18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Eure Schuld


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Dunkelblaue Kunst
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 40
Beiträge: 46



Beitrag24.01.2010 18:56
Eure Schuld
von Dunkelblaue Kunst
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Anklagend wies ich mit dem Finger auf meine verlogene Familie.
„Es ist nur eure Schuld. Ihr wolltet es doch so!“ spie ich ihnen mit verbitterter Stimme entgegen.
Meine Mutter konnte meinem Blick nicht standhalten. Sie drehte den Kopf und starrte auf ihre Füße. „Es tut mir Leid,“ flüsterte sie.
„Es tut dir Leid?! Das glaube ich dir nicht!“
Wut brandete in mir auf. Plötzlich begann sie zu schluchzen. Tränen liefen unkontrolliert über ihr Gesicht. Mein Vater zögerte, legte dann seine Arme um sie. Es war das erste Mal, dass ich ihn das machen sah.
„Ich... ich... ich... ,“ presste sie hervor, hatte Mühe mit dem Luftholen, „...ich wollte doch... verstehen... . Aber... aber... konnte nicht. Ich wollte doch... so sehr!“
Meine Mutter hatte mich verstehen wollen, echote es durch meinen Schädel. Mein Blick trübte sich, alles um mich herum wurde verschwommen. Die Lichter im Raum wurden heller, blendeten.
Dann loderte wieder die Wut auf. Mein Blick klarte sich sofort wieder.
„Du wolltest mich verstehen? Du hast es nicht einmal probiert, du hast mir nie zugehört.“
Ein erneuter Weinkrampf schüttelte meine Mutter. Mein Vater blickte auf mich herab. Sein Blick verriet nichts über seine Gedanken.
„Was ist? Sonst hast du mich auch nie eines Blickes gewürdigt,“ blaffte ich ihn an.
„Aber jetzt wo es zu spät ist, da tust du so, als wenn du sich auch nur einen Deut für mich interessiert hättest, oder was?“
Er schüttelte nur fassungslos mit dem Kopf. In seinen Augen glitzerte etwas feucht. Er drückte meine Mutter nun fester an sich. Wieder musste ich eine Welle der Benommenheit niederkämpfen. Ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen, wo ich schon soweit gekommen war!
„Ihr werdet mich nie wieder ignorieren! Wenn ich etwas zu erzählen habe, dann werdet ihr mir zuhören. Wenn ich etwas will, dann nehmt ihr euch gefälligst die Zeit für mich!“
Meine Stimme zitterte vor Wut, als ich ihnen meine Forderungen unterbreitete. Endlich hatte ich ihre Aufmerksamkeit, endlich wurde ich beachtet. Eine bittere Genugtuung machte sich in mir breit.
Ich kletterte mühsam aus meinem Sarg. Mein Leichnam blieb dort drin liegen. Er steckte in einem schicken schwarzen Anzug, den ich zu Lebzeiten niemals angezogen hätte. Die Unterarme waren schön verdeckt, man hätte denken können, ich wäre einfach eingeschlafen. Als ich meine Eltern ansah, starrten sie immer noch auf das tote Stück Fleisch in der Holzbüchse. Ich war fassungslos.
Wut füllte meinen Körper. Alles in mir zog sich zusammen. Mein Blick wurde so scharf, dass es in den Augen schmerzte. Ich holte tief Luft, um mich herum wurde es eisig.
„Ich HASSE EUCH!“, brüllte ich meinen Erzeugern entgegen.
Ich rannte an der ganzen Trauergemeinschaft vorbei aus der Kirche heraus.
Sie würden mich noch bemerken, schwor ich.

Weitere Werke von Dunkelblaue Kunst:
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

Alter: 47
Beiträge: 3206

Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag24.01.2010 20:25

von Alogius
Antworten mit Zitat

Hallo Inkog,

mit dem Text tue ich mich schwer:

Die Idee ist (sehr alt, nicht neu) nicht schlecht, doch es hapert an der Ausführung, was mehrere Gründe hat.

- Teilweise sind die Formulierungen für mich zu direkt und plakativ. Dadurch entsteht zwischendurch eine nicht sehr subtile Stimmung. Und das läuft der Atmosphäre eigentlich zuwider, zerstört sie und lässt den Text zwischendurch sehr zerfasert wirken.
Beispiel:
Zitat:
Anklagend wies ich mit dem Finger auf meine verlogene Familie

-> "verlogen", das mag wie Pingeligkeit wirken, zerstört schon den Einstieg, weil viel zu schnell eine Position eingenommen wird
Zitat:
„Es ist nur eure Schuld. Ihr wolltet es doch so!

ein weiteres Beispiel

- Der Text ist sehr kurz. An sich ist da nichts gegen zu sagen, doch hier verliert das Werk dadurch an Kraft. Denn es fehlt an vielen Stellen an Präzision oder Komprimierung der Aussage und damit wieder der Stimmung.
Beispiel:
Zitat:
Ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen, wo ich schon soweit gekommen war!

Damit vergeht jede aufgebaute Beklemmung, weil (a) plakativ (siehe den ersten Punkt) und (b) zu platt.

- Der Text bricht seine eigene Spannung an manchen Stellen, indem er (a) an den falschen Stellen für Klarheit sorgt und damit (b) an ebenso den falschen Stellen zu undeutlich ist.
Beispiel für "zu klar":
Zitat:
Ich kletterte mühsam aus meinem Sarg. Mein Leichnam blieb dort drin liegen.

Beispiel für zu undeutlich:
Zitat:
Ich war fassungslos.

Da könnte man auch sagen: zu simpel gelöst.
Interessant wäre es, den Zustand en detail und ausführlicher zu beschreiben.

- Sprachlich/inhaltlich gibt es aus meiner Sicht ein paar Stolpersteine...
Beispiele (zwei Stück):
Zitat:
Mein Blick klarte sich sofort wieder.

Perspektivisch sehe ich da ein Problem.
und
Zitat:
Ich holte tief Luft, um mich herum wurde es eisig.

Kann das Ich dies spüren?

Fazit:

Eine nicht üble Idee wurde mit wenig Sorgfalt ausgeführt. Vielleicht den Text etwas strecken, um zu intensivieren oder ihn so dicht halten, dass er trotz und damit WEGEN seiner Kürze gewinnen kann.

Wie immer:
Nur meine persönliche Meinung!

Lg

Tom
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
nyanya
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
N


Beiträge: 21



N
Beitrag25.01.2010 18:52
Re: Eure Schuld
von nyanya
Antworten mit Zitat

Hallo Unbekannte/r,

deinen Text sehe in in vielen Punkten ähnlich wie Alogius.

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Anklagend wies ich mit dem Finger auf meine verlogene Familie.


Das "verlogene" in ersten Satz gefällt mir nicht, weil es, so wie es dasteht, eine objektive Beschreibung suggeriert. Wenn es eine wäre, fehlen die Hintergründe dafür und du müsstest viel früher in der Geschichte ansetzen, damit auch der Leser die Familie als verlogen wahrnimmt.
Besser fände ich es, sofern du  auf "verlogen" bestehst, wenn du es anders in den Text einbinden würdest. Der Protagonist könnte sagen, dass ihm die Tränen der Mutter verlogen erscheinen, die Aufmerksamkeit des Vaters etc.. So würde es auch deutlicher, dass "verlogen" in dem Fall eine subjektive Beurteilung ist.

Der "Dialog" ist ganz geschickt gemacht. Beim ersten Lesen erschienen mir die Handlungen und Aussagen der Eltern tatsächlich als Reaktion auf den Prota. Beim zweiten Lesen dagegen wurde mir deutlich, dass sie auch "zufällig" zum Agieren des Protagonisten passen.

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
„Es ist nur eure Schuld. Ihr wolltet es doch so!“ spie ich ihnen mit verbitterter Stimme entgegen.


Die Beschreibung "mit verbittertet Stimme" passt nicht so recht zum Ich-Erzähler. Warum sollte der beschreiben wie seine Stimme klingt, wenn er auch seine Gefühle direkt beschreiben kann?
"[...] spie ich ihnen verbittert entgegen" reicht völlig aus.
 
Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Meine Mutter konnte meinem Blick nicht standhalten.


Finde ich, nach Lektüre des ganzen Textes, logisch unsinnig. Der Prota ist tot, liegt im Sagt und sofern dieser tatsächlich offen aufgebahrt ist (was ja nicht immer der Fall ist), sollten die Augen des Toten geschlossen sein. Also kann sie nicht dem Blick des Toten ausweichen. Wenn der "Urheber" des Blickes der Geist des Verstorbenen ist, entsteht der logische Konflikt, dass die Mutter, und auch der Rest der Trauergemeinde, ihn nicht sehen können dürften, da er je später unbehelligt und ohne dass Panik auftritt, an allen vorbeimarschieren kann. Und man kann nicht vor etwas ausweichen, was man nicht sieht.
Ich würde den Satz streichen, zumal der nächste ja etwas ähnliches ausdrückt.

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Mein Vater zögerte, legte dann seine Arme um sie. Es war das erste Mal, dass ich ihn das machen sah.


Das klingt für mich etwas holprig. Im ersten Satz würde ich ein Bindewort einfügen. Entweder "Mein Vater zögerte und legte dann seine Arme um sie." oder (was mir besser gefällt) "Mein Vater zögerte, legte dann aber seine Arme um sie."
"[...] dass ich ihn das machen sah." klingt etwas unbeholfen, weil das "das" und das "machen" unbestimmte Wörter sind und  in diesen Kontext wenig ausdrücken.
 
Inkognito hat Folgendes geschrieben:
presste sie hervor, hatte Mühe mit dem Luftholen,


Das selbe Problem hier: Klingt abgehackt. Punkt nach "hervor" und "Sie" an den Anfang des neuen Satzes. Zusätzlich würde ich "[...] hatte sichtlich Mühe mit dem Luftholen." daraus machen, um die Perspektive zu unterstreichen. Der Prota kann nicht wissen, ob es ihr tatsächlich Mühe macht, oder ob sie nur so tut.  Wink

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Mein Blick trübte sich, alles um mich herum wurde verschwommen.


"wurde verschwommen" ist mMn unsauber - "verschwamm" wäre meine Wahl.

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Die Lichter im Raum wurden heller, blendeten.


Wurden sie das tatsächlich? Für alle und objektiv messbar? Ansonsten wieder die Perspektive deutlicher machen.

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Dann loderte wieder die Wut auf.


Wo?

 
Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Mein Blick klarte sich sofort wieder.


"Klarte" sagt mMn aus, dass er aus Betrachter wieder klarer wirkt. Wenn du sagen willst, dass er nicht mehr verschwommen sieht, wäre "klärte" die leichter verständliche Wahl.


Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Er schüttelte nur fassungslos mit dem Kopf.


Mit "fassungslos" schaust du wieder in fremde Köpfe und verletzt damit die Perspektive.
 
Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen, wo ich schon soweit gekommen war!


Mein Gedanke beim ersten Lesen dieser Stelle war: "Was, bitte, ist denn das für ein Kind?! Die Mutter steht weinend vor ihm, versucht Worte zu finden und das Kind redet von "keine Schwäche zeigen" und "soweit gekommen"." Resultat: der Prota wurde mir sofort sowas von unsympathisch, was wahrscheinlich aber nicht in deiner Absicht lag.

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
„Ihr werdet mich nie wieder ignorieren! Wenn ich etwas zu erzählen habe, dann werdet ihr mir zuhören. Wenn ich etwas will, dann nehmt ihr euch gefälligst die Zeit für mich!“


Erster Gedanke "Verwöhntes Gör", zweiter: "Moment, der ist doch tot. "Nie wieder ignorieren" - OK - er ist ja auch nicht mehr da, aber was soll ein Toter denn seinen Eltern in Zukunft groß erzählen?
Logisch ist das überhaupt nicht konsistent.

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Endlich hatte ich ihre Aufmerksamkeit, endlich wurde ich beachtet.
  

Aber die Aufmerksamkeit beruht doch eher auf der Tatsache, dass der Prota gestorben ist und nicht darauf, dass sein Geist wilde Forderungen aufstellt. Die Haltung der Eltern hat sich auch während der Geschichte nicht signifikant geändert, weshalb ich das "endlich" auch eher auf den Tod beziehen würde, als auf den Geist.

Nimm die Kritik bitte nicht persönlich, aber ich denke, du kannst aus der Geschichte wesentlich mehr machen, wenn du sie nochmal genau auf Logik und Perspektive prüfst.
Sprachlich fand ich sie, alles in allem und abgesehen von einigen Stolperstellen, ganz gelungen.

Viele Grüße

nyanya
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Dunkelblaue Kunst
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 40
Beiträge: 46



Beitrag28.01.2010 19:55

von Dunkelblaue Kunst
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,

und danke euch beiden für das Kommentieren. Das was ihr vor allem herausstellt ist offenbar eine ziemlich üble Schwäche meinerseits:

- ich formuliere zu unpräzise/benutze schwache Verben
- habe Probleme in der Perspektive zu bleiben

Die Geschichte habe ich "eigentlich" aus diesen Gründen geschrieben (natürlich auch, weil ich irgendwie die Idee toll fand, vom toten Kind was Aufmerksamkeit will, immer noch nicht bekommt und damit quasi zum Geist wird). Ich wollte vor allem eigentlich eine klare Perspektive vermitteln und meine Formulierungen so wählen, dass nicht nur ich sie richtig verstehe.
Offensichtlich bin ich grandios gescheitert.
Ich werde den Text mit euren Ratschlägen auf jeden Fall überarbeiten. Irgendwie muss ich die Fehler wegbekommen.
Wobei mich allerdings langsam das Gefühl beschleicht, dass diese Fehler eine Folge meiner eigenen Lebenseinstellung sind. Naja, wir werden sehen.

Auf bald.


_________________
Was soll all dies?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Profession Schriftsteller (Leid und Lust)
Wer hat eure Wikipedia-Seite erstellt?
von Maunzilla
Maunzilla Profession Schriftsteller (Leid und Lust) 12 25.02.2024 21:37 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
schuld sind immer die anderen
von Perry
Perry Werkstatt 2 20.02.2024 13:56 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Agenten, Verlage und Verleger
Wie hat eure Agentur zugesagt? :)
von MrsTeacup
MrsTeacup Agenten, Verlage und Verleger 11 29.11.2023 19:58 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Schuld
von Tisssop
Tisssop Feedback 0 05.05.2023 11:43 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Einladung: Literaturmagazin will eure...
von Zaraffel
Zaraffel Roter Teppich & Check-In 3 17.03.2023 18:44 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von EdgarAllanPoe

von Herbert Blaser

von Sue Ulmer

von Mercedes de Bonaventura

von Rike

von spinat.ist.was.anderes

von ELsa

von Jocelyn

von Bawali

von last-virgin

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!