mauern und sonne am abend

[EdgarAllanPoe]

mauern und sonne am abend


hast du die mauern schon gesehen
und wie die sonne mit gesenktem kopf
an ihnen vorbei schleicht
das gewitter das ich hinter
meiner stirn
erfühlen kann
(wenn ich zeige- und mittelfinger
an die schläfen leg)
schwingt sich auf zu dem licht
dort oben
das gras dort hinterm friedhof
sieht nicht aus als sei es
gemäht
wir betten uns hinein und
bedecken uns mit toten blättern
und atmen den duft des sommers ein
während die sonne uns zunickt
mit ihrem kopf aus glut und feuer
ach ich spür den wind der mir
über die nase streicht und das
neigen der bäume hast du auch so
ein gefühl als ob dir eidechsen
aus den brüchigen mauern
entgegenstarren als ob sie
nach deiner wärme hungern würden
und schau nochmal: da die sonne mit
ihrem glutnicken
verschwindet hinterm hügel
und ich hör von den straßen her
das fauchen der autos wie sie
sich durch die rot und blau
geschlagene hitze kämpfen
und ich spür immer noch das
gewitter
das hinter meinen schläfen zuckt
wie knochenfinger auf unserem
friedhof bewegen sich die blitze
in meinem inneren wer geht jetzt
und bringt mir was kühles? –
der händler grade eben dort
an der ecke sah so aus
als würde er kühles wasser
verkaufen in der sonne
quoll der asphalt
in den gärten tote gräser
und die hitze sprang mir
aus den fenstern der häuser
entgegen
wie sich jetzt das fauchen
der autos auf meine ohren stürzt
und der verbrannte löwenzahn
in den ritzen auf dem gehweg
ließ seinen kopf hängen –
ich steh auf schlepp mich raus
zum tor und geh mir wasser holen
es ist lauwarm aber ich muss
es trotzdem trinken dieses feuchte
wimmern in meinem kopf das sich
bis runter zum magen ausbreitet
wasserblumen schillern in der hitze
(grade gab es hier draußen wohl
ein gewitter)
das lächeln des händlers verwischt
in der wärme des abends draußen
spielen noch kinder mit geröteten
wangen selbst die puppen stöhnen
vor wärme ihnen zerlaufen die
aufgemalten gesichter –
du bist dir selbst in diesem
wetter
die ausgeklammerte stille –
das leere wort –
so jedenfalls denke ich
warum denn sonst siehst du
die mauern nicht und die sonne
die hinter ihnen empor schleicht
und warum hast du das gewitter
nicht gehört

[versbrecher]

Hallo Eddie,

ein Long Poem, von denen es leider viel zu wenige gibt (mMn). Kein Text, der sich so mirNichtsdirNichts überfliegen &/oder kommentieren ließe; frag mich bitte nicht, woran ich es festmache, aber durch den Gebrauch der 1. Person singular erinnert mich dein Gedicht an Hesse (nicht an seine Gedichte, vielmehr an seine Prosa), der seine Protagonisten ja auch gerne in innere Monologe "stürzt".

Damit kein falscher Eindruck entsteht: mauern und sonne am abend gefält mir ausgezeichnet, auch wenn ich das Gedicht sicherlich noch eine Weile werde wirken lassen (müssen/dürfen).

Ein echtes Schmankerl:

das gras dort hinterm friedhof
sieht nicht aus als sei es
gemäht
wir betten uns hinein und
bedecken uns mit toten blättern

[EdgarAllanPoe]

Danke, Versbrecher, dass dir dieses doch sehr spontane Werk gefallen mag.
Von Hesse habe ich jetzt keine Monologe mehr in Erinnerung, kann aber auch daran liegen, dass ich länger nichts mehr von ihm gelesen habe (und dann auch nur "Unterm Rad"). Nun gut, vielleicht sollte ich auf diesen Zug wieder aufspringen. -

Eddie

[schalknackt]

Mir gefällt das Atemlose
und das immer wiederkehrende Motiv:Du mit den Fingern an den Schläfen
doch frage ich mich

fragts du wirklich (Z1-3)
was sie sieht

oder hast du vor der Frage
schon längst entschieden, dass
sie eine"Puppe" ist ..das Folgende rethorisch.