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Hans, wo ist meine Luger? (oder: Manufactum Warenkatalog Nr. 27)


 
 
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Vogel
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 436

Goldene Neonzeit


Beitrag29.09.2014 22:46
Hans, wo ist meine Luger? (oder: Manufactum Warenkatalog Nr. 27)
von Vogel
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Es ist nicht einfach, Manufactum zu parodieren. Für diejenigen, die dieses Versandhaus nicht kennen: bei Manufactum gibt es Kleidung, Schreibwaren, Besen und Gummistiefel. Jetzt sollte man aber nicht den Fehler machen zu denken, Manufactum sei so etwas wie Woolworth. Die Gummistiefel von Manufactum (“Für einen längeren Aufenthalt im Nassen”) heißen Le Chameau, sind aus Naturkautschuk und kosten € 140,00 (Warenkatalog Seite 198). Sie dürfen nicht in Kontakt mit harten oder groben Bürsten kommen und nicht an der Heizung getrocknet werden. Die Schuhe sind kühl und dunkel zu lagern.

Von jedem Ding, das man im Haushalt findet, gibt es eine Manufactum-Variante, handgemacht, aus traditionellem Material, urtümlich und gut. Und man gönnt ja auch jedem mit einer Leidenschaft die dafür passende, hochwertige Ausrüstung. Ich liebäugle zum Beispiel mit dem Taschenbleistift aus Messing. Für Alkoholiker ist die Entkorkungsmaschine “Cyklop” interessant (Seite 268, Eisenguss vernickelt, Griff gebeiztes Buchenholz, Spindel mit Scharfgewinde, € 320,00).

Schwerer nachvollziehbar wird es bei Objekten wie Gummistiefeln, die im Jahr vermutlich acht Minuten getragen werden oder vielleicht auch nur alle zwei Jahre. Vieles bei Manufactum entspricht Anforderungen, denen man im eigenen Alltag eher selten begegnet. Der Fisher Bullet Pen beispielsweise (Seite 40, € 49,00) wurde für die NASA entwickelt und schreibt im Weltraum so gut wie unter Wasser, bei -34°C wie bei +143°C.

Wenn man das parodieren will, dann braucht man etwas, das selten Leidenschaften auslöst, trivial ist und nicht langlebig sein muss, weil man es nur ungern jahrezehntelang benutzen möchte. Eine Klobürste! Schreiben wir eine Satire, in der Manufactum hochwertige Klobürsten vertreibt.

Zu spät. Toilettenbürste Edelstahl, mit schwarzen Polyamidborsten (Seite 128, € 65,00). Ich bin enttäuscht, dass es keine Wildschweinborsten sind.

Manufactum schafft es, dass wir uns plump und tölpelhaft vorkommen. Wie kann man sich mit billigem Plastikschrott aus China umgeben? Man unterstützt die dortige Ausbeutung, zerstört das heimische Handwerk, vergiftet die Erde mit Bisphenol A und lebt “unachtsam” (heute wohl die verächtlichste unter den genannten Sünden). Welch Banause, der nie dem Singen einer Schere lauschte: “Die Schere hat einen seidenweichen Gang und ‘singt’ dabei jenen feinen, sauberen, auch mit ungeübtem Ohr wahrnehmbaren Ton …” (Seite 256, Küchen-Allzweckschere, € 85,00).*

Der Manufactum-Kunde hat selbstverständlich ein geschultes Ohr für Scherengänge. Genau wie er sich schon seit Jahren darüber aufregt, dass es kaum noch altsämisch mit der Hammerwalke gegerbtes Hirschleder gibt. Und sonst? Was ist das für ein Mensch, der eine für Metzgerbetriebe konstruierte handbetriebene Aufschnittmaschine aus Grauguß nach dem Schwungradprinzip für 3000 € braucht?

Bei der Antwort kann uns Axels Kommentar zu unserem Beitrag “Über die Hässlichkeit der Autos” und die Fahrer von SUVs helfen. Er schrieb: Außerdem sieht es dann so aus, als ob man gerade von seinem Rittergut kommt, der Staat es aber versäumt hat, eine vernünftige Straße zu bauen. Wenn die hier nicht mal Straßen bauen können, muss ich auch keine Steuern zahlen.

Der Manufactum-Kunde lebt natürlich auf einem Gut. Er veranstaltet Festgelage, für die man Aufschnittmaschinen und Gastronomiethermoskannen braucht. Er schlachtet sein Vieh auf gewaltigen Hackblöcken. Er braucht einen Großraumbriefkasten grün aus verzinktem Stahlblech, Fassungsvermögen 70 Liter, Höhe fast ein Meter. Wenn einmal in der Woche der Postbote kommt und die Weihnachtstelegramme für das Gesinde bringt, quillt ein bürgerlicher Briefkasten gerne mal über.

Noch etwas fällt uns auf, neben der Größe: die Vorliebe für Militärisches. Jacken aus Schweizer Armee-Zelten. Schweizer Armee-Decken. Netzunterhemden.

Wie Bitte?

Netzunterhemden. Vom norwegischen Armeekommandanten Henrik Brun im Jahre 1933 erfunden und aus ausgedienten Fischernetzen selbst genäht. Auch Soldaten mögen Handarbeit.

Patronenförmige Stifte. Gränsfors Spalthammer, der fast wie eine sprechende Waffe aus einem Fantasy-Roman klingt. Tacker, 1934 von der Spanischen Feuerwaffenfabrik El Casco entworfen, Teile stammen noch vom Pistolenlauf ab (Seite 31, Stahl, schwarz lackiert, teils verchromt. Das Magazin fasst 100 Schuss, äh, Heftklammern, € 129,00). Damit kann man notfalls auch einen Halunken erlegen. Was im Programm fehlt, ist der passende Halfter aus Sonnenleder.

Wieso hat El Casco ausgerechnet 1934 auf Tacker umgestellt? Aus Voraussicht. Weil überall faschistische Regime aus dem Boden sprossen, ahnten sie bei El Casco, dass man sie dereinst brauchen würde, “die guten Dinge”. Nie wieder würde man dem Staat vertrauen können. Aber da Feuerwaffen nun mal gefährlich sind, macht man besser Tacker. Mit dem guten Gefühl, dass sie auch dann noch tackern, wenn die Zivilisation das nächste Mal untergeht.

Der Manufactum-Kunde lebt in einer archaischen Welt. Einer Welt, in der Herren noch Herren sind. Er glaubt nicht an den Staat, der ihm nur Steuern nimmt und unsinnig verteilt. Er stiftet nach eigener Raison sein Geld. Er kauft handbetriebene Maschinen, weil er nicht weiß, wie lange es noch Strom gibt. Und wenn der Knecht etwas stiehlt, dann vertraut er den Fall nicht dem vertrottelten Schutzmann an, sondern züchtigt ihn selbst mit dem Kreis Gürtel (Seite 206, Ochsenleder, 10 Millimeter stark, sonst nur im technischen Bereich eingesetzt, € 120).

Ich stelle mir unseren Kunden riesig vor, die Unterarme wie Werkzeugstiele aus Eschenholz, die Füße in schweren rahmengenähten Stiefeln aus vollnarbigem Rindleder mit Texon-Zwischensohle, reißfeste Stoffe um seine Muskeln. Er fräßt sich durch das Unterholz, wo er einen waidwunden Stallburschen gerettet hat. Zurück am Hofe essen sie einen Laib Bauernbrot, groß wie ein Mühlstein, den er mit dem Güde Brotmesser zerteilt (Seite 252, Hühnenhafter Brot-Zerteiler, Gesamtlänge annähernd ein halber Meter, eisgehärtet, handabgezogen, nicht am Wetzstahl schärfen, € 159,00), das nur er führen kann; in seinen Pranken nur ein Dolch, ein Zweihänder in denen des Burschen, der es wagt, es heimlich anzuheben, als der Herr Wein holt (Entkorkungsmaschine Cyklop).

Dann wandert er sinnierend über sein Anwesen, notiert Gedanken mit meinem Messingbleistift. Die Füße in Naturkautschukgummistiefeln, weil mittlerweile radioaktiver Regen fällt. Draußen auf den Feldern die Pflückerinnen. Am Himmel ein Zeppelin. Vielleicht bringt er Neuigkeiten von der Front. Vielleicht die ersehnten Riemen für das Sägewerk. Was schreibt unser Held? Er macht sich Sorgen: Zählt mein Holzofen (Seite 296, Stahl, € 4.180,00) als Heizung? Nehmen die Le Chameau Schaden, wenn ich sie später daran trockne?

*Zur Frage, wie LOHAS und Konsumbürger es geschafft haben, aus dem Kaufen eine Tugend zu machen, empfehle ich den Artikel “Boykottieren oder Kaufen – wie Moral und Konsum zusammenhängen” von Wolfgang Ullrich (Universitas 8/2014).


(Aus meinem Blog)



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Constantine
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Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag30.09.2014 00:46

von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Vogel,

dein Blogbeitrag gefällt mir von der Idee her, aber für mich ist dein Text leider nicht eigenständig genug, recht unausgegoren und vom Gesamtbild holpert er für mich an einigen Stellen. Mir fehlt eine klare Linie:

Du beginnst als Blogger und deiner Intention, eine Parodie auf Manufactum anzubieten und erklärst mir unwissenden Leser, dass du auf eine Parodie abzielst und was Manufactum überhaupt ist.
Vogel hat Folgendes geschrieben:
Es ist nicht einfach, Manufactum zu parodieren... ff

Mir ist das schon als Einstieg leider zu umständlich und viel zu erklärend und bewirkt bei mir leider nicht, dass ich den Text auf mich wirken lassen kann/darf.

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Wenn man das parodieren will, dann braucht man etwas, das selten Leidenschaften auslöst, trivial ist und nicht langlebig sein muss, weil man es nur ungern jahrezehntelang benutzen möchte. Eine Klobürste! Schreiben wir eine Satire, in der Manufactum hochwertige Klobürsten vertreibt.

Du gehst von dir als Blogger plötzlich in eine "wir"-Position über, die mir unverständlich ist. Als würdest du den Leser als Komplizen gewinnen wollen. Funktioniert für mich leider nicht, weil du mich bis hierhin noch nicht für deine Parodie/Satire gewonnen hast/gewinnen konntest.

Vogel hat Folgendes geschrieben:

Manufactum schafft es, dass wir uns plump und tölpelhaft vorkommen.

Mich als Leser hast du hier noch nicht als Komplizen gewonnen, somit fühle mich hier leider nicht animiert, mit dir einzustimmen und über Manufactum herzuziehen/herziehen zu wollen.

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Wie kann man sich mit billigem Plastikschrott aus China umgeben? Man unterstützt die dortige Ausbeutung, zerstört das heimische Handwerk, vergiftet die Erde mit Bisphenol A und lebt “unachtsam” (heute wohl die verächtlichste unter den genannten Sünden).

Hier meinst du wahrscheinlich all diejenigen Sünder, die es wagen, die Produkte von Manufactum zu meiden.
Ist natürlich überspitzt von dir dargestellt, aber ich bin hier außen vor, das geht an mir vorbei und ist weder parodistisch noch ironisch von mir wahrgenommen. Das Grün-markierte ist für mich noch am ehesten ein Schmunzeln wert.

Von dir als Blogger gehst du zum Manufactum-Kunden über.
Vogel hat Folgendes geschrieben:
Der Manufactum-Kunde hat selbstverständlich ein geschultes Ohr für Scherengänge. ...

Ab hier wird dein Text für mich besser und macht Spaß zu lesen. Mich als Komplizen hast du hier nicht, aber deine Ironie den Kunden gegenüber funktioniert für mich besser. Vorallem wenn du vom Gut zum möglichen militärischen Gebrauch der Produkte übergehst. und den Regimes übergehst. und beginnst ein Szenario zu erschaffen, in dem du mehr ins Militärische übergehst und dann in Richtung Regimes und Revolte.


Kippen tut dein Text dann plötzlich wieder, wo ich mich frage, was du hiermit beabsichtigst:
Vogel hat Folgendes geschrieben:
Ich stelle mir unseren Kunden riesig vor, die Unterarme wie Werkzeugstiele aus Eschenholz, die Füße in schweren rahmengenähten Stiefeln aus vollnarbigem Rindleder mit Texon-Zwischensohle, reißfeste Stoffe um seine Muskeln.

Mich reißt das aus dem Text raus. Für mich warst du über Umwege in der Parodie angelangt, aber hier bin ich wieder raus. Als ob Manufactum nun das Wort hat und nicht der Blogger. Warum "ich stelle mir unseren Kunden"?

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Dann wandert er sinnierend über sein Anwesen, notiert Gedanken mit meinem Messingbleistift. Die Füße in Naturkautschukgummistiefeln, weil mittlerweile radioaktiver Regen fällt. Draußen auf den Feldern die Pflückerinnen. Am Himmel ein Zeppelin. Vielleicht bringt er Neuigkeiten von der Front. Vielleicht die ersehnten Riemen für das Sägewerk. Was schreibt unser Held? Er macht sich Sorgen: Zählt mein Holzofen (Seite 296, Stahl, € 4.180,00) als Heizung? Nehmen die Le Chameau Schaden, wenn ich sie später daran trockne?[/

Das hier gefällt mir dann wieder von der Übertreibung her, aber die Adressierung "unser Held" passt für mich nicht und du bist plötzlich im Kopf des Kunden und schilderst seine direkten Gedanken. Da wäre mMn der Konjunktiv die bessere Wahl gewesen, dass du, der Blogger, spekuliert, worüber der Kunde sinnieren könnte.

Vielleicht mag dein Text als Blogbeitrag in deinem Blog funktionieren, aber als Text, als Nicht-Blogbeitrag, funktioniert er für mich nicht. Da verlange ich vom Verfasser ein gewisses Niveau und eine klarere, durchdachte Struktur. Generell würde ich sagen, das erste Drittel ist stark zu überdenken, weg vom Blogger und weg davon mir, dem Leser, die Schwierigkeit des Verfassens einer Parodie über Manufactum zu nennen/erläutern. Und ich empfinde die Positionssprünge als störend, dass dein Text als eine runde, stilsichere Sache rüberkommt. Das tut er für mich in dieser Form hier leider nicht.

LG,
Constantine
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Vogel
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Goldene Neonzeit


Beitrag30.09.2014 07:15

von Vogel
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Danke Constantine,

Du hast einen Punkt angesprochen, den ich auch im Kopf hatte. Eleganter wäre es gewesen, den ganzen Text im Stil des letzten Abschnitts, als fiktiven in sich geschlossenen Text zu schreiben. Wäre wahrscheinlich besser gewesen, auch schwieriger, weil ich dann die Informationen, was Manufactum eigentlich ist, indirekt hätte einbauen müssen.
Das "wir" ist die Form, wie sie in wissenschaftlichen Texten verwendet wird und die eine gewisse süffisante, altmodische Distanz schaffen soll, genau wie die auktoriale Perspektive. Jetzt wo Du es ansprichst, fällt mir auf, dass ich das aber nicht konsequent durchgehalten habe.
Zum Abschnitt mit Bisphenol A etc.: hier wollte ich die Ambivalenz zeigen, die mich selbst überkommt, weil die ja einerseits gute Argumente auf ihrer Seite haben und es mir andererseits falsch vorkommt, überhaupt so viel Geld auszugeben.


Danke und Gruß
Vogel


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holg
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Beitrag30.09.2014 12:39

von holg
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Manufactum parodieren.
Das ist dir mMn nicht gelungen. Mal davon abgesehen, dass die Idee, die dahinter steckt, hochwertige, dauerhafte Produkte, die aus möglichst reinen Rohstoffen möglichst in Deutschland oder der EU hergestellt werden für mich absolut vernünftig ist, schreibt der Geschäftsführer in seinem, dem Katalog beiliegenden Grußworten gerne schon einmal ein wenig selbstironisch über den Laden und Auswüchse wie ein Küchenschneidbrett für über 100 Euro.

Warum nun ein bestimmtes Klientel besonders auf die Angebotene Ware und das damit transportierte Lebensgefühl abzufahren scheint, wäre in meinen Augen eher eine Thema der Satire. Die Gummistiefel an sich (wer einen Hund hat und täglich bei Wind und Wetter in nicht urbanem Umfeld für mehr als 4 Minuten raus muss, weiss die schon sehr bald zu schätzen) sind's nicht.

Die Herkunft einiger Produkte aus Armeeproduktion erklärt sich oben ganz gut und ganz unironisch. Klar gibt es Ausreißer. Netzunterhemd aus Fischnetzen (ist das echt?) ein Brüller.

Kannst du dich an die Beschreibung erinnern, wie man die empfindlichen Zierkartoffeln (Alte Sorten, nach EU-Richtlinie nicht als Nahrungsmittel anerkannt) zu Ausstellungszwecken in schwatzen Kübeln aussäht und pflegt? Herrlich. Die mussten das auf gerichtliche Anordnung entfernen, weil man es als Zucht- und Verzehrempfehlung missverstehen konnte.

Nee, als Satire auf den im innerstädtischen Villenviertel residierenden SUV-Fahrer, der mithilfe der Manufaktur-Produkte seine Gutsherrenphantasien auslebt, könnte es ganz gut funktionieren.

Das "Wir" kann mMn nur funktionieren, wenn wirklich allgemeingültige Aussagen gemacht werden ("Wir haben dieselben Vorfahren wie Affen") oder eine logische oder Kausalkette lückenlos und ohne Ausstiegsmöglichkeit aufgebaut wird. ("Stellen wir uns mal ganz dumm. Wass habe wir da. einen schwarzen Kasten. Machen wir den auf. Was sehen wir da. Kabel, Platinen, usw.") Wen der Leser einmal "ich aber nicht" sagen kann, wird es schwer, ihn wieder einzufangen. ("haben wir alle schon einmal gesehen.").

Zitat:
Der Manufactum-Kunde lebt in einer archaischen Welt. Einer Welt, in der Herren noch Herren sind. Er glaubt nicht an den Staat, der ihm nur Steuern nimmt und unsinnig verteilt. Er stiftet nach eigener Raison sein Geld.

Sowas hier. Das ist einfach behauptet. Ohne Herleitung oder Beleg, damit nicht schlüssig und sehr einfach negierbar.

Versuch nochmal neu.

holg


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Constantine
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Beitrag30.09.2014 12:52

von Constantine
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Hallo Vogel,

es freut mich, dass du mit meinen Anmerkungen was anfangen konntest.

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Du hast einen Punkt angesprochen, den ich auch im Kopf hatte. Eleganter wäre es gewesen, den ganzen Text im Stil des letzten Abschnitts, als fiktiven in sich geschlossenen Text zu schreiben. Wäre wahrscheinlich besser gewesen, auch schwieriger, weil ich dann die Informationen, was Manufactum eigentlich ist, indirekt hätte einbauen müssen.

Yes, you can! Smile

Mal sehen, was noch andere Leser meinen. Aber ich finde, eine andere Herangehensweise würde deinen Ideen und deinem Text besser stehen.

LG,
Constantine
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Vogel
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 436

Goldene Neonzeit


Beitrag30.09.2014 20:45

von Vogel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Interessant, dass der Text bei Euch so schlecht ankommt, denn im meinem näheren Umfeld fand man ihn ausgesprochen gut (über das übliche wohlwollende Maß des näheren Umfelds hinaus). Ist vielleicht auch eine Frage des Humors.

Zitat:
Nee, als Satire auf den im innerstädtischen Villenviertel residierenden SUV-Fahrer, der mithilfe der Manufaktur-Produkte seine Gutsherrenphantasien auslebt, könnte es ganz gut funktionieren.

Versteh ich nicht - ist es doch.

Zitat:
Mal davon abgesehen, dass die Idee, die dahinter steckt, hochwertige, dauerhafte Produkte, die aus möglichst reinen Rohstoffen möglichst in Deutschland oder der EU hergestellt werden für mich absolut vernünftig ist, schreibt der Geschäftsführer in seinem, dem Katalog beiliegenden Grußworten gerne schon einmal ein wenig selbstironisch über den Laden und Auswüchse wie ein Küchenschneidbrett für über 100 Euro.

Naja, das ironisch zu schreiben ist ein intelligenter Trick um die intelligente Kundschaft zu beruhigen. Im Roman heißt das Lampshading. Und dass es eben nicht so einfach ist, Manufactum zu kritisieren, habe ich ja dazu gesagt. Aber gerade wenn das Ausgeben von Geld plötzlich den Anstrich einer moralischen Tat bekommt, werde ich misstrauisch. Und wenn man den Katalog liest, gewinnt die Masse an Luxusgütern für mich einen lächerlichen Aspekt. Den wollte ich zeigen.

Ich finde auch nach wie vor, dass meine Art, den Text aufzubauen auch ihren Charme hat. Ich beginne damit, dass man Manufactum aus den von Holg genannten Gründen nicht so einfach parodieren/abwiegeln kann und lande durch die simple Beschreibung des Angebots mehr oder weniger zwangsläufig dennoch bei einer recht anschaulichen Verarsche. Finde ich.


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Maria
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Beitrag30.09.2014 22:32

von Maria
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Hey Vogel,

die Absicht jedes Produkt aufs Korn nehmen zu wollen ist mir schon klar, nur empfinde ich es fast als bloße Aneinanderreihung. Sprachliche Aneinanderreihung. Zwar unterlegt von fiktiven Szenarien, aber sprachlich für mich bei weitem nicht pointiert oder bissig genug, so dass es eben aneinandergereiht bei mir ankommt.
Stellenweise versteh ich den Hinweis aber wohl wirklich nicht. Als großer Fan von Hunter-Gummistiefeln ist der Preis von 140,00 Euro für La Chameau absolut in Ordnung Mr. Green
(nein, ich bin kein Markenfreak, im Gegenteil, ich stehe nur auf Sachen, die gut aussehen, angenehm zu tragen sind UND ewig halten).

Einzig der Gürtel, der trifft meinen Humor. Nicht nur weils mit blanker Gewalt zu tun hat. Dieser Absatz hier hat etwas mehr Tempo und ist etwas spitzer, das gefällt mir sprachlich besser als der Rest:

Zitat:
Ich stelle mir unseren Kunden riesig vor, die Unterarme wie Werkzeugstiele aus Eschenholz, die Füße in schweren rahmengenähten Stiefeln aus vollnarbigem Rindleder mit Texon-Zwischensohle, reißfeste Stoffe um seine Muskeln. Er fräßt sich durch das Unterholz, wo er einen waidwunden Stallburschen gerettet hat. Zurück am Hofe essen sie einen Laib Bauernbrot, groß wie ein Mühlstein, den er mit dem Güde Brotmesser zerteilt (Seite 252, Hühnenhafter Brot-Zerteiler, Gesamtlänge annähernd ein halber Meter, eisgehärtet, handabgezogen, nicht am Wetzstahl schärfen, € 159,00), das nur er führen kann; in seinen Pranken nur ein Dolch, ein Zweihänder in denen des Burschen, der es wagt, es heimlich anzuheben, als der Herr Wein holt (Entkorkungsmaschine Cyklop).


Inhaltlich lässt er mich wiederum kalt, denn ich finde die Vorstellung so zu hausen toll Laughing Das Messer will ich übrigens auch. Hab gleich mal geblättert. Großartig.

Kurz: für eine Satire fehlt mir echter Spott, es mangelt an Widersprüchen, noch versucht er wirklich zu belehren, was ja auch ne satirische Möglichkeit wäre. Er zeigt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Manufactum, aber ich kann nicht nachvollziehen warum (bezogen allein auf den Text - ich muss nicht vom Gegenteil überzeugt werden. Ein Indiz für einen Treffer wäre für mich vermutlich, wenn ich mich von dem Text angegriffen fühlen würde. Weißt du was ich meine?).


fast off topic: ich bin über 3 Jahre fast jede Mittagspause im Manufactum Laden rumgerobbt. Meist ohne was zu kaufen, an anderen Tagen hab ich mein Erspartes drin gelassen, für exakt diese Sachen, die Oma noch im Schrank hat und nicht hergeben will. Das ist nämlich der Trick bei Manufactum: die haben Sachen von früher, die es sonst kaum noch gibt. Nachgemacht schon und in billiger, aber auch von anderer Qualität. Echte Pomade z.B. das lassen sie sich zahlen, ist doch okay. Ferrari langt auch hin.
Die haben da Sachen, das glaubst du gar nicht. Diese alten emaillierte Siebe z.B., jene, die 100 Jahre halten. Yeay, da zahl ich gern 15 Euro mehr: einmal weil er hübscher ist, der Sieb (oder die Schlagschüssel, Riess, Seite 261, € 33,00) und zum anderen weil er nicht rostet, weil die Lochgröße perfekt ist und weil er einfach sauber zu halten ist und bombenfest in der Spüle steht. Auch haben sie DAS Tiefensalz, Luisenhaller, Seite 230, aus Göttingen. Zum Preis wie in Göttingen. Und das Brot erst. Warst du schon mal drin? Das riecht wie einem gemauerten Backhaus hier auf dem Land. Der Laib Brot hält ganze 14 Tage ohne zu schimmeln und schmeckt an Tag 14 wie am ersten Tag.


Auch darum funktioniert der Text für mich persönlich nicht. Weil mehr Geld ausgeben nicht gleich zu setzen ist, mit Verschwendung, Ratsherrentum und Luxus. Manch einer überlegt sich einfach dreimal wofür er sein Geld ausgibt. Ist ja jetzt nicht so, als gäbs dort Unfug. Haushaltswaren, Lebensmittel, Klamotten. Und natürlich haben sie auch eigenartiges, für das ein Normalverdiener wohl kaum sein Geld ausgeben würde und Dinge/Preise die beschmunzelt werden können. Das gilt aber auch für ein überkitschtes Preißn-Dirndl der Paltinger oder eine 10k Euro Stereoanlage von Bose. All das könnte man aber auch zerfleddern. Manufactum gibt wenig her. Deichmann schon eher. Oder Aldi. Netto. Mit ihren 14fach totgespritzten Mistkartoffeln und der damit einhergehenden Geiz-ist-geil-Mentalität, wenn ich beim Bauern ums Eck die gleiche Menge fürs selbe Geld krieg, zweimal gespritzt, Geschmack Kartoffel. Ganz ungewöhnlich. Nur zwei Meter weiter.

VG,
maria

edit: jetzt erst constantines Kommentar gelesen. Mir gefällt der Text ab besagtem Absatz auch besser, vielleicht wärs echt die Mühe wert?


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Sun Wukong
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S
Beitrag02.10.2014 20:55

von Sun Wukong
Antworten mit Zitat

Mmh, das las sich doch recht flott weg, werter Vogel. Auf Krittelei will ich denn auch mal verzichten, habe ich doch im "Hässlichkeit der Autos"-Blogbeitrag von dir hier schon herzlich gewütet (was natürlich an der Sprachqualität der Vorbilder lag; und ich trotzdem nicht schön auf den Punkt bringen konnte, wie man "es" [das Schreiben solcher Sachen] denn nun "besser" anstelle, Strukturierung etc). Nö, u.a. weil mein Zeigefinger in Pflaster verpackt ist, möchte ich einfach nur sagen, dass mir die erzeugten Bilder und der gesamte Umgang mit dem von dir gesichteten Material sehr phantasievoll daherkommen - schön!

Es war so um die Jahrtausendwende, dass Manufactum mal Thema bei Max Goldt, Harald Schmidt und dem Herrn Stuckrad-"Popliterat"-Barre war - ist für mich also schon ein klassischer Aufhänger für dein unterhaltsames Stückchen. Und solche Aufhänger schön zu verwandeln, wie man im Fußball sagt, da werde ich mir auch noch manches abgucken müssen, um meine Ideen für eher Essay- oder eben Blog-ähnliche Texte umzusetzen. Von daher also bitte nicht aufhören uns kritischen Geistern dein Bestes vorzusetzen, wir meinen es doch nur "gut"!

Grüße!

PS: Übrigens wieder ein schöner Titel!
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Vogel
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Goldene Neonzeit


Beitrag05.10.2014 21:27

von Vogel
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@ Sun:
Danke! Freut mich, dass es doch auch eine positive Reaktion gibt!

@ Maria:
Danke auch Dir! Deine ausführliche Antwort weckt meine Hoffnung, dass Du Dich doch ein wenig provoziert fühlst (im anregenden Sinne). Natürlich kann man Deichmann, Primark oder auf der anderen Seite auch Porsche oder Luxusyachten kritisieren. Ich finde es aber besonders interessant, mir anzuschauen, wie eigentlich konsumkritische Zielgruppen "kapitalisiert" werden und wie das Kaufen selbst zu einem Akt ethischen Handelns hochstilisiert wird. Gerade, weil Manufactum natürlich gute Sachen hat und vieles dafür spricht, wollte ich meinem Bauchgefühl nachgehen, dass hier irgendwas paradox ist.


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