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Teil 45


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 00:59
Teil 45
von Lyrika
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Matthias zappte sich durch die Fernsehprogramme und schaltete dann das Gerät gelangweilt aus. Er setzte sich die kleinen Kopfhörer auf und machte es sich in seinem Bett gemütlich. Die Ärzte hatte sich bei der heutigen Visite sein Bein angesehen und entschieden, daß er noch eine weitere Woche im Krankenhaus verbleiben würde. Was anderes hatte er auch nicht erwartet. Bei dem, was ihm alles in den letzten Wochen passiert war.
Er schloß die Augen und lauschte der Musik. Sara erschien ihm vor seinem geistigen Auge. Die Musik trug ihn in seine Erinnerungen. Ja, er hatte sich damals für Sara entschieden, obwohl er bemerkt hatte, daß Kim ihm gegenüber nicht abgeneigt war. Das Kribbeln in seiner Magengegend wurde nur schon bei dem Gedanken an Sara ausgelöst, was bei Kim nur zur Freundschaft ausgereicht hatte. Der langsame Rhythmus der Musik ließ ihn weiter Stationen ihrer Beziehung beleuchten. Das gemeinsame Aufstehen, die gemeinsamen Urlaube und das er ihr das Gefühl vermittelt hatte, sie könne sich immer auf ihn verlassen. Vielleicht war das auch ein wenig zuviel des Guten und hatte sie zum Schluß erdrückt? Wenn er ehrlich zu sich war, er hatte jeden Streit schon im Keim versucht zu ersticken. Und jetzt? Jetzt erstickte er fast an dem Gedanken, daß sie sein Kind unter ihrem Herzen trug und mit einem anderen Mann…Mit einem Ruck riß er sich den Kopfhörer herunter und schaltete den Fernseher wieder an. Er hatte nicht vor, diesen häßlichen Gedanken auch noch zu füttern. Ein Sender nach dem anderen blitze kurz auf und wurden durch die Fernbedienung gehindert, auch nur einen Hauch ihren geboten Programms zu zeigen.
Matthias zappte alle Sender hoch und runter. Die wahre Ablenkung war es auch nicht, stellte er fest und entschied sich, eine Reportage über Tiere in der Wüste zu lassen. Eine zeitlang schaute er den Löwen bei ihrer Jagd und der Aufzucht ihrer Jungen zu. Kleine Löwenbabys tollten miteinander in der Hitze der Wüste. Babys! Da war er wieder, der Gedanke an das Baby. Warum hatte sie ihm das nicht erzählt, daß sie schwanger ist? Er spielte doch keine kleine Rolle, wenn es um die Entscheidung ging, ein Kind zu bekommen.
Wütend krallte er seine Finger in das Lacken. Die Wut richtete sich gegen ihn. Warum bin ich denn nicht mit der Sprache rausgerückt, an dem Tag, wo ich den Schwangerschaftstest entdeckt hatte? Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Er haßte diese Spekulationen. Die hatten ihn auch schließlich ins Krankenhaus gebracht. Diese ganze Zeit dachte er über die ´Wenn` und ´Aber` nach, vergaß dabei, das er auf dem Fahrrad saß und ehe er es sich versah, fuhr er über ein kleines Loch im Asphalt, konnte das Fahrrad nicht mehr steuern und fiel so unglücklich, das er jetzt hier seine Unachtsamkeit auskurieren mußte. Zum Glück hatten ihm die Ärzte heute eröffnet, daß er sein Bein behalten würde. Mit viel Geduld und Physiotherapie ist sein Bein dann wieder im vollen Einsatz, hatte der Arzt gesagt. Ironischerweise nutzte er den Krankenhausaufenthalt, um sich über Sara und ihn klar zu werden. Damit dies auch klappen könnte, hatte er Kim gesagt, daß er Sara nicht sehen wollte.
Zug um Zug, wie in einem Schachspiel, schob er Gedanken und Gefühle hin und her. Aus eigener Erfahrung wußte er, Schach könnte ein sehr langes Spiel werden. Eine der Figuren in diesem Spiel stand gestern in voller Lebensgröße vor ihm. Und wie gerne hätte er sein Buch nach ihm geschmissen. Besitzt die Frechheit und nutzt meine Situation aus, dachte Matthias. Stellt mir so saudämliche Fragen. Ob er das mit Sara bei der Nachhilfe auch machte? Fluchend widmete er sich seinen Fragen. In der Uni einen auf helfenden Mentor machen und hier im Krankenhaus….Matthias hielt inne und spülte gedanklich seine letzten Satz zurück. Uni und Krankenhaus?
„Uni und Krankenhaus?“, sprach er seine Überlegung jetzt laut aus, sodaß sein Bettnachbar aufhorchte.
„Was meinst du?“, erkundigte der sich fragend und ließ sein Buch sinken.
„Sag mal, kann einer gleichzeitig an der Uni arbeiten und im Krankenhaus?“, fragte Matthias ihn, ohne seinen Blick von dem Fernseher zu wenden.
„Nun ja, wenn er an der Uni Medizin unterrichtet, dann ja.“, bekam er zur Antwort.
„Nein, nein, ich meine, ob jemand an der Uni Betriebswirtschaft unterrichten kann und gleichzeitig hier im Krankenhaus als Arzt arbeiten?“ Matthias schaute jetzt seinen Bettnachbarn an. Der zuckte mit den Schultern und meinte: „Nein, das wäre wohl ein bißchen viel für eine einzelne Person. Außer er hätte einen Zwilling.“ Lachend wandte sich der Bettnachbar wieder seinem Buch zu. Matthias starrte ihn mit offenem Mund an.
Die unüberlegte, aus dem Bauch heraus gesagte Annahme seines Bettnachbarn, trieb ihm die Hitze ins Gesicht und er ließ sich in die Kissen sinken. Darum hatte der Arzt gestern so dämlich reagiert. Es sind Zwillinge. Anders konnte es nicht sein. Was stand auf seinem Namenschild? Er hatte es nicht beachtet und nun versuchte er mit aller Kraft die Buchstaben auf dem Namenschild zu erkennen. Wie sooft kam ihm seine Fähigkeit, sich Namen zu merken, dabei zur Hilfe. Kriechend fügten sich die Buchstaben aneinander und präsentierten sich als Namen vor seinem geistigen Auge. Er nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte eine Nummer. Am anderen Ende tutest es zweimal und dann wurde abgehoben.
„Ja?“, sagte die Stimme und wartete, wer sich jetzt melden würde.
„Kim, ich bin´s Matthias.“
„Hallo! Wie geht’s dir? Ich wollte dich heute besuchen kommen.“, rief sie erfreut.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wer gestern hier war?“ Matthias wußte, daß Kim Sara nennen würde und verneinte die Antwort.
„Saras Romanze war hier.“, sagte er ruhig und wartete auf die Reaktion von Kim ab. Das andere Ende hüllte sich kurz in Schweigen.
„Vivek war bei dir?“, fragte Kim vorsichtig und lauschte, was Matthias als nächstes erzählen würde.
„Nein, der andere.“ Matthias Herz pochte vor Aufregung um des Rätsels Lösung.
„Ach, du meinst Zayed. Ja, er arbeitet doch als Arzt in dem Krankenhaus.“ Damit hatte Matthias seine Vermutung bestätigt, daß es sich um Zwillinge handelte.
„Ich freu mich auf dich. Bis nachher.“ Ohne Kim die Möglichkeit einer Verabschiedung zu geben, legte er auf, lächelte zufrieden und ließ sich erneuert in das Kissen sinken.
Gestern hatte er noch geglaubt, Saras Romanze vor sich zu haben und jetzt wußte er, daß es der andere war. Es war ihm egal auf welchem Wege, aber er konnte davon ausgehen, daß der eine dem andern Zwilling von Saras Schwangerschaft erzählen würde. Und wie er Sara kannte, hatte sie ihm diesen Umstand mit Sicherheit nicht gesagt. Zufrieden grinste Matthias vor sich hin. Er ging davon aus, daß Sara Romanze im Anblick der Tatsachen, daß sie schwanger ist, Abstand suchen würde und somit konnte er sich wieder bei Sara einbringen. Er schaute aus dem Fenster und fragte sich, ob er das überhaupt noch wollte.

Erschrocken über seine eigenen Gedanken fuhr er sich mit seinen Händen durch die Haare. Konnte er nicht zufrieden sein, mit seiner ebend gewonnenen Erkenntnis, daß sich viele Männer zurückziehen, wenn sie erfahren, daß ihre Liebschaft in anderen Umständen ist?
Er hatte Sara seit über einer Woche nicht mehr gesehen, ihr ausrichten lassen, daß sie ihn nicht besuchen soll und trotzdem hatte er Sehnsucht nach ihr. Die Gefühle versuchten ihn zu überreden, sie anzurufen oder ihre eine SMS zu schicken. Standhaft schob er diesen Impuls zur Seite, stellte den Fernseher aus und widmete sich wieder seinem Kopfhörer. Mit Hilfe der Musik versuchte er seine Gedanken zu sortieren.
Er starrte auf die schwarze Fläche des Fernsehers. Obwohl er das Gerät ausgeschaltet hatte, sah er einen Film. Dieser Film lief vor seinem geistigen Auge ab und handelte von Sara, seiner Beziehung zu ihr und von Saras Romanze, die sich als ein Zwilling herausstellte. Ob Sara wußte, daß es Zwillinge sind, fragte er sich und atmete tief ein. War es der Schmerz von seinem Bein oder der Gedanke, der in seinem Hirn heftig aufgeblitzt war? Mit äußerster Vorsicht bewegte Matthias sein Bein in der Schiene ein wenig zur Seite und zog sich gleichzeitig ein kleines Stück nach oben. Nein, sein Bein war nicht der Auslöser für den gerade erlebten Blitz in seinem Hirn. Die Musik schlich sich weiter leise durch seinen Gehörgang. Wie ein Gepart seiner Beute hinterher jagt, so versuchte er jetzt diesem Blitz hinterher zu jagen. Was hatte es damit auf sich, dachte er und versuchte schneller als seine Beute zu sein. Zwillinge, hämmerte es aus einem Winkel seines Hirns. Sara, sendete ihm ein anderer Teil zu. Zwillinge, Sara, Zwillinge, Sara. Die beiden Worte kamen immer schneller und schneller aufeinander zu und er jagte weiter diese Beute. Die Worte prallten ungebremst zusammen, er knallte auf sie, kam zum stoppen, hielt im Geiste jeweils eines der Wörter in einer Hand und fügte sie zu einem Gedanken. Nun hatte er seine Beute und wußte nicht, was er davon halten sollte. Sara hatte eine Romanze mit Zwillingen angefangen. Ob sie beide….? Nein, der Gedanke erschien ihm zu absurd. Kopfschüttelnd erstickte er die Spekulation im Keim. Trotzdem bleib ein feiner Beigeschmack, der ihm signalisierte, daß er ja Sara auch keine Romanze außerhalb ihrer Beziehung zu getraut hätte. Also warum nicht auch eine Liebelei mit Zwillingen? Und das sie sich zum verwechseln ähnlich sahen, hatte er ja am eigenem Leibe erfahren. Oder tauschten die Zwillinge ihre Rollen und nutzen Saras Schwäche aus? Seine Gedanken drehten sich im Kreise. Warm und ätzend kroch ihm die Magensäure die Speiseröhre hoch und verursachte daß ihm bekannte Brennen hinter seiner Brustplatte. Matthias griff zu einem Glas Wasser, welches auf seinem Nachttisch stand und versuchte die Säure zu neutralisieren. Mit einem Hickser beantwortete sein Magen, daß das Wasser zwar angekommen sei, aber nichts bewirken würde. Die Magensäure zog sich abermals entgegen der Schwerkraft an seiner Speiseröhre hoch. Genervt setzte er sich auf, zog die kleine Schublade des Nachtisches auf und kramte nach seinem Antacidum, was ihm in solcher Situation als treuer Begleiter zur Seite stand. Höhnisch nahm er die Schachtel in die Hand, drückte eine Tablette heraus, zerkaute sie und schluckte die breiige Konsistenz herunter. Wenigstens bleibt ihr mir beide treu; mein Sodbrennen und meine Tabletten, dachte er und bemerkte wie sich Müdigkeit in seinem Körper ausbreitete. Mit dem leisen Takt der Musik wurden seine Augen schwerer. Er wollte jetzt nicht mehr nachdenken und beschloß sich der Müdigkeit hinzugeben. Sanft entschwand er aus der Realität.

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