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Ihr nach gedacht


 
 
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Rainer Zufall
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 70
Beiträge: 801

Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag11.06.2016 09:47

von Rainer Zufall
Antworten mit Zitat

Hallo Lorraine,

Für mich ist das ein sehr spannendes Gedicht, denn Vieles hat sich erst zum Ende hin enträtselt. Ich komme ja von der Prosa her, aber die Lyrik war es, wegen der ich hergekommen war, und da ist es wieder, ich mag wohl einfach Lyrik, die nicht nur fühlt, sich nicht nur selbst zum Thema macht,  sondern auch erzählt. Und das tut dieses gedicht.

Hier lese ich von der Erinnerung an eine (vermutlich) tote oder anderswie gegangene Mutter, der Vater teilt seine Erinnerung an sie mit seinem Kinde, zeigt ihm die Mutter, die Vergangenheit, die Feste auf Video und pflanzt damit dem Kind eine unstillbare Erinnerung an die Verlorene ein.

Ihr nach gedacht Eigentlich sagt der Titel schon ganz viel. Er führt den Leser auf eine Erinnerungsreise

Was mir weiterhin sehr gut in diesem Gedicht gefiel, das sind die Mehrfachdeutungen der Ringe oder des Stoffs beispielsweise. Oder des "gezählt seins", das sich auf den Tisch beziehen könnte, genauso wie auf den Vater selbst.

Wer sie so gesehen
mit ihm Maß genommen hat nicht
ausgetrunken

Auch hier sie wieder, die Mehrfachbedeutung, die dein Gedicht so spannend macht. Nicht ausgetrunken bezieht sich nur auf der Oberfläche auf ein Getränk, für mich ist es die Erfahrung, die Zuneigung, die Liebe, das Leid. Wer die Mutter, die Frau so gesehen hat wie er, der wird nie aufhören können, sie zu lieben. Und vielleicht bewirkt er damit noch mehr, als nur sein eigenes Leid zu zeigen.

Gestern stand und lauschte sie
in Stücke sinnt er
Lidschluss taktet zwei vier
Glocken drängen Körper fort

Einzig hier hatte ich größere Probleme, den Inhalt zu verstehen oder ihn mir auf meine Weise zu entschlüsseln. Das ist die Stelle mit dem Lidschluss. Okay, ich lass das mal auf mich wirken, denn es könnte sich einfach auf das Schauen des Films beziehen. Beide, der Vater und das Kind schauen ja den Film über die gegangene Mutter an. Vielleicht ist das der Prozess, wie die Erinnerungen des Zeigenden sich mit den Erinnerungen des schauenden Kindes gleichschließen. Die Glocken als Zeichen ihrer Beerdigung?

Er spult dem Kind die Rolle vor
erzählt sind alle Feste
Wer sie so gesehen
je zum Fraß bekommen hat für
immer Hunger

Die letzte Strophe, die finde ich sehr berührend. Sie löst nicht nur auf, dass es eine gemeinsame Erinnerung ist, das Sehen eines Filmes, denn der Vater spult die Rolle vor, es ist damit ein Teilen. (von daher vielleicht auch der gemeinsame Lidschlusstakt.) Was ich sehr berührend finde, das ist aber eine ganz neue Wahrnehmung, denn du schreibst "zum Fraß bekommen", das ist ja nichts Angenehmes, nichts Positives, nichts, was mit Reflektieren oder einer gut tuenden Erinnerung zu tun hat. sondern die Weise der Erinnerung ist wohl eine, die für imnmer neuen und erneuten Hunger auslöst.

Ja Lorraine, seit langer Zeit mal wieder ein Gedicht kommentiert, seit langer Zeit das erste Mal wieder hier gewesen, ich hoffe, ich hab mich nicht völlig vertan in deinem Gedicht. Aber was deutlich herausgekommen sein dürfte: Ich mag es sehr.
Sorry, dass ich momentan weniger auf Rhythmus etc eingegangen bin, ich war ein bisschen erstaunt über die inhaltliche Diskussion, daher habe ich mich auch darauf am meisten bezogen. Und es liegt mir als der Erzählerin vielleicht und wohl auch  näher.

Viele Grüße von Zufall
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Lorraine
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 648
Wohnort: France
Das goldene Stundenglas Ei 10
Lezepo 2017 Pokapro 2016


Beitrag12.06.2016 07:46
Re: Ihr nach gedacht
von Lorraine
Antworten mit Zitat

Stimmgabel hat Folgendes geschrieben:
-


Ihr nach gedacht

Er wischt dem Tisch die Ringe ab
gezählt sind seine Tage
Wer sie so gesehen
mit ihm Maß genommen hat nicht
ausgetrunken

Einmal saß und schnitt sie noch
in Bahnen sagt er
zählt an Fingern Jahre
schweren Stoffes und er fällt

Streicht das Kleid mit Blicken glatt
gezählt sind seine Tage
Wer sie so gesehen
nur zum Spaß genommen hat nicht
viel verstanden

Gestern stand und lauschte sie
in Stücke sinnt er
Lidschluss taktet zwei vier
Glocken drängen Körper fort

Er spult dem Kind die Rolle vor
erzählt sind alle Feste
Wer sie so gesehen
je zum Fraß bekommen hat für
immer Hunger


---------------------------------------


Hallo Lorraine,

mich persönlich lässt der Text ratlos zurück, ob seiner Motivation, ob seines Aussage_ziels?


Hallo Stimmgabel

Anhand deiner Festschreibungen und Fragen, Schlussfolgerungen und Suchbilder versuche ich mal, deiner herantretenden Lesespur zu folgen, wobei ich aus deinem Komm. jenes stehen liess, was mir als Weg- und Wertmarkierungen diente (Unterstrichenes von mir, alles andere aus deinem KommentarText).

Festschreibungen:

Frau
- psychologisiert sich

- sieht im Mann

- depressiert, figuriert, inszeniert
Gedankenübertragung ihrer Gedanken in den symbolisierten Mann [ das Übel

Teil-Fazit:

MMn eine sehr übliche psycho_Akrobatik die der Verlassene in seiner Schmerz-Achterbahn selbst_psycho pathologisiert [ im Verarbeitungsprozess ]  /

Frage:
 also, was ist nun die tiefere Textaussage?

Antwort/Suggestion:
 Eine depri_Frau??? die sich im trennungs_Schmerz suhlt?

Frage:
Auch habe ich ein Fragezeichen zur Funktion des plötzlich eingeführten Kindes?

Antwort/Versuche/Ausschlussverfahren/weitere Fragen:

 MMn nicht das Kind im Manne [ gäbe mir keinen textalen grundierten Sinn, dass Mann jene weite Rückschau inszeniert ] ... bleibt also nur quasi das instrumentalisierte Trennungskind im Konflickt der trenn_Eltern; selbst wenn, bliebe mir auch dieser Gedanke nicht text_gebunden.

Okay, gäb es noch diese Möglichkeit, dass hier dieses Bild des trennungs_Kindes als quasi erzähl_Metapher der kaputt gegangenen Beziehung stehen soll? mmhhh???


Meinungsäusserung zu Form/Sprache/Stil (weiterhin das Innen einer Frau gründelnd):

Sprachlich, die Umsetzung: mir persönlich zu hermetisch löchrig gewortet, zu Rhythmus_zerhackt; dann dieses mMn Zuviel an personalem, unkonkretetem Beliebigtanz [ er, sie, es=Kind ]; der Stil des apokoinu'eskem text_Verfließen ist mir hier auch zu unerkenntlich umgesetzt [ ergo, viel Lesestocken und Spekulieren der Koinu_stücke ]. Nähme ich mal die innere Zerrisssenheit der Frau als selbsreferentielle Stil_idee des zerhackten Textes an, brauchte ich selbst dafür ein wenig mehr Wortefluss, klar, nur meine Problematik Wink

Herauslösen, deutende Zustimmung, Positiv-Teil:

Zwei Sequenzen haben mir ausnehmend sehr gut gefallen:

Er wischt dem Tisch die Ringe ab  [ die echten Ringe jener damals_Liebe, als Abbild des Liebes_endes ],

Streicht das Kleid mit Blicken glatt [ gleichbedeutend: das lebendig androgyne einer Liebe adacta zu legen ]

Einschränkung/weiteres Teil-Fazit:

... diese Bilder werden mMn aber sofort haltlos im text_Raum zurückgelassen, mMn in der Textfolge fast schon zertreten.

_

Dazu nun ein paar Fragen meinerseits, es gibt (selbstredend) keine Garantie für Neutralität, schliesslich gehe ich (auch) auf die Textsorte Kommentar ein, die in deinem Fall immer auch eine eigen(urheber-)tümliche darstellt:

Könnte es sein, dass deine Ratlosigkeit damit zusammenhängt, dass du die Frau, deren Suhlen, deren Gedankenübertragung du voraussetzt (oder dir während der Lektüre übersetzt), im Text als Ich zwar unterstelltest, dieses Ich aber gar nicht finden konntest?

Wie kommt es, dass dem Text (oder Teilen davon) Mängel zwar gefunden ("übliche psycho Akrobatik", "zu hermetisch löchrig gewortet", "personaler ... Beliebigtanz", "Lesestocken", ...), sie aber ausschliesslich im Sinne und mit Hilfe (d)einer  Schablone betrachtet werden, die Frage zu Beginn folglich eine ohnehin rhetorische war?

Es liegt mir fern, dir deine Brillensicht vorzuwerfen, du hast sie immerhin geteilt, mit mir und den Thread-Lesern. Ich verlange auch nicht - wer bin ich denn - deine Brille zur Seite zu legen, es würde deine Sicht eine verschwommene, so meine Vermutung. Ich nehme deinen Kommentar als das, was er für mich sein kann: Ein Sich-Mitteilen, dem ich die Beachtung und das Nach-Denken schenke, das es braucht.
Was macht das Lesen mit einem Text? Kann ein Text be-schrieben werden, dabei unangetastet bleiben? Ich meine, die Antwort kann nicht gegenwärtig sein, ich kann - als Verfasserin - jetzt nicht wissen, ob ein Gedicht (zB) ohne meinen Namen oder die Kenntnis über mein Geschlecht existieren kann.

Lorraine
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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag12.06.2016 11:09

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-

Hallo Lorraine,

nun, es war ja schon längst klar, dass meine Textreise [ Empfindung aus dem SchwarzaufWeiß ] ganz woanders hingeht als deine intendierte, von der ich bis heute noch nix erfahren habe Wink

quasi, der Autor schweigt sich breit aus und denkt sich sein Teil über die mannigfaltig verschmutzen Brillen der Leser hi hi ...  / dann doch lieber einzig ein allgemein_drüberhuschendes  'toller Text' ; 'ist doch klar' ; 'hat mich sehr berührt' ... usw ...

Du schreibst:

Lorraine hat Folgendes geschrieben:

Es liegt mir fern, dir deine Brillensicht vorzuwerfen, du hast sie immerhin geteilt, mit mir und den Thread-Lesern.
.


Wieder ein Hi hi ... rhetorisch fein inszeniert. Der versteckte quasi_Vorwurf an Stimmgabel, sich doch solch eine immerhin_Brille schenken zu können, vor allem deswegen, da es ja auch noch andere lesen Wink

und:  hieran anlehnend deine interessante Herangehenweise an meinen erarbeiteten detail_Kommentar [ du nennst es: "diese Textsorte Kommentar" ] derart, meinen Komm gelöchert, rauskopiert und suggestiv mit deinen zwischen_Titeln markiert ... und das war's dann auch schon; okay noch dein Hinweis dbzgl angenäht, dass meine Sichtweise wohl meiner Sichtweise entspricht [ wie du sagst Schablone ]; doch doch, dass muss ich mal sehr überdenken.

Resümee:  Ich soll mir bestimmt ob dieser Kommunikationsweise [ du zu mir ] etwas denken ... okay, mache ich.


... mal gucken ob ich oder andere hier im Faden [ außerhalb PN's oder oder ... ] also öffentlich, nochmal was über deine eigentliche text_Intention erfahren,

bleibe also dbzgl sicher am Ball.


... hatte auch noch paar Gedanken, die ich meinem Kommentar beifügen wollte  / akzeptiere aber sehr deine Empfindung, dass ein weiteres "immerhin" nun wirklich nur ein "immerhin" sein könnte.


Lorraine, ein vielen Dank für deine Zwischenzeilen Smile ... die zwar nix mit deinem Text zu tun haben, geschweige mit meinen Text_gedanken am Objekt, aber doch ...



Gruß Stimmgabel


-


_________________
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BlueNote
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Beitrag12.06.2016 11:39

von BlueNote
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Zitat:

quasi, der Autor schweigt sich breit aus und denkt sich sein Teil über die mannigfaltig verschmutzen Brillen der Leser hi hi ...  / dann doch lieber einzig ein allgemein_drüberhuschendes  'toller Text' ; 'ist doch klar' ; 'hat mich sehr berührt' ... usw ...

Ich halte es da mit Obelix (einem großen Pragmatiker unserer Zeit): Die spinnen, die Lyriker!

Es geht also wieder mal um die Enträtselung (der Enträtselung) des Rätsels. Die von Rainer gefällt mir gut!

Hier lese ich von der Erinnerung an eine (vermutlich) tote oder anderswie gegangene Mutter, der Vater teilt seine Erinnerung an sie mit seinem Kinde, zeigt ihm die Mutter, die Vergangenheit, die Feste auf Video und pflanzt damit dem Kind eine unstillbare Erinnerung an die Verlorene ein.

Ich nehme diese Enträtselung, solange die Brillen noch nicht geputzt, rosa oder rußgeschwärzt sind und sage: Tolle Interpretation! Vielleicht hat sie ja was mit dem Rätsel zu tun.
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Lorraine
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Beitrag12.06.2016 13:28

von Lorraine
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Mahlzeit!
Stimmgabel, ich lasse deinen AntwortText mal im Ganzen stehen, Kommentarkommentare in Blau füge ich ein.
 
Stimmgabel hat Folgendes geschrieben:
-

Hallo Lorraine,

nun, es war ja schon längst klar, dass meine Textreise [ Empfindung aus dem SchwarzaufWeiß ] ganz woanders hingeht als deine intendierte, von der ich bis heute noch nix erfahren habe Wink

quasi, der Autor schweigt sich breit aus und denkt sich sein Teil über die mannigfaltig verschmutzen Brillen der Leser hi hi ...  / dann doch lieber einzig ein allgemein_drüberhuschendes  'toller Text' ; 'ist doch klar' ; 'hat mich sehr berührt' ... usw ...

Ist das so? Klare Ansage, ich werde über meine Vorlieben aufgeklärt.

Du schreibst:

Lorraine hat Folgendes geschrieben:

Es liegt mir fern, dir deine Brillensicht vorzuwerfen, du hast sie immerhin geteilt, mit mir und den Thread-Lesern.
.


Wieder ein Hi hi ... rhetorisch fein inszeniert. Der versteckte quasi_Vorwurf an Stimmgabel, sich doch solch eine immerhin_Brille schenken zu können, vor allem deswegen, da es ja auch noch andere lesen Wink

Wäre da etwas versteckt, dann könnte es sich - deiner Satzkonstruktion zufolge - nicht um einen Vorwurf handeln. Du hättest mindestens "Vorschlag" oder "Aufforderung" einsetzen müssen. Dass auch Kommentatoren im Bewusstsein posten, gelesen zu werden, mindestens aber damit rechnen dürfen/müssen, steht nicht zur Debatte. Denke ich.

und:  hieran anlehnend deine interessante Herangehenweise an meinen erarbeiteten detail_Kommentar [ du nennst es: "diese Textsorte Kommentar" ] derart, meinen Komm gelöchert, rauskopiert und suggestiv mit deinen zwischen_Titeln markiert ... und das war's dann auch schon; okay noch dein Hinweis dbzgl angenäht, dass meine Sichtweise wohl meiner Sichtweise entspricht [ wie du sagst Schablone ]; doch doch, dass muss ich mal sehr überdenken.

Ich habe klar angesagt, dass ich genau das aus deinem Kommentar zitiere, was ich als Wegmarken in deinem richtungsweisenden - auf den Ort an dem du angekommen bist zeigenden - Kommentar sehe und die ich der Reihe nach ordne. Dein nicht-löchriger OrginialKomm. ist jederzeit nachlesbar.

Resümee:  Ich soll mir bestimmt ob dieser Kommunikationsweise [ du zu mir ] etwas denken ... okay, mache ich.

Nachlesen hilft auch. Hoffe ich.


... mal gucken ob ich oder andere hier im Faden [ außerhalb PN's oder oder ... ] also öffentlich, nochmal was über deine eigentliche text_Intention erfahren,

Den Boden bereiten? Mich deiner Aufmerksamkeit versichern? Was du über die Text-Intention erfahren wirst/kannst - wir werden sehen. Du wirst sehen.
Ich erwarte im Allgemeinen keine Erläuterungen seitens eines Verfassers - ich weiss aus Erfahrung, das der Strick: "Muss ein Text erklârt werden, dann taugt er nichts" Leuten und Lyrikern gern gedreht wird.
Der, über den wir hier reden ? stellt nicht meine persönliche Bestleistung dar. Ich werde auch nicht ans äusserste mit ihm gehen (hoffe ich).


bleibe also dbzgl sicher am Ball.


... hatte auch noch paar Gedanken, die ich meinem Kommentar beifügen wollte  / akzeptiere aber sehr deine Empfindung, dass ein weiteres "immerhin" nun wirklich nur ein "immerhin" sein könnte.

Fühl dich nicht gemaulkorbt, welchen Sinn hätte so ein Versuch meinerseits?
Lorraine, ein vielen Dank für deine Zwischenzeilen Smile ... die zwar nix mit deinem Text zu tun haben, geschweige mit meinen Text_gedanken am Objekt, aber doch ...

Keine Ursache, geschehen.


Gruß Stimmgabel

Gruss zurück
Lorraine

-
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rieka
Geschlecht:weiblichSucher und Seiteneinsteiger


Beiträge: 816



Beitrag12.06.2016 13:45

von rieka
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Erst einmal vorweg:
die Interpretation solcher Gedichte überfordert mich. Solche Texte hinterlassen lediglich eine Wand mit vielen, teils unzusammenhängenden Bildern, die mich auch ohne Klarheit mal mehr und mal weniger ansprechen. Was mich wiederum trotzdem anzieht. Manchmal besteht eine unabhängig von den Wörtern entstandene Vermutung.

Weswegen ich mich dennoch einklinke, obwohl ich nichts Entschiedenes zu deinen Zeilen sagen kann, ist
das „Kind“. Oder anders ausgedrückt, ich schwimme in vielen Phantasien und nenne eine davon.

Es ist weiter oben von einer Beziehung die Rede. Dem Ende einer Beziehung.
Eine solche ahne ich auch, sehr unsicher zwar. Eine spezielle Art von Beziehung.

Beziehung gibt es auf vielen Ebenen, in vielfältiger Weise.
Ebenso ein Kind. Ein Kind kann ein Produkt des Einzelnen oder/und ein Produkt der „Zusammenarbeit“ sein, eine eigene „Schöpfung“ des Körpers oder/und des Geistes.

Ich ziehe in Betracht: es handelt sich nicht um ein Kind aus Fleisch und Blut, sondern um eine Schöpfung, um ein Werk, ein Kind des Geistes.

Wenn ich in diese Richtung schaue, wenn es sich also nicht um eine leibliche Beziehung handelt, bekommt auch das Wort Stoff eine entsprechende Bedeutung. Man kann ein gemeinsames Thema erarbeiten, oder gemeinsam an einem Thema arbeiten, an dem Stoff dieses Themas. Dieser Stoff kann sehr schwer sein. Man kann sich an den Bahnen eines bestimmten Stoffes entlang arbeiten, mit Leib und Seele.
Ist das Projekt beendet, ist auch die Beziehung beendet.  
Aber ist das Interesse an dem Stoff, an einem solchen Kind auch innerlich beendet? Bleibt der Hunger?

Ich bin gespannt, ob sich mir das Gedicht von dir noch erschließt.
Die Interpretation von RAINER ZUFALL geht wieder in eine andere Richtung. Die Interpretationen davor hatte wiederum etwas ganz Eigenes.
Ob die Vielfältigkeit bleibt? Oder wird sich ein für mich klareres Bild herauskristallisieren?
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

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Beiträge: 2452
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag12.06.2016 14:15

von menetekel
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OT ('tschuldigung, Lorraine)

Zitat:
Ein Kind kann ein Produkt des Einzelnen oder/und ein Produkt der „Zusammenarbeit“ sein,


 love rotwerd
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Aranka
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A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A
Beitrag12.06.2016 14:20

von Aranka
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Ich lese schon ein paar Tage in deinem Text und mache mir Gedanken, die Kommentare habe ich überflogen, leser aber teilweise recht anders.

Es gibt hier ein paar sehr poetische Zeilen, bei denen ich gerne hängen bleibe, die mir eine Bandbreite an Bildern und Assoziationen öffnen. Ob diese mit den   Gedanken des Autor übereinstimmen, weiß ich nicht. Ich frage auch nicht danach. Was der Autor sagen wollte, das hat er mit dem Text getan, dem ich nun mit meinem Hintergrund versuche zu folgen und ich frage mich, was der Text mir sagt, welche Wirkung er auf mich ausübt und was er ggf. mit mir macht. Und genau das ist es, was ich dem Autor mitteile.

Damit ich mir das ewige „für mich“ und „mMn“ sparen kann, alles was nun folgt bezieht sich ganz allein auf meine Empfindung, auf meinen Leseeindruck.

 Zur Wirkung:

Der Text hat eine stark rhythmische Wirkung und spielt ebenso wirkungsvoll mit dem Wort- und Vokalklang. Es spielt mit Satz- und Strukturwiederholungen und auffallenden Zeilenumbrüchen und zeigt sich damit als ein sehr durchkomponiertes und gestaltetes Werk. Lyrik eben: „Die zum Spiel der Lyra gehörende Dichtung“. Dem wird der Text gerecht.

Inhaltlich (so wie ich ihn lese) hat der Text nichts Leichtes, ist ein eher „erdenschwerer“ Text.

Er berührt „Versäumnisse / Mangel“, die ich hier trotz der versuchten Distanz (dazu später mehr) als Versäumnis benannt fühle.

Textstellen:

Zitat:
hat nicht / ausgetrunken;
hat nicht / viel verstanden;
hat für / immer Hunger


(hier auch die bereits erwähnte sich in der Struktur wiederholenden Zeilenumbrüche)

Eine Spur Resignation, Niedergeschlagenheit bis hin zu einer Spur nie verziehener Verletzungen finde ich da.

Die Personalebene hat mich immer wieder irritiert:

ein SIE, ein ER, deutlich im Text benannt (manchmal bin ich unsicher ob das „SIE“ auf beide abzielt. (Das sind die Stellen, die mit „wer sie so gesehen“ eingeleitet sind.)

Aber was ich noch mehr spüre als das TextER und TextSIE ist die erzählende Stimme außerhalb des Textes, das ICH, dass da auf alles schaut, das den Ton und die Worte setzt, aus dessen Gedanken und Kopf mir die Bilder zugespielt werden. Ob dieses (ich nenne es mal: ICH) identisch ist mit dem Sie im Text und sich selbst mit im Bild betrachtet? Kann, muss nicht! Machte jedoch Sinn.

Was ich da lese ist „Gedachtes“. So lese ich auch den Titel:
Ihr nach gedacht“

Ich lese die drei Worte a)getrennt, durch den Fettdruck verdeutlicht und b)ebenso zusammen.

 Eine Zeilenpaar, bei dem ich länger verweilt bin:

Zitat:
Er wischt dem Tisch die Ringe ab
gezählt sind seine Tage


Der Tisch, ein zentrales Möbel, egal in welchem Zimmer, egal aus welchem Material, ein Ort für Gespräche, für gemeinsames Tun und auch für einsame Stunden des Nachdenkens. Der Tisch kennt dies alles und bewahrt so einiges in sichtbaren und unsichtbaren Spuren. Es gibt die leicht wegwischbaren und die beharrlich zurückbleibenden Spuren.
„Ringe“: das können die Jahresringe des Holzes sein, woran ich jedoch nicht zuerst gedacht habe, auch die Ringe und Spuren des Alltags können gemeint sein, aber ich lese die Ringe auch dastehend als Symbol für die Versprechen, die Menschen sich geben, für das Verbindende, das nie Endende.
Nun wischt da einer dem Tisch die Ringe ab, einer dessen Tage gezählt sind. Ein starkes Bild, und gleichzeitig ein melancholisches, in der Endgültigkeit sogar radikales Bild.
Vor dem Hintergrund a) des nahen Todes (die Glocken lassen mich daran denken, muss aber auch nicht stimmen) oder b) eines Weggehens (Trennung aus welchem Grund auch immer), macht einer „reinen Tisch“. Was bleibt zurück? Ein Tisch ohne „Geschichte“? Was bedeutet das für die, die einst um den Tisch saßen?

Das ist eine gute Eröffnungszeile, sie öffnet so vieles und lässt mich ganz erwartungsvoll einsteigen.

Zitat:
Wer sie so gesehen
mit ihm Maß genommen hat nicht
ausgetrunken


Hier nun tritt dieses anonyme „WER“ zum ersten mal auf. Der außenstehende "Erzähler" (weiß, dass man in der Lyrik nicht von Erzähler spricht, von mir aus Stimme) benötigt nun eine noch mehr außen stehendere Instanz, um eine Aussage zu treffen. Verschanzt er sich dahinter?  Auch hat dieses WER nur „gesehen“ (also Oberfläche)?  Und das "SO" ist auch eine schwammige Größe. Wie gesehen? Ich sehe bisher nur ein Er, das dem Tisch Ringe wegwischt. Hier schwimmt einiges davon.
Hier auch die Frage zum SIE. Werden hier beide gesehen, oder nur SIE? Das SIE kann sich auch auf die Ringe oder die Tage beziehen.

„mit ihm Maßgenommen“ Ich lese eher mal als vorläufige Annahme: mit seinen Augen gesehen.

„Der hat nicht ausgetrunken.“ Eine pure Feststellung oder klingt da auch der Vorwurf eines Versäumnisses.

Der Blick in die Zeilen, ist wie der Blick durch ein Kaleidoskop. Ich kann an dieser frühen Textstelle  noch mit dem „Kaleidoskop-Blick gut leben.


Zitat:
Einmal saß und schnitt sie noch
in Bahnen sagt er
zählt an Fingern Jahre
schweren Stoffes und er fällt


Hier habe ich sehr das Gefühl, das außenstehende ICH ist mit SIE identisch. Das Außen-ICH schaut auf eine vergangene Situation, hört die Worte des ER und suggeriert nun mir, dem Leser, ich schaue durch seinen Kopf auf das Ganze.
Ich spüre gleichzeitig etwas Bitteres in der Zeile „in Bahnen sagt er“. Der Text bleibt hier zwar im Stoff-Bild, aber ich lese hier das „Kleid“ das man trägt wie das Leben. So bekommt dieses „in Bahnen“ etwas Einengendes, (ein Leben in Bahnen) etwas Stereotypes, Unkreatives.
Und dann werden die Zeilen immer schwerer: er/sie? zählen Jahre // Jahre schweren Stoffes.
 „und er fällt“ Dieses Zeilenende hat etwas Endgültiges. Er fällt und zerfällt. ER, der Stoff. Er steht vielleicht für das Leben, jedenfalls für das, was SIE bis dahin wichtig fand, an dem sie "sich abarbeitete"???

Zitat:
Streicht das Kleid mit Blicken glatt
gezählt sind seine Tage


Stünde diese erste Zeile außerhalb dieses Textes und vielleicht ohne dieses Wort „glatt“ amEnde, hätte sie für mich etwas Liebevolles, Zärtliches. Hier jedoch kann ich sie nicht so lesen. Das so unumstößliche „glatt“  am Zeilenende lässt mich „glattbügeln“ denken. Warum genügt mir hier nicht der Gedanke  „glätten“? Es liegt am Blick des Außen-Ichs auf die Szene, an dem Textton. Er hat zwar ein Bemühen um Distanz, erreicht sie aber nicht, ist deutlich ein betroffener Ton.

Zitat:
Wer sie so gesehen
nur zum Spaß genommen hat nicht
viel verstanden


Und wieder dieses WER! Und wieder eine Aussage , die betroffen macht, vielleicht sogar ein Vorwurf? „ / zum Spaß nehmen // Hat nicht viel verstanden.“

Spätestens hier spüre ich ein verletztes Ich, das hier spricht, ein enttäuschtes, vielleicht sogar ein aufgebrachtes. Mal sehen.


Lorraine, ich muss unterbrechen. Taste mich jedoch später weiter vor.


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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Aranka
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Beitrag12.06.2016 16:34

von Aranka
Antworten mit Zitat

Ich mache einmal weiter:

Zitat:
Gestern stand und lauschte sie
in Stücke sinnt er
Lidschluss taktet zwei vier
Glocken drängen Körper fort


Hier schaue ich wieder durch seinen Kopf auf SIE („sinnt er“), oder ist es der Baugleichheit zu Strophe 2 geschuldet?
Die kursive Zeile steht noch mit Fragezeichen bei mir. Verrückter Weise denke ich daran, dass der Lidschluss bei (in)takten Lidern ein Reflexschutz ist. Kann diesen Gedanken aber nicht einordnen.
„Glocken“: ich kenne das Glockengeläut zu alles Tageszeiten und zu vielen Anlässen und ich weiß, dass die Leute aufhorchten, wenn es zu ungewohnter Zeit läutete. „Ist wieder einer von uns gegangen“, hieß es dann. Aber Glocken begleiten ebenso erfreuliche und wichtige Ereignisse, sie tragen die Geschehnisse in eine andere Weite. (drängen Körper weg)

Zitat:
Ich muss das erst mal so stehen lassen.
Er spult dem Kind die Rolle vor


Das Kind tritt sehr unerwartet in den Text und ich kann es nicht wirklich einordnen. Es kann für Vieles stehen. Kann im Augenblick mit keiner wirklichen Idee spielen.
Jedoch kann ich etwas anderes aus dieser Zeile lesen: egal wofür das Kind auch immer stehen mag, das ER hat eine sehr distanzierte Position zu diesem Kind, so jedenfalls vermittelt es mir das Außen-Ich.
„Jemandem eine Rolle vorspulen“, das ist eine sehr unterkühlte Aussage und nie würde ich die Zeile so schreiben, wenn da ein Vater mit einem Kind ein Video von der verstorbenen Mutter anschaut.
Es wird zwar mit dem technischen Vorgang des „Film vorspulen“ gespielt, aber ich denke, dass hier vielleicht auch eine „Lebensrolle“ vorgespult und vorgespielt werden kann. Und die ewig neu erzählten Feste, sie sind längst abgespult. Was liegt nun davor?

Zitat:
erzählt sind alle Feste
Wer sie so gesehen
je zum Fraß bekommen hat für
immer Hunger


Hier wieder das WER und wie zuvor, der Aufbau gleich: zuerst eine heftige Aussage „zum Fraß bekommen“ und danach der spürbare Mangel, und hier schon fast wie eine Prophezeiung: „Der hat für immer Hunger.“

Mein vorläufiges Fazit:

Der Text tritt erst einmal durch sein „Gemachtsein“, seine Konstruktion an mich heran. Da ist Handwerk beherrscht und bewusst eingesetzt: „streng durchkomponiert“, „die Formwirkung ist dominant“.

Inhaltlich habe ich nur Bruchstücke vor Augen und kann keinen roten Faden finden. Muss ich auch nicht immer. Dennoch glaube ich, dass da ein paar mehr Konjunktionen gut wären, die entstehenden Bilder könnten dann vielleicht im Text „Fuß fassen“.

Der Textton hat für mich etwas Bitteres oder Verbittertes, die Personalebenen etwas von konstruiertem Versteckspiel. Ich fasse an der Stelle kein Vertrauen zum Text.

Es gibt einige Zeilen, an denen ich gerne hängen bleibe und die mir sicherlich im Gedächtnis bleiben werden, aber was ich als Aussage herauslese und heraus spüre, will in mir kein Echo anschlagen.

Lorraine, meine Begegnung mit dem Text.


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hypnobader
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Beitrag12.06.2016 19:51

von hypnobader
Antworten mit Zitat

Hallo Lorraine,

nach langer Zeit will ich mir auch mal wieder melden. Dein Stück reizt (mich).

Der Titel läßt an ein Memorial denken, ein Gedenkmal.

Bei den ersten beiden Zeilen vermute ich, dass sich das "seine" auf "er" bezieht. Der grammatikalisch näher liegende Tisch macht keinen Sinn. Er weiß also, dass er stirbt.
Dann wird eine "sie" eingeführt. Wer ist sie? Mal sehn. Das "hat" ist doppelt besetzt (ich mag sowas). Dennoch bleibt es rätselhaft. Ich spekuliere: sie ist Alkoholikerin. Die Ringe (der Gläser) auf dem Tisch, "sie so gesehen hat", "nicht ausgetrunken" (wenn meine Vermutung stimmt, eine für mich schwache Wortwahl).

Weiter. Hm. ER sagt, sie schnitt in Bahnen. Sagt mir nichts. Wenn Sie Jahre an Fingern zählt, will sie, dass die Zeit vorbei geht??  Die letzte Zeile fällt ganz raus. "schweren Stoffes" ist Genitiv. Wessen? Und dann fällt ER? Hm.

Weiter. Also, jetzt ist es klar. Wenn seine Tage nochmal gezählt sind. Er wird sterben.
Streicht er in der Erinnerung ihr Kleid mit Blicken glatt? Also, schönt er sie im Blick zurück? (finde ich stark)
Wer sie aber nur als witzig (geschönt?) gesehen hat sie nicht verstanden.

Weiter. Puh. Mit den Vierzeilern tu ich mich deutlich schwerer. Ne, da fällt mir jetzt nichts ein.

Weiter. Die Rolle wurde ja schon mehrfach als Filmvorführung interpretiert. Könnte passen.
"Erzählt sind alle Feste" verstehe ich als: alles ist vorbei.
Und jetzt wird's interessant.
Meine Leseweise:
wer sie je zum Fraß bekommen hat
Hat für immer Hunger
Also: sie hat sich besoffen vielen Männern hingegeben. Und wer dies benutzt hat, ist auch ein dauerhaft  Hungriger.

Was bleibt?
Ein fast mathematisch durchkomponiertes Stück. Hat für mich rhythmisch und mit den den Brüchen und Doppelbesetzungen und vor allem mit den Wiederholungen etwas hypnotisches.

Inhaltlich?
my try: eine überdrehte, aber auch depressive Alkoholikerin ist verstorben. Er hat mit mit ihr ein Kind, liegt im sterben und schaut mit dem Kind beschönigend zurück.

faszinierte Grüße
Michael


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Lorraine
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Beitrag13.06.2016 07:20

von Lorraine
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Guten Morgen, Mme Zufall

Du bist, wie du schreibst, nach langer Zeit das erste Mal wieder hier gewesen. Es freut mich, dass du ausgerechnet diesem Gedicht von deiner Zeit gibst und ich finde es gut, dass du dich "von der Prosa her" kommend diesem Text näherst, sagen wir: es passt zu ihm und der Erzählhaltung, die dem Gedicht (für mich) die Spannung, auch die Angreifbarkeit (Notiz an mich: Breitseite des Schmalen) verpasst - neben den diesen Text strukturierenden, formalen "Äusserlichkeiten", auf die ich aber getrennt und in einer weiteren Antwort eingehen werde.

Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Ihr nach gedacht Eigentlich sagt der Titel schon ganz viel. Er führt den Leser auf eine Erinnerungsreise

Ja, kann ich da sagen, möchte aber hinzufügen, dass ich versucht habe, dem Titel durch die typografische Zweiteilung (Ihr nach gedacht) etwas zu unterlegen, was ohne diese Einteilung undeutlicher geblieben wäre. Da ich durchgehend auf Zeichensetzung verzichtet habe (ohne diesen Verzicht beschränke ich mich zu sehr, kann die Möglichkeiten der grammatischen Verschiebungen, die ich dem Leser ja anbieten will, nicht ausnützen), musste das im Titel enthaltene ihr nach!, was der Erzähler seinen Figuren hier als etwas Vorausgegangenes, vielleicht einem Durchspielen von Reaktionsmöglichkeiten, unterstellt, ohne Ausrufezeichen auskommen. Gleichzeitig deute ich das Nachdenken an, das nach-trägliche, aber auch das ihr Hinterher-Denken, damit ein den Figuren unterstelltes Projizieren der Frau oder ihrer Abwesenheit in die Zukunft.
So jedenfalls hatte ich mir das vorgestellt.

Muss mich hier unterbrechen, schicke das jetzt dennoch ab, dann bleibt es haften und wird nicht vom Tisch gefegt. Noch ein Dankeschön vorerst und einen Gruss nach dort von hier,
Lorraine
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Lorraine
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Beitrag13.06.2016 12:42

von Lorraine
Antworten mit Zitat

... weiter im Text.
Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:

Für mich ist das ein sehr spannendes Gedicht, denn Vieles hat sich erst zum Ende hin enträtselt.

... schreibst du, und das zitiere ich deshalb, weil es zeigt, dass du dem Text zwar im Kommentar "von Beginn" folgst, deine Lesart jedoch sehr deutlich vom Ende her funktioniert. "Funktioniert" - weil ich ihr folgen kann, sie nachvollziehen kann, wenn ich davon ausgehe, dass dein Schlüssel dort zu finden ist, wo du deine Sicht auf das Ende beschreibst:
Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Die letzte Strophe, die finde ich sehr berührend. Sie löst nicht nur auf, dass es eine gemeinsame Erinnerung ist, das Sehen eines Filmes, denn der Vater spult die Rolle vor, es ist damit ein Teilen.


An dieser Stelle möchte ich etwas einbringen, womit ich immer mal ein Problem habe. Du sprichst davon, dass sich etwas "enträtselt" habe und ich sehe darin nichts Wertendes, lese das als Feststellung.

Es gibt aber auch Beiträge (und ich sehe das szs unabhänging von einem bestimmten Text oder Thread, zumindest auch) wie diesen:

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

quasi, der Autor schweigt sich breit aus und denkt sich sein Teil über die mannigfaltig verschmutzen Brillen der Leser hi hi ...  / dann doch lieber einzig ein allgemein_drüberhuschendes  'toller Text' ; 'ist doch klar' ; 'hat mich sehr berührt' ... usw ...

Ich halte es da mit Obelix (einem großen Pragmatiker unserer Zeit): Die spinnen, die Lyriker!

Es geht also wieder mal um die Enträtselung (der Enträtselung) des Rätsels. Die von Rainer gefällt mir gut!

Hier lese ich von der Erinnerung an eine (vermutlich) tote oder anderswie gegangene Mutter, der Vater teilt seine Erinnerung an sie mit seinem Kinde, zeigt ihm die Mutter, die Vergangenheit, die Feste auf Video und pflanzt damit dem Kind eine unstillbare Erinnerung an die Verlorene ein.

Ich nehme diese Enträtselung, solange die Brillen noch nicht geputzt, rosa oder rußgeschwärzt sind und sage: Tolle Interpretation! Vielleicht hat sie ja was mit dem Rätsel zu tun.


Da ich hier in einem meiner Fäden schreibe, erlaube ich mir, dazu Stellung zu nehmen, auch wenn der eingestellte Text mit einem solchen Exkurs nur bedingt zu tun hat. Was jetzt folgt, erhebt keinen Anspruch auf poetologische Ausformung oder Vollständigkeit und: Lesen muss das ja niemand.

Was Lyrik (für mich) der Prosa voraushat, besser, sie von ihr entscheidend abhebt, kommt hier zum Tragen. Im Folgenden „erläutere“ ich auch, wo im Gedicht ich diese Besonderheit noch ausnütze, gehe dabei ebenfalls vom Ende des Gedichts aus.
Diese Besonderheit hat mit dem Lesen von Lyrik zu tun, das meiner Meinung nach ein ganz anderes ist, als man in der Prosa voraussetzt oder erwarten kann. Es ist ein wiederholtes Lesen, ein Lesen, das Klang und Rhythmus mit einbezieht, demnach lautmalende Elemente und Stilfiguren als natürlich und gleichzeitig kunstfertig akzeptiert; sich solchen Elementen jedoch bei einem Lesen, das sich einlässt, das Berührung zulässt, aber nicht die (Ein-)Sicht verbauen lässt: überlassen darf. Widerstände können zugelassen werden, einem Hängenbleiben muss man nicht, aber darf man eine Absicht glauben. Alltagssprache oder Direktheit kann man vermissen, man hat aber die Freiheit, eine geformte Sprache als Bereicherung zu sehen, manchmal beides zusammen oder gegeneinander wirkend im selben Text.

Formen der uneigentlichen Sprache und damit auch Metaphorik als schmückendes Beiwerk, gar als ein Verrätseln um des Ratespaßes Willen zu sehen, als überhebliche Geheimnistuerei – wer für Lyrik etwas übrig hat oder auch nur einmal kalt erwischt wurde von dem Gefühl, ein Gedicht nicht nur verstanden zu haben, sondern in der eigenen, inneren Sprachlosigkeit verstanden worden zu sein; wer erfahren hat, dass Sprache durch Konzentration, Kombination in Gedichten sich einer solchen Vielfalt von Möglichkeiten immer neu finden und formen lässt, dass einen manchmal der Schwindel packt; wer seine Grenzen der Aufnahmefähigkeit respektiert, aber nicht die der eigenen Kreativität; wer bereit ist, auch Sprache und Formen aus der langen Geschichte der Lyrik, die Verskunst nicht nur als verstaubtes Erbe, sondern als klingenden, lebendig gebliebenen und von lebendigen Menschen in ihrer Zeit geschriebenen Wort- und BildungsSchatz anzunehmen, der wird seine Zeit nicht mit Spott vertun, sondern einfach aufhören, alles verstehen zu wollen und auf der Stelle.

/Exkurs
... und damit eine weitere Unterbrechung, ich mache bald weiter, dann kommt "das Kind" dran, und das nicht zufällig. smile
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firstoffertio
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Beitrag14.06.2016 23:34
Re: Ihr nach gedacht
von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Ich bin spät dran, will darum erst mal nicht schon vorhandene Kommentare lesen

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
      .

      Ihr nach ist fett gedruckt. Warum?
      Kann ich es so lesen wie Aufforderung: Ihr nach! Und dazu Gedanken? Bin nicht sicher. Aber mir scheint, sie ging mit irgendetwas voran.


      Ihr nach gedacht

      Er wischt dem Tisch die Ringe ab
      gezählt sind seine Tage
      Wer sie so gesehen
      mit ihm Maß genommen hat nicht
      ausgetrunken

      Ich sehe Ringe auf Tischen von Glasern (Mass Bier), aber ich denke auch an Eheringe. Gleichzeitig das Vermessen der Ringe, an dem jemand teilnahm, der nicht ausgetrunken hat. Ist sie gestorben? Hat sie verlassen?

      Einmal saß und schnitt sie noch
      in Bahnen sagt er
      zählt an Fingern Jahre
      schweren Stoffes und er fällt

      Sie schnitt noch einmal in Bahnen: Wie gewohnt? Bevor sie ging? Nach Jahren schweren Stoffes. Nach schweren Jahren? Nicht alles war gut?

      Streicht das Kleid mit Blicken glatt
      gezählt sind seine Tage
      Wer sie so gesehen
      nur zum Spaß genommen hat nicht
      viel verstanden

      Das Kleid. Hhm. Auch seine Tage sind gezählt. Das Kleid eine äußere Fassade, glatt gestrichen. LI will sie ungern aufgeben, Weiß aber, dass darunter im Argen lag.

      Gestern stand und lauschte sie
      in Stücke sinnt er
      Lidschluss taktet zwei vier
      Glocken drängen Körper fort

      Sie stand und lauschte in Stücke. Er sinnt in Stücke. Hhm. Das Gewohnte ist zerschnitten, vergangen.
      Lidschluss und Glocken lassen mich nun an Tod denken.


      Er spult dem Kind die Rolle vor
      erzählt sind alle Feste
      Wer sie so gesehen
      je zum Fraß bekommen hat für
      immer Hunger

      die Rolle: Filmrolle, Rolle, die gespielt wurde? Beides?
      Das Kind: Das Kind?

      Die letzte Strophe macht mir am meisten Probleme.
      Warum denke ich nun hier an eine bekannte Sie? Dazu passte auch die Filmrolle. Die Stücke? Hhm.
      .
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menetekel
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Beitrag15.06.2016 07:21

von menetekel
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Mein vorerst letzter Versuch:

Du beziehst auf Freuds sog. zweite Topik: hier Überich, Ich, und Es.
Das Gedicht wird vom Ende her aufgerollt, ist gleichwohl auch andersherum lesbar.

Jedenfalls: Diese Deutung bereinigt meine Fragen: Ein erwachsenes Ich räumt mit seiner Vergangenheit auf (du nanntest es an einer Stelle tabula rasa), im Mittelfeld kommt die Frau zu Wort, die sich um diese Entwicklung bemüht zeigt und am Ende Es.

Und es wird wunderbar klar, dass dieser Prozess niemals ganz gelingen kann. Flickwerk ist und bleiben muss.

In diesem Lichte bin ich vom Gedicht noch begeisterter als zuvor.

m.
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firstoffertio
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Beitrag16.06.2016 00:36
Re: Ihr nach gedacht
von firstoffertio
Antworten mit Zitat

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Ich bin spät dran, will darum erst mal nicht schon vorhandene Kommentare lesen

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
      .

      Ihr nach ist fett gedruckt. Warum?
      Kann ich es so lesen wie Aufforderung: Ihr nach! Und dazu Gedanken? Bin nicht sicher. Aber mir scheint, sie ging mit irgendetwas voran.


      Ihr nach gedacht

      Er wischt dem Tisch die Ringe ab
      gezählt sind seine Tage
      Wer sie so gesehen
      mit ihm Maß genommen hat nicht
      ausgetrunken

      Ich sehe Ringe auf Tischen von Glasern (Mass Bier), aber ich denke auch an Eheringe. Gleichzeitig das Vermessen der Ringe, an dem jemand teilnahm, der nicht ausgetrunken hat. Ist sie gestorben? Hat sie verlassen?

      [color=green]HALT: SIE
      kann sein
      die, der nachgedacht wird
      die Ringe
      die Tage

      alle drei?
      [/color]
      Einmal saß und schnitt sie noch
      in Bahnen sagt er
      zählt an Fingern Jahre
      schweren Stoffes und er fällt

      Sie schnitt noch einmal in Bahnen: Wie gewohnt? Bevor sie ging? Nach Jahren schweren Stoffes. Nach schweren Jahren? Nicht alles war gut?

      Streicht das Kleid mit Blicken glatt
      gezählt sind seine Tage
      Wer sie so gesehen
      nur zum Spaß genommen hat nicht
      viel verstanden

      Das Kleid. Hhm. Auch seine Tage sind gezählt. Das Kleid eine äußere Fassade, glatt gestrichen. LI will sie ungern aufgeben, Weiß aber, dass darunter im Argen lag.

      Gestern stand und lauschte sie
      in Stücke sinnt er
      Lidschluss taktet zwei vier
      Glocken drängen Körper fort

      Sie stand und lauschte in Stücke. Er sinnt in Stücke. Hhm. Das Gewohnte ist zerschnitten, vergangen.
      Lidschluss und Glocken lassen mich nun an Tod denken.


      Er spult dem Kind die Rolle vor
      erzählt sind alle Feste
      Wer sie so gesehen
      je zum Fraß bekommen hat für
      immer Hunger

      die Rolle: Filmrolle, Rolle, die gespielt wurde? Beides?
      Das Kind: Das Kind?

      Die letzte Strophe macht mir am meisten Probleme.
      Warum denke ich nun hier an eine bekannte Sie? Dazu passte auch die Filmrolle. Die Stücke? Hhm.

      [color=green]Das Lied im Lidschluss
      [/color].
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Lorraine
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Beitrag17.06.2016 23:36

von Lorraine
Antworten mit Zitat

Guten Abend,
Ich melde mich hier, erstmal, um mich bei rieka, Aranka, hypnobader und firstoffertio für ihre z.T. ausführlichen, aufschlussreichen, ins Detail gehenden und für mich sehr bedenkenswerten Kommentare zu bedanken.

Es fällt mir im Augenblick schwer, mich auf das alles einzulassen, in einer angemessenen Weise zu antworten, mich mit den Fragen auseinanderzusetzen, die dem Text wiederholt gestellt wurden. Auch, weil ich fürchte, ausufernd zu werden, zu viele Worte um Dinge zu machen, die das, was ich durchaus zu sagen hätte, wie ein Verteidigen, ein Rechtfertigen aussehen ließen.
Dabei geht es mir nicht so sehr um die Frage, ob oder wie viel mir an diesem Gedicht liegt, es geht vielmehr darum, ob und wie weit ich bereit bin, einen Text stellvertretend für eine (Selbst-)Vertrauensfrage ins Rennen zu schicken. Eins, das es für einen meiner Texte, die ich nicht für mich behalte, gar nicht mehr geben kann, und mit "Rennen" meine ich nicht einen wie auch immer gearteten Wettbewerb der Eitelkeiten oder den Spießrutenlauf des Rätselratens. Ich dachte, ich könnte das wieder einmal: Einen Text vorstellen, an ihm arbeiten, ihn ausleuchten lassen und dabei mehr erfahren, über mein Schreiben. Ich scheitere aber, ich denke, ich scheitere an diesem Ort; daran, wie ich mich in mir letztendlich unzugänglichen, fremden Gedanken verliere. (Zu) lange Rede, kurzer Sinn: Ich melde mich wieder, wenn ich klarer sehe, ein vorläufiges Dankeschön nochmals an alle, die sich dem Gedicht gewidmet haben.
Lorraine
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Rainer Zufall
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Beitrag18.06.2016 08:47

von Rainer Zufall
Antworten mit Zitat

Hallo Lorraine,

du wolltest dich erst wieder melden, wenn du klarer siehst. Das akzeptiere ich natürlich. Lass mich nur diese Klarstellung noch sagen:

Zitat:
An dieser Stelle möchte ich etwas einbringen, womit ich immer mal ein Problem habe. Du sprichst davon, dass sich etwas "enträtselt" habe und ich sehe darin nichts Wertendes, lese das als Feststellung.


Ja, "enträtseln" war natürlich wertfrei gemeint. Wär mir klar gewesen, dass mit der Benutzung dieses Wortes nur allzu schnell ein bewusster Trick des Lyrikers verstanden wird, den armen Leser mit Blendwerk reinzulegen, ich hätte den Begriff nicht benutzt. Aber ich verstehe jetzt, dass das so ankommen kann. Ich hätts wohl wissen können. Das tut mir leid.

Was ich mit dem "Enträtseln" eigentlich meinte, ist ähnlich dem, was du später schreibst:
Zitat:
wer seine Grenzen der Aufnahmefähigkeit respektiert, aber nicht die der eigenen Kreativität; wer bereit ist, auch Sprache und Formen aus der langen Geschichte der Lyrik, die Verskunst nicht nur als verstaubtes Erbe, sondern als klingenden, lebendig gebliebenen und von lebendigen Menschen in ihrer Zeit geschriebenen Wort- und BildungsSchatz anzunehmen, der wird (...) einfach aufhören, alles verstehen zu wollen und auf der Stelle.

Ich glaube, der Mensch sucht häufig nach einem Sinn hinter den Dingen, nach etwas, was eine Erfahrung auf neue Weise beleuchtet und neues Erkennen auslöst. Vielleicht auch nur eine Erinnerung in ein anderes Licht taucht. Das ist der Grund weshalb ich schreibe, bisher hauptsächlich Geschichten, weshalb ich mich aber auch ganz besonders an Lyrik erfreue, weil die einfach manches besser oder vielfältiger kann als Prosa. Auch wenn ich mich um eine für mich und meine derzeitige Situation passende oder gelingende Deutung bemüht habe, die vielleicht gar nicht so viel mit deinen Beweggründen zu tun hat, was macht das schon? Ich bin nicht der Meinung, dass es in der Lyrik auf die eine richtige Interpretation oder Deutung ankommt.
So  mochte ich dein Gedicht gern entdecken und nehmen als eine spannende und mir etwas erzählende Reise, in die ich eintauchen konnte/kann, um immer wieder neue Ecken, Kanten und schillernde Bilder zu entdecken.
So long.
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Erman
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Beitrag18.06.2016 11:25

von Erman
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Liebe Loraine,

von Deinem Text bin ich nicht angetan, er verursacht bei mir geheimnisvolle, nie da gewesene Kopfschmerzen beim Lesen - ausleuchten des Inhalts.
Dein Text/Gedicht versteckt alles, wie eine Nonne. Vorschläge für eine eventuelle Verfeinerung; da müssen die Dichterseelen das Gedicht im Gedicht zunächst Mal lösen.
Du gibst auch nichts Preis, nicht mal kleine Krümchen. Das Gedicht sitzt im Glashaus. Ich sage nur als Stichwort ''Trennung''.

Dennoch wurde ich fündig – einfach großartig!

Dabei rücke ich Deine Zeilen aus Deinem letzten Kommentar zurecht:


Für einen meiner Texte,
die ich nicht für mich behalte.

Ich dachte,
ich könnte das wieder einmal:
Einen Text vorstellen, an ihm arbeiten,
ihn ausleuchten lassen und dabei mehr erfahren -
über mein Schreiben.

Ich scheitere aber,
ich denke, ich scheitere an diesem Ort;
daran, wie ich mich in mir
letztendlich unzugänglichen,
fremden Gedanken verliere.



D a s nenne ich ein Gedicht. In diesen Zeilen ist mehr Ehrlichkeit, Melodie, Farbe, Ernsthaftigkeit und – als Bonus ( letzte Strophe ) eine echte weibliche Stimme! D a s ist Echt!.
Das war nur möglich, weil Du beim Schreiben dieser Zeilen unbewusst lyrisch dachtest.


10 Mal gern gelesen. (Bitte mehr davon.) love
 
Angetane Grüße
Erman


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Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman
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llll
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Beiträge: 121



L
Beitrag18.06.2016 14:03

von llll
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Hallo Erman
Dein Kommentar ist mir sehr interessant,
weil auch mir das besprochene Gedicht dieses Fadens
leider total verschlossen bleibt, sprachlich und inhaltlich.
Umso mehr staune und bewundere ich Dein aufmerksames Lesen
und wie Du im Gelesenen dieses andere Gedicht entdeckst und zu Tage förderst und erläuterst !
Die ersten beiden Zeilen lese ich als Titel und Widmung.
Deshalb wäre da vielleicht noch eine weitere Leerzeile Abstand nötig
zum Gedichtbeginn hin, also mehr Abstand als zwischen den beiden Gedichtstrophen.... - ? -
Und einen einzigen Zeilenumbruch würde ich so verändern :
" ....
daran, wie ich mich
in mir letztendlich unzugänglichen,
fremden Gedanken verliere. "

llll
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Stimmgabel
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Beitrag19.06.2016 09:18

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

Erman hat Folgendes geschrieben:


Dennoch wurde ich fündig – einfach großartig!

Dabei rücke ich Deine Zeilen aus Deinem letzten Kommentar zurecht:


Für einen meiner Texte,
die ich nicht für mich behalte.

Ich dachte,
ich könnte das wieder einmal:
Einen Text vorstellen, an ihm arbeiten,
ihn ausleuchten lassen und dabei mehr erfahren -
über mein Schreiben.

Ich scheitere aber,
ich denke, ich scheitere an diesem Ort;
daran, wie ich mich in mir
letztendlich unzugänglichen,
fremden Gedanken verliere.



D a s nenne ich ein Gedicht. In diesen Zeilen ist mehr Ehrlichkeit, Melodie, Farbe, Ernsthaftigkeit und – als Bonus ( letzte Strophe ) eine echte weibliche Stimme! D a s ist Echt!.
Das war nur möglich, weil Du beim Schreiben dieser Zeilen unbewusst lyrisch dachtest.


10 Mal gern gelesen. (Bitte mehr davon.) love
 
Angetane Grüße
.



Hallo Ermann,

hier ist dir wirklich eine tolle Textausgliederung [ aus Lorraines Komm ] gelungen ... auch in meinem Gespür eine feinste Lyrik   und die letzte Strophe ein echtes high-light ... an Offenheit zugleich selbstreflektierender mehrbödiger Unschlüssigkeit !!!


nochmal  Daumen hoch


Gruß Frank ...


-


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BlueNote
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Beitrag19.06.2016 12:26

von BlueNote
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Wir sind verloren, weil wir uns verlieren, in den unzulänglichen Gedanken Unzulänglicher (sagt der Dichter). Ich aber behalte meine Unzulänglichkeiten für mich und lasse mich nicht ausleuchten, um mehr über meine Gedanken, die womöglich fremd sind, zu erfahren. Deswegen scheitere ich auch nicht an diesem (oder einem anderen) Ort. Das ist vielleicht der wesentliche Unterschied! Ich bin aber auch kein Dichter, geschweige denn Lyriker.

Vielen Dank für so viel Einblick!
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Gast







Beitrag20.06.2016 22:59

von Gast
Antworten mit Zitat

Im Gegensatz zu meinen Vorpostern gefällt mir das, was Erman verwurstet hat, nicht annähernd so gut wie ihr Gedicht.

Als ich ihren Post gelesen habe, wollte ich noch schreien, mach das nicht, nicht so ...
Wenn ich Erklärungen gefordert habe, wollte ich sie in der kongenialen Prosa der Korrespontanz.


Wer noch eine Rechnung mit Lorraine offen hatte, hat sie jetzt beglichen.
Das finde ich billig.



Der beste Kommentar mit Abstand ist der von Aranka, sie hat das Kunststück vollbracht, den Grund der Verbitterung erst mal auszublenden, aber ihn trotzdem als berechtigt gelten zu lassen, sie hat sich an das Gedicht getastet und trotzdem die nötigen Fragen gestellt.
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