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adelbo Reißwolf
Beiträge: 1830 Wohnort: Im heiligen Hafen
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19.09.2011 21:43 Folge von adelbo
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Ich würde gerne ein paar Meinungen zu den folgenden Zeilen bekommen.
Argwohn lenkt das Denken
das Leben zwingt die Sicht
angreifen ist einziger Sinn
einer erfrorenen Kindheit
Vereinsamt am Computerspiel
Gedanken des Widerstandes
Sie graben sich – in die Köpfe der Schutzlosen –
Schrecken
Aufschreien
statt lebendiger Jugend
_________________ „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“
Bertrand Russell |
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Gast
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21.09.2011 00:59
von Gast
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Hallo Adelbo,
ich bin etwas verunsichert durch das Einstellen dieses Gedichts unter "Form" und "Schreibübungen". Kannst du mir sagen, was hier der "Form-Gesichtspunkt" ist?!
Inhaltlich habe ich nach einem ersten Lesen noch nicht mehr aufgeschnappt als "Computerspiele sind böse". Aber das wird sich bei einem zweiten Lesen in wachem Zustand vermutlich weiten.
Gruß,
Soleatus
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adelbo Reißwolf
Beiträge: 1830 Wohnort: Im heiligen Hafen
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21.09.2011 09:36
von adelbo
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Moin Soleatus
Zitat: | ich bin etwas verunsichert durch das Einstellen dieses Gedichts unter "Form" und "Schreibübungen". Kannst du mir sagen, was hier der "Form-Gesichtspunkt" ist?! |
Du siehst mich total verunsichert! Ich dachte Schreibübungen und Form wäre richtig, wenn ich die Zeilen mit Fachleuten auseinander nehmen und auf Herz und Nieren, die Form und die Wortwahl, prüfen möchte.
Zitat: | Inhaltlich habe ich nach einem ersten Lesen noch nicht mehr aufgeschnappt als "Computerspiele sind böse". |
Das ist ja schon ein erster Ansatz. Eine erster Hinweis auf die Wortwahl.
Ich befasse mich mit Versformen und Rhythmus und das ist eine Übung. Unterschiedliche Taktformen in einem Gedicht. Mein erster Versuch. Und der Versuch mit stimmigen Worten im Rhythmus zu bleiben. Deshalb die Frage nach der Wortwahl?
Geht das so oder was passt absolut nicht. Rein vom Gefühl und vom laut lesen finde ich es nicht schlecht.
LG
adelbo
_________________ „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“
Bertrand Russell |
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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21.09.2011 10:13 Re: Folge von ELsa
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Liebe adelbo,
hm, also ich hab das jetzt mehrmals laut gelesen und hab da einige Rhythmus/Takt-Probleme (nur mal fern des Inhalts die Form!):
Zitat: | Argwohn lenkt das Denken
das Leben zwingt die Sicht | das ist stimmig. Wobei die 2x das mir nicht so ...
Zitat: | angreifen ist einziger Sinn
einer erfrorenen Kindheit | hier ist kein Takt zu finden für mich, es ist Prosa? DIe Zeilen nehmen auch nicht den Rhythmus der vorigen Zeilen auf, bieten aber auch nicht ein neues Metrum an.
Zitat: | Vereinsamt am Computerspiel
Gedanken des Widerstandes | da entdecke ich auch keinen Rhythmus, der zu den Zeilen davor bzw. dahinter gehören könnte.
Zitat: | Sie graben sich – in die Köpfe der Schutzlosen –
Schrecken
Aufschreien
statt lebendiger Jugend | auch das lese ich eher als Prosa.
Inhaltlich mutet der Text sehr distanziert an, als würde es sich um eine psychologische Einschätzung von oben handeln. Mir fehlt das persönliche Element, das mir diese Erkenntnis ins Herz schießen könnte. Wobei ich die PC-Spiel-Sucht auch bei Kids wahrnehme, die eine überaus warmherzige, liebevolle, geborgene Kindheit erleben. Definitiv.
Liebe Grüße
ELsa
_________________ --
schreiben ist atmen |
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Gast
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21.09.2011 10:38
von Gast
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Hallo Adelbo,
aha, Rhythmus!
Da würde ich sagen, das passt schon so in etwa!? Für mich würde ich wahrscheinlich eine unbetonte Silbe mehr in die erste Zeile nehmen (lenkt -> steuert?), weil sonst die ersten beiden Zeilen abwechselnd betonte und unbetonte Silben haben, was den Leser falsch "einstimmt" für's Kommende?
Und bei Worten wie "Angriffe" wäre ich, vom Rhythmus her gesehen, immer etwas vorsichtig, weil da eine betonte Silbe, eine stark Nebenbetonung und eine unbetonte Silbe aufeinanderhängen. So eine Einheit ist im allgemeinen schwer unterzubringen in den gängigen Taktformen.
Unsicher bin ich beim "einer" - das ist rhythmisch gesehen ein etwas unklares Wort? Ich lasse es mal weg, rein aus Versuchszwecken; dadurch wird der lange Ausdruck "einer erfrorenen Kindheit" verkürzt, was ich für sinnvoll halte, denn man muss ihn ziemlich schnell sprechen, und auf der Sinnebene - "erfroren" - herrscht doch eigentlich eher Stillstand?
Die schnelle Bewegung passt dann besser zum "Angreifen", finde ich.
Ich versuche mal was und nehme zusätzlich zu dem angesprochenen die vierte Zeile als dritte (da ist sie sowohl in Verbindung mit der zweiten als auch mit der vierten?)
Argwohn steuert das Denken
Das Leben zwingt die Sicht
Erfrorener Kindheit
Einziger Sinn ist der Angriff
Mir scheint, das ganze gewinnt so an Festigkeit. Da sind mehr Verbindungen, und auch der Beginn mit "Argwohn" und der Schluss mit "Angriff" bilden einen schönen Rahmen?
Außerdem ist beim Rhythmus ja auch wichtig, was es für Sinneinheiten gibt im Text - den die werden ja gehört, nicht die zugrundeliegenden Takteinheiten. Wenn ich die veränderte Fassung darauf abklopfe, scheint mir das rauszukommen:
— —, — v v — v
v — v, — v —
v — v v — —
— v v —, v v — —
( — schwere Silbe / v leichte Silbe / , Sinneinschnitt)
Und das gefällt mir ganz gut, nicht zu eintönig, aber auch nicht zu verschieden.
Na ja, soweit erstmal ein paar Vorschläge. Natürlich ist nichts davon in Stein gemeißelt, und wenn du das alles für Dummfug hältst, dann vergiss es bitte sofort wieder.
Gruß,
Soleatus
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adelbo Reißwolf
Beiträge: 1830 Wohnort: Im heiligen Hafen
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21.09.2011 19:09
von adelbo
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Hallo Elsa,
ich habe mir für die Zeilen folgende Übungsvorgaben, Takte herausgesucht, weil ich mir die gut vorstellen konnten, für das was ich sagen wollte.
Die erste Strophe
Trochäus, Jambus, Anapäst und Daktylus in einem Gedicht.
/ u / u / u
u / u / u /
u u / u u / u u /
/ u u / u u / u
Argwohn lenkt das Denken
das Leben zwingt die Sicht
angreifen ist einziger Sinn ( hier ist eine Abweichung, kann man das so machen? )
einer erfrorenen Kindheit
Die zweite Strophe
Unregelmäßiges Versmaß mit wechselnden Hebungen und Zäsuren:
u / u u / u /
u / u u / u / u
u / u / || / u u / u u / u u
/ u
/ u u
u / u u / u
Vereinsamt am Computerspiel
Gedanken des Widerstandes
Sie graben sich – in die Köpfe der Schutzlosen –
Schrecken
Aufschreien
statt lebendiger Jugend (hier ist eine Abweichung)
Ich wollte eine Steigerung des Ausdruckes, eine höhere Wertigkeit in der zweiten Strophe erreichen. Die Kombination der Takte gefiel mir gut.
Aber ich glaube, dass die Wortwahl dazu nicht passt.
Dass du es teilweise als Prosa empfindest oder bezeichnest ist doch eigentlich nicht schlecht. Nur ist das zulässig? Kann man das so machen?
Zitat: | Inhaltlich mutet der Text sehr distanziert an, als würde es sich um eine psychologische Einschätzung von oben handeln. Mir fehlt das persönliche Element, das mir diese Erkenntnis ins Herz schießen könnte. Wobei ich die PC-Spiel-Sucht auch bei Kids wahrnehme, die eine überaus warmherzige, liebevolle, geborgene Kindheit erleben. Definitiv. |
Eine gewisse Distanz ist gewollt. Ich mußte verhindern, dass die Zeilen missionarisch klingen. Mein Anliegen war es, zu sagen, wundert euch nicht, wenn aus Kindern, rachsüchtige Jugendliche werden.
Die Spielsucht bei Kindern aus geordneten, vielleicht sogar liebevollen Verhältnissen, wird es sicherlich geben. Aber das Gefühl für Recht und Unrecht, ist in der Regel bei diesen Kindern ausgeprägter und sie werden eher selten zu Angreifern.
Von oben darf der Text nicht klingen, das schreckt ab. Ich werde den Hinweis bei meiner Überarbeitung auf jeden Fall berücksichtigen.
Vielen Dank Elsa, für deine Kommentierung. Sie bringt mich ein Stück weiter.
LG
adelbo
_________________ „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“
Bertrand Russell |
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adelbo Reißwolf
Beiträge: 1830 Wohnort: Im heiligen Hafen
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21.09.2011 20:53
von adelbo
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Hallo Soleatus
vielen Dank für deine für mich wertvollen Hinweise. In der Antwort an Elsa habe ich dargelegt, was mein Anliegen ist. Und dabei ist mir aufgefallen, wie schwierig es mit dem richtigen Rhythmus ist.
Bisher habe ich alles wirklich nur aus dem Gefühl heraus geschrieben. Mit Gefühl meine ich, dem Gefühl für die richtige Taktzahl und des richtigen Rhythmuses.
Ich finde es jetzt ausgesprochen schwierig, mich innerhalb der gängigen Formen und Taktvorgaben zu bewegen. Es ist aber sehr interessant.
Ich glaube, ich habe mir das richtige Thema für eine Übung ausgesucht. Ein sehr schwieriges Thema und doch mit einfachen Worten lösbar. Damit es angenommen wird, müssen der Rhythmus und die Wortwahl sehr gut harmonieren.
Zitat: | Argwohn steuert das Denken
Das Leben zwingt die Sicht
Erfrorener Kindheit
Einziger Sinn ist der Angriff |
Dein Vorschlag klingt gut. Was mich stört, ist "der Angriff". Das ist mir zu platziert, zu hart.
Vielen Dank für deine Kommentare. Ich baue auf deine weiteren Meinungen bei Änderungen.
LG
adelbo
_________________ „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“
Bertrand Russell |
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Gast
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24.09.2011 00:53
von Gast
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Hallo Adelbo,
ich bin weder der hellste noch der schnellste, daher ist mir erst jetzt aufgefallen, dass du in deiner Antwort an Elsa gar nicht die metrische Abbildung deiner zuvor geschriebenen Verse gegeben hast, sondern dass du die metrische Abbildung, wie sie bei Nihil zu finden ist, als deine Vorlage genommen hast. Ich denke, du hast ein paarmal verändert gegenüber der Vorlage? Du gibst:
Vereinsamt am Computerspiel
Das hat eine Silbe mehr als Nihils Vorgabe, und die Betonung auf "Com-" scheint mir sehr seltsam; müsste es nicht heißen "Computer"?
Ansonsten (nur zur Vorsicht - wenn du das alles schon bedacht hast, verzeih): "Metrum" (ich denke, das ist ungefähr gleichbedeutend mit deinem "Takt"?!) und "Rhythmus" sind zwei recht verschiedene Begriffe.
Metrum, Takt wäre die Abfolge von betonten und unbetonten Silben, die der Hörer eigentlich gar nicht wahrnimmt, also etwa:
— v v — v v — v v — v
Rhythmus ist dann die Verwirklichung dieses Metrums in der Sprache, in Sprech- und Sinneinheiten, die der Hörer wahrnimmt. Und das können bei einem gleichen Metrum dann ganz verschiedene Rhythmen sein, in meinem Beispiel:
Hörst du der Silben verhaltne Bewegung?
Hörst du / der Silben / verhaltne / Bewegung?
— v / v — v / v — v / v — v
Hier ist die bestimmende rhytmische Figur das dreimalige "v — v", wodurch der Vers einförmig wird und langsam. Aber:
Wildes Gewühl der sich drängenden Silben!
Wildes Gewühl / der sich drängenden / Silben!
— v v — / v v — v v / — v
Hier liegt über demselben Metrum ein ganz anderer Rhythmus: Die Sinneinheiten sind sehr verschieden, der Vers wirkt unruhig, und eben: drängend.
Hm, macht das jetzt irgendetwas klarer? Vielleicht...
Na ja, nur eins noch zum "Angriff": Was ist bedenklich daran, dass das "hart" klingt? Ist ein Angriff nicht so: hart, schroff?
Gruß,
Soleatus
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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25.09.2011 19:07
von ELsa
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Liebe adelbo,
Zitat: | ich habe mir für die Zeilen folgende Übungsvorgaben, Takte herausgesucht, weil ich mir die gut vorstellen konnten, für das was ich sagen wollte. | Ok.
Zitat: | Trochäus, Jambus, Anapäst und Daktylus in einem Gedicht. | Hm, ich verstehe, wobei mir diese Taktaturen nicht wirklich wichtig sind. Ich "höre" tw. die Betonungen anders, als du sie hier anführst:
Zitat: | Argwohn lenkt das Denken
das Leben zwingt die Sicht |
Zitat: | angreifen ist einziger Sinn ( hier ist eine Abweichung, kann man das so machen? )
einer erfrorenen Kindheit | Ich weiß nicht, ob mans so machen kann, mir will der veränderte Takt nicht gut munden
Zitat: | Vereinsamt am Computerspiel | das kann ich garnicht nachvollziehen, denn Computerspiel wird anders betont.
Zitat: | Gedanken des Widerstandes
Sie graben sich – in die Köpfe der Schutzlosen | die 2. Zeile ist für mich absolut keine Verszeile sondern Prosa. Sie ist imho zu lang und könnte höchstens funktionieren, wenn sie so hieße:
verfestigt in ihren Köpfen (aber dann fehlen die zu Benennenden).
Und hier wieder eine falsche Betonung:
Zitat: |
–
Schrecken
Aufschreien
statt lebendiger Jugend (hier ist eine Abweichung) | lebendiger
LEbendiger geht eigentlich nicht.
Liebe Grüße,
ELsa
_________________ --
schreiben ist atmen |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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30.09.2011 23:12
von firstoffertio
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Ich lese das so:
Argwohn lenkt das Denken
das Leben zwingt die Sicht
angreifen ist einziger Sinn
einer erfrorenen Kindheit
Vereinsamt am Computerspiel
Gedanken des Widerstandes
Sie graben sich – in die Köpfe der Schutzlosen –
Schrecken
Aufschreien
statt lebendiger Jugend
Und finde es passend zum Gedankengang, macht ihn deutlich, lässt einen langsam lesen und den Gedanken aufnehmen.
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