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Die Zukunft des Landes


 
 
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Haruki Okada
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 62
Beiträge: 66
Wohnort: Holstein


Beitrag07.03.2017 16:21
Die Zukunft des Landes
von Haruki Okada
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wir saßen dichtgedrängt an den zerkratzten Pulten. Auf meinem hatte sich irgendein Witzbold mit dem Messer verewigt.
Fieck die Schule stand dort, mitten in die Tischplatte hineingegraben.
Große, wackelige Buchstaben, die aussahen, als seien sie in Seenot geraten.
Ich stieß meinen Nachbarn in die Seite und deutete auf die derbe Schnitzerei, zweifellos das Werk eines geistigen Grobmotorikers.
Was zum Teufel ist fiecken ? flüsterte ich.
Mein Sitznachbar kriegte sich nicht mehr ein. Scheiß-Legastheniker, flüsterte er zurück.
Wir lachten in die hohle Hand hinein.

Die meisten von uns hielten die Köpfe gesenkt.
Nicht aus Respekt, eher aus Langeweile. Ich war hundemüde, hatte gestern Abend wieder bis weit nach Mitternacht in meinem Bett gelesen.
Papillon. Gutes Buch. Ob der Typ das wirklich alles erlebt hat?

Die Sonne schien auf den breiten Hintern von Frau Satellitus, unserer kanadischen Englischlehrerin. Bescheuerter Name. Sie kritzelte etwas an die Tafel.
Die Kreide stolperte kreischend über die grüne Beschichtung.GORDON NEWMAN.
Noch ein bescheuerter Name.Der Austauschschüler aus den USA.
Elfter Jahrgang. Ich war in der achten Klasse. Meine zweite Runde in der achten.
Gordon.  Beknackter Name. Hörte sich an wie ein schwuler Airdale-Terrier.

Die Fenster waren geschlossen, die Luft dumpf. Es müffelte nach Putzmitteln.
Der Sonnenfleck auf Frau Satellitus Hintern wanderte höher.Die Lehrerin drehte sich schwerfällig um.
Sie war groß, mindestens einsachtzig. Alles an ihr hing herunter. Haare, Arme, die großen, müden Brüste, die Mundwinkel sowieso. Haltung und Aussehen von ihr machten mich traurig. Wie ich wohl später mal drauf war, sagen wir mal, so in fünfzehn Jahren.
 
Ich hatte echt keinen Bock drauf, einmal so auszusehen, nur eben ohne große, müde Brüste.
Die Tür öffnete sich. Ein bebrillter Typ mit schwarzem Afro und Schuhen wie schlafende Bisamratten betrat so vorsichtig den Raum, als habe er Angst jemanden aufzuwecken.
Seine Jeans war schmutzig, er trug ein T-Shirt mit der AufschriftMichigan University.
Er sprach kurz mit Frau Satellitus, durch die ein kurzer Ruck ging.
Ihre Schulter strafften sich und sie schob dem dicken Möllmann in der ersten Reihe den Busen direkt vor die Nase. Er hatte einen dicken, langen Zinken und witterte wie ein
erschrockenes Kaninchen. Ein paar Leute kicherten.
Möllmann grinste verlegen.
 
„Das ist Gordon aus Detroit in Michigan“, sagte Frau Satellitus. Es hörte sich an, als würde sie aus dem Englischbuch vorlesen.
Die Klasse schwieg gelangweilt. Gordon ruckelte an seiner Brille und betrachtete uns indigniert. Wahrscheinlich war er noch nie einem
derart verdichteten Pulk ablehnender Langeweile begegnet.
Die schlafenden Bisamratten an seinen Füßen erwachten. Die Schuhspitzen bewegten sich auf und ab. Wahrscheinlich wackelte er mit den Zehen.
Wir starrten Gordon an, der nervös blinzelte.
Die Luft nistete bleiern in dem engen Klassenraum.
Frau Satellitus erschlaffte.
Der dicke Möllmann wurde unter ihren müden Möpsen begraben. Er schnaubte empört.
Verhaltenes Kichern wanderte durch die Reihen.
Frau Satellitus murmelte eine Entschuldigung und gab Möllmann frei,
der schnaufend und mit hochrotem Kopf verlegen auf dem viel zu kleinen Stuhl
umher rutschte.

Gordon lächelte. Frau Satellitus nickte ihm auffordernd zu.
Darauf stellte er sich kurz auf Englisch vor und sagte, dass er später einmal Luftfahrtingenieur werden wolle.
Ich hatte keinen Schimmer, was mal aus mir werden würde.
Später. Wann war das?
Vielleicht Briefträger oder Müllmann.Es sah nicht gut aus in der Schule für mich.
Wenn nicht ein Wunder passierte, würde ich wieder backen bleiben.
Ich wollte nicht backen bleiben, hatte aber auch keine Lust, meine Hausaufgaben zu
machen, geschweige denn, für eine Arbeit zu lernen.
Die Schule war öde. Ich hörte nicht einmal zu im Unterricht. Es interessierte mich nicht.

Musik und Bücher waren die einzigen Sachen von Bedeutung. Und Mädchen. Ich mochte ihren Geruch und ihre Haare.Eigentlich mochte ich alles an ihnen.
Gordon sah aus, als würden ihn eine Menge Dinge interessieren.
Die Bisamratten wackelten mit den Köpfen. Sie schienen ein eigenständiges
Leben zu führen.
Gordon sprach weiter. Ich hörte nicht mehr zu. Dann kam der Frageteil. Ich gähnte.
Frau Satellitus warf mir einen missbilligenden Blick zu. Ich guckte so feindselig zurück,
wie ich nur konnte.
Irgendein Streber fragte Gordon nach seinen Hobbies.
Musik, antwortete er.
Das interessierte mich.
Ich hob den Arm. Frau Satellitus tat, als würde sie es nicht sehen und warf einen Blick in die Runde. Vielleicht meldete sich ja noch jemand anderes. Einer ihrer Lieblinge.
Dummerweise meldete sich niemand.
Sie bedachte mich mit einem resignierten Kopfnicken.
Hörst du Neil Diamond, fragte ich.
Ich sprach die Worte aus, wie sie geschrieben werden.
Gordon guckte fragend.
Das heißt N-I-E-L  D-E-I-M-E-N-N-T  verbesserte mich Frau Satellitus.
Blöde Kuh.
Lutz Meister lachte verächtlich.
Er war immer aggro und versuchte jeden niederzumachen. Besonders mich.
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. Aggro Meister wurde von seinem Vater,
einem Krankenpfleger, mit dem Gürtel verprügelt. Darum ließ er seinen Frust an anderen aus. Leider war er stärker als ich.
Er starrte mich verächtlich an.

Die Miene von G-O-R-D-O-N-N  hellte sich auf.
Klar kannte er N-I-e-L   D-E-I-M-E-N-N-T. Er sagte ein paar Dinge auf englisch, die ich nicht verstand. Anscheinend fand er meinen Musikgeschmack nicht so toll. Ich kannte nicht gerade viel von Niel D-E-I-M-E-N-N-T. Hot August Nights war allerdings prima.  
Brother Love's Travelling Salvation Show und Sweet Caroline gefielen mir sehr gut.
Der Vater von einem Freund hatte die Platte in seiner Sammlung. Sobald er aus dem Haus war, stürzten mein Freund und ich zu seiner wahnsinnig teuren Stereoanlage und hörten Musik, obwohl der Vater von meinem Freund ihm das bei Androhung der Höchststrafe verboten hatte.
Ich hatte keine Ahnung, was die Höchststrafe war.
Es war mir auch egal. Der Alte war ein Spießer.
Ganz anders als meiner.

Kam der Vater meines Freundes von der Arbeit nach Hause, mussten alle ganz ruhig sein.
Er hatte eine Pornosammlung, die er im Schlafzimmerschrank versteckte.
Mein Freund hatte sie trotzdem gefunden.So schauten wir mit seinem Filmprojektor ab und zu auch Filme an.Da wir den Lautsprecher nicht anschließen konnten, sahen wir
sie ohne Ton. Wir machten uns einen Spaß daraus, die Filme zu synchronisieren und sprachen erfundene Texte dazu.
Aber das ist eine andere Geschichte.

Gordon quasselte immer noch. Sein Hosenschlitz war halb auf. Am Reißverschluss  hing ein Stück Stroh.Wer weiß, was der Lurch gestern Nacht gemacht hat, dachte ich.
Ich überlegte, ob ich ihn fragen sollte, aber mein Englisch war nicht so gut.
Während Gordon sprach, rollten seine Augen hinter der Brille hin und herwie zwei schwarz-weiße Murmeln.
Er sah ein bisschen schräg aus.
Vielleicht hatte er einen Dachschaden.Wurden die Typen eigentlich überprüft, wenn sie sich als Austauschschüler bewarben?
Könnte sonst jeder kommen.
Zum Beispiel dieser Charles Manson und seine Sekte.
Die hatten einer schwangeren Frau den Bauch aufgeschlitzt und das Baby rausgeholt.
Mir wurde übel.

Ich konzentrierte mich auf die gelbe Gardineam Fenster, die träge hin und her schwankte.
Als mir besser wurde, sah ich mich in der Klasse um. Die anderen starrten immer noch
gelangweilt nach vorne.Da sich außer mir keiner Gedanken zu machen schien, ob Gordon etwas mit der Manson Familie zu tun hatte, entspannte ich mich langsam.
Gordon sagte gerade, dass er Grand Funk mochte.Er fragte, ob jemand die Gruppe kennen würde.
Niemand reagierte.
Mark Farner ist der Gitarrist, rief ich.
Dummerweise auf deutsch.
I like The Locomotion and Destitute and Loosin, schob ich matt hinterher.
Ich hatte die Single tatsächlich. A und B-Seite. Im Eska-Kaufhaus für eine Mark auf dem Grabbeltisch gefunden, wo sie irgendein Blödmann falsch ausgezeichnet und einsortiert haben musste.
Ich hatte vorher bei meinem Zahnarzt in einer uralten, zerfledderten Bravovon Grand Funk gelesen. The Locomotion war ein Cover. Cool gemacht. Laut und treibend.
Ich mochte die Orgel.
Die B-Seite war auch nicht schlecht. Gordon warf mir einen anerkennenden Blick zu.
Die anderen betrachteten mich neugierig.
Ich tat, als würde es mich nicht interessieren.

Die nächste Stunde wurde mit einem schrillen Klingeln eingeläutet.
Deutsch bei Frau Moll.
In der Pause hatte ich mit dem Sheriff im Gang zwischen den Pultreihengerungen und ihn schließlich  mit einer Beinschraube besiegt. Der Sheriff wurde so genannt, weil
niemand so lässig rauchen konnte wie er. Wie ein cooler Sheriff im Wilden Westen.
Ein Typ, der in seiner Stadt einfach alles im Griff hat. Der Sheriff hieß eigentlich Matthias und hatte außer seinen Kippen überhaupt nichts im Griff.
Er war ein noch größerer Loser als ich.
Die Wohnung seiner Eltern war so klein, dass alle im gleichen Zimmer schliefen und er
seinen Eltern regelmäßig beim Liebe machen zuhören musste.
Das machte ihn fertig.
Er hasste seinen Vater, der sein Auto so sehr liebte, dass er es alle paar Tage
wienerte bis es glänzte, wie ein Lackschuh. Die Eltern vom Sheriff hörten Ernst Mosch und die Egerländer.
Dafür hasste er seinen Vater noch mehr.
Er sagte nie Vater, immer nur Herbert. Dem Alten war es egal.
Der Sheriff besaß eine defekte E-Gitarre, die mich einmal um ein Haar in eine andere
Dimension katapultiert hätte.Ich habe solch einen Stromschlag bekommen, dass ich die Glocken läuten hörte.

Der Sheriff lag mit hochrotem Kopf auf dem Boden und war den Tränen nah.Ich ließ nicht locker.Der Schweiß lief mir in Bächen den Rücken hinunter bis in die Unterhose.
Das war scheußlich und machte mich wütend.
Ich ließ erst locker, nachdem der Sheriff
die Zauberworte gesprochen hatte. Ich gebe auf, flüsterte er.
Ich ließ es ihn noch einmal sagen.
Er stand auf und griff ohne Vorwarnung nach meiner Federtasche, um sie mit aller Kraft gegen die Tafel zu schleudern. Er traf genau die Stelle, an der Frau Satellitus in der Stunde zuvor GORDON an die Tafel gepinnt hatte.
Das G und das o verwischten bei dem feigen Anschlag des Sheriffs.
Die Klasse johlte.
Ich griff mir den Stoffbeutel des Sheriffs, lief zum Fenster , öffnete es und stellte den Beutel auf  den Absatz, mitten in den von Vogelzwitschern und Bienengesumm erfüllten Tag, soweit vom Fenster weg, wie ich nur konnte.
Der Hausmeister hatte den Rasen gemäht, es roch nach frischem Gras.
Der Beutel stand auf dem schmalen Sims, zwei Stockwerke über dem kurz
geschnittenen, duftenden Rasen.

Der Sheriff stürzte zum sperrangelweit geöffneten Fenster und kletterte hinaus, da er anders nicht anlangte.Es schrillte erneut.Unnachgiebig, gellend.
Die allte Moll kommt, schrie jemand. Ich schloss das Fenster und schlenderte betont lässig zu meinem Platz.
Alle setzten sich.
Der Sheriff hing draußen an der Scheibe wie eine riesige, verirrte Fliege.Die kurzsichtige Moll betrat die Klasse und steuerte schnurstracks das Lehrerpult an, auf dem fein säuberlich die pädagogischen Instrumente lagen.Tafelkreide, Klassenbuch und ein
riesiges, zerkratztes Geodreieck aus Hartplastik.
Der Sheriff drückte sich die Nase an der großen Scheibe platt.
Er sah aus wie ein Clown.
Nur ohne rote Nase.
Er guckte mich flehentlich an. Ich schüttelte den Kopf. Frau Moll ließ sich ächzend auf
dem Pult nieder, das unter ihrem Gewicht bedenklich knarrte.
Sie war uralt, sechzig oder so und hatte ein Faible für mausgraue Röcke.
In ihrem Mund saß ein schlecht sitzendes künstliches Gebiss wie ein loser Knochen.
Ständig schob sie das speichelbenetzte  Ding hin und her.
Ich konnte sie nicht ansehen, keiner konnte sie ansehen.Bis auf den dicken Möllmann, der das glitschige Ding fasziniert beäugte.
Frau Moll saß nicht gerade lady-like auf dem Pult.
Zwischen ihren Schenkeln blitzte es weiß auf. Möllmann war in seinem Element.
Er sah sich triumphierend um.
Ich fand es widerlich.

Der Sheriff stand regungslos auf dem schmalen Sims und drückte sich die Nase platt an
der verschmierten Scheibe.
Zuerst kicherten ein paar Leute, doch dann fing die brütende
Hitze in unserem Affenkäfig an, jeden Gedanken zu killen.Wir brüteten stumpf vor uns hin,
sogar die Fliegen an der Decke schienen zu erschöpft für die übliche Luftakrobatik.
Sonst nervten sie ununterbrochen.
Heute war es einfach zu heiß.
Ich dachte an den Sheriff, an G-O-R-D-O-N und die schlafenden Bisamratten, aber irgendwann herrschte totale Leere in meinem Kopf.

Keine Ahnung, ob Frau Moll noch lebte.
Sie hing auf dem Pult wie angeklebt, dass wackelige Gebiss verharrte in einer
mir zum Glück unbekannten Position und sie glotzte durch uns hindurch.Wir brüteten in der mittäglichen Hitze.Jeder schwitzte für sich allein.
Totenstille in der 8 b.

Ich fühlte mich elend und sehnte mich an den Strand. Was sollte ich hier? Was wollte ich hier?
Nichts.
Schweißnasse Stille. Ich stellte mir vor, ich sei tot.
Das killte mein letztes bisschen Verstand.

Da klopfte es.
Laut und vernehmlich.
Ich kam zu mir.Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich so gesessen hatte.
In den Augen von Frau Moll flammte ein kleines blaues Licht auf.

Fragend. Suchend.
Was? Wieso?
Wie bitte? stammelte sie mit schwerer Zunge.
Es klopfte erneut. Fordernd, ungeduldig.
Frau Moll kletterte stöhnend vom Pult und rief mit rauer Stimme Herein.
Nichts.
Sie sah uns irritiert an und wankte Richtung Tür.
Draußen war niemand.Es klopfte erneut.
Wütend.
Tack tack tack.

Im Klassenraum flammte Unruhe auf wie ein Feuer im Nadelwald.
Frau Moll stierte uns an, hohläugig,verzweifelt.
Was zum...
Stakkatoklopfen.
Ratatatatata.

Der Mund unserer Lehrerin öffnete sich,das Gebiss rutschte Richtung Ausgang.
Möllmann sah interessiert zu. Der Typ war unglaublich.
Er trug  bereits den vierten Tag die selbe Unterhose.
Irrtum ausgeschlossen.Der hinter ihm sitzende Typ machte ihm jeden Tag auf den Bund der grundsätzlich aus der Jingler-Jeans guckenden Unterwäsche einen fetten Strich mit seinem grünen Kugelschreiber.Und ich zählte vier krakelige Striche. Möllmann war echt
ein Gammelpäckchen.
 
Jetzt donnerte es gegen die Scheibe,die hin und her schwang.

Alle sahen den Sheriff, der auf dem Sims stand wie der Rächer der Enterbten.
Alle.
Bis auf unsere Lehrerin, für welche die Ursache des Donnerwetters dank ihrer Kurzsichtigkeit vorläufig im Dunkeln verborgen blieb. Frau Moll, die offensichtlich an ihrem
Verstand zu zweifeln begann, wandte den Kopf und schrie auf.
Sie hielt sich mit den Händen die Ohren zu.

Auf dem Sims stand der Sheriff mit hochroten Wangen und hämmerte derart gegen das Glas, dass man es in der ganzen verdammten Schule hören musste. In seinen schwarzen Klamotten sah er aus wie eine riesige Fliege. Der Sheriff.
Die Klassenfliege.
Frau Moll zuckte zusammen und trat an das Fenster.
Sie starrte erst den Sheriff und dann uns an.
Auf ein zittriges Zeichen von ihr öffnete die dünne Wanka Müller das Fenster.
Der Sheriff kletterte flammrot schnaubend in die Klasse und stürzte sich auf mich wie ein tollwütiger Hund.

Wir rangen im Mittelgang.Verzweifelt und verbissen.
Ich glaube, ich habe sogar geknurrt wie ein wilder Hund.
Die anderen sahen zu.

Es stand unentschieden, als Frau Moll sich plötzlich bückte und uns
speichelsprühend links und rechts am Kragen packte.
Sofort aufhören, schrie sie.
Wir schielten ängstlich auf ihr instabiles Gebiss.

Was veranstaltet ihr für ein Theater, rief Frau Moll. Benehmt euch gefälligst wie anständige Menschen.
Ihr seid die Zukunft unserer Landes!

Wir sahen uns entgeistert an. Wir hatten mit allem gerechnet,nur nicht damit.

Zuhause gab es das Pansgust-Gericht, eine jugoslawische Spezialität aus Bohnen und Hackfleisch, benannt nach den Leuten,von denen meine Mutter das Rezept
erhalten hatte. Wir saßen dicht gedrängt um den Tisch unserer kleinen Küche überunsere dampfenden Teller gebeugt.
Wie läuft es in der Schule, fragte mein Vater, der selbst Lehrer
und somit über meine Situation bestens im Bilde war.
Ich kaute verdrossen und brummte etwas, was alles mögliche bedeuten konnte.
Er nickte mir zu.
Streng dich an, sagte er.

Mein Bruder kicherte. Ich versetzte ihm unter dem Tisch einen Tritt.
Er trat zurück. Mein Vater tat, als habe er es nicht bemerkt.
Ein feines Lächeln zog über sein Gesicht.
Auch wenn du es nicht glauben magst.
Du und Dein Bruder, ihr seid die Zukunft
unseres Landes.

Ich schob den Teller beiseite und ging wortlos in mein Zimmer.



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jon
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J
Beitrag14.03.2017 15:17

von jon
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Ich habe zwei grundsätzliche Probleme mit diesem Text.

Das eine – die zerfledderte Formatierung - ist schnell behoben, indem überflüssige Leerzeilen und falsche Zeilenumbrüche entfernt werden. Es fehlen auch immer wieder Leerzeichen.

Das zweite Problem besteht in der Glaubhaftigkeit. Neben ein paar unlogischen Details stört mich vor allem, dass die recht ausgefeilte Sprache und recht sensible Beobachtungsgabe des Erzählers nicht zu seinem behaupteten geistigen Niveau passt. Er läuft Gefahr, die 8. Klasse zum dritten Mal wiederholen zu müssen – das ist nicht durch reine Faulheit begründbar. Kann sein, dass er unterfordert ist und er aufgrund einer Kombi aus Hochbegabung und Konzentrationsschwäche nicht die seinem IQ entsprechenden Leistungen bringt – aber dann würde er den zweiten Durchgang definitiv nicht versemmeln, Neil Diamond halbwegs korrekt aussprechen können und vermutlich würde er seine Interessen nicht auf „Musik und Bücher“ einschränken. Vielleicht gäbe es sogar ein Fach, in dem er richtig gut ist.

Was ich außerdem nicht glücklich finde, ist der aufgesetzt wirkende Schluss. Dass die Lehrerin sowas sagt, das ist bei aller Überraschung noch glaubhaft. Aber warum der Vater es an dieser Stelle sagen sollte, entzieht sich meinem Verständnis.


Davon abgesehen, dass dieser Text so aus meiner Sicht nicht richtig funktioniert, mag ich die Sprache und die eigene Beobachtungsgabe, die hier sichtbar wird, sehr. Sowas würde ich gern - besser eingebettet – wieder lesen.


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Haruki Okada
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Beitrag19.03.2017 18:10

von Haruki Okada
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Jon,

ich danke Dir für Deine Kritik.
Die Form ist absichtlich so gewählt.
Die Arbeit stammt aus einem Buch, dessen Texte zwischen Prosa und Lyrik angesiedelt sind. Im weitesten Sinne. Es handelt sich um einen der wenigen meiner Texte, deren Kernhandlung sich fast genauso zugetragen hat. Ok. Die kleine NIEL DEIMENNT-Episode hat sich in der sechsten Klasse ereignet Cool
Egal. Ob hochbegabt oder nicht, Leute können tatsächlich (zumindest vorübergehend) in der Schule kolossal  scheitern und später eine Karriere hinlegen, die für die meisten Lehrer seinerzeit völlig ausgeschlossen war. Irgendwann schaltet die Ampel auf grün. Warum auch immer.
Der Hinweis mit der zerfledderten Formatierung ist wichtig. Vielleicht empfindet der Leser diese Form doch ganz anders als vom Autor beabsichtigt. Und das Urteil über eine Arbeit fällt nun einmal der geneigte Leser.


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czil
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C
Beitrag19.03.2017 23:10

von czil
Antworten mit Zitat

Zitat:
Und das Urteil über eine Arbeit fällt nun einmal der geneigte Leser.

Es ist immer schwierig, etwas zu einem Text zu sagen, der so dermaßen autobiographisch trieft.
Nach der Hälfte musste ich leider aufhören.
Eine langweilige Schulstunde wird nicht spannender, wenn ein Langeweiler darüber philospohiert. In sofern hat mir hier einfach die Motivation gefehlt, weiter zu lesen, weil ja nichts passiert, was einen zum Weiterlesen treibt.

Die schon angesprochene mangelnde Sorgfalt bei der Aufmachung des Textes mag daran liegen, dass du das Ding hier rein kopiert hast. Dennoch solltest du wissen, dass zwischen einem Punkt und dem nächsten Satz ein Leerzeichen gehört. Das sieht einfach nicht danach aus, als hättest du dir Mühe gegeben, den Text auch gefällig zu präsentieren.
Ja, auch hochbegabte können Karriere machen, wenn sie jemand fördert - oder im Gegenfall eben nicht - aber was hat das bitte mit deinem Text zu tun?

Manches hätte mir gut gefallen können, wenn du es nicht in die Breite getreten hättest.
Und, ich kann mir beim besten Willen noch immer nicht erklären, was das mit den Hängetitten und dem dicken Möllmann sein soll.

Meinung eines Lesers.


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Haruki Okada
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 62
Beiträge: 66
Wohnort: Holstein


Beitrag21.03.2017 20:10

von Haruki Okada
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Czil,

danke für Deine Meinung.


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