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Miss Rainstar Leseratte
Alter: 48 Beiträge: 190 Wohnort: Gielsdorf
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30.04.2010 21:26 In der Zeit eines Sonnenunterganges von Miss Rainstar
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In der Zeit eines Sonnenunterganges
Ich bin lange gelaufen. Durch die enge Stadt mit ihren Hochhäusern, den breiten und dicht befahrenen Strassen, den hetzenden Menschenmassen und dem überall verbreiteten Grau. Dann kamen die Gärten der Randstadt. Kleine Lauben aus Holz und Presspappe, Einfamilienhäuser und vereinzelt auch diese großen Wohnwagen. Es war ruhig hier draußen, aber nicht ruhig genug. In mir selbst war es laut. Viel zu laut, um die Ruhe und Geborgenheit der Randstadt wirklich erleben zu können. Also musste ich noch weiter weg, hinaus. Raus aus dem Leben und raus aus den Gedanken.
„Sie wird dich finden!“, schrie hinter mir diese Stimme.
Ich drehte mich um, doch da war nichts. Hetzte weiter, bis mein Atem pfiff. Felder, Wiesen, ein kleiner Fluss und dann Wald. Hinter mir neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen. Es war noch gar nicht so lange her, dass ich aus der Stadt geflüchtet war. Und was passierte war nur eine Sache von Minuten.
Keine Menschen mehr. Beruhigt ließ ich mich nieder.
„Bist du jetzt zufrieden?“ Wieder diese Stimme. So dicht an meinem Ohr, dass ich sogar den Atem riechen konnte. Nein, es war nicht der Atem. Es war der Geruch des Blutes an meinen Händen. Entsetzt betrachtete ich das Rot auf meiner Haut und meiner Kleidung. Doch im Kopf nur Schwärze. Wo Bilder hätten sein sollen, sah ich nur diese Bahnhofsuhr. Wie ihre Zeiger unerbittlich weiter und weiter vorrückten. Und mit jedem Sekundenschlag nahm das Dröhnen der eisenbeschlagenen Räder zu. Ich spürte, wie mein Herz zu rasen anfing.
„Da hast du es! Es hört niemals wieder auf!“, kreischte es durch mein Gehirn.
„Aufhören! Hör auf! Ich will nicht!“, kreischte ich zurück, um die Stimme zu übertönen, doch ihr wildes Lachen zerdrückte meine Wortfetzen, wie Seifenblasen. In der Dunkelheit vor meinen Augen tauchten zwei helle Punkte auf. Ich fing an zu heulen, wusste schon vorher, was passieren würde. Die Zeiger der Bahnhofsuhr sprangen wieder vor. Zu den hellen Punkten gesellten sich ein dumpfer Luftzug und ein Rauschen.
Stimmengewirr mischte sich darunter und das Lachen von Menschen. Ich sprang auf und rannte in den Wald. Weg, noch weiter weg von diesen Bildern, meinen Gedanken und den Geräuschen. Irgendwo stolperte ich und fiel. Hinein in die Schwärze vor meinen Augen.
Und mitten hinein in das Geschehen. Ich sah sie vor mir her laufen. Sie betrat die Treppe und lief leichtfüßig die Stufen hinab. Ihre Haare wehten im Aufwind, der aus dem Tunnel heraus kam. Wie magisch angezogen folgte ich ihr wieder hinunter.
Und wieder. Und wieder. Und wieder.
„Nein!“ Aufheulend schlug ich auf mich ein. Klickend suchte sich der Zeiger der Bahnhofsuhr seinen Weg. Bald würde es soweit sein. Ich ließ die Treppe hinter mir und folgte der Frau. Sie hatte die Absperrung erreicht und suchte sich einen Platz zwischen all den Wartenden. Das Dröhnen kam näher. Sie stand mehrere Meter neben mir und starrte in den dunklen Tunnel, durch den jetzt die gelben Punkte jagten und schnell größer wurden. In dem muffigen Luftzug, der dem Geschehen voranging, hob sie plötzlich den Kopf und wandte mir ihr Gesicht zu. Ein Lächeln streifte ihre Lippen und legte sich in ihre Augen. Ein kurzer Augenblick nur, in dem die Realität eine Pause einlegte und der Tag für einen Moment still stand.
In meinem Rücken rumpelte der Zug in den Bahnhof. Die Wärme, die mich durch ihren Blick erfasst hatte, breitete sich aus und ich lächelte zurück.
Und dann…, ich sah den Mann zu spät.
„Zu spät! Zu spät! Für immer zu spät!“, höhnte die Stimme in meinem Kopf. Ich stöhnte auf und kratzte in meiner Panik über die Haut meiner Arme. Das Blut aber blieb daran kleben.
Er torkelte über den Bahnsteig, stieß gegen eine der Bänke und rempelte Leute an. Flüche wurden laut und Beschwerden der Wartenden, über die er nur lallend lachte. Der Luftschwall des nahenden Zuges wirbelte eine Zeitung auf, die ihm ins Gesicht flog. Der Zeiger der Bahnhofsuhr rutschte eine Minute weiter. Fluchend stolperte er. Stolperte und stieß gegen sie. Stieß sie an. Stieß heftig gegen sie. Viel zu heftig. Viel zu unerwartet. Sie fiel. Sie fiel. Sie fiel.
In einer Kaskade vom metallischen Kreischen bis zum Anschlag gezogener Bremsen, dem kollektivem Aufschrei der Wartenden und dem eigenen erstickten Ruf überrollte mich das Gefühl zerrissen zu werden.
Die Bahn kam viel zu spät zum Stehen. Auch ich habe versucht zu retten, was noch zu retten war. Aber da war nichts mehr zu retten. Das Blut an meinen Händen sprach Bände. Die Bahnhofsuhr blieb auf Zwanziguhr und fünfzehn Minuten stehen und rückte nicht mehr weiter. Nur die Sonne wanderte stoisch ihrem Untergang entgegen.
Weitere Werke von Miss Rainstar:
_________________ mein Debütroman: "Der Weg der Drachen"
meine Homepage:..www.muriel-leland.de |
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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30.04.2010 21:34
von Rosanna
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Oh. mein. Gott.
Das ist heftig. Das ist richtig heftig heftig.
Am Anfang dachte ich ja noch- na klar, mal wieder so eine 0-8-15- Verfolgungsgeschichte...umso mehr hat mich das Ende der Geschichte geschockt. Und ich muss sagen: wow. Einfach nur klasse geschrieben. Bis auf ein paar kleine Kommafehler: Perfekt.
8 Federn
LG
Rose
_________________ nahtannahtnähtnathannähte
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Miss Rainstar Leseratte
Alter: 48 Beiträge: 190 Wohnort: Gielsdorf
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30.04.2010 21:38
von Miss Rainstar
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danke. kommasetzung ist leider eines meiner heftigsten probleme. wo sind sie denn falsch (so ungefähr, nur dass ichs lernen kann)
nunja...die geschi. ist zum teil selbst erlebtes und zum teil fantasie.
_________________ mein Debütroman: "Der Weg der Drachen"
meine Homepage:..www.muriel-leland.de |
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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30.04.2010 21:48
von Rosanna
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Zitat: | Und was passierte, war nur eine Sache von Minuten. |
Komma setzen.
Zitat: | doch ihr wildes Lachen zerdrückte meine Wortfetzen, wie Seifenblasen. |
Hier kein Komma.
Zitat: | Und dann…, ich sah den Mann zu spät |
Hier auch nicht.
Zitat: | und dem eigenen erstickten Ruf überrollte mich das Gefühl, zerrissen zu werden. |
Hier schon
Ich glaube, das wars auch schon- eine richtige Schwäche sieht, glaube ich, anders aus )
LG
Rose
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Miss Rainstar Leseratte
Alter: 48 Beiträge: 190 Wohnort: Gielsdorf
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30.04.2010 21:53
von Miss Rainstar
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hm, ich glaube, das kann ich mir merken. ich müsste irgendwo nochmal nen kurs in kommasetzung machen. mal tante gockel bemühen, vll. finde ich ja im netz was dazu.
vielen dank für deine mühe!!!!
_________________ mein Debütroman: "Der Weg der Drachen"
meine Homepage:..www.muriel-leland.de |
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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30.04.2010 22:03
von Rosanna
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Kein Ding...aber was meinst du mit, dass die Geschichte teilweise selbst erlebt ist? Wenn ich fragen darf, natürlich, aber hast du so etwas schon mal miterlebt?
_________________ nahtannahtnähtnathannähte
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Panta rhei Wortedrechsler
Alter: 36 Beiträge: 88 Wohnort: Hamburg
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30.04.2010 22:10
von Panta rhei
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Hier fehlt auch noch eins (:
Zitat: | Ein kurzer Augenblick nur, in dem die Realität eine Pause einlegte, und der Tag für einen Moment still stand. |
Da du sagst, dass du dich mit Kommasetzung nicht so gut auskennst, erkläre ich dir auch warum: Vor "und" kommt normalerweise selbstverständlich kein Komma, in diesem Fall spielt das aber keine Rolle. "In dem die Realität eine Pause einlegte" ist nämlich ein Relativsatz (nähere Bestimmung des "Augenblicks") und der wird von Kommata umschlossen, egal was davor oder danach kommt - selbst wenn es ein "und" ist (;
Zur Weiterbildung in Sachen Kommasetzung, was du möchtest, wie du schriebst, empfehle ich den "Duden - Die deutsche Rechtschreibung" oder wenn du online etwas suchst:
Dokumente zu den Inhalten der Rechtschreibreform - Abschnitt E (Zeichensetzung)
LG
Panta
_________________ Niemand kann zweimal in den selben Fluss steigen (Heraklit) |
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Miss Rainstar Leseratte
Alter: 48 Beiträge: 190 Wohnort: Gielsdorf
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30.04.2010 22:11
von Miss Rainstar
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tja...wenn man in berlin wohnt(e) passiert es irgendwann, dass man das erlebt.
bei mir wars ein junkiepäärchen, wo ER nicht mehr mitbekam, dass der zug bereits fuhr. ER versuchte die tür trotzdem zu öffnen und in dem moment zerrissen die kabelhalterungen an den wänden des tunnels seinen körper...SIE brüllte ihm hinterher, dass er verrecken solle, weil er sie jetzt gerade allein ließ. SIE bekam wiederum nicht mit, dass ER bereits tot war. sehr makaber, aber leider wahr.
und im zeichen meines berufes hab ich auch gelernt...der tod ist pietätlos.
_________________ mein Debütroman: "Der Weg der Drachen"
meine Homepage:..www.muriel-leland.de |
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Miss Rainstar Leseratte
Alter: 48 Beiträge: 190 Wohnort: Gielsdorf
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30.04.2010 22:13
von Miss Rainstar
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danke panta. ich werd die seite besuchen und mich weiterbilden. hoffe, es bringt auch was (mein hirn ist einem sieb gleichgestellt).
boah genial! war gad auf der seite und das ist genau das, was ich suchte! danke nochmal!!
_________________ mein Debütroman: "Der Weg der Drachen"
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Rosanna Richter und Henker
Alter: 30 Beiträge: 1055
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30.04.2010 22:14
von Rosanna
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Oh scheiße. Scheiße.
Jetzt wird mir schlecht. Verdammte lebhafte Phantasie.
_________________ nahtannahtnähtnathannähte
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Panta rhei Wortedrechsler
Alter: 36 Beiträge: 88 Wohnort: Hamburg
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30.04.2010 23:31
von Panta rhei
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Miss Rainstar hat Folgendes geschrieben: | boah genial! war gad auf der seite und das ist genau das, was ich suchte! danke nochmal!! |
Jo, bitte. Schön, dass ich helfen konnte.
Panta
stets zu Diensten
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