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Im Tunnel


 
 
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JamesLarkinWhite
Geschlecht:männlichWortedrechsler
J


Beiträge: 67



J
Beitrag15.06.2010 13:05
Im Tunnel
von JamesLarkinWhite
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mal wieder eine kleine Parabel, die ich hier schrittweise reinsetzen werde. Diesmal kriegt ihr sie auch ganz (nicht wie meine andere, mittlerweile gelöschte, "Der Riese"), versprochen. wink




Ich stand in einem Tunnel mit weißen Wänden aus Stein, eine schwach leuchtende Neonröhre hing leise summend an der Decke. Der Tunnel schien in beiden Richtungen vollkommen identisch zu sein, die immer gleichen, weißen Wände, nirgends eine Tür oder ein anderes Licht als das der Neonröhre. Ich schätzte grob, dass ich in beide Richtungen etwa einen Kilometer weit sehen konnte, ehe mein Blickfeld aufgrund der leichten Krümmung endete.
Ich versuchte, ganz still zu sein, um zu horchen, eine dünne, verirrte Schallwelle aus einer Welt außerhalb des Tunnels zu erhaschen. Ich hielt meinen Atem an, bewegte mich nicht, doch alles, was ich hörte, war das Summen der Neonröhre über mir. Ich beschloss also, blind in eine der beiden Richtungen zu laufen; sollte sich der Weg sich als Sackgasse erweisen, könnte ich immer noch umkehren, dachte ich.
Nach einiger Zeit, schwer zu sagen, wie lange, ich hatte das Zeitgefühl verloren, entschied ich mich schließlich für eine Richtung und begann, zu laufen.
Ich lief und lief, in der ständigen Erwartung, dass sich hinter der Biegung, an der mein Blickfeld endete, der Ausgang befinde. Irgendwann wurde ich schwächer, ich ging nur noch. Plötzlich hörte ich Schritte, die sich mir rasch näherten und kurz darauf sah ich auch den Menschen, der auf mich zu lief.
„Komm, der Ausgang ist in die andere Richtung!“, sagte er aufgeregt.
- „Ich komme von der anderen Richtung, ich bin schon ziemlich weit gelaufen und habe keinen Ausgang gesehen. Bist du dir sicher?“, fragte ich.
Er blieb dicht vor mir stehen. Ich sah, dass er stark schwitzte, seine Augen wirkten glasig.
„Ja, ich bin mir ganz sicher. Ich bin auch erst in die andere Richtung gelaufen, aber da war nichts, irgendwann bin ich dann umgekehrt, er muss irgendwo dort hinten sein!“
- „Aber wie kannst du denn wissen, dass du weit genug in die eine Richtung gelaufen bist?“
„Hör zu, ich weiß es einfach!“, schrie er und fasste mich am Arm. „Du musst mit mir kommen!“
- „Nein, ich… ich…“, stammelte ich und versuchte, mich aus seinem Griff zu lösen. „Ich werde weiter in die Richtung gehen, tut mir leid.“
„Dort hinten ist der Ausgang!“, brüllte er wütend, sodass ich zurückwich. „Ich weiß es, es ist so, es muss so sein!“
Ich drängelte mich an ihm vorbei und fing wieder an, zu laufen. Zum Glück folgte er mir nicht. Die Worte, die er mir zornig hinterher schleuderte, hallten im Tunnel wider und blieben unverständlich. Ich lief an den immer gleichen Wänden entlang, unter der immer gleichen Neonröhre. Ich bekam Kopfschmerzen von ihrem Dröhnen.



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Ruthi
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 36
Beiträge: 218



Beitrag15.06.2010 13:24

von Ruthi
Antworten mit Zitat

Hallo JamesLarkinWhite!
Der Anfang ist schonmal vielversprechend. Meine Neugier hast du geweckt und ich würde gerne wissen wie es weitergeht. smile
Bis jetzt gefällt mir der Text sehr gut!

LG Ruthi


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sali
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 35
Beiträge: 313



Beitrag16.06.2010 12:56

von sali
Antworten mit Zitat

Gefällt mir sehr gut!
Würde ebenfalls gerne weiterlesen.

lg sali
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Vivienne de Montiniere
Gast






Beitrag16.06.2010 13:07

von Vivienne de Montiniere
Antworten mit Zitat

In der Tat, ich würde es auch gerne weiterlesen...deine Schilderungen klingen sehr authentisch, man nimmt unweigerlich die "Tunnelperspektive" ein und kann sich auf einmal selber nicht entscheiden, ob man in Richtung Norden oder Süden laufen soll....

Schön!
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sali
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 35
Beiträge: 313



Beitrag16.06.2010 13:09

von sali
Antworten mit Zitat

Zitat:
und kann sich auf einmal selber nicht entscheiden, ob man in Richtung Norden oder Süden laufen soll....


Westen oder Osten wäre auch möglich!
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Vivienne de Montiniere
Gast






Beitrag16.06.2010 13:13

von Vivienne de Montiniere
Antworten mit Zitat

Salival_Kaniza hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
und kann sich auf einmal selber nicht entscheiden, ob man in Richtung Norden oder Süden laufen soll....


Westen oder Osten wäre auch möglich!


Meinst du...ich dachte in Tunneln, gibt es keine Abzweigungen...dort geht es doch nur, nach vorne oder nach hinten...
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Vivienne de Montiniere
Gast






Beitrag16.06.2010 13:13

von Vivienne de Montiniere
Antworten mit Zitat

oh doppelt bitte löschen...
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Schmierfink
Lyroholiker

Alter: 34
Beiträge: 1172



Beitrag16.06.2010 13:27

von Schmierfink
Antworten mit Zitat

Hey James,

der Nick kommt wohl nicht von ungefähr, du hast Geschmack. wink
Merkt man auch im Text, einziger kleiner Kritikpunkt, so richtig will bei mir gerade am Anfang keine Spannung aufkommen, ich meine ein Mann steht im Tunnel, warum? Klar kann man das später beantworten, aber erstmal könnte er auch einfach durch die Berge wandern und zufällig eine Bundesstraße mit Tunnel erwischen etc. Nichts besonderes halt.
So wirklich kommt auch die Verzweiflung des Protas nicht heraus, weil du kaum seine inneren Gedanken präsentierst, denke ein kleiner innerer Monolog wäre da top, verwende doch den Trick Aufgewühltheit mit Parataxen und - solchen tollen Strichen darzustellen, hat Frisch ja auch gemacht. wink Jo soweit meine Meinung.

lg
Schmierfink


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Georg Büchner
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*Gast*
Klammeraffe
*


Beiträge: 504
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*
Beitrag16.06.2010 13:38

von *Gast*
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Hallo James,

von dem Riesen schuldest Du uns noch einen Schluss, glaub nicht, dass ich das vergesse.  Wink

Hier habe ich eine Ahnung, worauf Du hinaus willst. Aber ich warte lieber Dein Ende ab. Bisher finde ich Deine Parabel gut geschrieben, würde auch auf jeden Fall weiter lesen.

Der Protagonist bleibt mir beim Lesen etwas fern, aber bei einer Parabel finde ich das in Ordnung. Die "Ichs" wirken besonders am Satzanfang etwas inflationär, einige könntest Du vielleicht eliminieren.

Was mir sonst noch auffiel:

Zitat:
Ich stand in einem Tunnel mit weißen Wänden aus Stein,

Das hat bei mir drei verschiedene Bilder ausgelöst: Zuerst einen Tunnel mit weiß getünchten Wänden, dann einen mit Wänden, aus weißen Steinen gemauert, und zuletzt einen in weißen Stein gehauenen Tunnel. Könntest Du vielleicht präzisieren.

Zitat:
Ich schätzte grob, dass ich in beide Richtungen etwa einen Kilometer weit sehen konnte, ehe mein Blickfeld aufgrund der leichten Krümmung endete.
Das wäre einer der Sätze, die ein "Ich" hergeben könnten, ohne etwas zu verlieren. Z. B. so: Mein Blickfeld wurde in beiden Richtungen nach etwa einem Kilometer durch eine leichte Krümmung begrenzt.

Zitat:
Plötzlich hörte ich Schritte, die sich mir rasch näherten und kurz darauf sah ich auch den Menschen, der auf mich zu lief.
„Komm, der Ausgang ist in die andere Richtung!“, sagte er aufgeregt.
Fällt Dir auf, dass Dein Protagonist ihn sieht, der Leser aber nicht? Wenn Du den anderen, der ja vielleicht er selbst sein könnte, bewusst nicht beschreiben willst, würde ich die Formulierung mit dem "sehen" ändern.

Zitat:
„Ich komme von der anderen Richtung, ich bin schon ziemlich weit gelaufen und habe keinen Ausgang gesehen. Bist du dir sicher?“, fragte ich.
aus der anderen Richtung - auch hier, das zweite "ich" zum Beispiel könnte einfach entfallen, genauso wie das "fragte ich".

Zitat:
Ich sah, dass er stark schwitzte, seine Augen wirkten glasig.
Warum "ich sah" und nicht einfach "er schwitzte stark"?

Wie immer nur Anmerkungen aus meiner Sicht. Vielleicht kannst Du etwas damit anfangen.

Gern gelesen!

Lieben Gruß
Sabine
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JamesLarkinWhite
Geschlecht:männlichWortedrechsler
J


Beiträge: 67



J
Beitrag16.06.2010 17:06

von JamesLarkinWhite
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Danke erstmal für alle Kommentare smile
Hätte nicht gedacht, dass sich hier gleich so viele zu Wort melden... Jetzt wird scheinbar viel erwartet, aber es kommt leider nicht viel, sorry sad


Schmierfink hat Folgendes geschrieben:
So wirklich kommt auch die Verzweiflung des Protas nicht heraus, weil du kaum seine inneren Gedanken präsentierst, denke ein kleiner innerer Monolog wäre da top


hmmm wie gesagt, das ganze ist eine Parabel, die gesamte (in sich etwas surreale) äußere Handlung repräsentiert eine (reale) innere Handlung; das, was hier auf Textebene "äußerlich" geschieht, ist der Spiegel von dem, was auf der Bedeutungsebene "innerlich" geschieht, insofern habe ich bewusst auf Textebene keine "innere Handlung" eingebaut...
Ich hoffe mal, das ist so zumindest von der Intention her verständlich, auch wenn es nicht für gut befunden wird (was natürlich jedem frei steht; Kritik an diesem Text ist mehr als berechtigt, momentan gilt meine Aufmerksamkeit der Geschichte vom Riesen).


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JamesLarkinWhite
Geschlecht:männlichWortedrechsler
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Beiträge: 67



J
Beitrag16.06.2010 17:10

von JamesLarkinWhite
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Schon bald bekam ich kaum noch Luft, musste wieder gehen. Meine Füße waren heiß und schmerzten, doch ich ging weiter. Dann sah ich in weiter Entfernung einen Mann, der auf dem Boden saß. Ich beschleunigte meinen Schritt wieder, bis ich bei ihm angelangt war.
„Hallo!“, grüßte er grinsend.
- „Warum sitzt du denn hier?“, fragte ich ihn verwundert.
„Warum läufst du?“, fragte er zurück.
- „Nun, ich suche einen Ausgang.“
„Und du meinst, der wäre in der Richtung, in die du gerade läufst?“
- „Nein, ich weiß es nicht. Mir ist gerade jemand entgegen gekommen, der ziemlich überzeugt schien, dass er in der anderen Richtung ist… Weißt du denn, wo der Ausgang ist?“
„Nein, ich habe keine Ahnung, genau wie du. Aber bevor ich in die falsche Richtung laufe, laufe ich lieber überhaupt nicht.“
Ich blieb einen Augenblick lang stehen, unsicher, was ich ihm erwidern sollte. Dann setzte ich mich zu ihm. Er grinste wieder.
„Weißt du… Es ist ja nicht einmal sicher, ob es überhaupt einen Ausgang gibt!“, fuhr er fort.
- „Wie meinst du das?“
„Na so, wie ich es sage! Ich habe hier schon einige Leute getroffen aber bisher konnte keiner mit Sicherheit sagen, dass dieser Ausgang überhaupt existiert!“
Wieder schwiegen wir eine Weile lang. Ich spürte, wie mich eine schwere Müdigkeit überkam, und streckte mich aus.
„Ist dir schon mal der Gedanke gekommen“, sagte er mit einem merkwürdigen Lächeln im Gesicht, das ich nicht recht einzuordnen verstand, „dass dieser Tunnel nur ein großer Kreis sein könnte? Ich meine, diese Wände sehen doch überall gleich aus! Woher soll man da noch wissen, ob man nicht letztendlich nur im Kreis läuft?“
- „Da hast du Recht“, pflichtete ich ihm leise bei.
„Deswegen habe ich beschlossen, einfach hier sitzen zu bleiben. Wozu soll ich denn blind in eine Richtung laufen, wenn ich weder weiß, wo der Ausgang ist, noch ob es diesen ominösen Ausgang, von dem alle reden, überhaupt gibt? So habe ich wenigstens meine Ruhe. Es ist hier gar nicht mal so schlecht, wie man anfangs meint, wenn man sich erstmal eingelebt hat.
Lieber sitze ich hier, als dass ich mich die ganze Zeit über quäle. Das schlimmste ist ja nicht einmal die physische Anstrengung des ständigen Laufens, das könnte ich ertragen! Wirklich grausam sind zwei Dinge: erstens die ständige Frage, die den Laufenden begleitet, ob er in die richtige Richtung läuft, ob er nicht vielmehr auf der Stelle umkehren sollte; zweitens diese ewige Erwartung, den Ausgang zu finden, die irgendwann zu einer irrsinnigen Hoffnung und schließlich pure Verzweiflung wird. Ich meine, was erwartest du dir letztendlich von diesem Ausgang? Wo soll er hinführen? Was, wenn du irgendwann wirklich eine Tür findest, sie mit wild klopfendem Herzen öffnest - und dann dahinter nur ein weiterer Gang ist, die gleichen, weißen Wände, die gleiche Neonröhre? Nein, ich bleibe lieber hier. Soll laufen, wer will, ich nicht, nein, ich bleibe hier. Diese Idioten, die ihr Leben lang hier durch die Gänge laufen, umkehren, verzweifeln, sich schreiend das Hemd zerreißen – nein, das ist nichts für mich.“
Ich blieb neben ihm sitzen. Was er gesagt hatte, war sehr klug. ‚Er hat wahrscheinlich recht’, dachte ich mir. Die Schmerzen in meinen Füßen ließen langsam nach. Nur selten – ich erwähnte schon, dass ich kein Zeitgefühl hatte –, alle paar Tage einmal, blickte ich sehnsüchtig in die Richtung, in die ich gelaufen war und zweifelte kurz, ob nicht vielleicht doch dort hinten schon der Ausgang sei. Doch immer, wenn mir solche Gedanken kamen, überzeugte mich der Mann neben mir mit seiner wasserdichten Argumentation von der Sinnlosigkeit des Laufens.


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Ruthi
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Beitrag16.06.2010 17:21

von Ruthi
Antworten mit Zitat

Eine interessante Lösung, für mich persönlich aber zu lange hingezogen.
Am Ende sagst du an vielen Stellen das gleiche:
Zitat:
„Nein, ich habe keine Ahnung, genau wie du. Aber bevor ich in die falsche Richtung laufe, laufe ich lieber überhaupt nicht.
Ich blieb einen Augenblick lang stehen, unsicher, was ich ihm erwidern sollte. Dann setzte ich mich zu ihm. Er grinste wieder. „Weißt du… Es ist ja nicht einmal sicher, ob es überhaupt einen Ausgang gibt!“, fuhr er fort.
- „Wie meinst du das?“
„Na so, wie ich es sage! Ich habe hier schon einige Leute getroffen aber bisher konnte keiner mit Sicherheit sagen, dass dieser Ausgang überhaupt existiert!“
Wieder schwiegen wir eine Weile lang. Ich spürte, wie mich eine schwere Müdigkeit überkam, und streckte mich aus.
„Ist dir schon mal der Gedanke gekommen“, sagte er mit einem merkwürdigen Lächeln im Gesicht, das ich nicht recht einzuordnen verstand, „dass dieser Tunnel nur ein großer Kreis sein könnte? Ich meine, diese Wände sehen doch überall gleich aus! Woher soll man da noch wissen, ob man nicht letztendlich nur im Kreis läuft?“
- „Da hast du Recht“, pflichtete ich ihm leise bei.
„Deswegen habe ich beschlossen, einfach hier sitzen zu bleiben. Wozu soll ich denn blind in eine Richtung laufen, wenn ich weder weiß, wo der Ausgang ist, noch ob es diesen ominösen Ausgang, von dem alle reden, überhaupt gibt? So habe ich wenigstens meine Ruhe. Es ist hier gar nicht mal so schlecht, wie man anfangs meint, wenn man sich erstmal eingelebt hat.
Lieber sitze ich hier, als dass ich mich die ganze Zeit über quäle. Das schlimmste ist ja nicht einmal die physische Anstrengung des ständigen Laufens, das könnte ich ertragen! Wirklich grausam sind zwei Dinge: erstens die ständige Frage, die den Laufenden begleitet, ob er in die richtige Richtung läuft, ob er nicht vielmehr auf der Stelle umkehren sollte; zweitens diese ewige Erwartung, den Ausgang zu finden, die irgendwann zu einer irrsinnigen Hoffnung und schließlich pure Verzweiflung wird. Ich meine, was erwartest du dir letztendlich von diesem Ausgang? Wo soll er hinführen? Was, wenn du irgendwann wirklich eine Tür findest, sie mit wild klopfendem Herzen öffnest - und dann dahinter nur ein weiterer Gang ist, die gleichen, weißen Wände, die gleiche Neonröhre? Nein, ich bleibe lieber hier. Soll laufen, wer will, ich nicht, nein, ich bleibe hier. Diese Idioten, die ihr Leben lang hier durch die Gänge laufen, umkehren, verzweifeln, sich schreiend das Hemd zerreißen – nein, das ist nichts für mich.“


Den Teil könntest du deutlich raffen und somit die Stimmung besser transportieren.
Reine Geschmackssache, aber mir hätte es auch besser gefallen, wenn "der Sitzende" weniger redet und dafür weise, philosophischer rüberkommt.

LG Ruthi


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JamesLarkinWhite
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J
Beitrag16.06.2010 17:24

von JamesLarkinWhite
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Ruthi hat Folgendes geschrieben:
Reine Geschmackssache, aber mir hätte es auch besser gefallen, wenn "der Sitzende" weniger redet und dafür weise, philosophischer rüberkommt.


Vielleicht ist er das aber gar nicht ... ? wink


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Schmierfink
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Beitrag16.06.2010 17:28

von Schmierfink
Antworten mit Zitat

Hey James,

stimmt ist ein Argument mit der Parabel, auf der anderen Seite warum sich der Möglichkeit verschleißen einen Text so gut zu machen wie möglich? Auf den Punkt gebracht mir ist der Anfang ein wenig langwierig, würde mehr herausstellen wie unangenehm die Situation im Tunnel ist, oder wenn schon nicht unangenehm so doch zumindest verwirrend, etc.

Zweite Teil gefällt mir gut, der Gedanke ist top, das Leben als Tunnel und niemand kennt sicher die Lösung, weiß ob es einen Ausgang gibt oder nicht und wo er sich befindet, da kann die Argumentationskette noch so schlüssig sein, Beweise gibt es keine, cooler Text.

lg
Schmierfink


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JamesLarkinWhite
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J
Beitrag17.06.2010 14:02

von JamesLarkinWhite
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Der letzte Teil hat etwas Überlänge, ich wollte ihn aber dann nicht mehr "zerstückeln".
@Ruthi: Ich hoffe, jetzt wird auch klar, wieso der Sitzende sich mehrmals wiederholt.



Irgendwann hörte ich Schritte aus der Richtung, in die ich einst gegangen war. Die Zeit, die zwischen den einzelnen Geräuschen verging, dehnte sich immer weiter aus. Ein paar Minuten lang hörte man überhaupt nichts mehr, nur noch das Summen der Neonröhre, dann einen zu Boden fallenden Körper. Der Schall tanzte die Wände entlang und zerbarst in meinen Ohren. Der Mann neben mir blickte mich verwundert an, als ich aufstand und der Ursache des Klangs entgegen ging.

Schon nach kurzer Zeit sah ich einen alten Mann, der bäuchlings auf dem Boden lag. Ich eilte zu ihm und half ihm, sich aufzusetzen.
„Danke, danke…“, sagte er keuchend.
- „Sind Sie verletzt?“, fragte ich besorgt.
„Nein, nein, es ist nichts passiert. Das ist ja nicht das erste Mal.“ Er lachte freundlich.
- „Gehen Sie schon lange hier entlang?“
„Ja.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Ja, sehr, sehr lange schon. Du kannst mich duzen, wenn jemand ‚Sie’ sagt, fühle ich mich so alt“
- „Und Sie – Entschuldigung! – Du hast keinen Ausgang gesehen, dort wo du herkommst?“
„Nein, kein Ausgang…“, antwortete er und ich wunderte mich über den unbekümmerten Ton, mit dem er es sagte. „Vielleicht war es auch die falsche Richtung, ich weiß es nicht.“
 „Hast du…“, sagte ich langsam, den Blick auf den Boden geheftet, „schon mal daran gedacht, dass es vielleicht überhaupt keinen Ausgang gibt? Dass der Tunnel vielleicht einfach nur ein Kreis ist?“
„Ja, ja das habe ich.“ Er lächelte milde. „Ich habe sehr lange darüber nachgedacht.“
- „Und?“
Er lachte.
„Ach, du bist noch jung. Du machst dir viele unnötige Sorgen. Wir werden es nie wissen können, ob es einen Ausgang gibt und wo man ihn findet! Wir haben den Tunnel nicht gebaut, wir kennen den Plan nicht.“
- „Aber wie können Sie dann trotzdem ihr Leben lang laufen? Was, wenn das alles überhaupt nichts nützt und man sich am besten einfach nur auf den Boden setzt und wartet?“
Nun war ich selbst aufgebracht.
„Vielleicht gibt es einen Ausgang, vielleicht gibt es keinen Ausgang. Vielleicht findet man ihn in dieser Richtung, vielleicht in der anderen. Das kann keiner mit Gewissheit sagen. Sicher ist nur: Wenn man sitzen bleibt und wartet, wird man ihn gewiss nie finden.“, antwortete er gelassen. Offenbar hatte er schon mit vielen Zweifelnden wie mir gesprochen.
- „Das heißt also, dass man einfach in eine der beiden Richtungen laufen und hoffen muss?“
Er zuckte mit den Achseln.
„Ich kann dir nicht sagen, was du machen musst. Du kannst natürlich auch hier sitzen bleiben, das ist deine Entscheidung. Doch bedenke: Wenn du dein Leben lang läufst und eines Tages stirbst, ohne den Ausgang gefunden zu haben, wirst du dich vielleicht grämen ob der vielen Jahre, in denen du gelaufen bist und in denen du auch hättest ruhen können. Doch wie viel größer wird dein Kummer sein, wenn du hier sitzend deine letzten Tage verbringst und auch nur ein winziger Funken Zweifel in dir bleibt, ob es nicht doch einen Ausgang gegeben hätte! Deswegen laufe ich und werde nicht damit aufhören, solange ich noch kann“
- „Ja, das stimmt… Ich werde laufen, das weiß ich jetzt. Aber in welche Richtung ich laufen soll, das weiß ich immer noch nicht. Sag mir: In welche Richtung soll ich gehen?“
Er lächelte milde, schüttelte langsam den Kopf und erhob sich unter sichtlicher Anstrengung.
„Das kann dir niemand sagen. Diese Entscheidung musst du ganz alleine treffen. Bedenke: Du kannst jederzeit umkehren! Auch, wenn du jahrelang in die eine Richtung gelaufen bist, ist es nie zu spät dafür, du hast zu jedem Zeitpunkt die freie Entscheidung! Ich für meinen Teil werde weiter hier entlang gehen.“ Er deutete in die Richtung, die meiner bisherigen entgegengesetzt war.
- „Wie schaffst du es, dich für einen Weg zu entscheiden?“
Er zuckte mit den Achseln.
„Ich tue es einfach! Das wichtigste ist, dass man läuft.“
- „Können wir zusammen gehen?“
„Ich habe schon bemerkt, dass du eigentlich in die andere Richtung gehen willst. Mein Weg führt hier entlang, deiner dort. Wenn du meinetwegen deine Meinung ändern und mich begleiten würdest und wir keinen Ausgang finden würden, würdest du mir schließlich zürnen. Du würdest mir die Schuld daran geben und irgendwann, wenn ich schon lange tot bin, dich selbst für die Entscheidung, mir zu folgen, hassen. Umgekehrt wäre es genauso. Deswegen ist es so wichtig, dass jeder für sich selbst entscheidet. Verstehst du?“
Ich nickte.
„Vielleicht sehen wir uns draußen wieder, vielleicht auch nie. Doch auch, wenn wir uns nur kurze Zeit hier in diesem Tunnel begegnet sind und ich dein Gesicht nur im kalten Schein dieser grässlichen Neonröhre sehen durfte,  bin ich froh, dass ich dich kennenlernen durfte. Das schlimmste an diesem Tunnel ist die Einsamkeit, die einen immer wieder überkommt. Doch jetzt kann ich wieder einige Jahre beruhigt weiter gehen. Vielleicht gibt es tatsächlich keinen Ausgang und dieser ganze Tunnel wurde nur gebaut, damit Menschen wie wir sich begegnen. Doch jetzt müssen wir uns trennen und jeder muss alleine seine Wanderung fortsetzen. Wir dürfen nicht noch mehr Zeit dadurch verlieren, über einen möglichen Ausgang zu philosophieren, wenn wir jemals einen finden wollen. Wir müssen einfach nur laufen.“

Mit diesen Worten drehte er sich um und ging langsam, Schritt für Schritt, den Tunnel entlang. Traurig blickte ich ihm nach.
Ich fing an, zu laufen. Man muss laufen.


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Ruthi
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Beitrag17.06.2010 17:02

von Ruthi
Antworten mit Zitat

Zitat:
@Ruthi: Ich hoffe, jetzt wird auch klar, wieso der Sitzende sich mehrmals wiederholt.


 Embarassed  Leider nicht...
Ich finde nach wie vor, dass die Idee für die Parabel sehr gut ist und die Dialoge inhaltlich auch gut passen, aber für meinen Geschmack sagst du zu oft dasselbe nur anders formuliert. Die Wiederholungen ergeben für mich leider keinen tieferen Sinn.

LG Ruthi


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Scott I
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Beitrag07.06.2011 15:05
Hallo James
von Scott I
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habe deine Geschichte - so hoffe ich zumindest - sehr aufmerksam gelesen und kann mich in vielen Punkten meinen Vorrednern nur anschließen:

Die Idee der Geschichte ist gut und auch der Ort - ich war anfangs sehr neugierig.
Leider hatte ich dann schnell das Gefühl, dass etwas fehlt...alles erschien mir etwas oberflächlich...ich hätte mir mehr Empfindungen, mehr Eindrücke gewünscht....hätte für meinen Geschmack etwas intensiver gewirkt.

Der zweite und dritte Teil sind dann vielleicht etwas zu lang geraten, weil die handelnden Personen zu oft, das Gleiche oder etwas sehr ähnliches tun oder sagen...hier gäbe es sicherlich Möglichkeiten, zu kürzen und die Geschichte dadurch zu straffen und die Spannung höher zu halten.

Mein Fazit: Gute Idee, sicherlich überarbeitungsbedürftig, aber dennoch Respekt. Für Jemanden wie mich, der eher dicke Wälzer schreibt, ist die Fähigkeit, einen kompletten, aussagekräftigen Gedanken in "wenige" Worte zu fassen, ziemlich ungewohnt.

Auf jeden Fall aber: Weiter machen...
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