|
|
Autor |
Nachricht |
Haruki Okada Wortedrechsler
Alter: 62 Beiträge: 66 Wohnort: Holstein
|
05.12.2013 18:16 Borderline First Take von Haruki Okada
|
|
|
Die Toten
Cruel ist the April of my vanished years.
Sun kept us cold - inside,
while our all burnt flesh turned black-
outside.
Die herbei gerufenen Geister nisten stets
auf fremden Schultern.
Weiße Raben mit metallisch glänzenden Herzen
haften uns an wie ein Ulcus.
Dogmen, eingenistet in schwer zugänglichen Winkeln
unserer bleichen, zugigen Seele.
Blutleer, gleich einem grauem Nebel
emporgestiegen aus
dem Antlitz des winterblassen Apriltages.
Doch es sind nur Worte,
durch ein digitales Maul
auf blütenweißes Papier gesprüht.
Knietief im Schaum der Kloake watend
schleppt sich der sieche Klon durch endlose Gänge.
Bleiche Gebeine erheben sich unter knackendem Geächze,
Knochen reibt an Knochen, eine gewaltige Armee
suhlt sich im Abort des verwesenden Jahrtausends.
Dass es so weit kommen musste.
Die Toten revoltieren gegen das Versinken
und das Vergessenwerden in dem braunen Pfuhl.
Dürre Knochenfäuste drohen den Lebenden,
jenseits der Grasnarbe rütteln sie an den Wurzeln,
erheben ihre zitternden Gegenstimmen.
Ich habe nicht gedacht, dass es so viele sind,
die auf der kurvigen Strecke geblieben sind.
Gedacht, gedacht, drei Mal
falsch
gedacht.
Immer denkst du, lass das Sinnen,
das Verspinnen
in den Kokon aus brüchigem Chitin.
Flüchtiges Asyl gebrochener Herzen.
Hort aufgescheuchter, ziellos flatternder Gedanken.
This is my last resort.
The Non-lethal Weapon of the Weak.
Weak weak.
(Don't) Leave me alone.
A l o n e.
Again.
Naturally.
Glauben?
Was nicht zu greifen ist.
Nevertheless.
Sehen ist für die Blinden, die Leprakranken, für die, denen sich die fauligen Finger
vom Manus lösen, fragile, zitternde Scherenschnitte, mit Worten nicht zu fassen.
Nicht zu greifen.
Schon gar nicht zu
begreifen.
Die Erniedrigten und Beleidigten, diejenigen,
die auf Knien durch rot gepflasterte Fußgängerzonen rutschen.
Verzweifelte, Elende, Ausgestoßene, mit grindigen Köpfen auf
buckeligem Kopfsteinpflaster.
Die sollen sehen,
wer sie sind. Und wo sie bleiben.
Nicht wir.
Wir verstehen.
Nichts.
Wir sind die anderen.
Take a look at my face, I am the future.
Den Weltschmerz hinaus bellen,
mit heiserer Kehle und tropfenden Leftzen.
Hinaus in den ausgetrockneten Tag.
Verschrumpelt wie ein wurmstichiger Apfel.
Gurgelnder Schaum bedeckt das geifernde Maul.
Tief im schwarzen Herzen des Binärcodes versammeln sich die Auserkorenen,
um ihre auf dunkler See gleitenden Träume in hypnotische Tänze zu verwandeln.
Seuchen-Shuffle und Harlem-Shake verschmelzen in dumpf brütender Nacht.
In Trance versunken klopfen die toten Herzen taktlos im Takt.
Extrazelluläre Matrix der seelenlosen Seelenfresser.
Eichen sollst du weichen,
Buchen musst du suchen.
Öd und leer, das Postfach quillt über.
Eine Nachricht vom Systemadministrator.
Die zulässige Größe ihres Postfachs wurde überschritten.
Ein Tritt in den Schritt. Die Herren in den Außenkreis,
die Damen in den Innenkreis.
In Gegenrichtung: Marsch Fox.
Tie a yellow ribbon round the old oak tree.
Termine, Termine, Termine.
Die kurzfristige Terminsetzung bitten wir zu entschuldigen.
Drauf geschissen, gehe jetzt, mit ausgetrocknetem Cavum oris,
von dannen.
Schlund und Seele sind gleichermaßen dehydriert.
Mundfäule ist eine Sommerfrische dagegen.
Schlucken unmöglich, der Kehlkopf mit rostigen Nägeln arretiert.
Nach mir Tsunamis, Säuberungen, Gulags und Stalingräber.
Ich gehe jetzt.
Die Antwort flackert in Arial 40 über den trüben Schirm der
zerschmetterten Hoffnungen:
Du bleibst!
Warum
Ich?
Schicksal,
Sisyphos im Hardrock-Cafe-Shirt.
Termine aufschichten und abschichten,
aufschichten, abschichten.
Das Leben ist eine Schichttorte.
Schichten,
bis dass die Pensionierung uns scheidet.
Habe nichts getan, nicht wissentlich jedenfalls.
Tut nichts zur Sache.
Dulden muss der Mensch,
sein Scheiden aus der Welt wie seine Ankunft:
Reif sein ist alles.
Wo bleibt die Aufklärung, der
Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Kant sei Dank.
Träume sind Schäume, Seifenblasen die über Kornfelder mäandern
unter frühlingsblauen Himmeln.
Der Himmel des digitalen Universums ist von der gleichen Farbe
Durchdrungen wie der Frühling.
Die Matrix ist durch den Spiegel auf die andere Seite gelangt,
die feinen, klebrigen Fäden der Kopie haben sich über das Original gelegt.
No exit.
Thanatus, ich flehe dich an.
Lass mich gehen.
Gehen.
Gehen.
Mich hungert, dürstet, friert.
Kalt und öd ist’s in dieser Welt.
Ich gehe.
Jetzt.
Jemand hat die Musicbox aktiviert.
Ein Schaben ertönt, der Greifarm gleitet über das Vinyl, dann erklingt die Musik.
You started a joke.
Haha, haha.
Ich sterbe vor Lachen.
Heiliger Unsinn.
Eine göttliche Komödie.
Neun Kreise des Inferno mitsamt Unterbezirken.
Im dritten Kreis steht eine Wohnung leer.
Parterre mit Terrasse und
Blick auf die Sondermülldeponie.
Sterben. Hah!
Gestorben wird, wenn's so weit ist und nicht,
wenn sich's einer wünschen tut.
Reiß dich zusammen.
Das vermag ich nicht.
Reißen und zusammen, das passt nicht zueinander.
Reißen und Auseinander, das ist ein Schuh.
Am Meer, da ist es schön, der feine Sand rieselt durch die
von der Sonne getrockneten, rauen Finger.
Maul halten, du Geschiss aus Fleisch und Blut,
eingehüllt in eine vertrocknete Derma-Folie.
Die Welt ist eine andere als in deinen Smarties-Träumen.
Mitgegangen, mitgefangen,
mitgehangen.
Das Fleisch wird dir der Eine von den Knochen schälen,
deine Seele filetieren, sie wiegen und aus der
Schale saugen.
21 Gramm das gesamte Konstrukt, das Ergebnis ist stets gleich,
die Auster schmeckt im Grunde nach nichts, aber sie nährt ungemein.
Des einen Freud ist in diesem Kasus des anderen Pein.
Weitere Werke von Haruki Okada:
_________________ Love is a strange hotel |
|
Nach oben |
|
|
Mr. Curiosity Exposéadler
Alter: 35 Beiträge: 2545 Wohnort: Köln
|
06.12.2013 01:42
von Mr. Curiosity
|
|
|
Das Problem mit diesem Gedicht beginnt ja schon damit, dass es ein neues "Waste Land" sein will, und daran kann man fast nur scheitern. Klar, es ist schon auch anders, aber gerade der Einstieg und jene Passagen, die ins Pathetische reingehen, erinnern mich doch stark daran., "Waste Land" schafft es trotz seiner vielen unterschiedlichen Motive und Referenzen, nie disparat und uneinheitlich zu wirken. Auch ist Eliots Poem nie unangenehm pathetisch. Wenn es denn mal in die Pathetik geht, dann kraftvoll und nicht so, dass es gewollt klingt. Ich finde das Ziel, das sich dein Gedicht vornimmt, eine Reflexion über die heutige Zeit mit diesen motivischen Bezügen in den IT-Bereich, generell sehr interessant. Da ist viel Frisches/Unverbrauchtes drin. Aber für mich verliert sich dein Gedicht. Man merkt eine Freude an den eigenen Gedanken, aber wo das wirklich hinführen soll, wird (für mich!) nicht so recht ersichtlich. Nichts wird richtig zuende gedacht. Es wäre vielleicht schon gut, den Anspruch nicht so hoch zu stecken und durch den Einstieg bereits die Messlatte bis in den Himmel zu legen.
Just my 5 cents
David
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
|
Nach oben |
|
|
Nina Dichterin
Beiträge: 5012 Wohnort: Berlin
|
06.12.2013 10:32
von Nina
|
|
|
Hallo Haruki,
gestern "Zur Zeit der Ernte", heute "Borderline First take". Auf Deine Texte muss man sich einlassen können. Sie sind sehr dicht und besonders. Ich sehe Dich in einer bestimmten "Tradition" des Schreibens und was ich lese, gefällt mir. Weil es mutig ist und kraftvoll, innovativ, intensiv und fließend. Ich sehe hier ein Gedicht in oder mit Ergriffenheit geschrieben und ebenso ist es mir, wenn ich es lese. Ein Wechselspiel zwischen Text und Leser/in, eine intensive Begegnung.
Auch hier, wie bei der Zeit der Ernte ein paar Stellen, an denen ein paar kleine Fehler drin sind. Z.B. bei "Manus". Sagt man "vanished" years? Ich hatte spontan "passed" im Sinn, aber vielleicht geht ja auch beides?
Auch hier Einstreuungen im Gedicht von Gelesenem, Gelerntem, Gehörtem - Kant uvm. Ich mag das.
Insgesamt ein intensives Gedicht. Vielleicht gibt es auch "Borderline Second take"? Bin gespannt.
LG
Nina
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
|
Nach oben |
|
|
Haruki Okada Wortedrechsler
Alter: 62 Beiträge: 66 Wohnort: Holstein
|
06.12.2013 17:29
von Haruki Okada
|
|
|
Danke für Eure Kritik.
Nein, Mr. Curiosity, dieses Gedicht (im weitesten Sinne) will kein 2. Waste Land sein. Das wäre wahrhaft vermessen. T.S.Eliot kann nicht kopiert werden.
Aber natürlich ist es hierdurch inspiriert. Das ist unverkennbar. Es soll auch nicht homogen sein, sondern Reflexion(en) darstellen. Ich werde den 2. Take instellen, wollte jedoch alles auf einmal "abladen", um den Leser nicht zu überfrachten. Vielleicht ist in Gänze die Zielrichtung erkennbar. Das hoffe ich wenigstens.
Gruß
Haruki
_________________ Love is a strange hotel |
|
Nach oben |
|
|
firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
|
06.12.2013 23:27
von firstoffertio
|
|
|
Ich finde, du solltest so ein langes Werk in viel kleineren Paketen einstellen. Damit schaffst du Lesern die Gelegenheit, auf sie einzugehen. Zumal dein Text ja nicht gerade leichte Kost ist. Ich kann am Bildschirm solch lange Texte nicht aufnehmen.
Es gibt die Möglichkeit, in einem Faden Fortsetzungen einzustellen. Kannst du unten ankreuzen, bevor du abschickst. Dein zweiter Teil kommt mir viel zu schnell nach dem ersten langen. Ich fürchte, du schreckst damit nicht nur mich ab.
|
|
Nach oben |
|
|
Haruki Okada Wortedrechsler
Alter: 62 Beiträge: 66 Wohnort: Holstein
|
07.12.2013 00:12
von Haruki Okada
|
|
|
Hallo firstoffertio,
danke für die Anregung, die ich gerne aufgreife.
Mir geht es wie Dir. Ich kann solche Textlawinen auch nicht gut am Bildschirm lesen. Habe den zweiten Teil nur deshalb komplett eingestellt, weil Mr. Curiosity zu recht auf den sich ihm nicht recht zu erschließenden Gesamtzusammenhang verwiesen hat. Ob sich das durch die 2. Lieferung ändern wird, sei hingestellt
Gruß
Haruki
_________________ Love is a strange hotel |
|
Nach oben |
|
|
Mark_Brandis Wortedrechsler
M Alter: 52 Beiträge: 86 Wohnort: München
|
M 08.12.2013 20:22
von Mark_Brandis
|
|
|
Verständnisfrage:
"Cruel ist the April"
Absicht? "ist" klingt für mich jetzt deutsch und nicht englisch.
|
|
Nach oben |
|
|
Haruki Okada Wortedrechsler
Alter: 62 Beiträge: 66 Wohnort: Holstein
|
10.12.2013 19:08
von Haruki Okada
|
|
|
Hallo Mark,
danke für den Hinweis. Das t ist durchgerutscht.
Gruß
Haruki
_________________ Love is a strange hotel |
|
Nach oben |
|
|
Gast
|
10.12.2013 19:11
von Gast
|
|
|
moin,
geht's auch kürzer? würde der aussage nicht schaden.
lg w.
|
|
Nach oben |
|
|
|
|
Seite 1 von 1 |
|
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben. Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten. Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten. Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen. Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen. In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
|
Empfehlung | Empfehlung | Empfehlung | Empfehlung | Buch | Empfehlung | Buch | Empfehlung | Empfehlung | Buch |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|