Übung 2: Und noch einmal: Nur du und deine Stimme.

Boro · 01.04.2014 09:57 Übung 2: Und noch einmal: Nur du und deine Stimme. von Boro

(Mit freundlicher Genehmigung von d e b r u m a)

Da sich keiner ans das Mikrophon traut (ich die Ratten also selber essen darf Wohow

) - hier abermals eine reine Sprechübung, die man auch heimlich, still und leise in der U-Bahn, auf dem Flughafen oder im Wald ausprobieren kann.

Eine der großen Hürden des Vorlesens ist der Dialog.
Insbesondere dann, wenn es nur wenige Begleit- oder Führungssätze gibt; es somit die reine Abfolge ist, die deutlich macht, wer spricht und wer nicht.
Was auf dem geduldigen Papier mittels neuem Absatz recht gut geführt werden kann, ist dem Vorleser Herausforderung.

Wie kann man Dialog lesen, ohne ein „sagte er“ und „brüllte sie wütend“? Probiert es aus.

Übung 2: Sprich folgenden Dialog so ein, dass beide Personen deutlich zu unterscheiden sind.

Der folgende Text stammt aus meiner Tastatur – und es geht weniger um Sinn, Inhalt oder gar Verstand, als rein darum, zwei in Ausdruck und Wesen gut unterscheidbare Personen zu haben, die miteinander sprechen. Ich verzichte völlig auf Begleitsätze. In diesem Extrem wird kaum ein Prosatext Dialog beinhalten, aber zu Übungszwecken sei es gewagt.
Das vorangestellte Setting kann, muss aber nicht mit eingelesen werden, selbiges dient in erster Linie dem Einfühlen in die Situation.

***

Setting:

Es ist ein herrlich warmer Frühlingstag. Wir befinden uns mitten im Zentrum einer touristisch geprägten Großstadt. Robert (R) Jedermann beschließt in einem (alteingesessenen) Straßencafé Platz zu nehmen, die Sonne zu genießen und das bunte Treiben gleich mit.
Damit ist er nicht allein, das Café ist ausnehmend gut besucht und die Kellnerinnen zeigen erste Anzeichen von Hektik. Die Bedienung (K), die an Roberts Tisch tritt, ist eine Dame um die Fünfzig, Dauerwelle vom Kopf bis zu den Zähnen und nicht ganz so gut gelaunt wie Robert.
Sie tritt also an den Tisch, zückt ihren Stift und es entspinnt sich folgendes Gespräch:

Dialog:

K: „Wissen Sie schon, was Sie wollen?“
R: „Eigentlich … ach, haben Sie Milchkaffee?“
K: „Wir haben Milch und wir haben Kaffee.“
R: „Gut. Ähm, also … dann hätte ich gerne eine große Tasse Kaffee und viel Milch.“
K: „Draußen nur Kännchen.“
R: „Wie?“
K: „Draußen – nur – Kännchen!“
R: „Schön. Dann ein Kännchen Kaffee und ein Kännchen Milch, bitte.“
K: „Sonst noch was?“
R: „Die Milch bitte warm und aufgeschäumt.“
K: „... aufgeschäumt ...“
R: „... und fettarm. Also die Milch.“
K: „Sie wollen also ein Kännchen Kaffee und ein Kännchen warme Milch.“
R: „Ja, fettarme, aufgeschäumte Milch. Wenn das möglich wäre.“
K: „Möglich ist vieles.“
R: „Dann lasse ich mich vielleicht am Besten einfach überraschen.“
K: „Mich überrascht hier nichts mehr.“
R: „Sie machen das wohl schon länger?“
K: „Was?“
R: „Ich meine, arbeiten Sie schon lange in diesem Café?“
K: „35 Jahre.“
R: „Und? Hat sich ihrer Meinung nach in den Jahren vieles verändert?“
K: „Das können Sie laut sagen. Früher hat man den Leuten einfach nur ihren Kaffee gebracht.“
R: „Und heute?“
K: „Heute bieten wir Erlebnisgastronomie.“