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Justadreamer Leseratte
J Alter: 26 Beiträge: 196 Wohnort: Bayern
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J 15.05.2020 11:52 Welt in Atem von Justadreamer
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Neue Version »
„Nun sag schon etwas, Rainer!“, rief ich zu ihm herüber.
Keine Antwort.
„Wenn du nicht weitermachst, werden wir in diesem Quartal noch schlechter dastehen als die Kollegen vom rechten Lungenflügel!“, bemerkte Herbert niedergeschlagen. „Und das so kurz vor meiner Rente.“
Herbert konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst haben, was uns erwartete. Rainer – das war klar – war schwer angeschlagen. Ich hatte es als erster bemerkt, da ich in unserem Lungenbläschen ihm direkt gegenüberlag. Auf seiner Membran war zuvor ein kaum sichtbares Wesen gelandet und hatte ihn gepikst. Da er nur abschätzig darüber gelacht hatte, wurde kein Aufhebens darum gemacht. Doch alsbald hörte er auf, sich um seinen Teil der Innenwand zu kümmern – das war nie seine Art gewesen. Bevor dies zu ernsten Problemen führen konnte, hatte Ulla kurzerhand dessen Aufgabe übernommen, da sie den meisten anderen mitotisch um Chromatidlänge voraus war.
„Was, wenn uns alle dieses Schicksal erwartet?“, rief dann auf einmal Rainers Zellnachbar. Angstvoll wölbte er seine Membran nach innen, um möglichst weit weg von Rainer zu sein. Karla, unsere Bronchialkorrespondentin, kam außerdem mit Neuigkeiten: „Die anderen Alveolen beklagen ebenfalls verheerende Verluste! Im Moment zählen wir siebzehn Betroffene – und das allein im linken Lungenflügel!“
„Recht so, weniger Konkurrenz!“, kamen mehrere Rufe aus dem oberen Bereich des Lungenbläschens.
„Wir sollten Vorräte zu den angeschlagenen Lungenbläschen entsenden!“, ereiferte sich eine junge Pneumozyte und fing an, Vesikel auszuspucken.
„Helfen? Wir sind doch selbst mitten in der Krise!“, schrie Herbert und plusterte sich auf. „Allein Rainers Ausfall zu kompensieren, kostet mich fast meine Existenz!“ Mit diesen Worten machte er sich daran, seine Vesikel zu horten.
„Ich bin mir sicher, dass wir das den Säcken vom rechten Lungenflügel zu verdanken haben!“, drang es von anderer Seite an meine Rezeptoren.
„Ruhe jetzt!“
Der Befehl kam von einem T-Helfer, der sich an die Wand unserer Lymphkapillare gepresst hatte. Wir werden in Kürze die Fresszellen schicken, die Rainer abholen. Verhaltet euch ruhig – nach euren Berichten seid ihr selbst mit 45% der Arbeitskraft völlig atmungsaktiv. Und keine Sorge – Rainer hatte kurz vor der Infektion noch eine Zellteilung…“
„Nieder mit den Fresszellen“ und „Helfer! Pah! Ein Terror-Helfer ist das!“, waren noch die harmlosesten Reaktionen, die ich vernahm, während ich einen unserer flachen Pneumozyten säuberlich einölte. Wenigstens machten unsere sanften Riesen keine Probleme.
„Hättest du nur halb so viele Organellen wie dein Pneumo, würdest du nicht so einen Unsinn faseln!“, dröhnte einer.
„Ich wandere aus!“, schimpfte ein anderer.
Dicht neben mir drückte eine junge Pneumozyte ihre Membran schüchtern von rechts nach links. Ich kannte ihren Namen nicht, als sie zu sprechen begann: „Nun beruhigt euch doch… Wir sollten aufpassen, dass wir unsere Alveole nicht durch Panik zerstören. Und wenn die T-Helfer uns etwas Unmögliches abverlangen, können wir gemeinsam eine Lösung finden!“
Zustimmend wölbte ich mich in ihre Richtung, unterbrach meine Arbeit jedoch nicht. „Meist lohnt es sich, auf die leisesten Stimmen zu hören“, hielt ich fest. Mit neuem Interesse lauschte ich dem Stimmenchor im Alveolenraum.
„Im rechten Lungenflügel haben sie schon Antikörper!“
„Ich stech´ dir die Zellmembran durch!“
„Immer wenn ich nachdenke, jucken meine Mitochondrien – bin auch ich infiziert?“
Sie hatten sie nicht gehört.
Gerne würde ich eure Meinung dazu hören
Weitere Werke von Justadreamer:
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azareon35 Eselsohr
Beiträge: 292 Wohnort: Hessen
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15.05.2020 12:06
von azareon35
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Also, mich bringt es zum Lachen.
Was ich aber noch als verbesserungswürdig empfinde: der Text ist aus meiner Sicht zu sehr ein gesellschaftlicher Querschnitt. Am Anfang habe ich den Eindruck, wir als Leser betrachten eine Quartalssitzung einer Firma, dann scheint der Protagonist plötzlich auf der Straße zu stehen und sich die Vox Populi, also die öffentliche Meinung anzuhören. Für mich mindert es den Witz etwas ab.
Mein Vorschlag zur Verbesserung wäre, das Ganze als Quartalssitzung der einzelnen Organe zu schreiben, die dann in einem einzigen Chaos endet.
Hoffentlich konnte ich dir helfen.
Azareon
_________________ Nemo me impune lacessit.
"If you don't read my bleedin' text, you don't get to talk down about my bleedin' text!" |
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Justadreamer Leseratte
J Alter: 26 Beiträge: 196 Wohnort: Bayern
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J 15.05.2020 22:50 Neufassung , diesmal mit Organen von Justadreamer
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NEUE VERSION:
„REM-Phase eingeleitet – stabil. Erwarten Berichterstattung zum ersten Quartal!“, rief Herbert aus der oberen Etage herab.
„Nur weil dieser Hirni in der Zirbeldrüse die Hebel zieht, lassen wir uns noch lange nicht an der Nase herumführen!“, tönte es von den Arbeitern im Zwerchfell, die demonstrativ etwas langsamer kontrahierten.
„Jetzt haltet mal die Luft an, ich tu hier auch nur meinen Job!“, erwiderte Herbert gekränkt. „Nichts als Undank erntet man, wenn man Verantwortung übernimmt...“
Um nichts in der Welt wollte ich diese Quartalsbesprechung verpassen. Als ich vor fünf Tagen hier an der Bronchialrezeption angekommen war, hatte ich noch keine Ahnung, wie aufregend mein Aufenthalt werden würde. Wie staunte ich über die interessanten Charaktere, die in diesem Körper zusammengekommen waren - hatte ich doch bisher nur mit den ausgepumpten Arbeitern in der Lunge zu tun gehabt! In ihrem Feuereifer hatten sie mich so herzlich desinteressiert aufgenommen, wie ich es mir nur wünschen konnte. Den einzigen Mitarbeiter, der Alarm schlagen wollte, musste ich leider knebeln, doch er hatte sich gut in seine Rolle eingefunden. Und dieser Luftikus von einem Atmungskoordinator hatte ohnehin schon damit zu kämpfen gehabt, genügend Sauerstoff durch den neuen Oralvorhang zu schleusen. Wohl, um keinen Streik im Zwerchfell zu provozieren, schaltete sich die Großhirnzentrale wieder ein: „Aber, aber. Wer wird denn gleich ausfällig werden… Wie ihr alle wisst, findet heute die…
Bevor die Zentrale jedoch auch nur richtig beginnen konnte, registrierte ich einen Temperaturanstieg im Bauchraum:
„Oh weh! Oh weh! Ich leide bitt´ren Schmerz!
Seit Tagen, Wochen martert mich…“
„die Hysterie! Seit Tagen, Wochen martert dich rein Garnichts! Von wegen, etwas wäre dir über den Buckel gelaufen! Man kann nur hoffen, dass dir deine Zirrhose bald über dein loses Mundwerk wächst!“, giftete Bernd aus der Gallenblase den Sprecher der Leber-Partei an.
„Nun lasst doch die Stimme der Vernunft sprechen!“, versuchte Herbert, sich einzuschalten, doch wurde unwirsch vom Zwerchfell-Sprecher unterbrochen:
„Ihr da oben habt leicht, reden – während hier unten alles im Chaos versumpft! Und wir müssen den Karren wieder aus dem Dreck ziehen…“
„Das kennen wir ja; große Muckis, aber wenn´s ums sauber machen geht, stellt man sich taub und blind!“, meldete sich Heiner aus der rechten Niere zu Wort.
„Genau! Und für Sauberkeit sorgt ihr auch nicht!“, ergänze Rainer aus der linken Niere.
Mir wurde manchmal immer noch schwindelig, wenn ich diesem Stimmenchor lauschte. Während Leber und Galle meist in eine hitzige Debatte verstrickt waren, wer nun schlussendlich den mieseren Job hatte, polterte das Zwerchfell aufs Geratewohl in den Bauchraum. Heiner und Rainer würzten das Tohuwabohu, indem sie die anderen mit spitzen Bemerkungen von der Seite anredeten – und das war nur der Anfang.
„Silentium! Herbert – erhöhe Melatoninspiegel.“
Eifrig kam dieser dem Befehl der Großhirnzentrale nach. Beinahe augenblicklich wurden die wild durcheinander geführten Gespräche beendet.
„Wie ihr alle wisst“, fuhr die Zentrale fort, „gilt unsere Größte Sorge in diesem Quartal dem Respirationsapparat. Nachdem das Zwerchfell trotz mangelnder Affektkontrolle völlige Funktionsfähigkeit demonstrieren konnte, möchten wir den Bronchialkorrespondenten um den Status quo der Lungengesundheit bitten.“
„…“
„Den Bronchialkorrespondenten!“ Der Zentrale schien die Geduld auszugehen. Ich erinnerte mich an den Mitarbeiter, den ich aus Notwehr knebeln musste…
Ich räusperte mich: „Hier in der Lunge läuft alles nach Plan.“
- So, ich melde mich mit einer Neufassung Da die ganze Geschichte, man ahnt es, natürlich tagesaktuellen Bezug hat, hier eine Schilderung der ersten Körper-Quartalsbesprechung 2020 mit einem ungebetenen Gast. Ich würde mich über Meinungen freuen, welche Geschichte ihr lieber lesen wollt
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Justadreamer Leseratte
J Alter: 26 Beiträge: 196 Wohnort: Bayern
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51MONSTER2 Wortedrechsler
Alter: 33 Beiträge: 89 Wohnort: Limburg
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20.05.2020 11:51
von 51MONSTER2
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Hallo Justadreamer,
mir gefällt die zweite Version deutlich besser. Du hast viele lustige Organ-Wortwitze untergebracht (mein persönlicher Favorit war die "Leber Partei" ), die so gelungen waren, dass mir die Handlung fast egal war.
Wenn du für eine ähnliche große Umstrukturierung offen bist, würde mich die Vorgeschichte interessieren - also wie das Virus den Körper infiziert hat, sich an den Organen vorbeigemogelt und den "Wachmann" ausgeschaltet hat. Ich denke, das würde eine interessantere Handlung hergeben und gleichzeitig das Potenzial für die vielen tollen Wortwitze erhalten.
Wenn du das nicht möchtest - was ich verstehen könnte -, würde ich es begrüßen, mehr aus der Perspektive des Virus' zu hören. So, wie es aktuell ist, war es für mich mehr eine Erinnerung daran, dass es eigentlich ein ich-Erzähler ist. Und ein paar Unsauberkeiten würde ich noch glattschleifen:
Zitat: | Wie ihr alle wisst, findet heute die… |
Keine abschließenden Anführungsstriche.
Entweder Großschreibung oder ... zu Anfang.
Zitat: | „gilt unsere Größte Sorge |
Klein geschrieben.
Aber detailliertes Feedback spare ich mir dann für eine "endgültige" Fassung auf Deine Offenheit, die Geschichte so grundlegend umzugestalten, lässt mich vermuten, dass sich das im Moment noch nicht lohnen würde.
_________________ simonsterz.com |
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Justadreamer Leseratte
J Alter: 26 Beiträge: 196 Wohnort: Bayern
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J 25.05.2020 11:07
von Justadreamer
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Hallo Simon,
da diese Geschichte als Bewerbung für eine kl. Zeitschrift gedacht war, habe ich Sie nach ein paar kleinern weiteren Änderungen so belassen, wie sie ist. Die Änderungen, die du angemerkt hast (und einige Fehler mehr) habe ich beseitigt bzw. vorgenommen.
Ich habe mich allerdings an deinen Tipp gehalten und die zweite Version verwendet Obwohl die erste ein deutliches Mehr an Recherche benötigte, war gerade das für manche anscheinend ein negativer Aspekt - ich habe vor der Veröffentlichung hier auch schon einige Fachbegriffe getilgt.
Zitat: | Du hast viele lustige Organ-Wortwitze untergebracht (mein persönlicher Favorit war die "Leber Partei" Laughing ), die so gelungen waren, dass mir die Handlung fast egal war. |
Sowas scheint nie alt zu werden
Eine Version, die vielleicht noch lohnend wäre, wäre die Perspektive des Virus innerhalb eines Lungenbläschens (wie in Geschichte 1) zu schildern. Hier könnte man natürlich auch deinen Vorschlag mit dem Infektionsvorgang mit einbauen. Ich werde das mal im Hinterkopf behalten, bin für´s erste jedoch mit zwei (ohnehin schon sehr unterschiedlichen) Versionen am Ende meiner Arbeit Vielen Dank für dein Feedback!
Liebe Grüße
Justadreamer
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