleicht andere, finanzielle Sorgen haben), obwohl sie es könnten. Oder wenn Mittelbetuchte behaupten: Die Arroganz der Kulturinteressierten/schaffenden oder deren Elitedenken hält mich persönlich ab, mich mit Kunst zu beschäftigen. Das ist völlig falsch oder ein Vortäuschen falscher Tatsachen.

Dass es sich für jeden Kreativen lohnt, sich mit Kunst auseinanderzusetzen, auch wenn er nur Unterhaltungsromane schreiben oder einfache Aquarellbilder malen sollte, das denke ich in jeden Fall. Selbst wenn er die Maßstäbe, die Experten aufstellen, wann ein Werk zu Kunst wird, nicht oder nie erreicht, kann er sich doch an anderen Kunstwerken orientieren, an der Beschäftigung mit ihnen wachsen und sich selber immer weiter verbessern. Neues entdecken, bei anderen und bei sich. Und darum geht es doch bei Kunst: Nicht das Erfüllen von Vorgaben (die des Genres z.B.), das Einüben einer Fertigkeit, sondern mit all den Erfahrungen, dem Wissen über Tradiertes, dem Handwerk etc. gemischt mit der eigenen Phantasie und Kreativität Neues, Einmaliges, Außergewöhnliches zu schaffen.
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Lapidar
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Alter: 61
Beiträge: 2699
Wohnort: in der Diaspora


Beitrag25.01.2017 10:29

von Lapidar
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Ich denke, das sind zwei unterschiedliche Ansätze BN und Lupus auf der einen Seite und Literättin und Menetekel (und ich) auf der anderen.

Ich gebe BN insofern recht, dass man sich "vorabbilden" kann, über TV/youtoube Bücher.
Aber stimme Literättin zu, dass das nicht "Das Echte ist"
Ich denke, man könnte das eine mit Tiefkühlpizza vom Discounter gegenüber einer Pizza in einer guten Pizzeria vergleichen.

Was BN und Lupus auch ausblenden:
Wenn ich wenig Geld zur Verfügung habe (und da kann ich mal mitreden), und meine und die alltäglichen Bedürfnisse meiner Kinder befriedigen kann aber nicht sehr viel mehr, dann wird das Geld das eventuell für "Kulturgenuss" übrig bleibt, wohl zunächst in Dinge fließen, die meinen Kinder Spaß machen und das sind in den seltensten Fällen Opern.

Lupus wohnt in Wien glaube ich, BN in Nürnberg? Das sind ja schon große Städte, mit einem dementsprechenden Angebot.
Was mache ich aber, wenn ich in Hintertupfingen im tiefsten Spessart oder so wohne?
Ich habe Glück, weil Wangen zwar eine Kleinstadt ist, aber ein reges Kulturleben hat und durchaus auch mal Umsonstiges anbietet.
Immer wenn eine neue Bilderausstellung kommt, ist der erste Tag zur Eröffnung frei (OK, man muss sich das immer gleiche Geschwafel anhören, und die Auswahl der Künstler ist abhängig vom verantwortlichen Kurator, der dann wiederum beeinflusst wurde von... aber immerhin.)
Wir haben Ausstellungen lokaler Künstler in der Bücherei, es gibt immer mal wieder Konzerte der Jugendmusikschule, die frei sind, auch in den Kirchen finden immer mal wieder Konzerte free of Charge statt.
Aber Theater, da muss ich tatsächlich zu TV greifen, denn ich weiß ich bin geizig, aber 35,- oder gar mal 75,- ist schon viel Geld damit kann man gut ein bis zwei Wochen Lebensmittel kaufen.


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Heidi
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Der goldene Durchblick


Beitrag25.01.2017 11:33

von Heidi
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lupus hat Folgendes geschrieben:
Sich mit Kunst auseinander zu setzen, ist heute - ganz im Unterschied zu früher - primär keine Frage des Geldes sondern des Wollens.


Das Wollen spielt eine große Rolle, ohne wird es niemandem möglich sein einen Zugang zur Kunst zu bekommen. Ich sehe allerdings, gerade bei Menschen, die wenig Mittel zur Verfügung haben (und auch bei Menschen, die nicht von Kind an einen täglichen Umgang mit Kunst hatten), das Problem, dass sie erst mal mit anderen Dingen beschäftigt sind: dem täglichen Kampf ums Überleben (letztere nicht zwingend). Es gibt leider auch Hierzulande Menschen, die jeden Cent drei mal umdrehen müssen und abgekämpft von einem Job, der ihnen möglicherweise nur wenig Freude bereitet nach Hause kommen usw. Da stellt sich dann die Frage, wie viel Wollen ein Mensch mit diesem Hintergrund aufbringen kann, um sich in ein Kunstwerk zu vertiefen (weil, wie du sagst: das Hintergrundwissen, die Beschäftigung mit dem Künstler kann durchaus eine große Rolle spielen, um einen guten Zugang zu einem Kunstwerk zu bekommen). An dieser Stelle könnte ich direkt überleiten zum Bedingungslosen Grundeinkommen (es gibt ja schon einen Thread der dieses Thema behandelt), denn das wäre die Voraussetzung, die jeder Mensch haben müsste, um überhaupt genug Wollen zur Verfügung zu haben, für die Auseinandersetzung mit Kunst und Kreativität.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Was ich mir wünschte: Kunst- Schreib- und Musikschulen und / oder -Werkstätten in jedem Winkel, auch dem hinterletzten, der Republik, zugänglich und erreichbar auch für zahlungsunfähige Mitbürger.


Ich wünsche mir dasselbe, mein Wunsch geht sogar darüber hinaus. Schon in der Schule müsste Kunst direkt in den Unterricht integriert werden, Kreativität in jedem Unterrichtsfach gefördert werden, die Kinder müssten als Persönlichkeit angesprochen werden, nicht als "Nummer" die leisten soll, oder als Dummchen, das noch ganz viel zu Lernen hat; denn Kinder haben eines gemeinsam: Sie sind von Natur aus kreativ (ich habe das gründlich beobachtet und bisher ist mir noch kein Kind untergekommen, das nicht vor Kreativität (in irgendeiner Form) gestrotzt hätte).
Die Frage ist nur, ob so viel Kreativität (die mMn immer auch mit Freiheit zu tun hat) in der Gesellschaft überhaupt erwünscht ist.

Auf diese Aussage von mir wollte ich noch mal eingehen:

Heidi hat Folgendes geschrieben:
Dann fand ich die Frage: Was ist Kunst? aber doch als passend für ein Schriftstellerforum, in dem so viele Menschen zusammen kommen, die (vermutlich) eine Sache teilen: Ringen um Ausdruck.


Das von mir Eingefettete habe ich doch etwas absolut ausgedrückt, weil ich von mir selbst ausgegangen bin. Aber in Wahrheit ist es bestimmt so, dass es auch Menschen gibt, die nicht so viel Ringen müssen mit ihren Geschichten, Bildern und Plastiken. Menschen sind unterschiedlich. Dem einen geht das, was er ausdrücken möchte leichter von der Hand, der andere erlebt einen endlosen Kampf.
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lupus
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Beitrag25.01.2017 16:03

von lupus
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Da wird doch einiges unterstellt und ich meine doch, das ist auch ein wenig darauf zurück zu führen, dass nicht unbedingt genau gelesen wird/wurde.

Zunächst einmal gehe ich nicht davon aus, dass jeder sich mit Kunst auseinander setzen muss oder sollte. Wer will, der soll, wer nicht will, der eben nicht. Insofern unterscheidet sich Kunst (im weitesten Sinne Kultur) nicht von jedem anderen Gebiet (Politik, Naturwissenschaften, Wirtschaft, etc). Dass es von Vorteil ist, sich damit zu beschäftigen steht auf einem anderen Blatt, aber diese Freiheit muss man wohl jedem zugestehen.

Wer jedoch tatsächlich will, dem stehen alle Türen offen, zumal in Zeiten des Internets. Was geflissentlich überlesen wurde, war das ganz im Gegensatz zu früher. Tatsächlich war früher (eine genaue Darstellung der Museumsidee ist hier wohl nicht nötig) der Zugang zur Kunst einmal standesabhängig und später (bis vor kurzem - Entwicklungssprünge in den 1920ern (Bibliotheken auch und gezielt für die Arbeiterschaft) und in den 1990ern (Internet)) vom Einkommen abhängig. Heute ist das völlig anders, eben wegen des Internets:
ZUnächst einmal hat niemand etwas davon, einfach ins Museum zu gehen und sich einen Monet oder sonstwas an zu schaun. Oder einen Picasso, bei dem dann manchmal hinter vorgehaltener Hand, manchmal ganz offen behauptet wird: "Das kann mein Kind auch". Und diese Beschäftigung im Vorfeld lässt sich faktisch für jedes Bild im Internet bewerkstelligen. Dazu sind heute keine teuren Bildbände nötig, nicht einmal der 'beschwerliche' Weg zur Bücherei. Alle größeren Museen haben eine Bilddatenbank mit Bilderklärungen, Biografien und Querverweisen zu ähnlichen Gemälden. Wer also will, der kann. Auch die Annahme, es wäre ein wahnsinniger Unterschied vor einem Monet im Museum zu stehen oder sich einen Monet im Netz anzusehn, übersieht einen Punkt: wer sich mit dem Internet-Monet beginnt zu beschäftigen, wird irgendwann ins Museum wollen. Leider ist es eben so, dass, wer gleich ins Museum geht (ohne Vorab-Information), hat oft keine Lust mehr, sich damit zu beschäftigen, weil eben der Hintergrund fehlt.

Ist es ein Privileg, in der Großstadt zu wohnen? Nun, das mag sein, zumal in Wien. Hier wird tatsächlich versucht, über subventionierte Preisgestaltung schon die Jugend 'zur Kunst zu führen'. Hier wird - auf Antrag - der Zugang zu Museen und den großen Theatern finanziell erleichtert, hier ist es am leichtesten, zu einem 'bedarfsorientierten Grundeinkommen' zu kommen. Ja,es ist also ein Privileg. Allerdings nur, wenn man - wir hatten das ja hier schon - das, was man Volkskultur nennt (was also, wenn es etwas älter ist in 'Volkskundemuseen' zu finden ist) ausblendet. Im großen und ganzen bietet jeder kleinere Flohmarkt (Eintritt frei), die Möglichkeit, sich mit Kunst zu beschäftigen, und sei es 'nur' sich den Unterschied zwischen einem Jugenstil-Luster und einer Art-Deco-Lampe zu vergegenwärtigen. Dort findet man dann auch - wenn man denn will - die ehemals teuren Kunst-Bild-Bände um einen oder zwei Euro. Im Grunde ist jeder Kirtag mit entsprechender Blasmusik oder Volksmusik (schön, wenn jemand einen steirischen von einem niederösterreichischen Landler unterschieden kann), jeder Heurigenbesuch mit Schrammelmusik ein Schritt in Richtung Kunst, wenn man es denn als solchen wahr nimmt, wahr nehmen will. Und wiederum: wer will findet alles zur Entwicklung der Schrammelmusik im Internet. Die Beschränkung auf die so genannte Hochkultur ist unnötig, ja eigentlich dem Kultur- und Kunstbegriff widerläufig.

Ich kann aber auch noch ein bisserl gemein werden; und ich rede wieder von Wiener Perspektive. Wenn so mancher, der 2 Wochen in Caorle in der Sonne brät, stattdessen einmal eine Fahrt ins 10km entfernte Kloster Heiligenkreuz oder ins noch nähere Klosterneuburg riskierte, hätte zumindest einmal Kunst genug, um einige Wochen davon zu zehren. Wie gesagt: niemand muss, aber wer will, der kann.

Und wer sich theoretisch mit Kunst beschäftigen will, findet so ziemlich alles über Ästhetik auf google.books - von Aristoteles bis Adorno. Das ist zugegeben schwere Kost, aber wer will, der kann. Wer nicht will, muss ja nicht. Aber: davon zu reden, dass der Zugang zur Kunst heute noch einkommensabhängig sei, ist schlicht und ergreifend falsch. Die Fakten sprechen dagegen, was zur Folge hat oder zumindest haben könnte, dass Kunst heute alles andere als elitär zu sein bräuchte.

Das mit dem ahistorischen Kuchen-Brot-Satz lass ich dann einmal so dahin gestellt.


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Stimmgabel
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Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag25.01.2017 16:33

von Stimmgabel
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-


So wie ich lupus und BN verstanden habe, kann doch wenigstens derjenige [ der auch will ] und der wenigstens 'n PC hat die wahre Kunst im über_Druss im I-Net, unausgesprochen im DSFO lukullen;

drüber hinaus und letztlich doch alles nur 'n inszeniertes 'ready made' der Prêt-à-porters Wink

Gruß Stimmgabel ...


-


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lupus
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Beitrag25.01.2017 17:26

von lupus
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Angesicht diese made by SG, hab ich nur brett a la front, aber ich bin mir sicher du wirst schon babylonisch recht haben, irgendwie. 😉

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Ithanea
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Beiträge: 1062

Ei 3 Pokapro 2017


Beitrag25.01.2017 17:30

von Ithanea
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Hallo
lupus hat Folgendes geschrieben:

Wer jedoch tatsächlich will, dem stehen alle Türen offen, zumal in Zeiten des Internets. [...] Im großen und ganzen bietet jeder kleinere Flohmarkt (Eintritt frei), die Möglichkeit, sich mit Kunst zu beschäftigen, und sei es 'nur' sich den Unterschied zwischen einem Jugenstil-Luster und einer Art-Deco-Lampe zu vergegenwärtigen. Dort findet man dann auch - wenn man denn will - die ehemals teuren Kunst-Bild-Bände um einen oder zwei Euro. Im Grunde ist jeder Kirtag mit entsprechender Blasmusik oder Volksmusik (schön, wenn jemand einen steirischen von einem niederösterreichischen Landler unterschieden kann), jeder Heurigenbesuch mit Schrammelmusik ein Schritt in Richtung Kunst, wenn man es denn als solchen wahr nimmt, wahr nehmen will. Und wiederum: wer will findet alles zur Entwicklung der Schrammelmusik im Internet. Die Beschränkung auf die so genannte Hochkultur ist unnötig, ja eigentlich dem Kultur- und Kunstbegriff widerläufig.

Ich finde den Brot-Kuchen-Satz auch nicht passend. Hierfür müsste man ihn umstellen, etwa: Sollen sich doch mit dem Brot zufrieden geben, wenn sie kein Geld für Kuchen haben.
Wer ein Kunstwerk im Original oder ein Theaterstück sehen will und sich das nicht leisten kann, muss halt einfach was anderes wollen. Tadaa.


Das verstehe ich nicht:
lupus hat Folgendes geschrieben:
ZUnächst einmal hat niemand etwas davon, einfach ins Museum zu gehen und sich einen Monet oder sonstwas an zu schaun.

Also, ich verstehe schon, was du sagen willst (glaub ich). Vieles an einem Werk erschließt sich erst oder umso mehr, wenn man um seine Umstände und Hintergründe weiß. Aber findest du deinen Satz nicht sehr verallgemeinernd? Ich finde ihn für mich überhaupt nicht zutreffend. Ich hab da schon was davon, ein Kunstwerk im Original zu sehen, auch wenn ich nichts / wenig über die Hintergründe weiß. Es geht sogar so weit, dass mir manche Hintergründe völlig wurscht sind, weil ich das Werk "für mich" verstehe. Und wenn das falsch ist, ist es mir auch egal.
Sobald ein Künstler ein Werk mit anderen teilt, ist es nicht mehr nur "seins" und er muss damit leben, dass die "Botschaft" womöglich gar keinen interessiert, dafür vielleicht was anderes, was ein Betrachter gerade wahrnehmen will / muss (abhängig davon, was grad mit ihm los ist. Nicht nur der Kunstschaffende bringt seinen Teil der Auseinandersetzung mit etwas mit, auch der Betrachter)

lupus hat Folgendes geschrieben:
Ich kann aber auch noch ein bisserl gemein werden; und ich rede wieder von Wiener Perspektive. Wenn so mancher, der 2 Wochen in Caorle in der Sonne brät, stattdessen einmal eine Fahrt ins 10km entfernte Kloster Heiligenkreuz oder ins noch nähere Klosterneuburg riskierte, hätte zumindest einmal Kunst genug, um einige Wochen davon zu zehren. Wie gesagt: niemand muss, aber wer will, der kann.

Ich glaube nicht, dass Literättin und du da von derselben "Zielgruppe" redet. Die mit sehr wenig Geld, die ich so kenne, braten nicht 2 Wochen in Caorle. Die machen gar keinen Urlaub.

lupus hat Folgendes geschrieben:
wer will, der kann.

Ich bin ja der Meinung, dass man viel kann, wenn man will, oft mehr, als man selbst glaubt. Aber den Ausspruch, wer (auch immer, irgendwas) will, der kann (immer) finde ich bagatellisierend. Damit werden Widrigkeiten, die allen möglichen Menschen mit sonstwie beschaffenen Schwierigkeiten gemacht werden, ausgeblendet, Bestrebungen, etwas dagegen zu unternehmen für unnötig erklärt und die Verantwortung von denjenigen, die Mittel hätten, hin auf die, die keine haben ausgelagert.

Natürlich ist es auch Leuten mit wenig Geld nicht völlig verschlossen, Kunst zu rezipieren oder selbst zu machen. Internet halte ich auch für das beste, was dafür passieren konnte in diesem Bereich. Aber der Unterschied, den es doch gibt und der zum Teil mit Geld zusammenhängt ist doch nicht wegzureden. Man kann freilich mit Ikeableistift auf Druckerpapier zeichnen, und das genauso leidenschaftlich und mit tollem Ergebnis wie mit anderen Medien, aber wenn man in der Kunst am Liebsten alles ausprobieren will, wird es trotzdem nerven, wenn man es sich einfach nicht leisten kann, mal Zeichenkarton zu kaufen oder gute Farben oder "gscheite" Stifte. Genauso kann man sich viele Bilder und Lieder im Internet ansehen/-hören und sie ersetzen trotzdem kein Davorstehen oder Konzert. Es ist was anderes.



Noch ein Positivbeispiel, weils mich immer freut: http://kunst.wuerth.com/de/portal/startseite.php
Oft tolle Ausstellungen, Eintritt für alle frei. Weil ers kann. Und halt auch macht.


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lupus
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Beitrag25.01.2017 20:03

von lupus
Antworten mit Zitat

Ithanea hat Folgendes geschrieben:

Ich finde den Brot-Kuchen-Satz auch nicht passend. Hierfür müsste man ihn umstellen, etwa: Sollen sich doch mit dem Brot zufrieden geben, wenn sie kein Geld für Kuchen haben.
Wer ein Kunstwerk im Original oder ein Theaterstück sehen will und sich das nicht leisten kann, muss halt einfach was anderes wollen. Tadaa.


Irrtum. Nix Tadaa.
Wir reden hier von Kunst und erweitert von Kultur. Wer sich mit 'Hoch'kultur auseinander setzen will kann das. Und zunächst geht es nur ums Beschäftigen mit Kunst. Was hier allerdings so weit vergessen wurde ist eben, dass Kunst und Kultur nicht nur in Opernhäusern statt findet und nicht nur in der Burg, sondern faktisch an jeder Straßenecke, auf jedem Kirchplatz. Wer sich mit Kunst auseinander setzt und sich auf Oper und Museum beschränkt, interpretiert den Begriff Kultur eingeschränkt. Das ist der Punkt. Außerdem ging es darum - und das hab ich ja geschrieben -, dass die Beschäftigung mit Kunst, mehr Hunger nach Kunst auslöst. Da kann man schon einmal im Internet anfangen und - wie ausgeführt - in Wien etwa ist es kein Problem, sich Kunst (auch Hochkultur, von Vernissagen in Galerien ganz zu schweigen, die kosten nämlich prinzipiell nix) zu leisten; da braucht man sich aber schon gar nicht mit Brot zufrieden zu stellen. Und noch einmal: wer Kunst (auch Oper) genießen will, kann das ab €2,50. Wer nachweislich zu wenig verdient, kriegt ÖBB-Tickets zum Null-Tarif. Dass das alles nicht leicht ist, stellt ja niemand in Abrede, aber - wiederum zumindest hier in Wien - ist es schon ein Leichtes. Und wie schaut's außerhalb von Wien aus? Was kostet der Eintritt in eine Kirche? Ich weiß: was wenn wer nicht in eine Kirche will, sondern in den Louvre? Ehrlich? Ich kann mich nicht einfach einmal ins Auto setzen und mir den Bacher-Altar in St. Wolfgang anschaun, oder das Kloster in Heidenheim. Würd ich gern. Ich hab genau so wenig die Möglichkeit (auch, weil ich arbeiten muss) zum Narzissenfest nach Hallein zu fahren, wie andere die Möglichkeit haben, einfach einmal nach Wien zu kommen, um zur Oper zu gehen. (Finanziell ließe es sich schon machen, für alle) Was ist jetzt Brot, was Kuchen? Oder geht es letzten Endes doch nur um eine elitäre Zuordnung? Oper=Kuchen, Volksmusik =Brot? Ich jedenfalls würde mich dagegen verwehren. Und das obwohl ich mit Volksmusik nicht sehr viel anfangen kann, oder mit Bauernmalerei oder Hinterglashäkeln oder was immer das ist. (Mein Desinteresse dafür ist im Übrigen meine Verantwortung. s.u.)


Zitat:
Das verstehe ich nicht:
lupus hat Folgendes geschrieben:
ZUnächst einmal hat niemand etwas davon, einfach ins Museum zu gehen und sich einen Monet oder sonstwas an zu schaun.

Also, ich verstehe schon, was du sagen willst (glaub ich). Vieles an einem Werk erschließt sich erst oder umso mehr, wenn man um seine Umstände und Hintergründe weiß. Aber findest du deinen Satz nicht sehr verallgemeinernd? Ich finde ihn für mich überhaupt nicht zutreffend. Ich hab da schon was davon, ein Kunstwerk im Original zu sehen, auch wenn ich nichts / wenig über die Hintergründe weiß.


Was hier mE vermischt wird, ist das 'ästhetische Erlebnis' mit 'Kunsterlebnis'. Jetzt is schon klar das zweites ohne erstem kaum funktionieren kann. M.a.W.: ästhetisches Erleben ist Voraussetzung für Kunsterleben. Um es zum Kunsterleben zu machen aber, braucht es eben das Extra. Beides für sich genommen bleibt nur die halbe Sache. Also: die Apodiktik in meiner Aussage war sicherlich übertrieben. Was bleibt ist: es bleibt eine halbe Sache. Das ästhetische Erlebnis kommt (üblicherweise) von selbst, sobald man davor steht. Alles andere muss erarbeitet werden und ich behaupte: das ästhetische Erlebnis für sich genommen (soweit man das überhaupt klar trennen kann), wird gesteigert mit Hintergrund-Info.

Zitat:
lupus hat Folgendes geschrieben:
Ich kann aber auch noch ein bisserl gemein werden; und ich rede wieder von Wiener Perspektive. Wenn so mancher, der 2 Wochen in Caorle in der Sonne brät, stattdessen einmal eine Fahrt ins 10km entfernte Kloster Heiligenkreuz oder ins noch nähere Klosterneuburg riskierte, hätte zumindest einmal Kunst genug, um einige Wochen davon zu zehren. Wie gesagt: niemand muss, aber wer will, der kann.

Ich glaube nicht, dass Literättin und du da von derselben "Zielgruppe" redet. Die mit sehr wenig Geld, die ich so kenne, braten nicht 2 Wochen in Caorle. Die machen gar keinen Urlaub.


ich hab ja extra geschrieben, dass das gemein ist und gehofft, dass dadurch die Übertreibung klar würde. Aber gerne noch einmal: ganz unabhängig davon, ob jemand in Caorle brät oder nicht, kann jeder Kunst genießen.

Zitat:
lupus hat Folgendes geschrieben:
wer will, der kann.

Ich bin ja der Meinung, dass man viel kann, wenn man will, oft mehr, als man selbst glaubt. Aber den Ausspruch, wer (auch immer, irgendwas) will, der kann (immer) finde ich bagatellisierend. Damit werden Widrigkeiten, die allen möglichen Menschen mit sonstwie beschaffenen Schwierigkeiten gemacht werden, ausgeblendet, Bestrebungen, etwas dagegen zu unternehmen für unnötig erklärt und die Verantwortung von denjenigen, die Mittel hätten, hin auf die, die keine haben ausgelagert.


Dein Kursiv-Setzung hab ich jedenfalls nicht geschrieben und so etwas wirst du auch von mir nie lesen. Was ich geschrieben habe ist:
wer sich mit Kunst beschäftigen will, kann das.
wer Kunst erleben will, kann das.
[wer auch immer? irgendwas? immer?]

Und in der Folge wollen wir doch die Kirche zweifach im Dorf lassen: Die Verantwortung sich zu interessieren liegt in der Tat bei jedem einzelnen. Und das Gott sei Dank, andernfalls nämlich Zwang daraus würde. Dass ich etwa weniger Zugang zu Volksmusik finde, liegt an mir und sonst an niemandem. Das Interesse muss von mir kommen. Und zweitens (wiederum nur als Wiener Beispiel): die Oper hier hat ein Budget p.a. von 120 Mio. 50% davon stammen von Stadt und Staat, eben genau um diese angeführten günstigen Eintrittskarten zu ermöglichen und diese 60 Mio werden klarerweise über Steuern finanziert, die wiederum von der Allgemeinheit bezahlt werden, nicht von jenen, die sich die teuren Karten nicht leisten können. Und das ist gut so, nicht nur gut, das ist beispielhaft. Selbes gilt für die Null-Tarif-Museums-Eintritte für unter 18jährige, die zu 100% von der Stadt subventioniert werden. Die Interessens-Verantwortung bleibt mithin dort, wo sie hin gehört, die finanzielle Bürde wird dorthin transferiert, wo sie mE hin gehört.

Zitat:
Natürlich ist es auch Leuten mit wenig Geld nicht völlig verschlossen, Kunst zu rezipieren oder selbst zu machen. Internet halte ich auch für das beste, was dafür passieren konnte in diesem Bereich. Aber der Unterschied, den es doch gibt und der zum Teil mit Geld zusammenhängt ist doch nicht wegzureden. Man kann freilich mit Ikeableistift auf Druckerpapier zeichnen, und das genauso leidenschaftlich und mit tollem Ergebnis wie mit anderen Medien, aber wenn man in der Kunst am Liebsten alles ausprobieren will, wird es trotzdem nerven, wenn man es sich einfach nicht leisten kann, mal Zeichenkarton zu kaufen oder gute Farben oder "gscheite" Stifte. Genauso kann man sich viele Bilder und Lieder im Internet ansehen/-hören und sie ersetzen trotzdem kein Davorstehen oder Konzert. Es ist was anderes.


Von selbst machen, war bislang überhaupt nicht die Rede. Und unter der Annahme, ich wollte Klavier spielen. Hast du eine Ahnung, was ein Bösendorfer-Flügel kostet?


lgl


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lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

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Literättin
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Beitrag25.01.2017 20:53

von Literättin
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Richtig Ithanea: Sollen's halt was andres wollen! Laughing


Aber noch einmal @Lupus, um vielleicht zu verdeutlichen was ich mit argloser Arroganz derer meine, die aus der Perspektive ihrer eigenen Möglichkeiten befinden, was wohl jedem anderen, auch demn Mittellosen, erreichbar sein müsse.


Dem ist nicht so. Definitiv nicht. Und ich weiß, wovon Ithanea und Heidi sprechen, wenn sie eben von jenen berichten, denen ein ganz realer Zugriff und ganz reale Möglichkeiten fehlen und ich weiß ebenso genau, was gemeint ist, wenn Lapidar schreibt, wie ein Eintrittsgeld erst einmal gegen einen so wegfallenden Wocheneinkauf abgewogen werden muss.

Das ist wirkliches reales abgehängt sein von Lebensmöglichkeiten und also auch von Kunst, ob aktiv oder passiv ausgeübter. Und das beginnt eben bei jener jämmerlich klingenden Plastikblockflöte fürs Kind, dem die warme Tonschwingung eines echten Instruments, oder besser noch der schwingende Vielklang eines Ensembles als wirkliche wirksame Erfahrung versagt bleibt. Da wird kein musikalisch begabtes Kind draus, die Flöte fliegt irgendwann zerkaut in die Ecke und das wars. (@Lapidar: an die Tiefkühlpizza gewöhnt man sich ja noch, wenn man nicht weiß, wie die echte schmeckt).

Ich schrieb. Kunst kann Kultur schaffen.

Ich schreibe das aus Erfahrung.

Auch ich habe einmal über lange Jahre sehr privilegiert gelebt: Innerstädtisch, Studentenviertel, den "hauseigenen" studierten Kunstmaler als Nachbar unterm selben Dach, seine Werke auf dem Dachboden zum Stöbern, die Neuesten immer im Hinterhofatelier, der werkelte Tag und Nacht, das ganze Haus roch prächtig nach Lösemittel und Farben und nur nebenbei, reich ist er bis heute nicht geworden, hat aber zum Glück in der Stadt aus der ich hinausgentrifiziert und -luxussaniert wurde im Laufe der Jahre noch was werden können. Ich aber erlebte seinen Nervenzusammenbruch live mit, der da ausgelöst wurde von nackter Existenzangst und einem "ich weiß nicht, wovon ich existieren soll, wenn ich's nicht mehr so weiter schaffe". Nur als kleiner Exkurs zur Brotlosigkeit von Kunst, zuweilen, für jene, die es nicht bis in die Etablissements schaffen. Wir waren damals zufällig eine gut zusammengewürfelte Hausgemeinschaft, die Hälfte studierte Sozialpädagogik, so auch ich und so wurde unser Kunstmaler erst einmal pragmatisch aus der Krise manövriert mit einer übergangsweisen Schaufel Sozialhilfe unterm Hintern.

Die Kunst war damals im Viertel für uns greifbar. Das war kulturelles Miteinander leben. Der Nachbar unter mir hatte sowohl Schauspiel als auch Sozialpädagogik studiert. Er arbeitete mit Behinderten und inszenierte im Viertel selbst (in alten Lagerhallen) mit Laien Theaterstücke. Einer meiner Profs übernahm die Hauptrolle, ich die Maske und so weiter.

Das hieß damals für mich: Zugang zur Kunst haben. Wie privilegiert und letztmalig das war, das wusste ich seinerzeit nicht. Ich hielt es für normal. Wir lebten halt so.

Ich habe dann, nach dem ich aus der immer luxussanierteren Stadt aufs Land floh, erst einmal hier ein Auskommen gefunden und vor lauter Arbeit Kunst und Kultur nicht großartig vermisst, erst, als mir klar wurde, wie wichtig es hier für die Abgehängten, die Jugendlichen, mit denen ich arbeitete, gewesen wäre, überhaupt eine kulturfähige eigene Sprache für das zu finden, was sie existenziell bewegte.

In dieser Zeit dachte ich auch noch: Die wollen halt nicht, sie könnten schon, wenn sie nur wollten. Bis ich begriff: Die sind schon viel zu lange ausgegrenzt und abgehängt, die hatten nie die Chance. Den fehlen die ganz realen Lebensmöglichkeiten. Handlungsspielräume. Kreative Entwicklungsräume. Denen fehlt schlicht Licht, Luft, Wasser, das werden kümmerliche Pflänzchen bleiben die im Ansatz noch sichtbar waren. Das würde nicht lange mehr dauern, bis sie gänzlich eingingen. Und das Schlimmste für mich war, festzustellen, dass ihnen jegliche Sprache fehlt, sich auszudrücken. Nicht, weil sie schlechtes Deutsch sprachen (selbst die ohne Migrationshintergrund), sondern weil sie keinerlei Zugang zur eigenen Bedeutung hatten und dazu, wie notwendig die Fähigkeit ist, eine eigene Stimme zu entwickeln, ausdrücken zu können, was fehlt und was nötig ist, überhaupt Pläne und Ziele entwickeln zu können.

Was das mit dem Zugang zu Kunst zu tun hat?

Wer es nie erlebt hat und keinerlei Chance hat es je erleben zu können, was es heißt, wenn z.B. eigene kreative Potenziale sich in einem selbst erarbeiteten Bild oder Musikstück, oder einem selbst erarbeiteten Text, Gedicht zeigen, dem fehlt eine grundsätzliche Erfahrung. Selbstwirksamkeit jenseits von Leistungsabfrage. Es geht um die Fähigkeit in sich verarbeitetes kreativ in die Welt zu setzen. Sich mit der Welt auszutauschen. Im kreativen Dialog zu sein Es sich selbst und anderen zugänglich zu machen, was einem untern Nägeln brennt. Wer ein echtes Instrument in der Hand hält, der kann in einen Dialog gehen, mit dem eigenen Inneren UND mit den anderen draußen. Es geht um kulturelle Dialogfähigkeit. Verbindungen einzugehen. Das alles geht weit übers "E-Learning" im stillen Kämmerlein hinaus (mal unabhängig davon, dass hier kaum jemand der von Armut Betroffenen überhaupt einen PC besitzt).

Es waren einige unter "meinen" Jugendlichen, die übten sich in Breakdance, im Schreiben, im Manga-Zeichnen. Wie froh wäre ich gewesen, hätte ich die sofort in eine Kunstschule stecken können! Die konnte ich nirgendwo anbinden. Und ich wusste, dass diese kleinen Feuer schnell verlöschen würden, wenn sie nicht auch mal ein Holzscheit von außen untergelegt bekämen. Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Ich ahne aber wenig Gutes in dieser Hinsicht. Weil seither selbst die Streetwork-Stellen gestrichen wurden. Und das Fördern und Fordern immer mehr zum Fordern und Fordern geworden ist.

Aber viele der Jugendlichen in Rhythm is it! erinnern mich bis heute an sie. Und auch sie machen mir einen Kloß im Hals, wie gesagt, wenn ich nachdenke, was für sie nach Le sacre du printemps kam.

Kunst kann Kultur schaffen. Wenn diese Jungs und Mädels mein ungeheures Privileg von damals in der Stadt am eigenen Leib hätten erfahren können, hätte ein Künstler aus dem Viertel den ein oder anderen unter seine Fittiche genommen oder ein Theaterpädagoge hätte mit ihnen ein Stück inszeniert.

Solche Zeiten sind lange vorbei. Es gibt vermutlich noch einige Projekte in Hamburg, München, Berlin oder Wien. Aber dort, wo sie am nötigsten wären nicht.

Kunst kann Kultur schaffen: Gäbe es in den städtischen Randgebieten und Ghettos, in den abgehängten Platten wie Rostock Lichtenhagen und, und, und, echte Zugriffsmöglichkeiten auf Kunst- du Musik- und Theaterveranstaltungen und / oder -Schulen und zwar in einer selbstverständlichen Art und Weise als Möglichkeit für alle, die es brauchen, um klarer im Kopf zu werden, dann sähe es in diesen Randgebieten anders aus.

Heute aber ist die Schere längst auseinander. Kunst-, Kleinkunst, Kulturförderung? In die Randgebiete? In die Pampa? Naja, vielleicht hie und da ein Rap-Kurs für Prekariatsjugendliche oder mal ein Graffiti-Spray-Act. Während auf dem platten Land die Kinos schließen und ein Milliardär in Potsdam ein Rennaissance-Schloss baut für seine privat zusammengeraffte Sammlung. Okay, gerafft war jetzt wieder fies gewertet.

Schafft man Zugang zur Kunst in die abgehängten Randgebiete, könnte dort Kultur entstehen. Es könnte sogar passieren, dass die Menschen dort wieder eine Ahnung ihrer Menschenwürde bekämen.

Und zu guter Letzt: Hier auf dem Land hat kaum jemand einen Computer mit Internetzugang (ach so hatte ich weiter oben schon angemerkt). Die hier abgehängten nicht einmal vereinzelt. Das Smartphone hat alles ersetzt: Festnetztelefon und Internet in einem. Alles andere wär zu teuer. Wie will man auf einem Smartphone Zugang zur Kunst haben? Schon gar, wenn man längst und zementiert im Abgehängt sein festsitzt? Seit Generationen vielleicht?

Auf Flohmärkten hier findet man übrigens einiges, aber keine Kunstbücher oder Art Deco Lampen, die findet man bestimmt auch nicht auf den Flohmärkten in Stadtrandghettos oder Rostock-Platte. In der Platte oder in der Pampa gibt es Kunst auch nicht in 10 Kilometer Entfernung zu haben. Es sei denn man möchte die Biertanke oder die Eckkneipe als Einrichtung der Volkskunst bezeichnen.

Ein Bild noch: Wäre Kunst für die Gesellschaft so etwas wie die Hefe fürs Brot, dann würde ich empfehlen, die Hefe nicht nur der obersten Teigschicht zuzusetzen und nach unten hin nur ein paar magere Brösel reinzupflanzen und ansonsten auf Gärung "von selbst" hoffen, das Ergebnis sähe dann  erstens total deformiert aus und zweitens wäre es in den vernachlässigten Teilen recht hart, geschmacklos und sehr brüchig.
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Abifiz
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Beiträge: 236
Wohnort: Deutschland, in Nähe von Marburg seit 2007


Beitrag25.01.2017 22:02

von Abifiz
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Hi Litterättin.

Ein mit Herzblut verfaßtes Pamphlet im guten Sinne des Wortes. Mit vielen großen und kleinen Wahrheiten.

"Schon gar, wenn man längst und zementiert im Abgehängt sein festsitzt? Seit Generationen vielleicht?" Das war für mich als ehemaliger Psychoanalytiker der zentrale Satz! (Obwohl... "Das Sein", "das Abgehängt-Sein"... Ja, ja, die sogenannte "neue" Rechtschreibung...)

Danke fürs Eingebracht-Haben.

Herzlich
Abifiz


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Meine sehr kluge Signatur befindet sich noch in der Herstellungsphase. Falls keine gravierenden Inkompatibilitätsprobleme auftauchen werden, rechne ich mit ihrer Lieferung für das 1. Quartal 2034. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.
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Lapidar
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Beitrag25.01.2017 22:13

von Lapidar
Antworten mit Zitat

Manchmal wünschte ich, ich könnte mich wie Literättin ausdrücken. Sie hat das ganze Dilemma noch sehr viel kraßer beschrieben, wie ich es im Blick hatte. Aber BaWü und Bayern sind auch priviligiert.

Übrigens noch zum Thema: die könnten doch, wenn sie wollten. Ich höre das auch immer dann, wenn es ums Thema Übergewicht, Drogen,etc. geht. Daraus spricht eine gewisse Arroganz,finde ich persönlich, denn wer kann wirklich sagen, wer was kann, oder nicht kann. Ich bin durchaus dafür, dass Menschen Verantwortung übernehmen, aber man kann es sich auch leicht machen.


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Akiragirl
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Beitrag25.01.2017 22:27

von Akiragirl
Antworten mit Zitat

Lapidar hat Folgendes geschrieben:
Übrigens noch zum Thema: die könnten doch, wenn sie wollten. Ich höre das auch immer dann, wenn es ums Thema Übergewicht, Drogen,etc. geht. Daraus spricht eine gewisse Arroganz,finde ich persönlich, denn wer kann wirklich sagen, wer was kann, oder nicht kann. Ich bin durchaus dafür, dass Menschen Verantwortung übernehmen, aber man kann es sich auch leicht machen.

Das ist für mich eine Abwandlung von "Selbst Schuld", einer extrem unempathischen Phrase, die mir im Alltag leider immer wieder begegnet. Manche Menschen scheinen zu glauben, alles Gute in ihrem Leben und allen Erfolg verdient zu haben durch ihre harte Arbeit. Wer weniger erfolgreich ist, hat sich nicht genug angestrengt und verdient sein trostloses Leben. Das ist jetzt sehr auf die Spitze getrieben, aber so erscheint mir manchmal die Moraldiskussion im Kapitalismus.
Da muss man sich schon manchmal klar machen mit welchen riesigen Privilegien man eigentlich aufgewachsen ist, um das schaffen zu können, was man geschafft hat. Und damit meine ich nicht nur das stereotype reiche Elternhaus - auch Eigenschaften wie Kreativität, Intelligenz oder Selbstvertrauen fallen nicht einfach so vom Himmel und mancher kann sich  gar nicht vorstellen wie es wäre, über diese Eigenschaften nicht zu verfügen.


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sleepless_lives
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Beitrag26.01.2017 00:13

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Das hat jetzt aber mit dem, was lupus aufgezeigt hat, nichts mehr zu tun. Denn die von seinem Beitrag angeregte Diskussion ging um den Zugang zur Kunst auf der materiellen Seite, nicht darum zu welchen mentalen Schwierigkeiten und Blockaden eine sozioökonomisch schwache Situation führen kann. Das ist eine andere Geschichte. Sei's drum, meiner Meinung nach ist die weiter oben angedeutete Gleichsetzung von minimalen finanziellen Mitteln und kulturellerer und die Kunst betreffende Depression (um das mal so zu nennen) aber nicht wesentlich zutreffend oder zumindest nicht ursächlich. Wäre die These richtig, könnte aus noch bedeutend ärmeren Regionen oder Ländern dieser Welt, oft ohne jegliche Internetzugang, keine Kunst kommen. Das ist aber nicht der Fall, Kunst entsteht selbst unter extremen Umständen und wird praktiziert. Was die Bildende Kunst angeht, im Zweifelsfall mit Objekten von der Müllhalde. Die geschilderten Probleme haben meines Erachtens mehr mit gesellschaftlichen Statuszuschreibungen in den Industrienationen zu tun, die sozioökonomisch Benachteiligte auf die hinteren Plätze verweisen und vorführen, dass diese Zuordnung nur durch Geld zu ändern ist. Und es hat mit dem gesellschaftlichen Stand der Kunst zu tun, die in breiten Schichten als überflüssig und wertlos angesehen wird. Liest man ja in der einen oder anderen Weise auch gelegentlich im Forum.

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Erin
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Beitrag26.01.2017 02:43

von Erin
Antworten mit Zitat

BlueNote hat Folgendes geschrieben:

Dass es sich für jeden Kreativen lohnt, sich mit Kunst auseinanderzusetzen, auch wenn er nur Unterhaltungsromane schreiben oder einfache Aquarellbilder malen sollte, das denke ich in jeden Fall.


Jemand der "nur" Unterhaltungsromane schreibt oder "einfache" Aquarellbilder malt ist demzufolge nicht in der Lage, innerhalb etwaiger Beschränkungen Kunst zu schaffen? Unterliegen wir nicht alle in irgendeiner Form Beschränkungen? Um etwas zu schreiben, benötigt der Gewillte ein Utensil, mithilfe dessen er dies vermag. Fehlten ihm jegliche Gliedmaßen, könnte er sich oral oder anal behelfen, um gehobene, ernstzunehmende Literatur zu erschaffen. Ein Medium, keinesfalls esoterisch gemeint, sollte ebenfalls helfen, sich seiner hochliterarischen Ambitionen Ausdruck zu verleihen. Wobei die Kenntnis der deutschen Sprache einem deutschsprachigen Schriftsteller ebenfalls gut zu Gesicht steht. Vermutlich war es ein Flüchtigkeitsfehler, den ich jedem, der weniger auf elitärem Denken pocht, unbesehen hätte durchgehen lassen. Finde dich an der Mauer wieder, Brian.

LG
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