Übungstext: Lügner

[Mistaya]

So, dann bin ich mal mutig und stelle als Erste meine Geschichte hier ein.

Sie hat zwar etwas mehr als 600 Wörter (genau 625), aber ich hoffe, das geht noch durch.  

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Der Raum sieht aus, als wäre ein Wirbelsturm hindurchgefegt. Kleidung, zerbrochenes Glas, Papier und Bücher liegen verstreut auf dem Boden.
Schuldbewusst schaut sie ihn an. Seine Augen verengen sich zu Schlitzen während er auf eine Antwort wartet.
Stille.
„Lügner“, flüstert er.
Ruckartig hebt sie den Kopf und sieht ihn fassungslos an: „Wen meinst du?“ stößt sie atemlos hervor.
„Torsten natürlich – so ein Mistkerl!“ Mit diesen Worten wirbelt er herum und stürmt aus der Wohnung.

Ihre erste gemeinsame Wohnung! Seit einer Woche wohnen sie hier, zusammengezogen, nachdem sie sich gerade mal zwölf Tage kannten! Aber es war die große Liebe – ist es doch immer noch, oder nicht?
Tina ist sich nicht mehr sicher. Dieser Auftritt eben ... .

Dabei hatte alles so schön begonnen – Tinas Gedanken fliegen zurück.
Es war ein regnerischer, ungemütlicher Tag gewesen und sie hatte noch endlos viele Besorgungen zu machen! Natürlich war sie pudelnass geworden und hatte eine Laune, in der ihr andere Leute besser aus dem Weg gingen. Als endlich alles erledigt war, beschloss sie, sich zur Belohnung einen Besuch in ihrem Lieblingscafé zu gönnen. Und da war es dann passiert.
Schon beim Hereinkommen war ihr Markus aufgefallen. Nicht, dass er so ein Model-Typ wäre: Groß, breitschultrig, durchgestylt.
Nein, eigentlich ist er eher ein unscheinbarer Mann, aber diese Augen! Und der Blick, den er ihr zugeworfen hatte!
Danach war alles ganz schnell gegangen. Nie hatte sie gedacht, dass es so etwas geben könnte. Liebe auf den ersten Blick? Einfach lachhaft! Aber es gab sie wirklich! Nur – konnte es sein, dass sie auch ebenso schnell wieder vorbei war?

Tinas Gedanken wenden sich wieder der Gegenwart zu. Was hatte Markus eben gesagt? Torsten? Welcher Torsten? Und warum war er ein Mistkerl?
Der einzige Torsten, den sie kennt, arbeitet in der Nachbarabteilung ihrer Firma, ein ganz netter Kerl, aber mehr weiß sie von ihm eigentlich nicht. Außer, dass er tatsächlich so ein Typ wie aus den Hochglanzheften ist und sich ihre Kolleginnen seinetwegen reihenweise zum Narren machen. Naja, sollen sie, Tinas Typ ist er nicht.
Aber den kann Markus doch nicht meinen, oder?

Plötzlich hat sie eine Idee: Wenn er wirklich von diesem Torsten gesprochen hat, dann könnte Markus zum „Café Angst“ gegangen sein. Eigentlich heißt die Kneipe ja ganz anders, aber alle nennen sie so, weil sich dort die Fahrschüler vor ihrer Prüfung versammeln.
Bea, eine von Tinas Kolleginnen, hat erzählt, dass Torsten da öfter mal Billard spielt.

Als Tina etwas außer Atem in der Kneipe eintrifft, sieht sie die beiden Männer tatsächlich im Nebenzimmer am Billardtisch stehen.
Markus hat Torsten am Arm gepackt. Offensichtlich fasst er ziemlich heftig zu, denn Torstens Gesicht ist schmerzverzerrt. Aber da ist auch ein Ausdruck von Verblüffung in seinen Augen.
Markus schreit ihn an: „Und du hast mir gesagt, ihr seid bloß Arbeitskollegen, sonst nichts!“

Blitzartig begreift Tina. Sie zieht Markus am Ärmel und sagt mit einem liebevollen Grinsen: „Du Trottel! Los, komm mal mit!“
Markus dreht sich um. Im ersten Moment scheint er unsicher, ob er Tina folgen soll.
„Komm mir ja nicht in die Quere!“ raunzt er Torsten noch an, ehe er dann doch – etwas trotzig – die Kneipe verlässt.

Erst als sie wieder in dem verwüsteten Wohnzimmer stehen, spricht Tina ihn an: „So, du glaubst also, ich hätte was mit Torsten?! Ist ja nett, was du mir zutraust!“
„Ja, ..., aber, ..., ich dachte ...“ beginnt Markus zu stammeln, doch Tina unterbricht ihn: „Mensch, ich liebe dich doch! Dich und keinen Andern! So, und jetzt geh mal ins Schlafzimmer!“

Zögernd öffnet Markus die Tür. Welche Überraschung würde ihn da wohl erwarten?

Doch plötzlich löst sich seine ganze Anspannung in einem schallenden Gelächter, als er mitten auf dem großen Doppelbett einen kleinen, knuddeligen Beagle entdeckt, der mit seinen spitzen Zähnchen genüßlich einen von Tinas Pantoffeln zerrupft.