18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Selbsthilfe -> Eure Gewohnheiten, Schreibhemmung, Verwirrung
die eigene Literarische Sprache und Identität

 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Tamar
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 123



Beitrag10.02.2010 12:12
die eigene Literarische Sprache und Identität
von Tamar
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hey, ich habe mal eine ganz allgemeine Frage: woher wisst ihr, dass ihr das Richtige schreibt? Dass ihr eure "literarische Stimme" gefunden habt?
Ähm, wie beschreib ich das? Ich hab nen kleinen Text dazu geschrieben, vielleicht macht der das deutlicher (und ja, ich weiß, es gibt keinen älteren und ärmeren Trick, als Schreibprobleme literarisch zu verarbeiten) :

Wenn ich Freunden erzähle, dass ich Schwierigkeiten habe, meine literarische Stimme zu finden, wissen sie nicht, was ich meine. ”Der eigene Stil zu schreiben” ist vielleicht die bessere Beschreibung. Aber viele verstehen das trotzdem nicht. Sie denken schreiben wäre schreiben, und nach über 60 teilweise ausführlichen Texten in meinem Blog sollte ich doch meine literarische Stimme gefunden haben.
Wenns doch nur so einfach wäre!
Das europäische Alphabet hat 26 Buchstaben. Richtig zusammengesetzt kann man damit alles schreiben, von einer Bedienungsanleitung bis zu unsterblichen Gedichten. So weit, so einfach. Aber jeder Text ist anders, jedes Genre hat seine eigenen Gesetze, seinen eigenen Stil. Und ich weiß nicht, welcher Stil der Meine ist.
Ein Beispiel: ich schaue aus dem Fenster, und es schneit (das tut es seit 6 Wochen dauernd). Den Schnee kann ich beschreiben in seiner Art und Stärke (ich habe einen naturwissenschaftlichen Hintergrund). Oder ich kann über eine Erfahrung in der Kindheit schreiben. Oder ich kann eine Leiche in den Schnee platzieren und einen Mord daraus machen (natürlich nur virtuell). Oder ich kann über die ästhetische Schönheit des Schnees schreiben. Ich kann auch den Schnee als Metapher verwenden, für das Land, in dem ich lebe, die Kälte und die Fremdheit einerseits (sechs Wochen geschlossene Schneedecke am Stück, wo gibts denn sowas?), die unglaubliche Schönheit und die Lebensqualität in Form von Ski fahren und rodeln andererseits. Das Problem ist: wenn ich mich für eine Variante entscheide, schließe ich damit die Anderen aus. Und jede Möglichkeit hat ihre Vor und Nachteile, die mir in dem Moment ins Gesicht springen: Schreibe ich naturwissenschaftlich, ist es keine Literatur. Kindheitserinnerungen finde ich schwierig, weil ich nicht nur auf meinen eigenen Neurosen rumreiten und nicht darüber hinaus kommen will. Mache ich einen Krimi daraus, sagt eine kleine Stimme in meinem Hinterkopf ”So ganz normal bist du nicht. Überall Leichen. Fällt dir nichts Neues ein?” (In dieser Hinsicht funktioniert meine Phantasie derzeit phänomenal. Ich habe genug Leichen für 5 Krimis).
Anyway- wenn ich den Schnee lyrisch beschreibe, komme ich fast zwangsläufig zu dem Ergebnis: welch ein Kitsch. Und wenn ich daraus eine große Metapher mache, denke ich mir: man kanns mit der Interpretation auch übertreiben. Kalter Schnee, menschliche Kälte blabla.
Die salomonische Lösung wäre, zu versuchen, alle Bereiche zu integrieren. Aber ich finde es unglaublich schwer, von einem Stil in den anderen zu wechseln, ohne dass es blöd klingt. Mir gelingt das nicht immer, was leider dazu führt, dass die Texte abgehackt und zusammenhanglos wirken.
Ich fühle mich wie ein Musiker, der gerade ein Stück interpretiert, und während er eine Ballade spielt, merkt er, dass Rock viel mehr Kraft hat, dass Metal mit seinen bombastischen Soli viel besser klingt, dass er sowieso nur nachspielt. Er sollte eigene Musik schreiben. Aber eigentlich ist die gesamte Unterhaltungmusik (was für ein Wort) ja sowieso zweitklassig, und er sollte sich anspruchsvolleren Werken zuwenden. Also spielt er die ersten zwei Zeilen einer Ballade, wechselt dann zu einem Metalsolo, was auf einer Akkustikgitarre sowieso nicht richtig klingt, dann versucht er, argentinischen Tango einzubauen- und am Schluss schmeißt er das Instrument in die Ecke, weils sich einfach nur grausig anhört.
Ich muss mich entscheiden. Aber was ist das Richtige? Sind Krimis wirklich mein Genre? Oder sollte ich es mit einem Gesellschaftsroman versuchen? Fantasy war auch in der engeren Auswahl.

Wie ist das bei euch? Wusstet ihr von Anfang an, in welche Richtung ihr gehen wolltet? Oder wie habt ihr das herausgefunden? Wäre für Anregungen sehr dankbar, weil ich im Moment an einem Punkt bin, wo ich gar nicht mehr schreibe, weil sich alles banal/hochtrabend/kitschig/eindimensional anhört.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nemo
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 963
Wohnort: Dresden
Pokapro 2016 Pokapro III & Lezepo I
Postkartenprosa II


Beitrag10.02.2010 12:42

von Nemo
Antworten mit Zitat

Hallo Tamar,

eine sehr schöne Frage stellst Du hier. Sollte ich Deinen Text nun richtig verstanden haben, dann hier meine Antwort:
Es gibt Regeln des guten Stils. Diese sind angelehnt an die Textverständlichkeit und das Klangempfinden für unsere Sprache. Das hat im weitesten Sinne etwas mit Psychologie zu tun, exakter mit der Fähigkeit des Lesers, sprachlich übermittelte Informationen zu verarbeiten. Es gibt viele Gründe dafür, die Verständlichkeit eines Textes als Leitziel beim Schreiben zu verfolgen. Man könnte hier entweder ökonomisch argumentieren oder philosophisch, aber das würde jetzt zu weit führen. Wolf Schneider bespricht in seinem Buch "Deutsch für Profis" einige Regeln guten Stils unter der Prämisse der Verständlichkeit.

Darüber hinaus sollte der Schreibstil so gewählt sein, dass er dem Inhalt zur Wirkung verhilft. Jeder weiß, dass ein Wechsel zwischen langen Sätzen und kurzen Sätzen die Aufmerksamkeit des Lesers wachhält, oder dass man an actionsreichen Stellen eher parataktisch schreiben sollte, um Tempo aufzunehmen. Insofern kommt es darauf an, in welchem Genre Du schreibst. Dazu stell Dir einfach die Frage: Welches Buch möchtest Du selber gerne lesen? Wenn Du die Antwort darauf kennst, dann weißt Du in etwa, welchen Stil Du dafür brauchst. Auch kann die Erzählstimme je nach Protagonistenperspektive anders aussehen, in jedem Fall aber sollte sie kräftig sein. Wenn Du einen Naturwissenschaftler als Protagonisten hast, dann beschreib den Schnee wissenschaftlich, hast Du einen verliebten Protagonisten, dann beschreib den Schnee kitschig. Ich finde es persönlich sehr spannend, mich an verschiedenen Stilen zu probieren. Aber vergiss nicht: Die Erzählstimme bist nicht Du als Tamar, nicht Du als Person.

Dennoch scheint es darüber hinaus etwas zu geben, wie den eigenen Stil. Bei mir hat es recht lange gedauert, bis er sich eingestellt hat, immer wieder wurde ich dabei inspiriert von anderen Schriftstellern und habe mir - ich denke, das ist legitim - das ein oder andere abgeschaut. Man kann auch zu Übungszwecken andere Schriftsteller kopieren. Irgendwann aber wirst Du merken, auf welche Art Du gerne schreibst, welche Worte und Stilmittel Du mit Vorliebe verwendest, welchen Erzähler und welche Perspektiven, ja und auch welches Genre. Das spielt sich nach einer Probephase ein und die dauert solange, wie sie dauert. Es schadet nicht, sich einmal an jedem Genre zu versuchen. Durch die Kritik anderer wirst Du oft gezwungen sein, den aktuellen Status zu überdenken und verbessern. Irgendwann werden die Kritiker dann sagen: "stilistisch stabil" oder vielleicht auch "guter Stil, gefällt mir". Dann hast Du gefunden, wonach Du suchst und dann weißt Du auch, was Du am besten kannst. Ich hoffe, ich konnte ein wenig weiter helfen.

Beste Grüße
Nemo


_________________
Kunst ist Leben. Also lebe!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Biggi
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 52
Beiträge: 782
Wohnort: BY



Beitrag10.02.2010 12:45
Re: die eigene Literarische Sprache und Identität
von Biggi
Antworten mit Zitat

Hi Tamar,

habe ich da jetzt im Begrüßungsthread das Falsche gesagt  Embarassed ? Oder gar den Finger in eine Wunde gelegt? Das täte mir leid. Mit dem "Problem" stehst Du aber bestimmt nicht allein da.

Plaudere dann mal aus dem Nähkästchen: angefangen habe ich hier mit Krimiausschnitten und schwarzem Humor. Dann kamen die Kurzgeschichten in chicklit-Manier mit Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätzen und danach ein paar mit längeren Sätzen. So, und dann habe ich mal herumgefragt hier bei den Lesern, ob sie meinen persönlichen Stil erkennen könnten... Ich bekam tatsächlich eine Antwort auf diese Frage.

Wenn ich jetzt - überspitzt gesagt - abgehackt ein Klischee ans andere hänge und mir denke: ach, ich würde so gern längere Sätze bauen, aber das passt ja gar nicht zum Genre, dann merkt man das und man erzählt mir: 'Das ist nicht dein Stil, meine Liebe. Du schreibst "sonst" ganz anders.' Ergo: sich zu verstellen, um irgendwelche Genres zu bedienen, bringt nichts und führt auf Dauer nur zu Verspannungen bis hin zu chronischen Schmerzen wink.

Probier es aus und warte ab, was sich herauskristallisiert für Dich persönlich. Phasen in irgendeiner Richtung oder auch einmal einen "literarischen Schreikrampf" hat jeder - so wie man ja auch nicht immer die gleiche Musik braucht bzw. bester Laune ist -, aber ich wage zu behaupten, dass Du vor allem als Naturwissenschaftlerin mit Sicherheit Vorlieben hast.
Kurz, knackig. Vermutlich nicht lyrisch oder metaphorisch.
Nur so eine grobe Einschätzung von mir.
Also, warte insgesamt ab, wie Du Dich fühlst, wenn Du dies und das ausprobierst. Du wirst an den Reaktionen merken, wie es ankommt beim Leser. Bist Du damit überzeugend oder musstest Du Dich womöglich erkennbar verrenken... Das sagen sie Dir hier schon.
Also frisch ans Werk.
 
LG
Biggi
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
DasProjekt
Geschlecht:weiblichExposéadler


Beiträge: 2898
Wohnort: Ørbæk, Nyborg, Dänemark


Beitrag10.02.2010 13:02

von DasProjekt
Antworten mit Zitat

Hallo Tamar,

ich schreibe das, was ich auch gerne lese. Ich lese zwar hin und wieder mal einen Krimi (meine Schwester bringt mir immer mal einen Andreas Franz oder einen Charlotte Link mit), aber ich könnte das nicht schreiben, weil ich es auch nicht sozusagen "freiwillig" lese. Ich habe kein Krimi-Gefühl.

Ich lese nur historisches. Da ist es dann nicht weit, auch historisch zu schreiben. Ich lese gelegentlich erotisches, aber das schreiberisch umzusetzen, dazu fehlt mir noch ein Kick, vielleicht auch etwas Mut, und vor allem noch sehr viel Lektüre in der Richtung. Lieber schummele ich entsprechende Szenen in meine historischen Manuskripte rein, anstatt einen ganzen Plot auf die Erotik zu münzen, das liegt mir nicht.

Die eigene Sprache und Identität? Meinst du damit nur das Genre oder eher den Stil? Der Stil kommt beim Lesen und "Imitieren", wenn man das so sagen will (derzeit wieder sehr sehr gefährliches Pflaster). Jeder hat so seine "Vorbilder", was den Stil angeht. Ich hab meine. Wenn mir einer sagt, er hätte keine, dem glaube ich nicht. Und Vorbildern eifert man nach, sei es bewusst oder unbewusst. Ob man jemals herankommt, ist eine ganz andere Frage. Aber solange man nicht 1:1 abschreibt, dann führt das "Nacheifern" ganz natürlich zur eigenen Stimme. Glaube ich.


_________________
25. Mai 2017 - Kim Henry "Be Mine Forever"
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Gast







Beitrag10.02.2010 14:24

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo Tamar,

ich sehe das ähnlich wie Projekt, wenn ich auch in meinen Vorlieben selbst nicht gar so strikt bin. Aber es stimmt schon, man hat so seine Orientierungspunkte, das, was einem sprachlich und inhaltlich am Ehesten zusagt. Diese Einflüsse gepaart damit, wie sich die eigene Sprache einschleift (eben durch vermehrtes Schreiben), das ist es auch in meinen Augen, was die eigene literarische Stimme ergibt.

Im Übrigen sehe ich allerdings keinen Grund, sich strikt auf ein einziges Genre zu beschränken, wenn man das nicht aus innerem Antrieb möchte. Es gibt Geschichten, die erzählt werden wollen, punktum. Die sind einfach da, im Kopf. Ich persönlich fühle mich eigentlich im Krimi zuhause, habe da allerdings auch eine Idee, die eher in der Fantasy-Ecke angesiedelt ist. Zumindest wüsste ich nicht, wie man das sonst bezeichnen soll. wink Daran schreibe ich nur sporadisch, aber ich habe festgestellt, dass meine Sprache automatisch ein wenig bildhafter wird, wenn ich meine angestammte literarische Ecke in Richtung Fantasy verlasse. Dennoch entspricht dieser Text mir, verstellen muss ich mich dafür nicht. Aber wenn's läuft, dann läuft auch das einfach so - ohne schmerzhafte Gehirnverrenkungen. Und bei Kurzgeschichten kann ich mich zum Beispiel gar nicht festlegen - da gibt es auf meiner Festplatte einen unheimlichen Genre-Mix, teilweise auch sprachlich so unterschiedlich, dass wohl nur meine allereifrigsten Leser erkennen würden, dass dieser Text aus meiner Feder stammt. Was fällt dir leicht, was macht dir Spaß, bei welchen Sachen bist du selbst mit dem Ergebnis zufrieden? Das sollte dann deine literarische Stimme sein. Die sich jederzeit weiter- oder in eine etwas andere Richtung entwickeln kann, natürlich.

LG

Soraya
Nach oben
Angst
Geschlecht:männlichScheinheiliger
A

Alter: 33
Beiträge: 1571



A
Beitrag10.02.2010 15:02

von Angst
Antworten mit Zitat

Hallo,

Ich glaube, du hast einen sehr ausgeprägten inneren Kritiker. Als ich mit dem Schreiben anfing, erging es mir ähnlich. Ich konnte kaum einen ersten Satz schreiben, schon war ich unzufrieden mit ihm. Meine Lösung war: Schreiben, einfach schreiben. Meine ersten Gehversuche waren kläglich, aber ich habe aus ihnen gelernt. Ausserdem hab ich angefangen, Bücher und Gedichte zu lesen. Ich fand literarische Vorbilder, ohne nach ihnen gesucht zu haben. „So müsste ich schreiben!“, hab ich mir gedacht. Mit der Zeit wusste ich, was ich cool und was ich doof fand. Mein Schreiben hab ich diesen Vorlieben angepasst. Seither hab ich mir nie wieder grundlegende Stilfragen (poetisch oder wissenschaftlich, kriminalistisch oder romantisch?) gestellt. Ich habe einfach geschrieben, wie ich es für richtig fand. Bisher habe ich nur Perspektiven von Figuren gewählt, die problemlos ich sein könnten. Aber natürlich bin auch ich noch auf der Suche nach meinem eigenen Stil.

Trotzdem, mein ganz persönlicher Tipp: Probieren geht über studieren!

Liebe Grüsse,
Scheinheilige


_________________
»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
nyanya
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
N


Beiträge: 21



N
Beitrag10.02.2010 18:06

von nyanya
Antworten mit Zitat

Ich denke, dass sich ein eigener Stil automatisch herauskristallisiert, wenn man (viel) schreibt. Sich einen Stil zulegen ist meiner Meinung nach kein bewusster Prozess, sondern ein ewiges Ausprobieren.
Mit Kleidung ist es ja ähnlich - wenn man versucht sich einem Stil voll anzupassen, geht der Schuss meist nach hinten los und es beginnt aufgesetzt und "gewollt" zu wirken.
Finde einfach heraus, was dir gefällt und schrecke nicht davor zurück, verschiedene Elemente zu kombinieren, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheinen - manchmal passt es dann doch besser, als man denkt.

Außerdem ist es mit dem Stil ja nicht so, dass man ihn irgendwann hat und dann bleibt er wie er ist. Stil entwickelt sich weiter, verändert sich ständig.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
femme-fatale233
Geschlecht:weiblichFüßchen

Alter: 31
Beiträge: 1913
Wohnort: München
Das Bronzene Pfand


Beitrag10.02.2010 18:55

von femme-fatale233
Antworten mit Zitat

Hallo Tamar!
Ich denke, um den eigenen Stil finden zu können, braucht das viel Zeit und Geduld, aber vor allem Freude am experimentieren. Wenn du merkst, dass es dir leicht fällt, in eine bestimmte Richtung zu gehen, und es dir Spaß macht, den Text hinterher zu lesen, dann hast du etwas gefunden, was zu dir passt. Aber Achtung: Versteif dich nicht zu sehr darauf, denn sonst wird es sowohl für den Schreiber als auch den Leser irgendwann eintönig. (Bestes Beispiel: Rosamunde Pilcher: Jeden Sonntagabend kann sich die deutsche Frau ein seichtes Kitschfilmchen ansehen, bei dem entweder a) jemand stirbt und es Streit um die Erbschaft gibt oder b) jemand unheilbar krank ist oder c) sich ein altes Liebespaar wieder trifft und sich erneut verliebt oder d) der Sohn einer reichen Familie gegen seine Eltern rebelliert, weil diese seine Freundin nicht akzeptieren. Das ist immer wieder das Gleiche und auf die Dauer langweilt es... Es ist nicht schlimm, wenn du sagst, du schreibst nur Texte aus einem bestimmten Genre, aber in dem Moment, in dem sie vorhersehbar werden, hast du ein Problem)

Liebe Grüße,
Caro
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tamar
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 123



Beitrag10.02.2010 19:10

von Tamar
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hey, und vielen Dank für die vielen Antworten. Ihr habt mir definitiv etwas zum Nachdenken gegeben.
Zur Frage, ob ich den Schreibstil oder das Genre meine. Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich glaube schon, Beides. Weil ja auch das eine mit dem anderen zusammenhängt. Nemo hat das gut zusammengefasst, dass ein bestimmter Stil ein bestimmtes Gefühl hinterlässt, und deswegen für ein Genre besonders geeignet ist.

Scheinheilige: mit dem inneren Kritiker hast du bestimmt recht. Ich hab das Gefühl, ich müsste mich jetzt irgendwie auf ein Genre festlegen, und dürfte nie mehr was anderes machen. Sowas ist sicher Blödsinn. Aber du hast auch geschrieben, dass man durch Lesen anderer Vorbilder Inspiration und Vorbilder bekommt. Ähm, ja, genau das ist ja mein Problem. Ich lese gerade die Tagebücher der Anais nin, die sich intensiv mit dem Unterbewussten und der Psyche eines Menschen befassen und mit der Einsamkeit. Und danach kam mir mein eigenes Geschreibsel vor wie der erbärmlichste Versuch, Buchstaben aneinander zu reihen. Gleichzeitig weiß ich aber, dass dieser Stil für das Krimigenre null passt, und außerdem ich diesen Stil bei anderen zwar bewundere, für mich selbst aber zu schwülstig und neurotisch ist.
Auf der anderen Seite möchte ich tiefe Charaktere haben, und keine Platten. Femme fatale hat das Beispiel von Rosamunde Pilcher genannt, wo man nach fünf Minuten schon weiß, was passieren wird, und wie das Buch ausgeht. Und ich weiß nicht, wie ich das am Besten umsetzen kann.
Hmm, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass mein Problem, dass ich für "einzigartig" gehalten hab, wohl jeden mehr oder weniger betrifft. Und dass ich einfach noch viel zu lernen habe, bevor ich weiß, wie meine literarische Stimme klingen sollte.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
DasProjekt
Geschlecht:weiblichExposéadler


Beiträge: 2898
Wohnort: Ørbæk, Nyborg, Dänemark


Beitrag10.02.2010 19:17

von DasProjekt
Antworten mit Zitat

Tiefe Figuren sind nicht schwer zu erschreiben - alles, was sie dazu brauchen, ist ordentlich viel Vergangenheit und die Fähigkeit, diese zu reflektieren und nicht abzuwürgen. Flache Figuren kranken meist an entweder gar keiner oder einer allzu 08/15 Vergangenheit.
Wer keine Vergangenheit hat - woher soll der eine Motivation nehmen?  Wink


_________________
25. Mai 2017 - Kim Henry "Be Mine Forever"
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Angst
Geschlecht:männlichScheinheiliger
A

Alter: 33
Beiträge: 1571



A
Beitrag10.02.2010 19:48

von Angst
Antworten mit Zitat

Hey,

Lass dich bloss nicht von deinen Vorbildern einschüchtern! Vorbilder sind Anhaltspunkte, keine Götter. Hüte dich also lieber davor, deinen Stil auf Biegen und Brechen mit anderen zu vergleichen.

Tamar hat Folgendes geschrieben:
Ich hab das Gefühl, ich müsste mich jetzt irgendwie auf ein Genre festlegen, und dürfte nie mehr was anderes machen.

Das musst du natürlich nicht, trotzdem kann ich das Gefühl sehr gut nachvollziehen. Ich habe dieser – ehm – „Angst vor einer festen Bindung“ entgegengewirkt, indem ich bisher nur Kurzgeschichten und kurze Geschichten geschrieben habe. Projekte also, die nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. So konnte ich mit verschiedenen Ideen und Stilen experimentieren, ohne befürchten zu müssen, mich in einem riesigen Roman hoffnungslos und unbefriedigt zu verheddern. Das ist zumindest mein Lösungsansatz, vielleicht kannst du ja was damit anfangen :)

Liebe Grüsse,
Scheinheilige


_________________
»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Gast







Beitrag10.02.2010 21:51
Re: die eigene Literarische Sprache und Identität
von Gast
Antworten mit Zitat

Tamar hat Folgendes geschrieben:
Also spielt er die ersten zwei Zeilen einer Ballade, wechselt dann zu einem Metalsolo, was auf einer Akkustikgitarre sowieso nicht richtig klingt, dann versucht er, argentinischen Tango einzubauen- und am Schluss schmeißt er das Instrument in die Ecke, weils sich einfach nur grausig anhört.

Sehr gute Beschreibung.  Smile Ich denke, das Problem der meisten ist dasselbe: daß sie nämlich am Anfang alles mögliche kopieren, aber nicht genau wissen, was sie wollen. Andererseits kann man kaum etwas tun als zu kopieren, wenn man noch am Anfang steht, sonst lernt man nicht zu unterscheiden, was einem liegt und was nicht. Wie überall macht Übung den Meister.

Oftmals stellt man auch zu hohe Ansprüche an sich oder läßt sich von dummen Vorurteilen beeinflussen, wie z.B. daß eine Beschreibung von Schnee "Kitsch" ist. Erstens ist Kitsch nichts Schlechtes, das muß man erst mal können, und dann: Was ist "Kitsch" überhaupt? Ebenso ist es mit allen anderen Kategorisierungen. Weiß irgend jemand wirklich, was "anspruchsvoll" ist? Wenn ich mir so die Beurteilungen verschiedenster Bücher anhöre und anschaue, kaum. Da werden die banalsten Texte als "hohe" Literatur bezeichnet, während gewisse Genres (Liebesromane, Krimis, Fantasy, was weiß ich) automatisch "Kitsch" und "billig" und "anspruchslos" sind.

Vielleicht liegt auch darin ein Problem, seine eigene Stimme zu finden: daß die Kategorisierungen so ungenau und willkürlich sind und einer genaueren Prüfung in keiner Weise standhalten.
Nach oben
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Selbsthilfe -> Eure Gewohnheiten, Schreibhemmung, Verwirrung
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Formsache und Manuskript / Software und Hilfsmittel
Satzzeichen vor und nach kursivem Wor...
von Golovin
Golovin Formsache und Manuskript / Software und Hilfsmittel 12 27.04.2024 13:45 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Hallo Welt! sagte die schreibende Tig...
von Tigerlilie
Tigerlilie Roter Teppich & Check-In 8 26.04.2024 16:33 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Agenten, Verlage und Verleger
Nur mal in die Runde gefragt
von Alfred Wallon
Alfred Wallon Agenten, Verlage und Verleger 8 26.04.2024 13:01 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtschreibung, Grammatik & Co
Semikolon und Apostroph
von Golovin
Golovin Rechtschreibung, Grammatik & Co 13 25.04.2024 22:56 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Profession Schriftsteller (Leid und Lust)
freie Lektoren und Testleser
von Colina
Colina Profession Schriftsteller (Leid und Lust) 22 23.04.2024 22:41 Letzten Beitrag anzeigen

BuchBuchBuchBuchBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von Mr. Curiosity

von MT

von DasProjekt

von Pütchen

von Heidi Christina Jaax

von Franziska

von Gefühlsgier

von Boro

von silke-k-weiler

von holg

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!