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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 11/2014
Alter des Lichts und der Landschaft

 
 
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Nina
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Beitrag17.11.2014 16:24

von Nina
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ich denke, dass jeder text sorgfalt verdient.

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Nina
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Beitrag17.11.2014 16:34

von Nina
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https://www.youtube.com/watch?v=VMMzRjxIPZs

das gedicht von dylan thomas, von dem ich sprach bzw. schrieb.


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Rübenach
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Beitrag17.11.2014 18:28

von Rübenach
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hallo crim,

vorweg: herzlichen glückwunsch zum fast ersten preis im wettbewerb. mir hat dein text nicht gefallen, ich hätte (wenn ich ihn unter normalbedingungen gelesen hätte) ihn bereits sehr früh beseitegelegt. und jetzt hab ich ein "problem".
entweder ich liege mit meiner einschätzung total falsch, oder die hälfte der juroren, die diesen text für den besten im wettbewerb halten. die jury macht insgesamt einen durchaus kompetenten eindruck, ich fand die auswahl gelungen. also scheint es an mir zu liegen. muss ich mein literarisches koordinatensystem neu justieren?

aber die wahrheit ist konkret:

Zitat:
Tagsüber ist alles getaucht in acht Minuten altes Licht.


Hm. Ich hab es weder beim ersten, noch beim zweiten Lesen kapiert. Das Sonnenlicht ist acht Minuten alt, aber streng genommen (wenn ich deiner Erläuterung folge) etwas älter, da es im Sonnenkern entsteht. Nun ist mein letzter Physikunterricht ungefähr 40 Jahre her, anderen Lesern ist die Erinnerung vielleicht noch frischer. Ist es wirklich Allgemeingut, dass das Sonnenlicht acht Minuten zur Erde braucht? Allgemeingut in dem Sinn, dass ein Leser des Textes dieses sofort in den Sinn kommt, wenn er von acht Minuten altem Licht liest? Ich glaube nicht, und daher ein eher problematischer Einstieg.

Zitat:
Die Nächte sind jünger.


Nochmal hm. Ich muss gestehen, diesen Satz kapiere ich immer noch nicht. Ohne Sonne wäre es auf der Erde Nacht. Wie kann diese Nacht jünger sein? Oder nimm die real existierende Nacht. Mondlicht (um einige Sekunden älter als das Sonnenlicht), Sternenlicht (wesentlich älter als das Sonnenlicht). Ich bleibe ratlos.
Zitat:

Ich hatte Statuen geplant in den nächtlich erleuchteten Rechtecken, aber jetzt liegen Blumenbeete vor den Panoramafenstern. Statuen sind ewig, Blumen vergänglich.


War der Text am Anfang rätselhaft, wirkt er jetzt plump in seiner Offensichtlichkeit. Mir hätte ein "Statuen sind ewig" (oder etwas in der Art) völlig gereicht, die Vergänglichkeit der Blumen wird dem Leser auch bewußt, wenn du sie nicht explizit nennst.
Zitat:

Mein Blick streift die Landschaft, folgt den Wegen aus Pflastersteinen über sanfte Hügel im Mondschein. Ein plätscherndes Flüsschen mündet im schilfumstandenen Teich nahe des Pavillons.


Jedem Forumsneuling hätte man diese beiden Sätze um die Ohren gehauen. Ich fühle mich wie beim Lesen eines dieser neuen Landmagazine (living-at-home oder wie immer die heißen) oder in einem Groschenroman. Gibt es eigentlich Hügel, die nicht sanft sind? Muss das Flüsschen unbedingt auch noch plätschern? Sollte es nicht eher Bach statt Flüsschen heißen? (Auch ein kleiner Fluss ist zu groß, um in einem Teich zu münden). Und natürlich ist der Teich auch noch schilfumstanden. Wie es sich im richtigen Klischee auch gehört. Hier ungefähr dürfte der Punkt erreicht sein, an dem ich solch einen Text normalerweise weglege.
Zitat:

Aber ich kenne jeden Hektar.


Was will uns der Ich-Erzähler mit diesem Satz mitteilen? Dass der Landschaftsarchitekt den Park kennt, dürfte selbstverständlich sein. Redundanz? Und wieso ausgerechnet Hektar? Wenn jemand mitteilen will, dass er ein Areal sehr genau kennt, sagt er dann nicht: Von diesem Fußballplatz kenne ich jeden Quadratzentimeter? Von meiner Heimatstadt kenne ich jeden Quadratmeter? Betont also das (relativ) kleine, um seine genaue Kenntnis von der Gesamtheit auszudrücken? Wie groß muss eine Fläche sein, in der zehntausend Quadratmeter eine kleine Einheit darstellen? Ein Park, so groß wie Schleswig-Holstein?

Zitat:
Ich habe die Flächen geplant. Je ferner des Hauses mit freierer Hand


Sicher, dass "je ferner des Hauses" korrekt ist? Bezieht sich das "ferner" in diesem Satz nicht auf das Verb "geplant"? Wir hatten uns geprügelt. Je ferner des Elternhauses mit heftigeren Schlägen. Aber, nicht so wichtig. Störender ist, dass dieser zweite Satz so unendlich gestelzt daherkommt.

Zitat:
Der Bogen der Pforte überspannt mich.


Auch dieser Satz seltsam verquast.
Zitat:

Ich wollte nicht kommen. Seit die Einladung im Briefkasten lag, habe ich mit mir gerungen (...)


Ehrlich? Seit die Einladung im Briefkasten lag? In meinem Briefkasten liegen Briefe. Ob es Einladungen sind, weiß ich, wenn ich sie aus dem Briefkasten genommen, geöffnet und gelesen habe. Und so ein Brief kann schon mal ein paar Stunden im Briefkasten liegen, bevor ich ihn zur Kenntnis nehme. Unser Ich-Erzähler ist dann bereits schweißnass vom vielen Ringen.
Zitat:

Ich verteidige mich nicht. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich wirklich wollte. Vielleicht war es ein Impuls unbewusster Loyalität oder die Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich ging hin.


Die mit Abstand beste Passage im Text. [Okay, sollte ein Scherz werden.]

Zitat:
Und jetzt bin ich da


Zwar vorhersehbar, aber geradezu erfrischend schnörkellos im Vergleich zum "Ringen" um eine Entscheidung, zum "Überspannen" des Bogens etc.

Zitat:
Vereinzelte Scherben auf dem Marmorschachbrett des Eingangsbereichs. (...) Das helle Haar streicht über die graue, zerfurchte Haut an seinem Schlüsselbein wie ein Weizenfeld im Wind, das an ein wolkenübertürmtes Felsenmeer brandet.


Edelkitsch, wobei das Weizenfeld im Wind (Achtung! Alliteration!) und das wolkenübertürmte Felsenmeer noch irgendeinen Bezug zum sonstigen Text haben, während das Marmorschachbrett nirgendwo mit dem Text verwoben ist.

Zitat:
Sie räkeln sich auf drei samtroten Sofas,


Mir ist, als hätte ich es schon lange gewusst: Die Sofas sind samtrot. Die Farbe hat zwar für die Geschichte keinerlei Bedeutung, aber es war klar. Wenn ein Sofa im Text vorkommt, dann ist es rot.

Zitat:
aber wenn ich mich konzentriere - vielleicht auf das U an der Taille der Schwarzen, worin eine wulstige, weiße Hand liegt, oder auf den Mund der Eleganten, ihr Lippen-O, das sie auf und ab schiebt, die Augen schließt, nicht atmet, oder auf das schamhaarumwachsene V der Beleibten, von altersgezeichneten Fingern gespreizt


die wulstige, weiße Hand im Kontrast zur Schwarzen, der Gegensatz der alten Männer zu den jungen Frauen... das sind Bilder, die noch abgegriffener sind als das schamhaarumwachsene V. Außerdem finde ich es schwer vorstellbar, dass die wuchtige Hand in dem U an der Taille liegt. Kann aber daher rühren, dass ich mit einem U an der Taille wenig assoziieren kann. Ein Lippen-O kenne ich zwar, und wohl auch das V, aber die Funktion dieser Buchstabenbilder für den Text bleibt mir verborgen.

Zitat:
Der Stempel bewegt sich mit ihrem Handgelenk


Endlich etwas unvorhersehbares. Der Stempel. Wo kommt der plötzlich her? Armbänder hatten wir ja schon (und ihre Funktion wird im Laufe des Textes ja auch noch deutlich). Aber ein Stempel? Hängt der am Armband? Oder meint der Autor einen Stempelabdruck auf dem Handgelenk der Frau? Welche Funktion hat der Stempel? Der Text beantwortet diese Frage nicht. Später wird mir der Ich-Erzähler noch mitteilen, dass sie bald noch mehr Stempel tragen wird. Aber an welcher Stelle dockt dieses Bild an die anderen Bilder im Text an? Stempel und Armbänder. Wieso braucht es Stempel zum Unterscheiden der Gäste, wenn es Armbänder gibt? In meiner Welt gibt es auf Konzerten oder in Diskotheken entweder Stempel (20. Jhd.) oder Armbänder (21. Jhd.). Wieso müssen die Gäste überhaupt anhand der verschiedenfarbigen Armbänder unterschieden werden? Auf der Handlungsebene des Textes braucht man sie ja eigentlich nicht. Der Teilnehmerkreis der Party ist überschaubar, jeder sollte ohne größere Mühe feststellen können, wer Gast (die alten, mächtigen, geilen Männer [irgendwie hab ich immer den Brüderle vor Augen, auch kein schöner Anblick]), wer Nutte und wer Hauspersonal ist. Mir scheint, die einzige Funktion der Armbänder auf der Metaebene zu liegen. Sie scheinen nur aus dem Grund vorhanden, damit der Gast(und Auftrag-)geber den Landschaftsarchitekten nach der Farbe seines Bändchens fragen kann. Sehr konstruiert.

Resümee: Sprachlich überbordend, dabei an einigen Stellen erstaunlich unpräzise. Meiner Meinung muss der Text dringend entschlackt werden. Ein paar Abführpillen tun Not.

Wenn ich jetzt auch noch auf den Inhalt eingehe, dann komme ich auf über 10.000 Zeichen und werde disqualifiziert.

Liebe Grüße Rübenach
und das schlimme ist: eigentlich bin ich ja crimfan und finde seine sachen gut. aber dieser text ist ein ausrutscher. oder doch satire? auf den wettbewerb, die e-literatur und den ganzen rest. crim, bitte sag, dass es satire war! bitte!
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Nina
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Beitrag17.11.2014 18:37

von Nina
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Es geht doch "nur" um einen Text. Und nicht um Leben oder Tod.

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Rübenach
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Beitrag17.11.2014 18:49

von Rübenach
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Nina hat Folgendes geschrieben:
ich denke, dass jeder text sorgfalt verdient.
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Nina
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Beitrag17.11.2014 18:54

von Nina
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ich wünschte, jemand würde mich mal so verteidigen. es ist was persönliches, das weiß ich ja.

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Klemens_Fitte
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Beitrag17.11.2014 18:59

von Klemens_Fitte
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Nina hat Folgendes geschrieben:
Es geht doch "nur" um einen Text. Und nicht um Leben oder Tod.


Um Leben und Tod geht es hier glücklicherweise selten bis nie. Aber was sollen wir jetzt mit dieser Informationen anfangen? Ein Forum, in dem ich unter jeden Text nur poste, wie schön ich ihn finde und welcher Satz mir besonders toll gefallen hat, mag für manche erstrebenswert sein – für mich wäre es der Punkt, an dem das Forum als Diskussionsplattform überflüssig wird.

Es soll ein paar Leute hier geben, denen es durchaus ernst ist mit dem Schreiben und die nichts lieber lesen als eine echte Diskussion über einen Text – bei meinen eigenen Texten ist mir sowas tausendmal lieber und hilfreicher als jeder "Gefällt mir"-Kommentar.

Ich werde die Diskussion hier weiter mit Interesse verfolgen und denke, dass sie für alle Beteiligten von Vorteil sein kann.


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Nina
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Beitrag17.11.2014 19:06

von Nina
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Hi Klemens,
ich stimme Dir zu, dass Diskussionen unter Texten wichtig sind. Mein Kommentar mit dem Leben oder Tod, - ich gebe zu, er war vielleicht missverständlich - bezog sich nicht auf Rübenachs Gesamtkommentar, sondern lediglich auf den Schluß mit dem "bitte sag mir ..."

Aber ich weiß ja, dass Menschen unterschiedlich auf Texte (und andere Menschen) reagieren - insofern ist es etwas Persönliches. Right?

Ich denke schon, dass man zu einem Text schreiben kann, dass er gefallen hat oder was gefallen hat. Und auch wenn Du nicht den Eindruck hast - es ist mir durchaus ernst mit Texten. Insofern auch bitte andere Kommentare nicht entwerten. Vielen Dank und

liebe Grüße an Dich,
Nina


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Klemens_Fitte
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Beitrag17.11.2014 19:10

von Klemens_Fitte
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Nina hat Folgendes geschrieben:
Und auch wenn Du nicht den Eindruck hast - es ist mir durchaus ernst mit Texten. Insofern auch bitte andere Kommentare nicht entwerten.


Das war nicht meine Absicht. Ich fand es nur deine Reaktion etwas befremdlich, denn sie schien mir einen Kommentar abzuwatschen, der sich sehr detailliert mit den Problemstellen (ob man dem nun zustimmt oder nicht) eines Textes befasst.

Wie du es sonst mit der Textarbeit hältst, das weiß ich doch nicht, dazu kenne ich dich und dein Kommentarverhalten zu wenig.


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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.11.2014 20:56

von Jenni
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Ich finde das toll, dass Rübenach sich die Mühe gemacht hat, seinen Eindruck anhand so detaillierter Beispiele deutlich zu machen. Umso mehr, als es einiges dessen wiederspiegelt, was mir selbst daran Schwierigkeiten bereitet hat.

Deshalb will ich jetzt doch auch noch mal versuchen, ein bisschen deutlicher zu kriegen, wie meine Kritik - zunächst mal an deinem Einstiegssatz - zustandekam. Mein "Problem" damit war nämlich ein ganz anderes: Mir war das mit den acht Lichtminuten klar, und zwar nicht erst seit mir an der Uni Optik aufgenötigt wurde - das ist m.E. so eine Art von Allgemeinwissen à la "ich zeig dir mal den großen Wagen" und hat mit Sonnenuntergängen zu tun, will sagen, von sich aus schon kitschgefährlich, wenn man nicht aufpasst, wie man es serviert. Die Formulierung, die du für den Einstiegssatz gewählt hast -
Zitat:
Bei meiner Variante habe ich vom Gefühl her eine Zäsur nach getaucht. Tagsüber ist alles getaucht / in acht Minuten altes Licht. So kommt der Satz mMn inhaltlich besser zur Geltung.

Diese "poetische" Betonung dieses Umstandes also, hat für mich oben genannte Assoziation noch betont. Ich empfand es nicht wirklich als kitschig, aber: als (zu) gestelzt und hochgreifend eben.
Das mit dem jungen Licht übrigens habe ich so verstanden, dass es sich dabei um künstliches Licht handelt, und da hatte ich schon das nächste Problem: Du beschreibst die Nachtschatten als diffus, was aber im Falle künstlichen Lichtes unkorrekt ist (außer klar bei vielen Lichtquellen, aber wir befinden uns im Park, im nächsten Satz geht es um die Anordung der Straßenlaternen) - damit die Analogie für mich wieder aufgeweicht.
Oder meintest du damit das (laut Erzähler unzureichend vorhandene) Mondlicht, denn dann ist es ja wie Rübe schon sagt nicht jünger als das Sonnenlicht?
Das alles zusammen wirkte mir so ein bisschen - zuviel gewollt vielleicht.

Danach waren es für mich auch diese Klischees (Samtsofas und Haare wie Weizen im Wind etc.) v.a., die mich immer wieder irritiert haben (und eben Stellen, wie die ein bisschen unfreundlich als "plump" bezeichnete, ich kann mich ja noch mal auf die Suche machen) - irritiert deshalb, weil dazwischen eben m.E. auch sehr starke Beschreibungen und Formulierungen zu finden waren.

Wie schon in meinem ersten Kommentar kurz angerissen, habe ich mir diese Inkonsistenz deshalb so zu erklären versucht: Der Erzähler wähnt sich aus Anerkennung seiner Landschaftskunst zu einer Veranstaltung eingeladen, von der er sehr bald merkt (wenn es ihm nicht auf einer Ebene von vornherein klar war, so wirkt es zumindest), dass er nicht hinein passt. Er wird versuchen, ein Bild von sich zu vermitteln, dem er nicht entsprechen kann, vielleicht sogar sich selbst gegenüber, um den Glauben an die Anerkennung seiner Person und seiner Arbeit (er ist ja nicht einfach nur ein Gärtner) aufrecht zu erhalten. Dazu passte dann für mich wieder diese überhöhte Art des Ausdrucks, die zwischendurch bröckelt, und auch der Versuch (des Erzählers), alles in so ganz besonders poetische Zusammenhänge zu stellen.
Dem aber hast du, Crim, durch deine Antwort auf meinen Kommentar widersprochen, falls ich dich nicht falsch verstanden habe. Insofern interessiert es mich sehr, was du zu Rübenachs Einwänden zu sagen hast.

Noch etwas ist mir wieder eingefallen, als ich Rübes Kommentar las, was ich eigentlich beanstanden wollte, und es dann vergessen habe:
Bei der Einbindung des Zitats das
Zitat:
Aber ich ging hin. Und jetzt bin ich da.

Ist ja perspektivisch Blödsinn, auch da fragte ich mich wieder, ob Ink weiß, was Ink. tut - oder das einfach hingebogen hat, weil es nicht richtig passte.

Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu negativ, wie gesagt hat mir der Text schon gefallen, stand auch letztlich in meinen Punkterängen. Das hier ist lediglich der Versuch, meine Einwände (oder besser: meine nicht geringen Schwierigkeiten bei der Einschätzung dieses Textes) zu verdeutlichen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand, der diese Schwierigkeiten mit dem Text nicht hatte, sich noch zu einer Begründung hinreißen ließe.

LG Jenni
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crim
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Beitrag17.11.2014 21:11

von crim
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Zitat:
Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand, der diese Schwierigkeiten mit dem Text nicht hatte, sich noch zu einer Begründung hinreißen ließe.


Hi Jenni, das wäre dann wohl ich. Cool Naja, zumindest kann ich ein paar Gedanken anbieten, die ich mir beim Schreiben gemacht habe und werde das erstmal als Antwort auf Rübenachs Beitrag machen, danke aber auch kurz schonmal vorab für die Mühe, die du dir gibst, die Nina sich gegeben hat, aber euch stell ich erstmal hintenan. Mehr Zeit als für diesen nächsten Beitrag werde ich bis morgen Nachmittag nicht mehr haben. Seht es mir nach.
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.11.2014 21:18

von Jenni
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crim hat Folgendes geschrieben:
Hi Jenni, das wäre dann wohl ich. Cool
Na ja, ich meinte jetzt über dich hinaus. Laughing

Nein, mich interessiert ja völlig, was du zu Rübenachs Kritikpunkten zu sagen hast, ich denke, das wird meine Fragen schon zum Teil mitbeantworten. Mach dir bloß keinen Stress. smile
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crim
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Beitrag17.11.2014 22:24

von crim
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Hi Rübenach,
vielen Dank für die Glückwünsche, vor allem aber deinen Beitrag. Du hast dir viel Zeit genommen und ich werde versuchen, auf jeden einzelnen Punkt einzugehen. Ich kann dir keine Wahrheiten anbieten, nur meinen Standpunkt.

Zitat:
Zitat:
Tagsüber ist alles getaucht in acht Minuten altes Licht.


Hm. Ich hab es weder beim ersten, noch beim zweiten Lesen kapiert. Das Sonnenlicht ist acht Minuten alt, aber streng genommen (wenn ich deiner Erläuterung folge) etwas älter, da es im Sonnenkern entsteht. Nun ist mein letzter Physikunterricht ungefähr 40 Jahre her, anderen Lesern ist die Erinnerung vielleicht noch frischer. Ist es wirklich Allgemeingut, dass das Sonnenlicht acht Minuten zur Erde braucht? Allgemeingut in dem Sinn, dass ein Leser des Textes dieses sofort in den Sinn kommt, wenn er von acht Minuten altem Licht liest? Ich glaube nicht, und daher ein eher problematischer Einstieg.


Problematisch. Ja, das kann sein. Allgemeinbildung, weiß ich nicht. Man kann es wahrscheinlich wissen, aber man muss es nicht wissen. Man könnte es wahrscheinlich schnell herausfinden, aber selbst das, glaube ich, ist eher zweitrangig. Was der Satz tun könnte: Einen eigenen Klang schaffen, aus dem sich die nächsten Sätze ergeben.

Zitat:
Zitat:
Die Nächte sind jünger.


Nochmal hm. Ich muss gestehen, diesen Satz kapiere ich immer noch nicht. Ohne Sonne wäre es auf der Erde Nacht. Wie kann diese Nacht jünger sein? Oder nimm die real existierende Nacht. Mondlicht (um einige Sekunden älter als das Sonnenlicht), Sternenlicht (wesentlich älter als das Sonnenlicht). Ich bleibe ratlos.

Die Nächte sind jünger. Artifizieller. Das "Artifizieller" gehört hier für einen möglichen Verstehensakt schon dazu. Ebenso wie die nächsten Sätze, die Hinweise darauf liefern, dass Prota vom Licht der Straßenlaternen und jenem Kronleuchterlicht spricht, das aus den Fenstern fällt.

Zitat:


Zitat:

Ich hatte Statuen geplant in den nächtlich erleuchteten Rechtecken, aber jetzt liegen Blumenbeete vor den Panoramafenstern. Statuen sind ewig, Blumen vergänglich.


War der Text am Anfang rätselhaft, wirkt er jetzt plump in seiner Offensichtlichkeit. Mir hätte ein "Statuen sind ewig" (oder etwas in der Art) völlig gereicht, die Vergänglichkeit der Blumen wird dem Leser auch bewußt, wenn du sie nicht explizit nennst.


Das stimmt, aber andererseits gefällt mir hier die direkte Gegenüberstellung. Dass Statuen ewig seien, nenn ich jetzt auch wieder einen Hinweis auf den Hang zu Fehleinschätzungen des Protas, aber soviel tut das nicht zur Sache.
Zitat:

Zitat:

Mein Blick streift die Landschaft, folgt den Wegen aus Pflastersteinen über sanfte Hügel im Mondschein. Ein plätscherndes Flüsschen mündet im schilfumstandenen Teich nahe des Pavillons.


Jedem Forumsneuling hätte man diese beiden Sätze um die Ohren gehauen. Ich fühle mich wie beim Lesen eines dieser neuen Landmagazine (living-at-home oder wie immer die heißen) oder in einem Groschenroman. Gibt es eigentlich Hügel, die nicht sanft sind? Muss das Flüsschen unbedingt auch noch plätschern? Sollte es nicht eher Bach statt Flüsschen heißen? (Auch ein kleiner Fluss ist zu groß, um in einem Teich zu münden). Und natürlich ist der Teich auch noch schilfumstanden. Wie es sich im richtigen Klischee auch gehört. Hier ungefähr dürfte der Punkt erreicht sein, an dem ich solch einen Text normalerweise weglege.



Ich habe ehrlich gesagt nie verstanden, weshalb diese Wendung Forumsneulingen um die Ohren fliegt. Ich mag sie ganz gern und sehe sie nicht als problematisch an. Aber ich muss auch zugeben: Ich wollte hier vor allem eine Dopplung des Wortes "über" vermeiden.
Zum Flüsschen nur kurz: Es kann kein Bach sein, der fließt im Haus. Wink Flüsschen verwendet zumindest dieser Prota nahezu synonym dazu, wahrscheinlich weil ich Flüsschen und Bach als nahezu synonym betrachte. Scheinbar unterscheiden sich da unsere Größenvorstellungen. Ein plätscherndes Flüsschen klingt in meiner Vorstellung nach genau der Größenordnung, die ich zu vermitteln versuchte. Und, vielleicht hast du es schon geahnt: Das Klischee. Warum das Klischee? Wie zeichnet man als Autor am besten und treffendsten ein künstliches Idyll? (Denn genau das, wollte der Landschaftsgestalter ja gestalten.) Meiner Meinung nach mit einem Klischee.
Zitat:


Zitat:

Aber ich kenne jeden Hektar.


Was will uns der Ich-Erzähler mit diesem Satz mitteilen? Dass der Landschaftsarchitekt den Park kennt, dürfte selbstverständlich sein. Redundanz? Und wieso ausgerechnet Hektar? Wenn jemand mitteilen will, dass er ein Areal sehr genau kennt, sagt er dann nicht: Von diesem Fußballplatz kenne ich jeden Quadratzentimeter? Von meiner Heimatstadt kenne ich jeden Quadratmeter? Betont also das (relativ) kleine, um seine genaue Kenntnis von der Gesamtheit auszudrücken? Wie groß muss eine Fläche sein, in der zehntausend Quadratmeter eine kleine Einheit darstellen? Ein Park, so groß wie Schleswig-Holstein?

Er will es ja nicht uns mitteilen. Wir existieren für ihn gar nicht. Die Hektarmaßangabe begründet sich tatsächlich in der Größe des Anwesens und ich meine du übertreibst etwas mit Schleswig-Holstein. Selbst mehrere Hektar sind sehr einfach zu überblicken.
Zitat:

Zitat:
Ich habe die Flächen geplant. Je ferner des Hauses mit freierer Hand


Sicher, dass "je ferner des Hauses" korrekt ist? Bezieht sich das "ferner" in diesem Satz nicht auf das Verb "geplant"? Wir hatten uns geprügelt. Je ferner des Elternhauses mit heftigeren Schlägen. Aber, nicht so wichtig. Störender ist, dass dieser zweite Satz so unendlich gestelzt daherkommt.


Ich bin mir ziemlich sicher, dass es korrekt ist. Unendlich gestelzt. Naja, wenn du meinst. Auf mich wirkt es hier genau so wie der Landschaftsgestalter sprechen würde.
 
Zitat:

Zitat:
Der Bogen der Pforte überspannt mich.


Auch dieser Satz seltsam verquast.



Hihi, ja okay, dieser Satz ist etwas speziell. Wegen dem Bogen überspannt - Wortspiel. Aber da mochte ich, dass "überspannt" irgendwie auch noch ein bisschen mit der momentanen Gefühlssituation des Protas korrespondiert. Dem Leser vielleicht völlig unbewusst noch ein Fitzelchen seiner anderen Bedeutung mitvermittelt.

Zitat:
Zitat:

Ich wollte nicht kommen. Seit die Einladung im Briefkasten lag, habe ich mit mir gerungen (...)



Ehrlich? Seit die Einladung im Briefkasten lag? In meinem Briefkasten liegen Briefe. Ob es Einladungen sind, weiß ich, wenn ich sie aus dem Briefkasten genommen, geöffnet und gelesen habe. Und so ein Brief kann schon mal ein paar Stunden im Briefkasten liegen, bevor ich ihn zur Kenntnis nehme. Unser Ich-Erzähler ist dann bereits schweißnass vom vielen Ringen.


Ehrlich? Ja, klar. Embarassed Gängiger Sprachgebrauch, denke ich. Deine wortwörtliche Aufdröselung ist aber lustig zu lesen. Ich frage mich nur, wie du es dir hier besser vorstellen würdest? Nachdem ich den Brief aus dem Briefkasten genommen und geöffnet, die Einladung entnommen und gelesen hatte, etc etc. Wie gesagt: Von meinem Standpunkt aus, ist an meiner Wendung nichts zu bemängeln. Sie fasst diesen gesamten Prozess zusammen.

Ich muss hier leider erstmal stoppen. Den Rest mach ich auch noch. Keine Angst, das wird nicht pure Widerrede. Ich seh selbst ein paar Probleme, aber scheinbar bislang nicht dieselben wie du. Das kann sich im Restkommentar ändern.
Nochmal danke für deine Mühe.
LG crim
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nebenfluss
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Beitrag17.11.2014 22:36

von nebenfluss
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Will mich bei euch beiden nicht allzu sehr einmischen, aber der letzte Punkt - von wegen Einladung im Briefkasten - kommt der puren Widerrede dann doch sehr nahe. Was soll das denn für eine Begründung sein Laughing
Gängiger Sprachgebrauch? Nee.


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Beitrag17.11.2014 23:13

von crim
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Harhar, ja deshalb hab ich auch erstmal ne Pause eingelegt. Was nichts an meiner Meinung ändert ... aber das Problem ist ja, wenn man so kleinteilig auf so kleinteilige Kritik antwortet, wirkt es sehr leicht wie reine Widerrede. Aber gerade an dem letzten Punkt müssen wir uns jetzt nicht unbedingt festbeißen, ich schlaf nochmal drüber. (Gängiger Sprachgebrauch! Razz )
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crim
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Beitrag18.11.2014 19:17

von crim
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Hi Rübenach,
ich fahr mal fort.
Zitat:

Zitat:

Ich verteidige mich nicht. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich wirklich wollte. Vielleicht war es ein Impuls unbewusster Loyalität oder die Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich ging hin.


Die mit Abstand beste Passage im Text. [Okay, sollte ein Scherz werden.]

Kommentarstellen wie diese lassen mich manchmal glauben, du wärst nicht sonderlich sachlich in deiner Kritik. Kann natürlich auch einfach so sein, dass einer von uns beiden keinen Humor hat. Wink

Zitat:

Zitat:
Und jetzt bin ich da


Zwar vorhersehbar, aber geradezu erfrischend schnörkellos im Vergleich zum "Ringen" um eine Entscheidung, zum "Überspannen" des Bogens etc.



Hier bin ich ebenfalls nicht ganz deiner Meinung. Ich hielt diesen Rückübergang in den Resttext für nicht allzu gelungen, und das ist ganz sicher eine Stelle, an der ich nochmal was anderes versuchen muss, um das zu meiner Zufriedenheit zu lösen.

Zitat:

Zitat:
Vereinzelte Scherben auf dem Marmorschachbrett des Eingangsbereichs. (...) Das helle Haar streicht über die graue, zerfurchte Haut an seinem Schlüsselbein wie ein Weizenfeld im Wind, das an ein wolkenübertürmtes Felsenmeer brandet.


Edelkitsch, wobei das Weizenfeld im Wind (Achtung! Alliteration!) und das wolkenübertürmte Felsenmeer noch irgendeinen Bezug zum sonstigen Text haben, während das Marmorschachbrett nirgendwo mit dem Text verwoben ist.



Edelkitsch, naja, kann man mögen oder nicht, denke ich. Hier ist es aber tatsächlich einfach ein für mein Empfinden stimmiges Bild, das ja auch eine Art Hinleitung darstellt, zu den weiteren Landschaften. Das Marmorschachbrett, da versteh ich dich leider nicht. Ist es nicht ein stimmiges Detail für das Setting des Eingangsbereichs des Anwesens? Das Muster des Fußbodens. Wie soll es denn noch mehr mit dem Text verwoben werden?

Zitat:

Zitat:
Sie räkeln sich auf drei samtroten Sofas,


Mir ist, als hätte ich es schon lange gewusst: Die Sofas sind samtrot. Die Farbe hat zwar für die Geschichte keinerlei Bedeutung, aber es war klar. Wenn ein Sofa im Text vorkommt, dann ist es rot.



Warum sollten sie nicht rot sein dürfen? Vielleicht nicht samtrot? Ich versuche mich hier tatsächlich zwischen deinen Bemerkungen zu einem Kritikpunkt durchzuarbeiten, aber du machst es mir zunehmend schwierig.
Zitat:

Zitat:
aber wenn ich mich konzentriere - vielleicht auf das U an der Taille der Schwarzen, worin eine wulstige, weiße Hand liegt, oder auf den Mund der Eleganten, ihr Lippen-O, das sie auf und ab schiebt, die Augen schließt, nicht atmet, oder auf das schamhaarumwachsene V der Beleibten, von altersgezeichneten Fingern gespreizt


die wulstige, weiße Hand im Kontrast zur Schwarzen, der Gegensatz der alten Männer zu den jungen Frauen... das sind Bilder, die noch abgegriffener sind als das schamhaarumwachsene V. Außerdem finde ich es schwer vorstellbar, dass die wuchtige Hand in dem U an der Taille liegt. Kann aber daher rühren, dass ich mit einem U an der Taille wenig assoziieren kann. Ein Lippen-O kenne ich zwar, und wohl auch das V, aber die Funktion dieser Buchstabenbilder für den Text bleibt mir verborgen.


Die Funktion der Buchstaben ist treffende Formbeschreibung. Wenn das beim U nicht so klappt, denk ich nochmal drüber nach. Ich hab da schon ein Bild vor Augen, sonst hätt ichs nicht verwendet, aber das ist abklopfbar. Ob diese ganzen Sachen abgegriffen sind, kann ich nicht sagen, ich empfinde es vor allem in der Zusammenstellung der Szene als anders und vor allem zielführend.

Zitat:

Zitat:
Der Stempel bewegt sich mit ihrem Handgelenk


Endlich etwas unvorhersehbares. Der Stempel. Wo kommt der plötzlich her? Armbänder hatten wir ja schon (und ihre Funktion wird im Laufe des Textes ja auch noch deutlich). Aber ein Stempel? Hängt der am Armband? Oder meint der Autor einen Stempelabdruck auf dem Handgelenk der Frau? Welche Funktion hat der Stempel? Der Text beantwortet diese Frage nicht. Später wird mir der Ich-Erzähler noch mitteilen, dass sie bald noch mehr Stempel tragen wird. Aber an welcher Stelle dockt dieses Bild an die anderen Bilder im Text an? Stempel und Armbänder. Wieso braucht es Stempel zum Unterscheiden der Gäste, wenn es Armbänder gibt? In meiner Welt gibt es auf Konzerten oder in Diskotheken entweder Stempel (20. Jhd.) oder Armbänder (21. Jhd.). Wieso müssen die Gäste überhaupt anhand der verschiedenfarbigen Armbänder unterschieden werden? Auf der Handlungsebene des Textes braucht man sie ja eigentlich nicht. Der Teilnehmerkreis der Party ist überschaubar, jeder sollte ohne größere Mühe feststellen können, wer Gast (die alten, mächtigen, geilen Männer [irgendwie hab ich immer den Brüderle vor Augen, auch kein schöner Anblick]), wer Nutte und wer Hauspersonal ist. Mir scheint, die einzige Funktion der Armbänder auf der Metaebene zu liegen. Sie scheinen nur aus dem Grund vorhanden, damit der Gast(und Auftrag-)geber den Landschaftsarchitekten nach der Farbe seines Bändchens fragen kann. Sehr konstruiert.



Erst kurz zu den Stempeln: das hab ich bereits erläutert. Es beruht auf der Realität. Die Frage, die ich mir da stellen muss, ist, ob ich mehr brauche, um sie im Textrahmen einzuführen, und diese Frage beantworte ich mir mit: Ja. Wahrscheinlich brauche ich da noch etwas, das, auch ohne Kenntnis des realen Vorbildes, das Prinzip der Stempel verdeutlicht. Ebenso gebe ich dir recht, dass ich die Bändchenvergabe im Gegensatz zur realen Vorlage eher verschlimmbessert habe. Die Gäste bräuchten keine Bändchen, wenn es eine Schlüsselszene nicht von mir einfordern würde. Wie ich das löse, werde ich mir überlegen und ich danke dir sehr für den Hinweis.
Zitat:

Resümee: Sprachlich überbordend, dabei an einigen Stellen erstaunlich unpräzise. Meiner Meinung muss der Text dringend entschlackt werden. Ein paar Abführpillen tun Not.

Wenn ich jetzt auch noch auf den Inhalt eingehe, dann komme ich auf über 10.000 Zeichen und werde disqualifiziert.

Entschlackt würde ich nicht sagen (ich will mir schon viel des sprachlichen Wucherns erhalten, überbordend gefällt mir insofern sehr gut, auch wenn das hier wohl eher als Kritik verstanden sein wollte?), aber wie ich bereits bei Akiragirl anmerkte, ich brauche mehr Zeichen, als die vorgegebenen Zehntausend, und erhoffe mir dadurch letztendlich einen Tick mehr Klarheit und vielleicht ein wenig mehr Entzerrung.
Zitat:

Liebe Grüße Rübenach
und das schlimme ist: eigentlich bin ich ja crimfan und finde seine sachen gut. aber dieser text ist ein ausrutscher. oder doch satire? auf den wettbewerb, die e-literatur und den ganzen rest. crim, bitte sag, dass es satire war! bitte!
[/quote]

Nein, Satire sollte es nicht sein. Ich würde ja vieles, was bei dir als gestelzt ankommt, als eine gestaltete Sprache, die sich selbst als solche enttarnt lesen wollen, aber dazu mehr in einem anderen Kommentar.
Danke für deine Mühe und einen ganz wichtigen Kritikpunkt für mich. Leider hatte ich manchmal das Gefühl, dein Ton kippt ins Unsachliche, aber das kann an mir liegen.
LG Crim
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tronde
Klammeraffe
T


Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag18.11.2014 23:19

von tronde
Antworten mit Zitat

Zitat:
das ist ein interessanter, ungewöhnlicher Kommentar. Eigenwillige Form. Ich würde sagen: E. Vielen Dank für deine drei Punkte.

So mit Abstand und aus dem Zeitdruck raus, den ich mir beim Erstellen der Kommentare gemacht habe: Ich würde sagen: U(nnütz für die Autoren), weil so vage in den Aussagen ...
"Schöner Stil" sagt Dir z.B. nicht, dass ich Deine Landschafts-Synästhesie sehr genossen habe.
Wie dem auch sei, auf einen überarbeitete Version bin ich sehr gespannt.

Grüße
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nebenfluss
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Beitrag19.11.2014 17:09

von nebenfluss
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Ich möchte an dieser Stelle mal genauer erklären, warum dieser Beitrag bei mir auf dem dritten Platz gelandet ist.

Die Wettbewerbsbeschreibung ließ ja einigen Spielraum. Auf der einen Seite wurde darauf hingewiesen, dass es sich um einen E-Wettbewerb handelt, andererseits gab es auch den "Autoren A-Z"-Erklärungsansatz, der m. E. den gesamten Bereich dessen umfasst, was man hier im Forum mangels genre-spezifischer Zielsetzung als Gegenwartsliteratur bezeichnet. Und so kommen mir die Texte auch vor: Ihre Gemeinsamkeit ist, dass es keine Genre-Texte sind. Fertig.
Ich persönlich stehe der Haltung, dass sich E überhaupt leserunabhängig (eindeutig) definieren lässt, ausgesprochen kritisch gegenüber.
Für meine Bepunktung bedeutete das: Nicht je E, desto Punkte. Das Hauptaugenmerk meiner Bewertung lag auf der Einbindung des Zitats mit seinen Anforderungen (potentielle Notwendigkeit einer Verteidigung, Loyalitätskonflikt etc.) und einer überzeugenden Umsetzung des Themas Aufbruchstellen. In zweiter Linie ging es mir dann um die 'üblichen' Kriterien, Aufbau, sprachliche Gestaltung, Relevanz, Spannung im weiteren Sinne etc.pp. Und im Zweifelsfall, da mache ich mir nichts vor, entscheidet auch mal mein persönlicher Geschmack; etwa über Platz 3 oder 4, wie hier, dem Surrealismus (oder ist es eher Symbolismus?) geschuldet.

Ich Leser erfahre nicht, als was sich die zentrale Figur in dieser Geschichte selbst betrachtet. Erst spät bekomme ich diesen Hinweis:
Zitat:
Kaum mehr als ein besserer Gärtner.“ Mir schießt Blut in den Kopf, als er Gärtner sagt. Ich will protestieren,

Eins ist aber sicher: Er versteht sich als Künstler, als ästhetisch sensibler Mensch, dem ich deshalb auch eine etwas verkünstelte Sprache zubillige. Insofern war für mich "Gestelztes" nicht per se schlecht, sondern der Versuch einer adäquaten Erzählstimme, eine Hinführung zur zitierten Passage. Das war für mich unterm Strich ein Pluspunkt für diesen Text.

Es gibt aber auch Suboptimalitäten, die ich in meinem Kommentar unter den Tisch habe fallen lassen oder die mir im Wettbewerbsmarathon, mit so vielen konkurrierenden Texten, schlicht nicht aufgefallen sind.
Da du explizit weitere Rückmeldung wünschst:
Zitat:
Tagsüber ist alles getaucht in acht Minuten altes Licht. Die Nächte sind jünger. Artifizieller.

Allgemeinbildung oder nicht: In welches (nicht so artifizielle) Licht ist tagsüber alles getaucht? Das ergibt sich, denke ich. Als problematisch empfinde ich etwas anderes: wie sich die Aussage nach der 'Übersetzung' in Banalität auflöst. Tagsüber Sonnenlicht, nachts Kunstlicht. Nicht besser dadurch, dass es auch noch titelgebend ist, aber später nicht mehr aufgegriffen wird (falls ich nicht auch das überlesen habe). EDIT: doch, wird es. Das uralte Licht der Sterne. Sorry. Man könnte die Idee retten, indem man "tagsüber" und "Nächte" eliminiert und stattdessen die Ankunftsszene in die Dämmerung verlegt, dann fühlt es sich nicht so billig an. Puh, keine Ahnung, ob das jetzt verständlich war.

Die Erklärung als Intention Fehleinschätzung (in deiner Antwort an Akira) überzeugt mich nicht so recht.
Zitat:

Statuen sind ewig, Blumen vergänglich.

Ja, bitte lassen! Die Gegenüberstellung lässt mich der Satzmelodie dieses Gärtners folgen, auch wenn er Eredors Stimme verloren hat.

Zitat:

Mein Blick streift die Landschaft, folgt den Wegen aus Pflastersteinen über sanfte Hügel im Mondschein. Ein plätscherndes Flüsschen mündet im schilfumstandenen Teich nahe des Pavillons.

Hier bin ich mehr bei Rübenach. Statt Plätschern könnte man den Grund für das Plätschern, eine Staustufe o. ä. erwähnen. Ein Flüsschen ist (und das hat nichts mit meinem nick zu tun!) schon deutlich mehr als ein Bach, passt aber dimensionstechnisch zum Hektar. Insgesamt stört mich nicht das Bild selbst, das Idyll, sondern diese naiv-adjektivische Beschreibung, die sich beißt mit der grenzwertigen Sprachavantgarde a la
Zitat:
Je ferner des Hauses mit freierer Hand.

üblich ist: je ... desto, da nimmt er sich schon was raus, szs im Wortsinn.

Zitat:

Seit die Einladung im Briefkasten lag, habe ich mit mir gerungen

Hatten wir ja schon, Mensch, Briefkasten ist doch Kötterich! Hier geht's nur ums Lesen der Einladung.

crim hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Die mit Abstand beste Passage im Text. [Okay, sollte ein Scherz werden.]

Kommentarstellen wie diese lassen mich manchmal glauben, du wärst nicht sonderlich sachlich in deiner Kritik. Kann natürlich auch einfach so sein, dass einer von uns beiden keinen Humor hat. Wink

Wenn du das schon sagst ... habe mir schon ein Stück weiter oben einen Scherz verkniffen. Wenn man durch solche Sticheleien komplette Kommentare mit einer unsachlichen Aura versieht, geht das gar nicht (rübenach, das ist keine Kritik an dir, sondern an mir!) Immerhin ist es ein E-Wettbewerb, und dein Text dürfte als Jury-Zweitplatzierter auf der Titelliste der Anthologie landen. (obwohl man dir deine Reaktion auf tronde dann auch um die Ohren ... Laughing)

Zitat:
Aber ich ging hin. Und jetzt bin ich da.

Ich mag den Übergang auch nicht, obwohl ich Jenni widerspreche, dass die Perspektive Unsinn ist. Man ist halt nur immer 'da'.
Ein gleichzeitiger Sprung in andere Zeit und anderen Ort, an sich nicht schlecht gemacht. Aber m. E. nur durch die Einbindung des Zitats motiviert.

crim hat Folgendes geschrieben:

Das Muster des Fußbodens. Wie soll es denn noch mehr mit dem Text verwoben werden?

Die beiden Farben des Schachbrettmusters könnten sich z. B. in den Farben der Armbänder wiederfinden. Ich denke, so in der Richtung könnte das gemeint gewesen sein?!

Die Sofa-Zigarren-Prostituierten-Szene: Ja, da muss man durch, Edelbordell-Mobiliar von der Stange (soweit ich das aus der Ferne/vor dem Fernseher beurteilen kann). Das U an der Taille hat mich auch stutzen lassen, ich hab's mir dann als Pobacke vorgestellt.
Allerdings empfand ich die relative Plumpheit als beabsichtigt und entschuldigt als Kontrapunkt zur zu Air tanzenden Frau, in die ich mich vom Fleck weg verliebt habe (wahrscheinlich eine Regung meines tief verwurzelten Chauvinismus).
Die Stempel haben mich erst irritiert, ich habe sie dann einfach als Synonym für Armbänder akzeptiert.

Der Rest ist Interpretation. Freut mich, dass du die darunterliegende Geschichte noch verdeutlichen willst.

LG


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Mardii
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Beitrag19.11.2014 18:41

von Mardii
Antworten mit Zitat

Meiner Meinung kommt man dem Text mit detaillierter Sprachkritik nicht bei. Die gemachten Einwände von Rübenach und Jenni sind an sich im sprachkritischen Bereich angebracht, aber unter der semantischen Betrachtungsweise, kann man die angekreideten Punkte als durchaus beabsichtigte Stilistik sehen.

crim hat Folgendes geschrieben:
Das Klischee. Warum das Klischee? Wie zeichnet man als Autor am besten und treffendsten ein künstliches Idyll? (Denn genau das, wollte der Landschaftsgestalter ja gestalten.) Meiner Meinung nach mit einem Klischee.


Das betrifft auch meine eigene Lesart des Textes. Die Sprachklischees und stilistischen Eigenarten gehören mit zum Gesamtkonzept der Textrezeption. Ich spreche hier absichtlich nicht vom Konzept des Autors, sondern von der Wahrnehmung des Lesers. Meine eigene war die, dass ich den Text zunächst sehr manieriert fand. Damit arrangierte ich mich im Laufe des Leseprozesses und fand schließlich meine eigene Interpretation. Und die geht mehr in diese Richtung: Der Protagonist erkundet das von ihm geschaffene Anwesen, macht seine Entdeckungen im privaten Umfeld seines Auftraggebers, verwirft dessen Nutzung und wird im letzten Absatz das Opfer der Kräfte der Natur.


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crim
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Beitrag19.11.2014 19:38

von crim
Antworten mit Zitat

Hi alle zusammen,
Puh, jetzt wird's ein wenig unübersichtlich. Entschuldigt mich, wenn ich nicht mehr detailliert einzeln antworte, solange mir dazu die Zeit fehlt.
Nina, danke für deine Worte zum Text. Mir gefällt natürlich, dass es dir gefällt und vielen Dank für das Posten des Links. Ich hab letztens irgendwann einen Film über Dylan Thomas gesehen, und wollte den eh mal lesen, und was ich dabei entdeckt habe, fand ich wunderbar. Ein bisschen ernüchternd allerdings, wenn man danach auf seine eigenen Texte zurückblickt. Embarassed
Jenni, so negativ hab ich deinen Kommentar auch insgesamt nicht aufgefasst. Nur auf ungelenk und plump, darauf wollte ich es dann halt doch nicht sitzen lassen.(Bei den angesprochenen Stellen) Ich meine dieser Text hat schon nach einer, ich nenn sie jetzt mal ganz euphemistisch: gestalteten Sprache verlangt. Manieristisch hör ich auch nicht so gern, weil ich das gern als Schimpfwort benutze. Wink Aber das ist nicht so leicht von der Hand zu weisen. Das kam jetzt nicht von dir, sondern Mardii, und in einem anderen Zusammenhang, aber letzten Endes schreib ich mal flux gerade raus, wie ich die Fülle an Kommentaren für mich gerade in eine Ordnung bekomme. Ich glaube zum Beispiel, ich müsste auch kurz tronde noch sagen, dass ich an seinem Kommentar E fand, dass er sich ernsthaft mit dem Text auseinandergesetzt hat (wie fast alle, vor allem jene, die mehrfach wiederkommen) dafür nochmal ein Danke. Eigentlich rede ich ja gerade mit dir, Jenni, und ich war mir über die Brüchigkeit der Erzählstimme nicht so ganz im Klaren. Ich hatte eher in Richtung Künstlichkeit gedacht, weil sie sich ja, dachte ich, als übergeordneter Themenkomplex durch den Text zieht, gerade weil der Prota künstliche Landschaften gestaltet, sich aber nach Natürlichkeit sehnt, diese wiederum in Menschen findet, die nicht seiner Vorstellung von einem Idyll entsprechend handeln, und letzten Endes die Unnatürlichkeit in sich selbst vermutet/findet/glaubt?
Ich schick diesen Kommentar jetzt erstmal so ab, und schau mal nach, was ich noch auf der Liste zu beantwortender Fragen habe. Nebenfluss, du bist da auf jeden Fall drauf, Mardii auch und Jenni nochmal. Lorraine, leider weiß ich nicht, ob du deine Kritik noch übst, keine falsche Scheu. Und Klemens_Fitte, hi, herzlich eingeladen mitzumachen.
Also: etwas (von sich selbst) zur Schnelle gedrängte Grüße, aber liebe!
crim
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lupus
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Beitrag21.11.2014 21:58

von lupus
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Hallo crim,

es wurde ja schon so viel gesagt, will nichts wiederholen, deshalb nur einen kleinen Gesamteindruck hinterlassen.

Einen, der dazu geführt hat, nicht zu nominieren, aber dann doch für deinen Text zu stimmen

Zunächst einmal gehört der Text für mich tatsächlich zu den besten des Bewerbs. Und sei es nur deshalb, weil er der gewagteste ist, was dazu führte, dass möglicherweise Zeitmangel für eine nicht 100%ige Ausarbeitung verantwortlich ist.

Allerdings ergeben sich aus dem Wagnis auch einige Kritikpunkte:
Artifizell. Sind nicht nur die Nächte, sondern auch dein Text. Zu artifiziell für meinen Geschmack. Es ist - was mich betrifft - ein Text, der das Etikett 'E' zu erkennbar auf der Stirn stehen hat.

Andererseits aber dann doch einige sprachliche Mankos aufweist, die dem 'E' dann widersprechen:

und das beginnt - darauf will ich mich auch beschränken - schon im ersten Absatz:

Zitat:
Tagsüber ist alles getaucht in acht Minuten altes Licht. wunderbar, die Inversion, die aufgezeungene 'Metrik', die a-i-Folge Die Nächte sind jünger. das war mir völlig unverständlich, Nächte sind jünger als was, als 8 Minuten?, als acht Minuten altes Licht? Artifizieller. künstlicher hätte mir zu jünger besser gefallen- artifizieller ist fast kakophon - möglicherweise ja gewollt Der Einfallswinkel der Schatten ist immer planbar. das hat mich echt raus gehaut, war auch ein Punkt: Schatten haben keine Einfallswinkel !! Am Tag wandern sie um die Baumstämme der Zufahrtsallee. Bei Nacht stehen sie still und zeichnen diffuse Konturen auf die Rasenfläche. Ein Baum kann mehr als einen Schatten werfen. Sie überlagern sich je nach Anordnung der Straßenlaternen, und aus den Fenstern des Herrenhauses am Ende der Zufahrt scheint junges Kronleuchterlicht. und das ist, trotz sehr schöner 'E-Sprache' absolut un-E: eine Erklärung für den zu begriffsstutzigen Leser, denn was gemeint ist, ist klar Ich hatte Statuen geplant in den nächtlich erleuchteten Rechtecken, aber jetzt liegen Blumenbeete vor den Panoramafenstern. Statuen sind ewig, Blumen vergänglich. Der Hausherr hat das letzte Wort. Inmitten der Parkplätze sprudelt ein Brunnen. Er ist nach seinen Wünschen gestaltet. Ich parke möglichst weit von ihm entfernt. Zu verziert. Zu ausufernd. Nackte pinkelnde Kinder.


Zitat:
Je ferner des Hauses mit freierer Hand.

ein wunderbares Satzkonstrukt.

Also: ein hin und her zwischen Genie und - naja - Nicht-Genie eben Wink

In der Gesamtheit dann allerdings inhaltlich zu verschwurbelt zu vordergründig  E-gewollt, hat mir der Text dennoch sehr gut gefallen.

lgl


_________________
lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

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"Ich bin leicht zu verführen. Da muss nur ein fremder Mann herkommen, mir eine Eiskugel kaufen und schon liebe ich ihn, da bin ich recht naiv. " (c) by Hubi
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Emmy
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Beitrag26.11.2014 20:29

von Emmy
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Hallo crim!

Meine Feedbacks zu den Wettbewerbsgeschichten sind allmählich doch sehr verzögert. Doch zu deiner möchte ich dir gerne noch meine deutende Wahrnehmung mitteilen, denn diese Geschichte hat mir ausnehmend gut gefallen. Es mag damit zusammenhängen, dass ich die Metapher der Landschaft sehr liebe, auch eine Affinität zu Landschaftsgärtnerei besitze.

Ein junger Landschaftsgärtner ist so sehr mit seiner Tätigkeit identifiziert, dass sie zu seiner - im wörtlichen Sinne - Weltanschauung, eben alles betreffenden Anschauungsweise, geworden ist. Die Metaphern erzeugen stellenweise das Gefühl einer völlig vergeistigten, beinahe spirituellen Wahrnehmug des Protagonisten, sobald er das Reich seiner Landschaftsmetaphern betritt. Es gelingt ihm damit, die Banalitäten des Alltags zu überhöhen und ästhetisch zu veredeln. Das wird in seiner Schilderung des banalen gekauften Sex-Events des Hausherrn deutlich:

"Ich sehe bereits das unkrautüberwucherte Hochmoor aus dem dünne Stämmchen abgestorbener Birken ragen und ein Sofa weiter schweflige Teiche in den seltsamsten Farben, jeder kreisrund, in manchen phallische Gebilde aus Kalkstein." Klasse!

Er sagt, dass er es nicht sehen will. Was will er nicht sehen? Seine Bilder oder die darunter verhüllte Banalität der (Finanz-)Macht des Hausherrn? Es bleibt an dieser Stelle offen. Für mich wirkt es so, als wolle er - um eine andere Metapher zu verwenden - sehr wohl das Gemälde sehen, aber nicht das, was es darstellt. So lange es geht jedenfalls.

Und am Ende geht es eben nicht mehr, am Ende wird seine Weltanschauung brutal zerschlagen, ohne große Aktion, schlicht durch die Vorführung der Macht der Käuflichkeit, die im Reich des Hausherrn regiert, der eben nicht nur die Fähigkeiten, das Können des Protagonisten für die Gestaltung des Gartens kaufte, sondern auch vor dem Kauf seines jungen Körpers für die Hausherrin nicht zurückschreckt. Es wird als Tauwetter und Wüste unter Schnee beschrieben. Das finde ich nicht so gut, hier hätte ich eine Eis-Metapher passender gefunden.

Ich verwende jetzt noch ein stärkeres Wort als Weltanschauung: in der Flucht versucht der Protagonist seine persönliche, ästhetische Religion aufrechtzuerhalten. Nach dem Erlebten kann sie nur noch Bilder des Schreckens, des (landschaftlichen) Bösen zeigen. Bis am Ende auch diese zerbrechen und nur das uralte Sternenlicht bleibt, statt des jungen Nachtlichts mit seinen planbaren Schatten. In diesem letzten Abschnitt hätte ich auch im Text einen Rückbezug zu den planbaren Schatten am Anfang gut gefunden. Vielleicht ein Kontrast zu den nicht planbaren oder unsichtbaren Schatten des Sternenlichts?

Für eine bessere Verständlichkeit fände ich es darüber hinaus sinnvoll, wenn am Anfang deutlicher gemacht wird, dass es bei dem Nachtlicht um künstliches Licht geht. ("8 Minuten altes Licht vs. ??? Millisekunden altes Licht der Scheinwerfer" o.ä..)

Erstaunlich, was für eine weite Spanne du innerhalb des Textes umfasst, obwohl darin nur ein kurzes Ereignis geschildert wird!

LG,
Emmy
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