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Pencake Exposéadler
Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg
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28.06.2011 11:55 Dämmerung aus dem Off von Pencake
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Dämmerung aus dem Off
Der Morgen roch
nach frischem Obst,
Kirschen vielleicht,
vor meinem Balkon
sprach ein zierlicher Vogel
ein Machtwort.
Ich hatte gerade ein Buch
von Felix Timmermann ausgelesen.
"Meine Seele dürstet immer nach dem Mysterium,
denn sogar, wenn ich mich auf der Durchreise
in einer Stadt oder einem Dorf aufhalte,
richte ich meine Schritte zuerst
immer zum Friedhof." - beeindruckend.
Ich wollte einen eigenen Text mitnehmen
zu einem eiligen Termin,
schob den Speicherstick in den Anschluss,
klickte zweimal, doch es erschien:
"Der Speicherplatz reicht nicht aus."
Der Bildschirm wurde schwarz,
weiße Schrift blinkte auf,
das Ganze sah aus
wie die ersten Schreibversuche
auf dem Commodore 64:
"Hier spricht dein Chief, dein Häuptling,
wenn du weißt, was ich meine."
Wusste ich nicht,
doch da gings schon weiter:
"Hör zu, du schreibst nun seit
zig Jahren und seien wir ehrlich:
was dabei rumkommt bislang,
ist mehr als überschaubar."
Protest galoppierte
von meiner Herzgegend Richtung Hals,
doch: "Deine Coolness (ihr stünden
die Gefrierräume eines Schlachthofs zu)
verdampft wie auf einem billigen
Zweiplattenkocher. Deine schreiberische
Dringlichkeit (für sie wäre ein
Hochsicherheitstrakt angemessen)
sonnt sich in einem parfümierten
Hundekorb. Deine Poesie,
die Galaxien auskleiden müsste, passt
in ein Schnapsglas. Und bevor du jetzt
anfängst zu trinken: Lass es einfach,
vor allem das Schreiben."
Meine Hand zuckte
von der Whiskyflasche zurück,
stattdessen steckte ich mir eine
Zigarette an. "Und noch was: Hör
auf, ständig Nebelkerzen zu zünden.
Nur weil du
hier einen wichtigen Namen fallen lässt,
dort ein superschlaues Zitat nennst
und zeitweise den Stil behechelter Autoren kopierst -
es wird dir nicht helfen."
Ich drückte die Zigarette aus
und machte mich auf zum Friedhof.
Es gäbe etwas zu begraben.
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Gast
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28.06.2011 18:28
von Gast
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Es lebe der Konjunktiv.
Selbstzweifel und die Fähigkeit, über sie und sich selbst zu lächeln.
Etwas zu sagen haben und sich dabei nicht über Gebühr wichtig zu nehmen.
Erfinderisch zu sein, aber die große Glocke nicht nötig zu haben.
Um die eigene Trägheit zu wissen, aber doch immer wieder an Verkrustungen kratzen: dein Hin und dein Her, es gehört dir nicht allein …
Du schaffst es immer wieder: da sitz ich und mir bliebe der Mund offen stehen, wenn ich nicht so eine sprichwörtliche Kontrolle über meine Mimik hätte. Aber so bleibe ich bewahrt … vor dem Behecheln. Ich mag diese Geschichte sehr, und begraben: ja, aber immer wieder ausbuddeln, trotzdem!
Anja
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Pencake Exposéadler
Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg
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29.06.2011 09:25
von Pencake
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Moin Anja,
freut mich sehr, dass du den selbstironischen
Charakter des Stückes so zentral nachvollzogen
und kommentiert hast.
Ja, das ist ein Text, in dem wir uns bestenfalls
als Schreiber wiedererkennen - und wenn nicht,
hoffentlich ein wenig unterhalten werden.
HG, Niko
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