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Gute Bösewichte kreieren

 
 
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Dinin
Geschlecht:männlichSchneckenpost
D


Beiträge: 14



D
Beitrag03.10.2011 21:49
Gute Bösewichte kreieren
von Dinin
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi,

ich dachte, da wohl wenig Sekundärliteratur zum Thema "Erschaffung eines guten Bösewichtes" vorhanden zu sein scheint (siehe Diskussion in http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=31688), wäre vielleicht eine Forendiskussion zu dem Thema interessant.

Hier mal meine Meinung dazu, die allerdings auf wenig Erfahrung beruht (da ich selber keine wirklichen Geschichten, sondern nur Rollenspielstories schreibe). Kleine Anmerkung: Natürlich geht es hier um den klassischen Bond/Disney Bösewicht, nicht um den tragischen gefallenen Engel, mit dem der Leser Mitleid verspüren soll, und erst recht nicht um den sympathischen bösen Protagonisten à la Sweeney Todd oder Dexter.

1) Der effektivste (oder vielleicht sogar einzige) Weg ist es, wenn man den "Bad Guy" so aufbaut, dass auch der Leser eine Abneigung gegen ihn entwickelt. D.h. auch der Leser muss die Person unsympathisch finden oder gar leidenschaftlich hassen. Meiner Meinung nach gibt es da einige gute Wege, die sicherlich noch ergänzbar sind:
a) Der Protagonist erleidet offensichtliche Ungerechtigkeit durch den B., ist aber machtlos dagegen, z.B. weil der B. eine Autoritätsperson ist. (Beispiel: Umbridge aus den Harry Potter Büchern) Gerade öffentliche Demütigung spielt dabei eine Rolle, denke ich.
b) Der B. verursacht das Verschwinden (Mord, Entführung o.ä.) einer Person, die auch dem Leser bereits sympathisch war und deren Anwesenheit ihm fehlt.
c) Der B. erniedrigt Antagonisten, möglichst effektiv und öffentlich.
d) Der B. offenbart Charakterschwächen, welche der Großteil der Leser unsympathisch findet: Feigheit, Heuchlerei, Verrat, Arroganz, Überheblichkeit, Sadismus etc.
e) Der B. sollte Grenzen überschreiten, die für den Leser selbst ein absolutes Tabu bedeuten.

2) Der B. braucht eine logische Motivation, um glaubhaft zu wirken.

3) Insbesondere die Taten des B. bestimmen seine Qualität, nicht so sehr seine Worte, d.h. der B. muss auch selbst böses tun oder DIREKT bösartige Taten veranlassen, nicht nur darüber reden.

4) Der B. sollte mit dem Charakter bekannt sein bzw. mit dem Charakterhintergrund verwoben sein. Zum einen macht es die Geschichte interessanter und bringt den Antagonisten evtl. in eine moralische Zwickmühle (was wiederum die Geschichte interessanter macht) und zum anderen wiegt so der Widerstand des B. gegen den "guten" Antagonisten noch schwerer.



All dies sind erste Ideen, die mir als Laie zu dem Thema gekommen sind. Vielleicht korrigieren interessierte Leute ja meine Thesen oder schlagen zusätzliche vor? Ich würde mich freuen smile
Ich hoffe außerdem, dass die Diskussion auch für die anderen Nutzer des Forums interessant ist.
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Hitchhiker
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 34
Beiträge: 227
Wohnort: Münster


Beitrag03.10.2011 23:08

von Hitchhiker
Antworten mit Zitat

Hey Dinin!

Interessantes Thema, viele wichtige Sachen hast du meiner Meinung nach schon genannt.

Was mit noch spontan einfällt:

Ein guter Bösewicht muss mindestens so intelligent sein wie der Protagonist. Nichts ist langweiliger als ein Gegenspieler mit dem IQ eines Backsteins!


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agu
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 49
Beiträge: 2009
Wohnort: deep down in the Brandenburger woods


Beitrag03.10.2011 23:52

von agu
Antworten mit Zitat

Hallo Dinin,
interessantes Thema!

Du hast schon einige gute Punkte genannt.

Fuer sehr bedeutsam halte ich, dass der Boesewicht hinsichtlich seiner Persoenlichkeitsstruktur und Motivation ebenso gut ausgearbeitet wird, wie der Protagonist.
Denn um die Bedrohung durch den Boesewicht wirklich glaubhaft zu gestalten, braucht dieser eine starke Motivation, aus der fuer den Leser folgt, dass der Typ gar nicht anders kann, als dem Prota beziehungsweise anderen Sympathietraegern des Buches schweren Schaden zuzufuegen.

Selbst wenn der Boesewicht ein machtbesessener, sadistischer Psychopath ist, muss er in dieser Rolle glaubwuerdig und mehrdimensional auftreten. Ein guter Boesewicht ist nicht nur und uneingeschraenkt boese, er traegt auch Facetten in sich, die Anlass zur Hoffnung geben - nur damit der Autor diese Hoffnung bei einer spaeteren Gelegenheit wieder zerschlagen und damit die Antipathie mit dem Boesewicht noch weiter schueren kann.


_________________
Meine Bücher:
Engelsbrut (2009 Sieben, 2011 LYX) | Engelsjagd (2010 Sieben) | Engelsdämmerung (2012 Sieben)
Die dunklen Farben des Lichts (2012, SP)
Purpurdämmern (2013, Ueberreuter)
Sonnenfänger (2013, Weltbild)
Kill Order (2013 Sieben)
Choice / als Chris Portman (2014, Rowohlt)
Wie man ein Löwenmäulchen zähmt / als Eva Lindbergh (2016, Droemer Knaur)
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milchkaffee
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Alter: 38
Beiträge: 49
Wohnort: hagen


M
Beitrag05.10.2011 10:35

von milchkaffee
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Hi,
häufig ist der Böse dem Guten garnicht so unähnlich, oder er stellt eine art gescheiterte Version des Guten dar. zB in der Vorgeschichte zu X Men oder den neuen Starwars Teilen. - Hier wäre ich aber vorsichtig, ich fand beide Beispiele Storry Technisch nicht so überzeugend, ich denke die Geschichte des Bösen sollte zwar unbedingt erzählt werden aber nur am Rande stattfinden, mich ermüdet es eher diese semi tragischen Geschichten über schwere Jugend usw des Gegenspielers in Seitenweise ausführung zu lesen/sehen.

Ein anderes Extrem ist das absolut Böse, hier sind wir frei von allem Mitleid oder der Vorgeschichte des Bösen, er verkörpert das Negative an sich. zB der Teufel oder Sauron. Vorteilhaft finde ich, dass man sich nicht mehr im Bereich des menschlichen befindet, das hat man auch bei "bösen" Außerirdischen oder anderen Monstern. Allerdings sind die Spielräume auch sehr eng gestreckt und wahrscheinlich beinhaltet der Herr der Ringe nicht umsonst auch noch eine gewisse Anzahl menschlicher Gegenspieler wie Sauruman.


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Wem die Kunst das Leben ist, dessen Leben ist eine große Kunst.
johan sebastian bach

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Dinin
Geschlecht:männlichSchneckenpost
D


Beiträge: 14



D
Beitrag05.10.2011 16:34

von Dinin
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Hey,

schön, so viele Rückmeldungen auf das Thema zu sehen smile

Da es ja auch ein wenig um Diskussion geht, fang ich damit mal an:




Zitat:
Ein guter Bösewicht muss mindestens so intelligent sein wie der Protagonist. Nichts ist langweiliger als ein Gegenspieler mit dem IQ eines Backsteins!


Ja, ein wirklich dummer Widersacher ist selten interessant und taugt vielleicht gerade noch als "rechte Hand" des wirklichen Widersachers, da gebe ich dir recht.
Aber ich würde nicht sagen, dass der Bösewicht immer mindestens so intelligent sein muss wie der Protagonist. Ja, das trifft auf viele Bösewichte zu und sollte vorkommen. Aber gerade wenn der Bösewicht NICHT so intelligent ist wie der Held, ihn aber dennoch demütigen oder an etwas hindern kann, weil er z.B. von der Gesellschaft bevorzugt wird (höherer Status, mehr Geld oder Einfluss, ...), wirkt er besonders unsympathisch. Ich denke da gerade an die Einleitung der Harry Potter Romane (Uncle Vernon zieht sehr geschickt den Hass der Leser auf sich).




Zitat:
Fuer sehr bedeutsam halte ich, dass der Boesewicht hinsichtlich seiner Persoenlichkeitsstruktur und Motivation ebenso gut ausgearbeitet wird, wie der Protagonist.


Dem stimme ich voll und ganz zu. Wobei sicherlich die Meinungen für eine "gute Motivation" des B. auseinander driften. Ich finde zum Beispiel "Machterlangung" eine durchaus legitime und vollständige Motivation.

Zitat:
Ein guter Boesewicht ist nicht nur und uneingeschraenkt boese, er traegt auch Facetten in sich, die Anlass zur Hoffnung geben - nur damit der Autor diese Hoffnung bei einer spaeteren Gelegenheit wieder zerschlagen und damit die Antipathie mit dem Boesewicht noch weiter schueren kann.


Ja. Insbesondere die Möglichkeit des B., sich noch einmal für das Gute zu entscheiden, diese Möglichkeit dann aber dennoch abzulehnen, sorgt meiner Meinung nach oft für interessante Szenen.


Zitat:
häufig ist der Böse dem Guten garnicht so unähnlich, oder er stellt eine art gescheiterte Version des Guten dar


Auch dem stimme ich voll und ganz zu. Dabei kann man natürlich unterscheiden, ob der B. den Pfad der Tugend aus eigenem Willen verlassen hat (sehr unsympathisch) oder von anderen Personen abgedrängt wurde (bringt ein gewisses Mitleid mit dem Charakter ins Spiel). Je nachdem, ob man den Bösewicht als "rotten to the core" oder als tragische Figur rüberbringen will.


Zitat:
Ein anderes Extrem ist das absolut Böse, hier sind wir frei von allem Mitleid oder der Vorgeschichte des Bösen, er verkörpert das Negative an sich.


Das "absolut Böse", dass ohne Motiv und Moral existiert, finde ich persönlich als Bösewicht nicht sehr geeignet. Natürlich ist jeder froh, wenn der Held der Geschichte dieses Böse am Ende bezwingt, doch es bleibt farblos, freudlos. Der Leser mag sich mit dem Helden über die gelungene Tat freuen, doch er freut sich nicht primär über das Ende des Bösen. Er fiebert nicht richtig mit, verspürt keine Emotionen gegenüber dem "Feind". Ich denke, die meisten Herr der Ringe Leser werden einen größeren Hass auf Saruman (den Verräter) verspürt haben als auf den (eindimensional bleibenden) Sauron.
Auch Aliens fallen für mich oft in diese Kategorie. Wer nicht menschlich ist und nicht der menschlichen Moral folgt, der kann auch nicht an der menschlichen Moral und seinen Verstößen dagegen gemessen werden.
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Probber
Geschlecht:männlichBlütenprinzessin


Beiträge: 6717
Wohnort: zz9 plural z alpha
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Beitrag06.10.2011 14:47
Re: Gute Bösewichte kreieren
von Probber
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Dinin hat Folgendes geschrieben:
Kleine Anmerkung: Natürlich geht es hier um den klassischen Bond/Disney Bösewicht, nicht um den tragischen gefallenen Engel, mit dem der Leser Mitleid verspüren soll, und erst recht nicht um den sympathischen bösen Protagonisten à la Sweeney Todd oder Dexter.


Ich sehe nicht, warum man für einen Bond-Bösewicht keine Sympathie haben darf. Gerd Fröbe gilt beispielsweise bei vielen heute noch als einer der Besten Gegenspieler.

Warum? Er hatte Charisma.

Dass ein Bad Guy nicht eindimensional daherkommen sollte, ist ja schon mehrfach angesprochen worden.
Ich persönlich mag es, wenn die Bösen auch mit einer gehörigen Portion Charme daherkommen, aber dennoch knallhart ihre Linie durchziehen.

Außerdem wirkt es immer besonders gefährlich, wenn die Bösewichte, selbst wenn die Karten offen liegen, immer noch ein paar Tricks auf Lager haben und aus scheinbar ausweglosen Situationen noch etwas erreichen können.
Allerdings schwierig, das so zu verpacken, dass die Guten nicht wie die Hornochsen da stehen, was leider viel zu oft passiert.
Dadurch wirken die Bösen nicht intelligenter, sondern die Guten dümmer.
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Ada
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Beitrag06.10.2011 15:32

von Ada
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Ungerechtigkeit und Sadismus sind glaube ich die wichtigsten Eigenschaften eines Bösewichts, dem ich am liebsten selbst die Augen auskratzen würde.

Was ich gerne mache ist, Charaktere zu Bösewichten zu drehen, von denen es keiner erwartet, bzw. die dem Leser bis dahin als sympathisch und hilfreich präsentiert wurden. Das stößt dann besonders übel auf, der Leser fühlt sich genau so betrogen wie der Protagonist und die Emotionen kochen über.


_________________
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Dinin
Geschlecht:männlichSchneckenpost
D


Beiträge: 14



D
Beitrag07.10.2011 14:16

von Dinin
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Zitat:
Ich sehe nicht, warum man für einen Bond-Bösewicht keine Sympathie haben darf.


Stimmt, das war unklar ausgedrückt. Natürlich darf man mit dem B. Sympathie haben, allerdings nicht soweit, dass der Charakter quasi zu einem weiteren Protagonisten wird, wie es beispielsweise bei R. A. Salvatore und seinen Vergessene Welten Romanen mit dem Assassinen Artemis Entreri passiert ist. Bzw. es darf (und sollte) passieren, auf solche B. passen aber meine Aussagen nicht mehr 100% treffend.



Zitat:
Was ich gerne mache ist, Charaktere zu Bösewichten zu drehen, von denen es keiner erwartet, bzw. die dem Leser bis dahin als sympathisch und hilfreich präsentiert wurden. Das stößt dann besonders übel auf, der Leser fühlt sich genau so betrogen wie der Protagonist und die Emotionen kochen über.


Ja, ich denke auch, dass das Gefühl, verraten zu werden, eines der stärksten Mittel zum Aufbau eines B. ist.


Wie schaut es sonst? Weitere Einfälle oder Kritiken? Vielleicht auch Beispiele für besonders gut gelungene Bösewichte (dann am besten mit Begründung anhand der bisher aufgezählten Mittel)?
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Hitchhiker
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Beitrag09.10.2011 23:37

von Hitchhiker
Antworten mit Zitat

Zitat:
Aber ich würde nicht sagen, dass der Bösewicht immer mindestens so intelligent sein muss wie der Protagonist. Ja, das trifft auf viele Bösewichte zu und sollte vorkommen. Aber gerade wenn der Bösewicht NICHT so intelligent ist wie der Held, ihn aber dennoch demütigen oder an etwas hindern kann, weil er z.B. von der Gesellschaft bevorzugt wird (höherer Status, mehr Geld oder Einfluss, ...), wirkt er besonders unsympathisch. Ich denke da gerade an die Einleitung der Harry Potter Romane (Uncle Vernon zieht sehr geschickt den Hass der Leser auf sich).


Da muss man meiner Meinung nach noch etwas differenzieren. Um bei den Harry Potter Romanen zu bleiben, Onkel Vernon oder Draco Malfoy werden zwar negativ dargestellt, sind aber nicht die wesentlichen Gegenspieler von Harry Potter. Vor den beiden fürchtet sich der Leser nicht, als unsympathische Nebencharaktere folgen sie daher anderen Regeln. Der "Hauptbösewicht" ist Voldemort und auf den trifft das dann wieder zu.

Zitat:
Was ich gerne mache ist, Charaktere zu Bösewichten zu drehen, von denen es keiner erwartet, bzw. die dem Leser bis dahin als sympathisch und hilfreich präsentiert wurden. Das stößt dann besonders übel auf, der Leser fühlt sich genau so betrogen wie der Protagonist und die Emotionen kochen über.


Als ich das vorhin gelesen habe, musste ich direkt an den Bösewicht aus dem Roman "Der Augensammler" denken! Das trifft haargenau auf ihn zu  Shocked Allgemein ist er einer der besten und fürchterlichsten Bösewichte, die mir spontan einfallen. Hat jemand das Buch gelesen? Am Ende ist der Leser dann soweit, dass er seine Motivation sogar in gewissem Maßen nachvollziehen kann, er bleibt aber nichtsdestotrotz durch seine Grausamkeit und Intelligenz angsteinflößend. In jedem Fall ein sehr gelungener Bösewicht  Daumen hoch


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opaca
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Wohnort: Frankfurt


O
Beitrag23.01.2013 20:37
Re: Gute Bösewichte kreieren
von opaca
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Dieser Thead ist zwar nicht mehr der Jüngste, ich will aber trotzdem meinen Senf dazugeben Cool

Probber hat Folgendes geschrieben:

Ich persönlich mag es, wenn die Bösen auch mit einer gehörigen Portion Charme daherkommen, aber dennoch knallhart ihre Linie durchziehen.


Da stimme ich mit Probber überein. Mir gefällt es, wenn der Bösewicht z.B. über Schönheit, Anmut und Charme verfügt, doch zugleich fies, psychopathisch und hasserfüllt ist.
Warum nicht zeitweise mit dem Feind sympathisieren? Wenn er seine Gründe für die bösen Machenschaften hat, kann der Leser mit ihm fühlen und ihm die Daumen drücken, dass er an sein Ziel kommt ... möglichst ohne dem Prota der guten Seite zu schaden Wink

LG
"die Feder"
Opaca
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Probber
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Beitrag23.01.2013 20:40

von Probber
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Ich denke, wenn man es schafft, dass der Leser sich in seiner Sympathie für Protagonist und Antagonist im Zwispalt befindet, hat man zumindest ein Buch geschrieben, das fesselt.

Ist ja auch was wert. Laughing
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raffis
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Beitrag24.01.2013 13:59
Ebenbürtig
von raffis
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Ein guter "Bösewicht" in einem zugegeben abstrakteren Sinne muss so glaubwürdig daherkommen, dass er schon wieder sympathisch anmutet. Vgl. Robert De Niro und Al Pacino in "Heat" - sympathisch anmuten bedeutet für mich, der Leser KANN sich auch mit ihm identifizieren und ihn irgendwo verstehen.
Die Frage wäre dann, inwiefern und ob die Grenze überschritten werden darf, ab der nicht mehr klar ist, wer nun wirklich Held und wer Bösewicht ist. Vielleicht sind dann Prota und Anta beides und doch keines, ein gegenseitiges Gleichgewicht, und vielleicht reden wir dann ja von einem anderen Typ von Bösewicht als demjenigen, der hier gemeint ist.
Mir gefällt diese Art von Charakterisierung jedenfalls, noch interessanter wären (sind?) Geschichten, in denen sich der anfänglich geglaubte Held als Bösewicht offenbart, vgl. Harrison Ford in "Schatten der Wahrheit".
Was meint ihr dazu?

Gruss raffis


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agu
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Beitrag24.01.2013 15:13

von agu
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Ein guter Antagonist (ich würde ihn nicht gleich 'Bösewicht' nennen, das klingt sehr eindimensional) erfüllt im Buch ja hauptsächlich die Rolle, dem Protagonisten einen Widerstand entgegenzusetzen, der im Idealfall genau so ausbalanciert ist, dass er eine atemberaubend gefährliche Bedrohung darstellt und die Kräfte des Antagonisten bis aufs Äußerste fordert, ohne ihn aber zu überfordern - der Protagonist muss am Ende glaubwürdig und ohne plötzliche göttliche Intervention (Deus Ex Machina) in der Lage sein, den Antagonisten zu überwinden. Idealerweise aufgrund des Fähigkeiten-Zuwachses, den er in seiner Entwicklung über das Buch hinweg durchlebt hat.

Mit 'Kräften' sind hier keinesfalls nur physische Fähigkeiten gemeint. Es kann sich dabei ebenso gut um Klugheit oder innere Stärke oder das Gewinnen der richtigen Verbündeten handeln.

Aus meiner Sicht gibt es nun zwei Möglichkeiten, den Antagonisten gut zu gestalten (und gut ist er, wenn er eine spürbare, den Atem abschnürende Bedrohung für den Protagonisten darstellt, die man als Leser auch glaubt):

(a) Ein Charakter, der nicht zwingend 'böse' sein muss, dessen Motivation aber der des Protagonisten entgegengesetzt ist und der absolut zwingende Gründe hat, diese weiterzuverfolgen und daher den Prota mit allem, was er hat, zu bekämpfen
Solche Antagonisten können durchaus auch sympathisch sein, sie werden oft sogar zu tragischen Figuren. Der Schlüssel liegt hier darin, die Motivation des Antagonisten absolut glaubwürdig zu zeichnen, so dass der Leser spürt, er kann nicht anders, er hat keine Wahl, er muss den Prota bekämpfen. Und dass sich daraus eine unvermeidliche, aber umso tragischere Eskalationsspirale ergibt. Diese Art des Antagonisten läßt am Ende Möglichkeiten für Auflösungen abseits der klassischen 'Bösewicht tot, Held reitet in den Sonnenuntergang'-Happy Endings. Denn in diesem Fall empfindet der Leser die Bestrafung des Antagonisten nicht als zwingend notwendig, es könnte also am Ende auch eine gütliche Einigung stehen, ein Annähern der Standpunkte. Oder ein beliebig ambivalentes Ende, bei dem der Antagonist zwar gewinnt, der Prota aber den moralischen Sieg davonträgt. Oder erkennt, dass er das, was er unbedingt wollte, gar nicht braucht und dem anderen getrost überlassen kann.


(b) Ein klassischer Bösewicht, der vom Leser verabscheut und leidenschaftlich gehasst wird und der am Ende auch bestraft werden muss.
Dieser Antagonist kann natürlich auch gute Gründe für sein Handeln haben, er braucht zugleich aber ein paar Charakterzüge, die verabscheuungswürdig sind. Aus innerer Schwäche geborene Grausamkeit ist ein Klassiker, zielgerichtete Bosheit und die Lust an der Demütigung anderer, unmoralisches Handeln aus purer Gier, Dünkelhaftigkeit (Herabsehen auf andere) etc.
Solche Antagonisten balancieren immer ein bisschen am Abgrund zum Klischee, da muss man aufpassen. Aber wenn man es schafft, sie glaubwürdig und mehrdimensional ohne Kitsch zu zeichnen, dann erschafft man damit eine mächtige Waffe, um die Emotionen der Leser einzufangen. Nichts schafft so viel Empathie wie die Bedrohung einer sympatischen Figur durch einen wirklich guten Erzbösewicht. Einer, von dem man weiß, dass er keine Skrupel kennt, und dass er alles Schreckliche, das man sich ausmalt, wirklich tun wird, wenn er kann.
Ich persönlich finde diese Art von Charakter viel schwieriger zu modellieren als den ersten, weil es mir schwerer fällt, mich in diese Art von Denke hineinzuversetzen. Einen Mörder, der aus Berechnung tötet, kann ich mir gut vorstellen. Einen, der aus Spaß Insekten die Flügel ausreißt, eher nicht. Es gibt aber Autoren, die das meisterhaft beherrschen, und die beneide ich auch aufrichtig.


Was meiner Meinung nach überhaupt nicht geht, ist das Böse aus Selbstzweck. Also der klischeehafte böse Fantasy-Zauberer, der von seinem schwarzen Turm aus wegen nicht näher genannter Gründe das Land mit Untotenterror überzieht, einfach weil er von Natur aus böse ist und er nach Macht giert, muhahaha (und was will er mit der dann anstellen?).
Kein Mensch ist von Natur aus böse. 'Böse' definiert sich nämlich immer nur aus dem Winkel des Betrachters und ist daher ein reichlich abstrakter Sammelbegriff. Ein Mensch kann grausam sein, oder boshaft, oder großzügig, oder empatisch, aber böse?
Hier kommt wieder die glaubwürdige Motivation ins Spiel. Wenn besagter böser Zauberer nämlich deshalb das Land erobert, weil er die Seelen seiner Bewohner braucht, um sein untotes Leben zu verlängern, sieht das schon wieder anders aus ... denn dann hat er plötzlich einen Grund für sein Tun.


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